Jerry Cotton Sonder-Edition 203 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4476-8 (ISBN)
'Gentlemen', sagte Mr. High in tiefem Ernst zu den versammelten G-men, 'es handelt sich um Ihren Kollegen Jerry Cotton. Er geht heute den gefährlichsten Gang seines Lebens ...' Der Chef übertrieb nicht. Meine Lage war verzweifelt. New Yorks Presse zerriss mich in der Luft. Ich sollte den Tod unschuldiger Bürger verursacht haben. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung musste der FBI-Direktor mich beurlauben. Das alles war das Werk eines unglaublich brutalen und dabei hochintelligenten Verbrechers. Jetzt war er im Begriff, mir den Todesstoß zu versetzen. Seit wenigen Stunden befand sich meine Freundin Joanne in den Händen des Todfeinds - in den Händen von Mister Brutalo!
Mister Brutalo
»Gentlemen«, sagte Mr. High in tiefem Ernst zu den versammelten G-men, »es handelt sich um Ihren Kollegen Jerry Cotton. Er geht heute den gefährlichsten Gang seines Lebens ...« Der Chef übertrieb nicht. Meine Lage war verzweifelt. New Yorks Presse zerriss mich in der Luft. Ich sollte den Tod unschuldiger Bürger verursacht haben. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung musste der FBI-Direktor mich beurlauben. Das alles war das Werk eines unglaublich brutalen und dabei hochintelligenten Verbrechers. Jetzt war er im Begriff, mir den Todesstoß zu versetzen. Seit wenigen Stunden befand sich meine Freundin Joanne in den Händen des Todfeinds – in den Händen von Mister Brutalo!
1
Es stand nicht fest, dass er den Mann an diesem Abend töten würde. Es war lediglich eine Möglichkeit, die Jake Angiola in seine Überlegungen einbezog. Auch früher hatte er sich nie darauf festgenagelt, einen Job um jeden Preis durchzuziehen.
Die beschlagenen Fensterscheiben erlaubten keinen Blick auf den Bürgersteig. Zu sehen war nur ständig sich änderndes Licht, abwechselnd rötlich und weißlich, von Scheinwerfern und Heckleuchten vorbeirollender Autos. Das war der zweite Abend, an dem sich Angiola in dem überfüllten Schnellrestaurant aufhielt.
Von seinem Platz an der Theke hatte er den Eingang im Auge. Lärmende Stimmen umgaben ihn. Frittierfett brodelte in blankmetallenen Trögen. Backhitze strömte vom Pizzaofen herüber. Die Kleidung sog den Geruch von heißem Öl und Gewürzen auf.
Angiola kaute an einem pappigen Cheeseburger.
Als der Mann eintrat, erkannte er ihn sofort, obwohl er ihn noch nie getroffen hatte. Auch der Name war ihm unbekannt. Die Personenbeschreibung, die man ihm geliefert hatte, stimmte indessen hundertprozentig.
Der Mann trug einen grauen Straßenanzug, nicht besonders gepflegt. Seine Krawatte hing auf Halbmast, die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben. Das strohblonde Haar war ein unübersehbares Kennzeichen. Die Art, wie er sich auf die Theke zuschob und sich mit der Bedienung verständigte, zeigte, dass er hier Stammgast war.
Von dem, was gesprochen wurde, hörte Angiola nichts. Er saß am Ende der langen Theke, und der Lärm war groß. Aus den Handgriffen und Gesten der weißgeschürzten Frau ließ sich jedoch alles folgern, was für ihn wichtig war.
Der blonde Mann hatte eine Pizza zum Mitnehmen bestellt. Die Frau schob ihm einen Fruchtdrink hin, mit dem er die Wartezeit überbrücken wollte. Während er eine Zigarette anzündete und an dem beschlagenen Glas nippte, wechselte er keine Worte mit den Umstehenden. Sie kannten ihn nicht. Die Frau, die ihn bediente, und auch das übrige Personal hatten keine Zeit für ein Gespräch.
Jake Angiola verbuchte diese Punkte in seinen Gedanken leidenschaftslos. Es waren Pluspunkte, ausschlaggebend aber nicht. Einiges fehlte noch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der weitere Verlauf der Dinge wie erwartet eintrat, war groß. Doch es musste nicht heute Abend sein. Ebenso gut konnten alle günstigen Umstände erst morgen oder übermorgen zusammentreffen.
Auf eine besondere Ausrüstung hatte Angiola verzichten können. Nur den Vierkantschlüssel hatte er vorsorglich beschafft. Möglich, dass er ihn nicht einmal brauchte.
Der Mann rauchte seine Zigarette nicht ganz zu Ende. Er ließ das Dreiviertel volle Glas an seinem Platz stehen, schnippte dem Thekengirl mit Daumen und Zeigefinger zu und ging zu der Toilettentür am Ende des schlauchartigen Raums. Angiola wartete etwa zwei Minuten. Er schluckte den Rest seines Cheeseburgers herunter und spülte mit Coke nach. Dann steuerte er ebenfalls auf die Tür mit der Aufschrift Gents zu.
Er brauchte nicht mehr als eine Sekunde, um die Umgebung zu erfassen. Weiß gekachelte Sauberkeit. Geruch von Desinfektionsmitteln. Der Mann stand allein vor einem der Waschbecken, auf den Spiegel zu gebeugt. Wasser rauschte aus dem Hahn. Beim Eintreten ließ Angiola den Blick blitzschnell über die Reihe der Kabinentüren gleiten.
Zwischen den Waschbecken und den Türen der Toilettenkabinen bestand ein Zwischenraum von gut einem Yard Breite. Ganz hinten war der größere Raum. Der Mann blickte ihn durch den Spiegel an. Die Augen waren müde, hatten noch etwas berufsmäßig Prüfendes.
Angiola packte mit beiden Fäusten zu und erwischte die Schultern mit eisenhartem Griff. Ein kurzer Ruck zur Seite, dann ein Stoß. Der Kopf des Mannes knallte gegen die Fliesen neben dem Spiegel. Angiola spürte, wie der schwere, muskulöse Körper unter seinen Fäusten erlahmte.
Schnell genug erwischte er ihn unter den Achselhöhlen und schleifte ihn zu einer Kabine. Mit dem Ellenbogen drückte er die Tür auf, schob den Bewusstlosen auf den Deckel des Toilettenbeckens und verriegelte die Tür von innen. Angiola horchte, während er das linke Hosenbein hochzog und das Stahlrohr aus dem Lederfutteral zog, das er um die Wade geschnallt hatte. Jeden Moment konnte es mit der Einsamkeit zwischen den weißen Kacheln vorbei sein.
Angiola verlor keine Zeit. Er schlug viermal hintereinander zu. In jeden einzelnen Hieb legte er alle Muskelkraft, die er besaß. Der blonde Mann starb, ohne Todesangst gelitten zu haben. Aus der Bewusstlosigkeit versank er in das Dunkel, das schmerzlos und ewig war.
Nach dem vierten Hieb ging Angiolas Atem keuchend. Er richtete sich auf und starrte die Wunden an, die er seinem Opfer zugefügt hatte. Sekundenlang verharrte er so. Das Gefühl, das feurig lodernd in ihm aufstieg, hätte er nicht zu beschreiben vermocht. Es war übermächtig, versetzte seine Lippen und Wangenmuskeln in ein Zucken, und nur der Rest von Vernunft hinderte ihn daran, einen Schrei grenzenloser Entspannung auszustoßen.
Nach zwölf Jahren empfand er das zum ersten Mal wieder. Es brachte ihn fast um den Verstand.
Er zwang sich in die Wirklichkeit zurück, stieß das Stahlrohr ins Futteral, glättete sein Hosenbein und rückte den Toten auf dem Toilettensitz zurecht. Das Blut rann in die Kleidung des Mannes. Es würde eine Weile dauern, ehe es die Fußbodenfliesen erreichte. Angiola spürte, dass sein Opfer ein Schulterholster mit nach unten hängendem Revolvergriff trug. Er nahm es zur Kenntnis, ohne dass es ihn in Unruhe brachte.
Nach einem letzten prüfenden Blick verließ Angiola die Kabine und verriegelte die Tür von außen mit dem Vierkant. Das rote Schauzeichen ließ jetzt jeden annehmen, dass hier besetzt war.
Er ließ den Geruch des Desinfektionsmittels hinter sich und tauchte in den Lärm des Restaurants. Sein Platz war frei geblieben. Er bestellte einen Bourbon mit wenig Wasser. Während er den Drink in kleinen Schlucken genoss, suchten in kurzen Abständen drei Leute die Toilette auf. Angiola wartete, bis sie zurückgekehrt waren. Es gab kein Geschrei.
Als er nach dem Kassenzettel griff, um zu bezahlen, packte die Thekenfrau die dampfende Pizza ein, die der blonde Mann bestellt hatte. Sie schob das flache Paket auf den Platz zu, an dem er gesessen hatte.
Jake Angiola zahlte an der Kasse. Während er in die kühle Abendluft hinaustrat, lag in seinen Augen ein Glanz, den jeder Unwissende für ein Zeichen von Stolz gehalten hätte.
»Ich muss verrückt sein.« Joanne tippte mit dem Zeigefinger auf das Funkmikro, das in seiner Halterung auf der Mittelkonsole steckte. »Warum lasse ich mich mit einem Burschen ein, der mit so einem Apparat verheiratet ist? Wie oft habe ich es nun schon erlebt, dass dieses Teufelsding einen bei jeder unpassenden Gelegenheit stört! Ehrlich, ich rechne jede Sekunde damit, dass auch dieser Tag wieder geplatzt ist.«
Ich warf einen Blick in den Innenspiegel und sah sie dann von der Seite an. Joanne Rhodell, dunkelblond und schön. Sehr selbstsicher, mit einem unbeirrbaren Geschmack für ihre Kleidung. Innenarchitektin, neunundzwanzig Jahre alt. Wir kannten uns seit genau zweieinhalb Monaten.
»Scheint so, als liefe die Probezeit noch.« Ich lächelte. »Sag mir, ob ich mit der Kündigung zu rechnen habe.«
»Um Himmels willen, sieh mich nicht so an. Und stell nicht solche Fragen.«
Ich atmete tief durch. »Dann darf ich feststellen, dass mein Blick dich nach zweieinhalb Monaten noch immer schwach werden lässt.«
»Du bist größenwahnsinnig!«, rief Joanne lachend. »Ich flehe dich an, sieh nach vorn. Konzentriere dich auf die Straße. Das ist es, woran mir liegt.«
»Fantastisch«, brummte ich und gehorchte.
Über meinem roten Jaguar dehnte sich der Himmel strahlend blau. In der Luft lag eine Ahnung von Frühling. Der glatte Beton des Ocean Parkway glitt unter uns hinweg. Sattes Grün zu beiden Seiten und weiter rechts die flirrenden Sonnenreflexe auf der Weite des Atlantiks. James Beach State Park, Nassau County, Long Island. Um diese Jahreszeit traten sich hier die Leute noch nicht gegenseitig auf die Füße.
Ich lenkte den Jaguar auf einen Parkplatz am Rand des Highways. Nur knapp die Hälfte der von Platanen umsäumten Fläche war belegt. Blitzblanke Limousinen, die ausnahmslos New-York-City-Kennzeichen trugen, herausgeputzt für den kleinen Ausflug ins Frühlingswetter. Ich...
Erscheint lt. Verlag | 21.2.2023 |
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Reihe/Serie | Jerry Cotton Sonder-Edition |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-4476-2 / 3751744762 |
ISBN-13 | 978-3-7517-4476-8 / 9783751744768 |
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Größe: 772 KB
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