Zerberus Müller - Ungeliebt, verraten und vergessen (eBook)

Ein Franken-Krimi
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
310 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-6505-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zerberus Müller - Ungeliebt, verraten und vergessen -  Bettina Bäumert
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Im September 1989 verlassen Kevin Fischer und seine Frau ohne ihre Kinder die DDR. Jahrzehnte später, alleine und schwer krank möchte sich Kevin Fischer mit seiner Familie aussöhnen. Er bittet Zerberus Müller, seine Kinder und seine Ex-Frau zu suchen. Zeitgleich wird in Bamberg eine reiche Frau tot in ihrem Bett aufgefunden. Da die Dame bis dato gesund war und Hauptkommissar Roland Geiger die Familie persönlich kennt, soll sich Zerberus Müller auf dem Anwesen etwas umsehen. Kurz darauf hat Zerberus Müller Fragen: Wer ist die tote Frau wirklich? Was spielte sich in Wahrheit hinter den Mauern eines reichen Anwesens unterhalb der Altenburg von Bamberg ab? Und wer war Jan Starke, ehemaliger Freund und Kollege von Roland Geiger? Und zu allem Überfluss muss er auch noch Kinder finden, die keine Kinder mehr waren. "Jetzt, da seine Zeit so gut wie abgelaufen ist, wird ihm bewusst, wie kurz das Leben ist, und dass niemand ewig lebt. Deshalb möchte er begangene Fehler wieder gutmachen. Er denkt, indem er seinen Kindern ihr Erbe sichert, kann er einen Teil seiner Schuld begleichen." Zerberus sah Hund an. "Heißt im Klartext, bevor er das Jenseits betritt, will er Vergebung für seine Sünden."

Bettina Bäumert, Jahrgang 1959, arbeitete vierzig Jahre als Kinderkrankenschwester. Mit ihren Mann und ihrer Mutter lebt sie in Strullendorf bei Bamberg. Ihr erstes Buch 'Ich bin Ich' aus dem Jahre 2013 ist die Schilderung des Lebens eines behinderten Kindes mit seiner Familie, geschrieben aus der Sicht des Kindes. Dieses Buch war ursprünglich nur für seine Großeltern gedacht. Danach folgten weitere Bücher und Kurzgeschichten.

Prolog

Mutti kommt nicht wieder.

Sie lächelte. So glücklich und so gut hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Nach so vielen Jahren wendete sich das Blatt endlich zum Guten.

In dem Moment, in dem sie das Auto auf sich zurasen sah, wusste sie, dass es vorbei war. Kurz bevor sie vom Wagen erfasst und durch die Luft geschleudert wurde, sah sie in die weit aufgerissenen Augen des Unglücksfahrers.

‚Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist. Du bist ...‘, schoss es ihr durch den Kopf, bevor sie hart auf dem Boden aufschlug und bewusstlos liegen blieb.

Sie öffnete ihre Augen. War sie tot? Sie hatte keine Schmerzen. Nach einem derartigen Sturz müsste sie doch jetzt fürchterliche Schmerzen haben. Aber sie hatte keine, nichts tat ihr weh. Im Gegenteil, sie fühlte sich schwerelos und leicht. Und sie schwebte direkt in ein warmes, wohltuendes Licht.

‚Ich bin tot. So fühlt es sich also an, wenn man stirbt‘, dachte sie, bevor sie die Augen schloss und sich treiben ließ.

Für einen Moment war sie verwirrt. Hatte sie geschlafen? Hatte sie geträumt? Da waren Stimmen. Weit entfernt, aber eindringlich und aufgeregt. Was gesprochen wurde, konnte sie nicht verstehen. Und sie wollte auch nichts verstehen. Sie wollte hierbleiben. Sie wollte ins Licht.

Aber die sanfte Berührung und die mitfühlenden Worte hielten sie zurück. Sie öffnete schwerfällig ihre Augen. Einen Moment sah sie den Mann, der neben ihr kniete und sie ernst und besorgt ansah, benommen an. Gleich darauf schnappte sie nach Luft. Jetzt war er da. Der Schmerz, der sich in Windeseile in jeder Faser ihres Körpers ausbreitete und sich in ihrem Gehirn einbrannte. Ein Schmerz, der ihr die Luft zum Atmen nahm.

Nein, sie war definitiv nicht tot. Sie lebte.

Jetzt schrie sie. Sie kreischte, weil sie leben wollte. Sie schrie, weil sie unerträgliche Schmerzen hatte. Sie wimmerte vor Angst. Denn sie sah ihn, den alten, freundlich lächelnden und vital wirkenden Mann, der wartend neben ihr stand und von dem sie wusste, dass er von niemand anderen gesehen wurde. Dessen Anwesenheit dem mitfühlenden Arzt, der unverändert neben ihr kniete und beruhigend auf sie einredete, jedoch durchaus bewusst war.

Sie wusste, wer er war. Sie kannte den Namen des weißhaarigen Mannes. Die Menschen nannten ihn Tod.

Er ging neben ihr in die Hocke. Dabei legte er aufmunternd lächelnd eine Hand auf ihre Stirn. Und mit einem Male verstand sie die Worte des Arztes.

„Ruhig. Ganz ruhig. Strengen Sie sich nicht an. Sie können nicht sprechen. Alles wird gut. Alles wird gut. Ich gebe Ihnen eine Spritze, dann ...“

Mehr hörte sie nicht. Sie sank in einen wohltuenden Schlaf ohne Schmerzen.

Jetzt träumte sie.

Sie war wieder ein kleines Mädchen, das lachend in Pfützen hüpfte und sich freute, wenn das Wasser in alle Richtungen spritzte. Und sie war ein Schulkind, das glücklich ihre Zuckertüte an sich presste und mit ihren Freundinnen im Schulhof Gummihopse spielte. Dann, endlich, war er da. Der wichtigste Tag im Leben eines Jugendlichen des Ostens. Der Tag, der das Ende ihrer Jugend und den Eintritt ins Erwachsenenalter einläutete. Ihre Jugendweihe. Noch heute lächelte sie, dachte sie an die bewundernden Blicke ihrer jüngeren Brüder, als sie bei der Feierlichkeit ihre Urkunde und die Glückwünsche in Empfang nahm. Der für sie wertvollste Moment war allerdings, als sie von ihren Eltern stolz in die Arme genommen wurde.

Nur eines hatte sie damals nicht geahnt. Wie schnell sie erwachsen sein musste, und dass sie von heute auf morgen die Verantwortung für ihre jüngeren Brüder alleine tragen musste. Nein, damit hatte sie nicht gerechnet.

September 1989

Sie war sechzehn Jahre alt, schleppte zwei Einkaufstüten und lächelte glücklich. Ihre bis zum Rand mit Äpfeln und Gemüse gefüllten Taschen waren keine Last.

„Da kannst du einen Apfelkuchen backen“, hatte ihre Chefin lächelnd geäußert. „Den isst dein kleiner Bruder doch so gerne, nicht wahr?“ Und dann hatte sie noch eine kleine Tüte extra gefüllt. „Hier, damit er auch etwas nach Hause tragen kann“, hatte sie dabei gutmütig gemurmelt.

Zugegeben, manche Äpfel waren angefault und das Gemüse war auch nicht mehr taufrisch. Trotz allem konnte sie aus dem Obst nicht nur einen Kuchen backen. Die Äpfel reichten zudem noch für mindestens zwei Gläser Apfelmus. Und aus dem Gemüse würde sie einen leckeren Auflauf machen.

Sie sah ihren kleinen Bruder liebevoll an. Der Fünfjährige humpelte aufgeregt neben ihr her. Und er schleppte voller Stolz und ganz alleine seine schwere Last nach Hause.

„Apfelkuchen ist voll lecker“, plauderte er auf dem Weg in die obere Etage eines grauen Wohnblocks.

Ihr Bruder litt an einer spastischen Bewegungsstörung. Manchmal ging es ihm ganz gut. Dann zog er sein Bein auch nur leicht nach. Aber heute? Schon am Morgen waren seine Bewegungen unkontrolliert und fahrig. Jetzt, da sie fast zu Hause waren, verschlimmerte sich sein Hinken immer mehr. Was sie auf seine Vorfreude schob. Schließlich hatte sie schon heute Morgen angedeutet, dass sie am Abend Apfelkuchen backen würde.

Sie stellte ihre Schätze in der Küche ab. Wie jeden Dienstag waren sie und ihr kleiner Bruder die Ersten, die nach Hause kamen. An diesem einen Tag in der Woche musste ihre Mutter länger arbeiten. Und Vater würde nicht vor dem Abend von seiner Schicht kommen. Sie lächelte. Ihr vierzehnjähriger Bruder schlug mit Sicherheit und wie gehabt erst pünktlich zum Abendessen hier auf.

In ihrer Vorfreude auf den Apfelkuchen, den sie für ihre Familie backen wollte, schmunzelte sie glücklich. Sie lächelte auch noch, als sie die Notiz auf dem Küchentisch neben der Tafel Schokolade sah. Und dann ...

„Mutti kommt nicht mehr wieder“, flüsterte ihr kleiner Bruder. „Nie mehr wieder.“

Mit einem Schlag brach ihre Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Was auf dem Zettel stand konnte und wollte sie nicht begreifen. Mit der Notiz in der Hand ließ sie sich schwermütig auf einen Stuhl sinken. Dabei sah sie in die weit geöffneten Augen ihres kleinen Bruders und sie erkannte darin ein Wissen, eine Erkenntnis, für die er noch viel zu jung war. Als sie das Schreiben zurück auf den Tisch legte, zitterten ihre Hände.

„Mutti kommt nicht mehr wieder“, wisperte ihr kleiner Bruder erneut.

Sie nahm ihn in die Arme, damit er ihre Tränen nicht sehen konnte. Nein, ihre Eltern kamen nicht wieder. Oder vielleicht doch?

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und sie und ihre Brüder hofften lange Zeit. Sie waren überzeugt, ihre Eltern würden eines Tages mit Geschenken vor der Tür stehen. Und dann würden sie ihre Kinder zu sich holen. In den Westen. In ein freies Land.

Aber dem war nicht so.

Ihre Eltern hatten diese Reise von langer Hand geplant. Das wurde ihnen langsam aber sicher klar. Ihre Mutter wollte schon immer in den Westen. Das war kein Geheimnis. Und jetzt war die Grenze nach Ungarn offen. Ihre Eltern hatten Urlaub genommen. Und sie hatten nie vor, ihre Kinder in den Westen mitzunehmen.

Die drei wurden Meister der Täuschung. Am Anfang war es leicht, ihrem Umfeld eine heile Welt vorzuspielen. Sie fielen nicht auf. Aber so besonnen und so vorsichtig sie auch waren, einer aus der Nachbarschaft bemerkte doch, dass sie alleine und ohne Eltern waren.

Die Behörden wurden informiert. Und ehe sich die drei versahen, fanden sie sich im Hilde Coppi Heim von Schleusingen wieder. Vorübergehend. So wurde ihnen gesagt. Und nur so lange, bis Angehörige ausfindig gemacht wurden, die sie aufnehmen würden.

Dieses Glück, von einem Verwandten aufgenommen zu werden, hatte nur der Vierzehnjährige. Er wurde von einem Onkel, einem kinderlosen Geschäftsmann zu sich geholt. Der Junge war schließlich groß, kräftig und lernfähig. Somit eine Bereicherung für sein aufstrebendes Unternehmen.

Dagegen hatte ihr jüngster Bruder weit weniger Glück. Sein Hinken verschlimmerte sich. Ihn, einen kleinen Krüppel, in dessen Augen ein so seltsames Wissen lag, wollte niemand zu sich nehmen. Und als das Heim in Schleusingen geschlossen wurde, kam er in ein anderes Kinderheim.

Sie gab nie auf. Mit ihrem großen Bruder hielt sie weiterhin Kontakt. Der jetzt zwanzigjährige, wortkarge junge Mann besuchte seine Schwester regelmäßig.

Und ihr kleiner Bruder?

Er liebte seine Schwester. In ihr sah er die Mutter, die er nicht mehr hatte. Sie blieb bei ihm, so lange es ihr möglich war. Und sie beendete ihre Lehre. Danach bemühte sie sich um das Sorgerecht für ihren kleinen Bruder.

In Schleusingen wollte sie nicht bleiben. Hier waren die Erinnerungen an ihre Eltern und an den Verrat, den sie an ihren Kindern begangen hatten, viel zu stark.

Mittlerweile war sie zweiundzwanzig, hatte eine kleine Wohnung und eine sichere Arbeitsstelle. Und obwohl die Mühlen der Behörden langsam mahlten, war es endlich so weit. In wenigen Tagen konnte sie ihren kleinen Bruder zu sich...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2023
Reihe/Serie Zerberus Müller
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bamberg • Camping • Franken • Hund • Thüringen
ISBN-10 3-7578-6505-7 / 3757865057
ISBN-13 978-3-7578-6505-4 / 9783757865054
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