Der Flug der Störche (eBook)

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2023 | 1. Aufl. 2023
476 Seiten
beTHRILLED (Verlag)
978-3-7517-3770-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Flug der Störche - Jean-Christophe Grangé
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Eine Reise in die Abgründe des menschlichen Wesens.

Jedes Jahr im Frühling kehren die Störche aus Afrika zurück nach Europa. Doch in diesem Jahr bleibt die Rückkehr der Zugvögel aus. Der Ornithologe Max Böhm erteilt Louis Antioche den Auftrag, die Spur der vermissten Störche zu verfolgen. Kurz darauf wird Max Böhm tot aufgefunden - in einem Storchennest. Dennoch beginnt Louis Antioche mit seinen Nachforschungen und begibt sich auf eine Reise ins Grauen: Den Weg der Zugvögel pflastern bestialisch massakrierte Leichen ...

»Ein Roman mit Hochspannung - eine Reise am Rande der Angst.« LE FIGARO

Der Flug der Störche ist Grangés erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Top-Autor im Thriller-Genre. Grangés Romane erscheinen in mehr als dreißig Ländern und wurden fast alle mit prominenter Besetzung verfilmt. Weitere spannende Meisterwerke des Thriller-Genies bei beTHRILLED:

Der steinerne Kreis
Das Imperium der Wölfe
Das schwarze Blut
Das Herz der Hölle
Choral des Todes
Der Ursprung des Bösen
Die Wahrheit des Blutes
Purpurne Rache
Schwarzes Requiem

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.




<p>Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, war als freier Journalist für verschiedene internationale Zeitungen (<i><strong>Paris Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Pais, Spiegel, Stern</strong></i>) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Inuit, den Pygmäen und begleitete wochenlang die Tuareg. <i><strong>Der Flug der Störche</strong></i> war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im Genre des Thrillers. Jean-Christophe Grangés Markenzeichen ist Gänsehaut pur. Frankreichs Superstar ist inzwischen weltweit bekannt für unerträgliche Spannung, außergewöhnliche Stoffe und exotische Schauplätze. Viele seiner Thriller wurden verfilmt.<br></p>

2


Aseptisches Weiß, Klirren von Metall, schattenhafte Gestalten. Um drei Uhr morgens saß ich in dem kleinen Krankenhaus von Montreux und wartete. Die Türen der Notaufnahme öffneten und schlossen sich, Krankenschwestern eilten vorbei, Gesichter hinter Masken tauchten auf, gleichgültig gegenüber meiner Anwesenheit.

Der Wächter war in seinem künstlichen Dorf geblieben, er stand unter Schock. Ich war selbst nicht in Bestform; ich zitterte vor Kälte und war unfähig, klare Gedanken zu fassen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nie eine Leiche gesehen, und für das erste Mal war Böhm wahrlich kein erhebender Anblick. Die Störche hatten damit begonnen, seine Zunge und andere, tiefer liegende Teile des Schlundes zu verschlingen. Auf dem Unterleib und an den Seiten hatte man zahlreiche Wunden entdeckt: Risse, Schnitte, Hiebe. Mit der Zeit hätten die Vögel ihn vollständig aufgefressen. »Sie wissen, dass Störche sich auch von Aas ernähren, nicht wahr?«, hatte mir Max Böhm bei unserer ersten Begegnung gesagt. Ich hatte es nicht gewusst; vergessen werde ich es ganz sicher nie mehr.

Unter den langsam und argwöhnisch kreisenden Vögeln hatte die Feuerwehr die Leiche aus dem Nest geborgen. Zum letzten Mal hatte ich Böhms blut- und erdverkrusteten Körper auf dem Boden liegen sehen, bevor man ihn in einen knisternden Sack steckte. Ich hatte das gespenstische Schauspiel beim zuckenden Blaulicht der Polizeifahrzeuge beobachtet, ohne ein Wort zu sagen und ohne, wie ich gestehen muss, das Geringste dabei zu verspüren. Ich empfand lediglich eine Art Abwesenheit, eine sprach- und fassungslose Distanz.

Jetzt wartete ich. Ich dachte zurück an die letzten zwei Monate – eine erfüllte Zeit in meinem Leben, voller eifriger Vorbereitungen und Vögel –, die jetzt mit einer Grabrede zu Ende gingen.

Ich war damals ein in jeder Beziehung korrekter junger Mann. Mit Zweiunddreißig hatte ich meinen Doktor in Geschichte gemacht: das Ergebnis einer achtjährigen, mühseligen Arbeit über den ›Kulturbegriff bei Oswald Spengler‹. Nach der Fertigstellung dieses schweren, tausendseitigen Schinkens, der in praktischer Hinsicht absolut überflüssig und in moralischer Hinsicht eher unersprießlich war, hatte ich nur noch eins im Sinn: sämtliche Studien zu vergessen. Ich hatte genug von Büchern, Museen, experimentellen und Kunstfilmen, genug von diesem Dasein aus zweiter Hand, den Schimären der Kunst, den heiligen Kühen der Geisteswissenschaft. Ich wollte zur Tat schreiten, mit beiden Händen ins Leben greifen.

Ich kannte junge Ärzte, die sich für humanitäre Hilfe einsetzten, weil sie, wie sie es formulierten, ›ein Jahr zu verlieren‹ hatten. Angehende Anwälte, die Indien durchquerten und sich eine Kostprobe von der Mystik gönnten, bevor sie sich ihrer Karriere zuwandten. Ich hatte keinerlei Aussicht auf einen Beruf und nicht die geringste Neigung zur Exotik oder zum Elend anderer. Also waren meine Adoptiveltern mir ein weiteres Mal zu Hilfe gekommen. ›Ein weiteres Mal‹ deshalb, weil das alte Diplomatenehepaar seit dem Unfall vor fünfundzwanzig Jahren, der meinen Bruder und meine Eltern das Leben gekostet hatte, mir immer alles geboten hatte, was ich brauchte: in den allerersten Jahren die Versorgung durch eine Kinderfrau, dann eine ansehnliche Pension, die mir erlaubte, eine wirkliche Gleichgültigkeit gegenüber den Wechselfällen des Geldes zu entwickeln.

Georges und Nelly Braesler hatten mir also vorgeschlagen, mich mit Max Böhm in Verbindung zu setzen, einem ihrer Schweizer Freunde, der angeblich jemanden wie mich suchte. »Jemanden wie mich?«, hatte ich gefragt, während ich mir Böhms Adresse notierte. Man hatte mir geantwortet, es gehe vorerst um einen wahrscheinlich mehrmonatigen Auftrag. Später werde man sich dann darum kümmern, eine ordentliche Stelle für mich zu finden.

Die Ereignisse hatten daraufhin einen unerwarteten Verlauf genommen. Und meine erste Begegnung mit Max Böhm, die zwiespältig und voller Rätsel war, ist mir in allen Einzelheiten im Gedächtnis geblieben.

An diesem Tag, dem 17. Mai 1991, traf ich gegen vier Uhr nachmittags in der Rue du Lac Nummer 3 ein, nachdem ich lange Zeit in den engen Gassen der Oberstadt von Montreux umhergeirrt war. Am Ende eines von mittelalterlichen Laternen gesäumten Platzes entdeckte ich schließlich das Chalet; auf der massiven Holztür stand der Name ›Max Böhm‹. Ich läutete. Gut eine Minute verging, bis mir ein etwa sechzigjähriger, stämmiger Mann mit breitem Grinsen öffnete. »Sie sind Louis Antioche?«, fragte er. Ich nickte und betrat das Haus von Herrn Böhm.

Innen sah das Chalet dem Stadtviertel ähnlich: Enge, überladene Räume, dazwischen Nischen und Winkel, Regale, Vorhänge, hinter denen sich sichtlich kein Fenster verbarg, und der Fußboden war nicht eben, sondern unterteilt durch zahlreiche Stufen und Podeste. Böhm schob einen Vorhang beiseite und forderte mich auf, ihm zu folgen, tief hinab in den Keller. Wir betraten einen Raum mit weißgestrichenen Wänden, in dem lediglich ein Eichenholzschreibtisch stand; darauf thronte eine Schreibmaschine, umgeben von zahlreichen Dokumenten. Über dem Tisch hingen eine Landkarte von Europa und von Afrika und etliche kolorierte Stiche von Vögeln. Ich setzte mich. Böhm bot mir Tee an, den ich gern annahm (ich trinke ausschließlich Tee). Mit wenigen raschen Gesten beförderte Böhm eine Thermosflasche, Tassen, Zucker und mehrere Zitronen zutage. Während er beschäftigt war, betrachtete ich ihn genauer.

Er war klein, untersetzt, und seine bürstenförmig geschnittenen Haare waren vollkommen weiß. In seinem runden Gesicht sträubte sich ein gestutzter Schnurrbart, auch er völlig weiß. Seine Beleibtheit ließ ihn grimmig und schwerfällig wirken, und doch ging eine erstaunliche Jovialität von ihm aus: Vor allem seine Augen, die tausend Fältchen umrahmten, schienen ständig zu lächeln.

Böhm servierte behutsam den Tee, mit dicken Händen und plumpen Fingern. Ein Mann aus den Wäldern, dachte ich. Außerdem hatte er etwas unbestimmt Militärisches an sich – was vielleicht auf eine kriegerische Vergangenheit oder anders geartete brutale Aktivitäten schließen ließ. Schließlich setzte er sich, faltete die Hände und begann in sanftem Ton: »Sie sind also aus der Familie meiner alten Freunde, der Braeslers.«

Ich räusperte mich. »Ich bin ihr Adoptivsohn«, sagte ich.

»Ich war immer der Meinung, sie hätten keine Kinder.«

»Sie haben ja auch keine. Ich meine: keine eigenen.« Als Böhm nichts darauf erwiderte, setzte ich hinzu: »Meine wirklichen Eltern waren enge Freunde der Braeslers. Als ich sieben war, kamen meine Mutter, mein Vater und mein Bruder bei einem Brand ums Leben. Sonst habe ich keine Verwandten. Georges und Nelly haben mich adoptiert.«

»Nelly hat mir von Ihren intellektuellen Fähigkeiten berichtet.«

»Ich fürchte, da hat sie ein wenig übertrieben.« Ich öffnete meine Aktentasche. »Ich habe Ihnen meinen Lebenslauf mitgebracht.«

Ich legte das Blatt auf den Tisch, aber Böhm schob es mit der flachen Hand beiseite. Einer massiven, starken Hand. Einer Hand, die ein Gelenk zu brechen vermag, einfach so, mit zwei Fingern.

»Ich setze vollkommenes Vertrauen in Nellys Urteil«, erwiderte er. »Hat sie Ihnen angedeutet, worin Ihre ›Mission‹ besteht? Hat sie Ihnen gesagt, dass es bei der Sache um etwas recht Spezielles geht?«

»Nein, nichts dergleichen.«

Böhm musterte mich stumm. Er schien auf die geringste meiner Reaktionen zu lauern.

»In meinem Alter«, sagte er endlich, »führt Untätigkeit zu gewissen Schrulligkeiten. Bei mir ist es so, dass ich eine Schwäche für bestimmte Wesen hege, seit Jahrzehnten schon, und diese Schwäche hat sich zu einer regelrechten Marotte ausgewachsen.«

»Was für Wesen?«, fragte ich.

»Es sind keine Menschen.«

Böhm verstummte wieder, offensichtlich liebte er es, die Sache spannend zu machen. Nach seiner dramatischen Pause murmelte er: »Es handelt sich um Störche.«

»Um Störche!«

»Sehen Sie, ich bin ein Freund der Natur. Seit vierzig Jahren interessiere ich mich für Vögel. Als ich jung war, habe ich sämtliche Bücher über Ornithologie verschlungen und Stunden im Wald und auf den Feldern verbracht, das Fernglas in der Hand, um alle Arten von Vögeln zu beobachten. Einen besonderen Platz in meinem Herzen nimmt der Weißstorch ein. Ich liebe ihn vor allem deshalb, weil er ein fantastischer Zugvogel ist, ganz unglaublich – er schafft es, jährlich mehr als zwanzigtausend Kilometer zurückzulegen. Jedes Jahr gegen Ende des Sommers, wenn die Störche nach Afrika aufbrachen, war ich im Geist bei ihnen. Übrigens habe ich mir später einen Beruf ausgesucht, bei dem ich viel auf Reisen war und den Störchen folgen konnte. Ich bin Bauingenieur, Monsieur Antioche, mittlerweile pensioniert. Mein ganzes Leben lang habe ich mich bemüht, auf den großen Baustellen im Mittleren Osten, in Afrika, immer entlang der Wanderroute der Vögel, Beschäftigung zu finden. Heute rühre ich mich nicht mehr von der Stelle, aber ich studiere immer noch den Vogelzug. Ich habe mehrere Bücher zu dem Thema veröffentlicht.«

»Ich weiß nichts über Störche. Was erwarten Sie denn von mir?«

»Dazu komme ich gleich.« Böhm nahm einen großen Schluck Tee. »Seitdem ich pensioniert bin und hier in Montreux lebe, geht es den Störchen immer prächtig. Jedes Frühjahr kommen meine Paare zurück und suchen immer wieder ihre alten Nester auf. Das ist ein unveränderliches Gesetz. Aber dieses Jahr sind die Störche aus dem Osten nicht zurückgekehrt.«

»Was meinen Sie damit?«

»Von den siebenhundert wandernden Paaren, die in Deutschland und Polen gezählt wurden, sind im März und im April nicht...

Erscheint lt. Verlag 31.1.2023
Reihe/Serie Atemberaubende Spannung von Frankreichs Nummer-1-Thriller-Autor
Atemberaubende Spannung von Frankreichs Thriller-Autor Nr. 1
Übersetzer Barbara Schaden
Sprache deutsch
Original-Titel Le vol des cigognes
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Angst • Bangui • Belgien • blutig • Blutlinie • Brazzaville • Choral des Todes • Das Herz der Hölle • Das Imperium der Wölfe • Das schwarze Blut • Der Flug der Störche • Der steinerne Kreis • Der Ursprung des Bösen • Die Wahrheit des Blutes • Ermittler • Ermittlerin • eure • Europa • Flandern • Frankreich • Gänsehaut • Gewalt • Gruselfaktor • gruselig • Kommissar • Krimi • Krimis • Krimiserie • Lausanne • Mali • Montreux • Mord • Neuilly • Normandy • Nouvelle-Aquitaine • Ornithologe • Poitiers • Polizei • Polizist • Privatdetektiv • Psychothriller • Psycho-Thriller • Purpurne Rache • Ritualmorde • Schwarz • Schwarzes Requiem • Serienkiller • Serienmörder • Spannung • Spannungsroman • Thriller • Verbrechen • Verschwörung • Vienne • Zentralafrika • Zugvögel
ISBN-10 3-7517-3770-7 / 3751737707
ISBN-13 978-3-7517-3770-8 / 9783751737708
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