Das Haus Zamis 60 (eBook)

Maskenball
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2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4636-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 60 - Logan Dee, Jörg Kleudgen, Dario Vandis
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»Die Venezianer begannen 1631 mit dem Bau der Kirche Santa Maria della Salute. Sie lösten damit einen Schwur ein, den sie im Jahr zuvor, als einer verheerenden Pest Tausende von Bürgern zum Opfer fielen ...«
Erschöpft folgte Irene Altmann dem taubenblauen Kostüm der Reiseleiterin durch das Kirchenschiff. Sie war in den vergangenen Tagen bereits durch Rialto gestreift, hatte den Dogenpalast und die Glasbläsereien Muranos besucht und war über die Lidoinsel spaziert. Es war so viel.
»... sehen Sie ein Spätwerk Tizians mit dem Titel ?Pfingsten?. Tizian Vecellio wurde durch seine Arbeiten mit kraftvollen, leuchtenden Farben bekannt, in denen er große Tafelbilder ...«
Irene blinzelte. Sie spürte einen leichten Schwindel.
Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung, dachte sie. Oder lag es an dem Weihrauchduft, den sie noch nie vertragen hatte.
Sie fiel zurück. Das taubenblaue Kostüm eilte voraus in Richtung Altar, die Stimme der Reiseleiterin entfernte sich. Irene Altmann blieb stehen. Sie fröstelte.

2. Kapitel


Als ich erneut erwachte, glaubte ich mich zunächst noch immer auf der Folterbank. Ich hatte im Traum geschrien und war von meinen eigenen Schreien aufgewacht.

Ich lag in meinem Himmelbett. Doch die Folterung war kein Traum gewesen. Sie hatte sich tatsächlich so ereignet. Mein ganzer Körper schien eine einzige brennende Wunde zu sein.

»Coco, bleib liegen«, hörte ich eine sanfte Stimme. »Es ist alles überstanden. Filippo hat deinen Körper verlassen.«

Ich wandte den Kopf und erblickte Rufo. Er saß neben meinem Bett und schaute mich besorgt an.

»Wasser!«, krächzte ich. Ich hatte das Gefühl, dass mein gesamter Rachen zusammengeklebt sei.

»Natürlich, sofort«, stammelte er, sprang auf und eilte mit einer Karaffe herbei, aus der er Wasser in ein Glas schüttete. Mir dauerte das alles viel zu lang. Er hielt mir das Glas an die Lippen.

»Nicht zu viel auf einmal«, warnte er.

Danach stellte er Glas und Karaffe umständlich wieder zurück.

Ich wagte einen Blick auf meinen Körper. Er war von oben bis unten bandagiert. Außerdem spürte ich ein Jucken, dass innerhalb von Sekunden unerträglich wurde. Ich hätte mir die Bandagen ab liebsten abgerissen, um mich zu kratzen. Aber auch meine Hände waren umwickelt.

»Warum?«, flüsterte ich. Mehr brachte ich nicht zustande. Ich fühlte mich hundeelend.

»Ich hatte keine andere Wahl«, verteidigte sich Rufo kläglich. »Filippo hatte sich deiner bemächtigt. Wenn ich ihn hätte gewähren lassen, hätte er deinen Körper nach und nach vollständig übernommen – so lange, bis eine Austreibung unweigerlich deinen Tod zur Folge gehabt hätte. Nur dank Giuseppe konnten wir ihn bannen und wieder in den Schwarzen Spiegel zurückschicken. Du hättest den Vorhang nie öffnen dürfen, Coco!«

Ich versuchte zu protestieren, sank aber vor Schwäche zurück ins Kopfkissen.

»Filippo wollte mir etwas mitteilen«, erklärte ich mühsam.

Rufo lachte spöttisch. »Unsinn! Er hat dich reingelegt! Glaub mir, ich kenne meinen missratenen Bruder nur zu gut. Schon zu Lebzeiten hat er gelogen, wenn er nur den Mund aufmachte. Nein, Coco, er hat dich reingelegt! Du bist Giuseppe Dank schuldig!«

Ich presste die Lippen zusammen. Giuseppe war mir unheimlicher denn je. Ich besaß nur eine bruchstückhafte Erinnerung daran, was er mit meinem Körper angestellt hatte. Hatte er wirklich nur Rufos Befehle befolgt?

»Lass mich allein!«, verlangte ich. »Ich bin müde, so müde.«

Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, als mir auch schon wieder die Augen zufielen.

Zum ersten Mal in seiner fast dreißigjährigen Dienstzeit fühlte sich Pietro Tartaglia wirklich restlos überfordert. Dabei hatte der Commissario bereits einige brenzlige Situationen gemeistert. Doch diese Sache überstieg seine Kompetenzen bei Weitem.

Alles hatte mit der Leiche in der Kirche Santa Maria della Salute angefangen. Die Tote im Beichtstuhl, von der niemand sagen konnte, wie sie dorthin gekommen war. An und für sich kein Problem. In einer Stadt wie Venedig gab es immer wieder unaufgeklärte Todesfälle. Wenn es denn nur bei dieser einen Toten geblieben und die ganzen Umstände nicht so verdammt merkwürdig gewesen wären. Die Frau war eindeutig an den Folgen einer mysteriösen Krankheit gestorben – und damit begannen auch schon die Schwierigkeiten, denn die Frau war Mitglied einer Reisegruppe gewesen, und dort war niemandem ihre schwere Erkrankung aufgefallen.

Gleichzeitig gab es weitere Todesfälle. Zum Beispiel den Gondoliere, der wahrscheinlich noch vor der Touristin gestorben, aber erst später gefunden worden war. Und ein Straßenkehrer, den man erst in seiner Wohnung entdeckt hatte, nachdem er nicht zur Arbeit erschienen war.

Tartaglia zündete sich eine Zigarette an. Die zwanzigste heute, er hatte mitgezählt. Weniger Qualm und weniger Kaffee wären seiner Gesundheit eindeutig zuträglicher gewesen.

Die Ermittlungen gingen schleppend voran. Nachweislich hatten die Toten – er weigerte sich beharrlich, sie als Opfer eines Verbrechens zu bezeichnen – in keinem Kontakt zueinander gestanden. Die deutsche Touristin aus der Kirche war nicht, wie er anfangs vermutet hatte, mit der Gondel gefahren, und der Straßenfeger hatte die Tage zuvor frei gehabt und sein Haus nicht verlassen.

Zum wiederholten Male betrachtete er die Fotos der Leichen. Sie waren abscheulich. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Die Leichen waren von Geschwüren und Beulen übersät. Sie waren regelrecht entstellt.

Mein Gott, das war doch keine gewöhnliche Krankheit! Wie hatte der Geistliche von Santa Maria gesagt? »Der Teufel wandelt unter uns! Der Tag des Jüngsten Gerichts ist nahe!«

Inzwischen war Tartaglia beinahe geneigt, ihm zu glauben. Sogar der Wettergott schien sich danach zu richten. Seit Tagen lag die Stadt unter einer düsteren Wolkendecke. Es schüttete wie aus Kübeln; inzwischen stand die halbe Stadt unter Wasser.

Acqua Alta.

Über dem Meer türmten sich dunkle Wolken, als stünde ein Sturm bevor.

Tartaglia seufzte. Wenn er nicht bald handfeste Ergebnisse vorweisen konnte, würde ihn der Polizeipräsident in irgendein Provinznest auf dem Festland versetzen. Oder gleich nach Mestre.

Im Grunde hatte er ja Verständnis für dieses Verhalten. Sein Vorgesetzter stand selbst unter ungeheurem Druck, den er nach unten weitergab. Die roten Leuchtziffern der Uhr auf dem Schreibtisch brannten in seinen Augen. Es war wohl besser, wenn er nach Hause ging und eine Nacht über diese Dinge schlief.

Er hatte alle verfügbaren Unterlagen noch einmal gründlich studiert, ohne einen Anhaltspunkt zu finden.

Der Commissario räumte seinen Schreibtisch auf. Er hasste es, morgens ein solches Chaos vorzufinden wie sein Kollege Tumbo, dessen Arbeitsplatz wie nach einer Bombenexplosion aussah.

Tumbo war auch heute so pünktlich wie immer nach Hause gegangen. Als berührten ihn die Vorgänge gar nicht. So viel Gelassenheit hätte er sich mal gewünscht!

Als Tartaglia auf die Piazetti dei Leoncini hinaustrat, musste er an eine Zeugenaussage im Zusammenhang mit dem Fall des toten Straßenkehrers denken. Da wollte eine Frau beim Wäscheaufhängen beobachtet haben, wie ein maskierter »Pestdoktor« das heruntergekommene Mietshaus betreten hatte, in dem der Mann lebte.

Ein Pestdoktor!

Es war doch gerade überhaupt kein Karneval. Tartaglia kam zu dem Schluss, dass der Frau wohl die Fantasie durchgegangen war. Kein Wunder, bei den Schlagzeilen, die inzwischen in der Zeitung standen.

Tartaglia schlenderte gedankenverloren durch die Gassen. Er achtete nicht auf den Weg, den er im Schlaf kannte. Er war ihn schließlich schon unzählige Male zu jeder Tages- und Nachtzeit gegangen.

Heute jedoch begleitete ihn eine gewisse Nervosität. Wenn diese ganze Geschichte ausgestanden war, egal mit welcher Konsequenz, würde er Urlaub einreichen.

Wie lange lag sein letzter Urlaub zurück? Zwei Jahre? Drei?

Es wurde höchste Zeit, mal auszuspannen.

Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Ein Fensterladen, der geschlossen worden war vielleicht, oder ein Gegenstand, der in einem der Häuser zu Boden gefallen war. Trotzdem schlug sein Herz schneller, und unwillkürlich beschleunigte er auch seine Schritte, die ihn zielstrebig dem Rialto entgegentrugen. Von dort aus war es nicht mehr weit bis zu seiner Wohnung.

Schritte näherten sich, aus entgegenkommender Richtung. Es handelte sich um eine Person. Sie ging langsam, spazierte fast. Sie trug eine Kapuze und die Maske eines Pestdoktors. Den Commissario fröstelte. Er sah, wie die Gestalt stehen blieb und sich auf den Stab in ihrer Rechten stützte.

»Dio!« Pietro Tartaglia bekreuzigte sich.

Aber das konnte ihn auch nicht mehr retten.

Während des Frühstücks herrschte eine gespannte Stimmung. Da ich ohnehin nur Tee trank und auch Rufo anscheinend wenig Appetit verspürte, schwiegen wir uns mehr oder weniger an.

»Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht«, versuchte Rufo zum dritten oder vierten Mal eine Konversation in Gang zubekommen. »Giuseppes heilende Salben haben Wunder gewirkt.«

»Ein wahrer Supermann, dein Giuseppe«, giftete ich. »Erst bringt er mich fast um, dann spielt er den Dottore ...« Doch ich fühlte mich tatsächlich wieder hergestellt. Als ich am Morgen erwacht war, waren die Wunden, die ich davongetragen hatte, auf wundersame Weise verschwunden.

In diesem Moment kam der Diener herangeschlurft. Er bedachte mich keines Blickes. »Wünschen die Herrschaften noch etwas?«, fragte er pflichtbewusst.

»Nein, danke, Giuseppe«, sagte Rufo.

Giuseppe verschwand wieder.

»Du solltest ihm nicht länger böse sein. Er hat dich gerettet.«

Wahrscheinlich stimmte das sogar. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Ohne Giuseppe hätte Filippo inzwischen vielleicht schon unwiderruflich von meinem Körper Besitz ergriffen.

»Filippo hat seine Lektion jedenfalls gelernt«, sagte Rufo, wohl mehr, um sich selbst Mut zu machen. »Er wird so...

Erscheint lt. Verlag 31.1.2023
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-4636-6 / 3751746366
ISBN-13 978-3-7517-4636-6 / 9783751746366
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