Joseph Conrad (eBook)

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2023 | 1. Auflage
160 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01777-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Joseph Conrad -  Peter Nicolaisen
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Joseph Conrad (1857-1924) war ein englischer Schriftsteller polnischer Herkunft. Er wurde zunächst Seemann und fuhr viele Jahre auf Schiffen der britischen Handelsmarine über die Weltmeere. Die dabei gemachten existenziellen Erfahrungen bilden die Grundlage vieler seiner Romane und Erzählungen. Conrad wurde berühmt als ein Autor, der extreme Schauplätze und Situationen meisterhaft zu schildern vermag. Er gehörte zugleich zu den frühen Kritikern des Kolonialismus. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt, unter anderem ist Francis Ford Coppolas 'Apocalypse Now' von Motiven aus Conrads Roman 'Herz der Finsternis' inspiriert.    Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Peter Nicolaisen, geb. 1936 in Hamburg, lehrte bis zu seiner Pensionierung englische und amerikanische Literatur an den Universitäten Flensburg und Kiel. Veröffentlichungen über Ernest Hemingway, William Faulkner, die Literatur der amerikanischen Südstaaten. Für «rowohlts monographien» schrieb er die Bände über Thomas Jefferson, William Faulkner und Joseph Conrad. Peter Nicolaisen starb 2013 in Flensburg.

Peter Nicolaisen, geb. 1936 in Hamburg, lehrte bis zu seiner Pensionierung englische und amerikanische Literatur an den Universitäten Flensburg und Kiel. Veröffentlichungen über Ernest Hemingway, William Faulkner, die Literatur der amerikanischen Südstaaten. Für «rowohlts monographien» schrieb er die Bände über Thomas Jefferson, William Faulkner und Joseph Conrad. Peter Nicolaisen starb 2013 in Flensburg.

Die seemännische Laufbahn


Die Jahre in Marseille


Einen unbelehrbaren, hoffnungslosen Don Quijote hatte Adam Pulmann Conrad genannt, als dieser sich auf der Reise in die Schweiz von seinen Seefahrtsplänen nicht abbringen ließ.[29] Manche Erlebnisse des jungen Mannes in Marseille erinnern tatsächlich an den Ritter von La Mancha; andererseits lernte Conrad in den vier Jahren, die er in Frankreich und auf französischen Schiffen verbrachte, auf den Wegen seines Berufes zu wandeln und zuzunehmen in der Liebe zur See, wie er es in Spiegel der See (The Mirror of the Sea) etwas pathetisch formuliert hat.[30] Zielstrebig allerdings war er nicht – lange Mahnbriefe des Onkels legen Zeugnis davon ab, dass es ihm nicht leichtfiel, seinen Weg zu finden.

Materiell war Conrad durch ein bescheidenes Erbe und die Hilfe Bobrowskis versorgt. Bobrowski hatte ebenfalls schon vor Conrads Abreise Verbindungen nach Marseille geknüpft, um seinem Neffen den Start in der französischen Handelsmarine zu erleichtern. Zunächst nahm sich der Lotse Baptistin Solary seiner an; als le petit ami de Baptistin, schreibt Conrad in Über mich selbst, machte mich die Lotsenkorporation zu ihrem Gast und erlaubte mir, mich bei Tag oder Nacht nach Belieben in ihren Booten aufzuhalten. Viele Tage und auch Nächte verbrachte ich unterwegs mit diesen rauhen, gutartigen Männern, unter deren Anleitung mein Vertrautsein mit der See begann.[31] Schon bald folgten erste größere Reisen zur See, als Passagier auf einem Segelschiff nach Martinique, dann als Leichtmatrose abermals zu den westindischen Inseln. Doch Conrad scheint auch das Leben an Land genossen zu haben. Marseille war schon damals eine überaus lebendige Stadt; mit ihren vielen Cafés, den Theater- und Opernhäusern, mit dem lebhaften Hafenbetrieb und dem florierenden Handel muss sie den jungen Polen beeindruckt haben. Er gab viel Geld aus, und Bobrowski musste mehrfach helfend einspringen. Später zitierte Conrad den Ratschlag Mme. Delestangs, der Gattin des Reeders, auf dessen Schiffen er fuhr: «Il faut … faire attention à ne pas gâter sa vie»; … man muss darauf achten, sein Leben nicht zu verpfuschen.[32] Der Gedanke an eine solche Gefahr, fügte er hinzu, sei ihm freilich ganz und gar abwegig erschienen.

Einige der Reisen, die er auf den Schiffen Delestangs unternahm, haben Spuren in seinem Werk hinterlassen. So etwa diente ihm der Korse Dominic Cervoni, dem er auf dem Segelschiff «Saint-Antoine» begegnete, als Vorbild für die Figur Nostromos in dem gleichnamigen Roman wie auch für jene Peyrols in Der Freibeuter (The Rover). In Spiegel der See nennt er Cervoni einen gewaltigen Seefahrer und rundet das Porträt in romantisch überhöhter Weise ab: Wenn er an Bord … in einen schwarzen «caban», den malerischen Mantel der Seeleute des Mittelmeeres, eingehüllt dastand, sah er mit dem dichten Schnurrbart und seinen wissenden, durch den Schatten der tiefen Kapuze betonten Augen piratenhaft und mönchisch aus und überdies geheimnisvoll eingeweiht in die furchtbarsten Mysterien des Meeres.[33] Es ist nicht auszuschließen, dass er auf einer der Westindienfahrten mit Cervoni zusammen einen kurzen Abstecher an die Küste von Venezuela gemacht hat; in einem späteren Brief spricht er von einem Aufenthalt von zweieinhalb bis drei Tagen an jener trostlosen Küste[34]. Erinnerungen an diese Tage müssen bei der Abfassung des Romans Nostromo wachgeworden sein.

Conrads Briefe an seinen Vormund sind ausnahmslos verlorengegangen, aber aus den Reaktionen Bobrowskis auf die Mitteilungen seines Neffen können wir eine ungefähre Vorstellung von dem Auftreten des jungen Mannes in Marseille gewinnen. Er muss stolz und überaus empfindlich gewesen sein, zu impulsiven Handlungen geneigt und auf Kritik eher hochfahrend reagiert haben. Sein Onkel erkannte in solchen Eigenschaften Spuren des väterlichen Erbes und hielt Conrad zu Vernunft und Mäßigung an. Doch seine Mahnungen blieben ohne Erfolg. Der Neunzehnjährige ließ sich alsbald auf ein Abenteuer ein, das ihn an den Rand des Selbstmords trieb.

Den Kern dieser Affäre, die bis heute nicht ganz geklärt ist, bildete Conrads eigener Darstellung zufolge der Versuch einer kleinen Gruppe von Personen, unter ihnen Conrad selbst, zur Unterstützung des spanischen Thronprätendenten Don Carlos Waffen aus der Gegend von Marseille nach Spanien zu schmuggeln. Wie wir in Conrads spätem Roman Der goldene Pfeil (The Arrow of Gold) und in Spiegel der See lesen, wurden die Waffen angeblich auf der «Tremolino», einem kleinen Segelschiff, das Conrad anteilig gehörte und von Dominic Cervoni geführt wurde, von Marseille an die Costa Brava verschifft. Nach einer Reihe von erfolgreichen Fahrten wurden die Schmuggler verraten, gerieten in eine Falle der spanischen Küstenwache und mussten das Schiff versenken. In Der goldene Pfeil stellt Conrad das Schmuggelabenteuer überdies in den Zusammenhang einer romantischen Liebesgeschichte – der Erzähler des Romans, ein Monsieur George, in dem wir unschwer den jungen Conrad erkennen, lässt sich auf den Waffentransport vor allem um seiner Liebe zu einer Doña Rita willen ein. Rita ist die frühere Geliebte des Don Carlos; George gewinnt ihr Herz und wird später in einem Duell mit einem Rivalen schwer verwundet, Rita aber verlässt ihn.

Sehr viel nüchterner als die verschiedenen Versionen dieser abenteuerlichen Geschichte, die aus Conrads Feder stammen, fällt der Bericht Bobrowskis aus, den dieser bald nach dem Geschehen abfasste. Man habe ihn telegrafisch darüber informiert, dass Conrad verletzt sei, schreibt Bobrowski; nach seiner Ankunft in Marseille habe er Folgendes in Erfahrung gebracht: «Zwar war sich Conrad absolut sicher, dass er Kapitän Escarras auf seiner nächsten Fahrt [auf der «Sainte-Antoine»] begleiten sollte, doch das Bureau de l’Inscription versagte ihm die Erlaubnis dazu mit der Begründung, er habe als 21-jähriger Ausländer in seiner Heimat den Militärdienst abzuleisten. Dann entdeckte man, dass er von seinem Konsul niemals eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte … Conrad war gezwungen, an Land zu bleiben, ohne eine Hoffnung, auf französischen Schiffen fahren zu können. Doch bevor sich dies alles zutrug, brach eine andere – diesmal finanzielle – Katastrophe über ihn herein. Er war noch im Besitz von 3000 Francs, die ich ihm für seine Reise geschickt hatte, als er mit seinem ehemaligen Kapitän, Herrn Duteil, zusammentraf, der ihn dazu überredete, sich an irgendeinem Unternehmen an den Küsten Spaniens zu beteiligen – irgendeine Schmuggelgeschichte! Er investierte dafür 1000 Francs und machte mehr als 400 Francs Gewinn, was die beiden so sehr freute, dass er bei der nächsten Gelegenheit gleich alles Geld, das er noch hatte, riskierte – und restlos verlor … Conrad saß da, arm wie eine Kirchenmaus und obendrein hochverschuldet …» Bobrowski berichtet dann von Conrads vergeblichem Bemühen, als Matrose in einem amerikanischen Flottengeschwader unterzukommen, von weiteren Geldverlusten beim Glücksspiel in Monte Carlo und schließlich von einem Selbstmordversuch seines Neffen: «Nachdem er es nun so herrlich weit gebracht hat, kehrt er nach Marseille zurück. Eines schönen Abends lädt er seinen Freund, den Gläubiger, zum Tee ein und versucht, sich vor dessen Eintreffen mit einem Revolver das Leben zu nehmen … Die Kugel geht … knapp am Herzen vorbei, ohne jedoch ein wichtiges Organ verwundet zu haben. Glücklicherweise ließ er alle seine Adressen oben auf seinen Sachen liegen, sodass mich dieser ehrenwerte Herr … umgehend benachrichtigen konnte.»[35]

Bobrowskis Bericht beruht auf dem, was ihm Conrad erzählt hat, sowie auf eigenen Nachforschungen, die er während seines Aufenthalts in Marseille angestellt hat. Da auch gründlichste Recherchen keinerlei Belege für Conrads eigene Darstellung seiner Schmuggelfahrten zutage gefördert haben, bleibt nur der Schluss übrig, dass er seine Spuren verwischen und einer ihm zweifellos peinlichen Episode aus seiner Jugend später den Glanz eines heroischen Abenteuers verleihen wollte. Was sich hinter Bobrowskis Hinweis auf «irgendeine Schmuggelgeschichte» verbirgt, ist ungewiss; die vorliegenden Informationen sprechen jedoch dagegen, dass diese im Zusammenhang mit den militärischen Kampagnen der Carlisten stand. Eher scheint es, als habe sich Conrad bei seinen späteren Darstellungen auf eine Vielfalt von sehr unterschiedlichen Quellen gestützt, nur zum geringsten Teil aber auf eigene Erlebnisse.

Festzuhalten ist, dass er sich am Ende seines Aufenthalts in Marseille in einer scheinbar aussichtslosen Situation befand. Er hatte sein Geld verloren, hohe Schulden, keine Chancen für ein berufliches Fortkommen, und überdies drohte ihm die Rückkehr nach Polen mit den bereits erwähnten Folgen eines langen Militärdienstes. Ob der Selbstmordversuch nur ein Hilferuf war oder wirklicher Hoffnungslosigkeit entsprang, ist schwer zu entscheiden. Sein pragmatisch gesonnener Onkel jedenfalls scheint ihn eher als eine jugendliche Torheit denn als Akt der Verzweiflung angesehen zu haben. Als er Marseille wieder verließ, war er überzeugt, «daß noch immer ein richtiger Mann aus [Conrad] werden» könne.[36] Man entschied, daß er zur englischen Handelsmarine...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Apocalypse Now • England • Henry James • Herz der Finsternis • Karibik • Kongo • Lord Jim • Monografie • Polen • Seefahrt • Ukraine • Windjammer
ISBN-10 3-644-01777-8 / 3644017778
ISBN-13 978-3-644-01777-1 / 9783644017771
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