Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 9 (eBook)

Westwärts

(Autor)

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2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4628-1 (ISBN)

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Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 9 - Jonny Kent
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Die Tragödie sollte sich nur wenige Meilen östlich von Clay City abspielen ...
Monoton trommelte der Regen auf das Wagendach der alten Overland-Kutsche, die westwärts fuhr. Der grauhaarige Mann oben auf dem Driverbock blickte aus zusammengekniffenen Augen über die Rücken der vier Gäule. Es war fast schon halsbrecherisch, so schnell bei diesem Wolkenbruch zu fahren.
Hinten im Passagierraum saß ein hagerer Mann unbestimmbaren Alters. Cassius Shelby war sein Name. Von der Stunde an, in der er Vincennes, drüben an der Grenze Indianas, verlassen hatte, wurde er verfolgt. Der Mann, vor dem er floh, hieß Jerry H. Alsom ...


Westwärts

Von Jonny Kent

Die Tragödie sollte sich nur wenige Meilen östlich von Clay City abspielen.

Monoton trommelte der Regen auf das Wagendach der alten Overland-Kutsche, die westwärts fuhr. Im Passagierraum hinten links saß ein hagerer Mann unbestimmbaren Alters: Cassius Shelby war auf der Flucht vor Jerry H. Alsom, einem gefürchteten Revolvermann. Und Shelby hatte allen Grund zur Sorge, denn Alsom wollte nicht weniger als sein Leben.

Aber Shelby selbst war ebenfalls mit allen Wassern gewaschen. So löste er, um das eigene Leben zu retten, einen alles verschlingenden Strudel der Gewalt aus, in den auch Jack Farland, der Ohioman, mit hineingezogen werden sollte ...

   

Der Grauhaarige oben auf dem Bock blickte aus zusammengekniffenen Augen über die blanken Rücken der vier Gäule. Es war fast schon halsbrecherisch, so schnell bei diesem Wolkenbruch zu fahren, denn man konnte höchstens dreißig Yards weit sehen.

Darüber machte sich der hagere Mann hinten im Passagierraum keine Gedanken, denn er hatte andere Sorgen.

Shelby trug einen dunkelgrauen Anzug, einen grauen Hut und ein nicht mehr ganz sauberes weißes Hemd. Sein Gesicht war schmal, und um die Mundwinkel hatten sich bereits zwei tiefe Falten eingekerbt. Auch zwischen den Brauen stand ein scharfer Schnitt, der bis in die Stirnmitte hinaufführte.

Es war kein angenehmes Gesicht, das Cass Shelby der Welt zu zeigen hatte. Die Linke steckte in der Jackentasche, und die Rechte lag auf seinem Oberschenkel. Es war eine lange gelbliche Hand mit schmalen Fingern.

Von der Stunde an, in der er Vincennes, drüben an der Grenze Indianas, verlassen hatte, wurde er von Jerry H. Alsom verfolgt. Die Fährte des Flüchtenden führte von Vincennes aus über die Grenze von Illinois nach Bridgeport und weiter über Summer nach Olney. Auch da hatte er die nächste Gelegenheit genutzt, um weiterzukommen. Ohne Rast hatte er seine Flucht fortgesetzt.

Einundzwanzig Meilen lagen zwischen Olney und Clay City. Die Overland hatte die winzige Ansiedlung Noble etwa anderthalb Meilen hinter sich gebracht und ratterte jetzt die letzten acht Meilen hinüber nach Clay City. Es war ein beschwerlicher Weg, und Gil Waverly, der Mann auf dem Kutschbock, hatte genug zu tun, das schlingernde Gefährt heil über die kurvenreiche Strecke zu bringen. Hier in den Gebieten am Westrand von Illinois war der Boden steinig und oft nur mit einer hauchdünnen Sandschicht überdeckt. Das bedeutete, dass starker Regenfall die Straße schnell auswaschen und in ein Trümmerfeld verwandeln konnte. Auf und ab stieß die alte knarrende Diligence (Postkutsche) und schaukelte hin und her. Aber bald würde es ja geschafft sein. Doch wer hätte ahnen können, dass sich auf der kurzen Strecke nach Clay City noch eine so furchtbare Tragödie abspielen würde!

Shelby blickte unter halb gesenkten Augenlidern zu dem Mann hinüber, der drüben in der anderen Ecke des Passagierraums mit dem Rücken zur Fahrtrichtung saß. Es war ein noch junger Mann, vielleicht Mitte der Zwanzig. Er trug einen hellen Reiseanzug, einen tabakbraunen Texashut und neue Stiefel. Alles an ihm sah so aus, als wäre es gerade neu gekauft worden.

Die beiden Männer saßen einander bereits seit Olney schweigend gegenüber. Der junge Mann hatte als einziger Passagier in der Kutsche gesessen, als Shelby sie bestiegen hatte.

Als plötzlich ein Blitzschlag im Norden niederzuckte, hob der junge Mann den Kopf, wischte sich übers Gesicht und blickte dann den anderen an, der wie in sich zusammengesunken drüben in der dunklen Ecke saß und ihn fixierte. »Scheußliches Wetter für diese Jahreszeit, nicht wahr?«

Shelby nickte. Da beugte sich der andere nach vorne, tippte mit der Rechten grüßend an den Hutrand und sagte: »Mein Name ist Sanders. Cole Sanders.«

Shelby nickte erneut, dachte aber nicht daran, seinen eigenen Namen zu nennen.

Der junge Sanders deutete mit dem linken Daumen hinaus und meinte: »Das da ist schon das Clay County.«

»Ja, kann sein«, erwiderte Shelby einsilbig.

»Ich habe einen ziemlich weiten Weg gemacht, um hierherzukommen«, erklärte Sanders. »Ich komme drüben aus Kentucky, aus Lexington.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wir haben lange überlegt, ob ich die Reise machen soll. Ich meine, meine Mutter und ich. Sie war seit dem Tod des Vaters mit mir allein.« Er senkte den Kopf und blickte auf seine Hände, als er weitersprach: »Als sie dann vor einem Monat plötzlich starb, da gab es nichts mehr, was mich drüben in Kentucky gehalten hätte.« Er hob den Kopf und blickte zum Fenster hinaus, während er weitersprach. »Hier im Clay County wohnt ein Bruder meines Vaters, Onkel John; er hat eine Ranch hier. Ich sollte ihn schon längst besuchen – das heißt –, ich kann bei ihm arbeiten, und ich muss froh sein, dass ich es kann.«

Es war eine Weile still, dann sagte der junge Sanders, der durch die Nähe seines Zielortes gesprächig geworden war: »Onkel John hat eine schöne Ranch, und weil er keine Söhne hat, hab' ich natürlich eine große Chance.«

Shelby, der bisher schweigend zugehört hatte, schien auf einmal interessiert zu sein. »Sind Sie schon einmal hier gewesen?«, fragte er.

Der andere schüttelte den Kopf. Die Kutsche fiel eben mit dem rechten Vorderrad in ein tiefes Schlagloch und Cole Sanders wurde gegen die Wand geschleudert. Er stieß sich lachend ab, setzte sich wieder auf seinem Sitz zurecht und antwortete: »Nein, ich bin noch nicht dort gewesen, aber wenn ich noch einige Meilen in diesem Schaukelkasten sitzen muss, ist es möglich, dass ich auch niemals ankommen werde.« Er ahnte nicht, auf welch unheilvolle Weise sich seine Worte bewahrheiten sollten.

Wieder öffneten sich Shelbys schmale Lippen. Mit seiner etwas zu hohen, krächzenden Stimme merkte er an: »Der Rancher wird schon keinen schlechten Griff getan haben. Solche Leute sehen sich ihre Pappenheimer immer an. Die Menschen am Rand des Westens sind sehr vorsichtig.«

Unbehaglich fuhr sich der junge Mann aus Kentucky über sein Kinn. »Nein, das ist es ja eben: Onkel John kennt mich nicht.«

Da beugte sich Shelby nach vorne, nahm die Linke aus der Tasche und stützte beide Hände auf die Knie. »Wollen Sie damit sagen, dass der Rancher Sie noch niemals gesehen hat?«

»Nein, kein Mensch kennt mich auf der Ranch. Aber ich habe zwei Briefe von meinem Onkel bei mir, und ich habe sie immer wieder studiert.«

»Und Sie – Sie haben ihm auch geschrieben?«

»Ja, aber ich bin leider kein großer Schreiber. Ich habe nur geschrieben, dass ich mit seinem Vorschlag einverstanden sei und gerne komme; und dass Mutter tot ist, habe ich ihm natürlich auch geschrieben.«

»Sonst nichts?«

Da hob Cole Sanders den Kopf und zog die Brauen etwas zusammen. Unbehagen stieg in ihm auf. Das war ja ein regelrechtes Verhör. Was fiel dem Mann bloß ein, ihn in dieser Weise auszuhorchen? Cole lehnte sich zurück gegen die harte Polsterung und blickte wieder hinaus. Die letzte Minute seines Lebens hatte begonnen, und der Uhrzeiger zog unaufhaltsam vorwärts.

Im Hirn des Flüchtlings Cassius Shelby hatte sich in Sekundenschnelle ein Gedanke festgesetzt: Das ist deine Chance! Das ist die Chance, deinem Verfolger zu entrinnen.

Denn Jerry Alsom war der gefährlichste Verfolger, den man sich denken konnte. Da hieß es, auch die kleinste Chance wahrzunehmen.

Cole Sanders hockte auf seinem Platz und blickte unverwandt hinaus. Noch war er gesund, und die frohen Gedanken, die von den kurzen bohrenden Fragen des anderen unterbrochen worden waren, wandten sich wieder dem vor ihm liegenden Ziel zu: Der Sanders-Ranch.

Der Mann drüben in der anderen Wagenecke hatte plötzlich mit der Rechten an seine Hüfte gegriffen und einen großen 38er Remington-Revolver hervorgezogen. Er hob ihn an und richtete ihn auf den jungen Sanders.

Draußen konnte man kurz einen alten Meilenstein sehen, auf dem stand, dass es noch sechs Meilen bis Clay City wären. So grausam diese verrinnende Minute für den jungen Cole Sanders aus Lexington im Staate Kentucky endete, so entscheidend war sie für den Mann, der sich mit hölzernen Bewegungen anschickte, einen Mord zu begehen.

Vor einunddreißig Jahren war Cassius Shelby am Nordrand der Stadt Nashville im Staate Tennessee als Sohn eines Handschuhmachers auf die Welt gekommen. Die Eltern wurden dem damals erst Sechsjährigen von einer Seuche genommen, und eine Tante oben im Nachbarstaat Kentucky hatte ihn aufgezogen. Der Ort hieß Richmond und war etwa fünfundzwanzig Meilen von Lexington entfernt, von jener Stadt, aus der der junge Cole Sanders kam. Diese Tatsache war es, die den Kreis für den Desperado aus Nashville schloss.

In diesem Augenblick ging ein Blitzschlag nieder, und Sanders beugte sich etwas weiter nach vorne, sodass er dem Mann, der ihn in den Tod schicken wollte, die rechte Seite zukehrte, eine Position, die für Shelby ungünstig war. »Sanders!«, krächzte er mit scharfer Stimme.

Der junge Mann fuhr herum, und im selben Moment, in dem draußen durch den Regenschleier wieder ein zuckender Blitz...

Erscheint lt. Verlag 17.1.2023
Reihe/Serie Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bill • Caddo Hunter • Hal Warner • Italowestern • Jack Farland • Jack Morton • King-Miller-Rebellen • Old Jed & Jivaro • Revolverheld • Schlitzohr-Halunken • Teufelskerle • Tex Hondo • Western-Hit • Wilder Westen
ISBN-10 3-7517-4628-5 / 3751746285
ISBN-13 978-3-7517-4628-1 / 9783751746281
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