Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs (eBook)

Historischer Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-012-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs -  Andreas J. Schulte
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Nominiert für den Literaturpreis Goldener HOMER 2024 - Krimispannung aus dem frühen Mittelalter: lebendig, facettenreich und bilderstark. Spätsommer 1151. Hildegard von Bingen reist ins Kloster Disibodenberg, um den Verhandlungen über die Thronfolge beizuwohnen. Begleitet wird sie von Elisabeth, einer jungen, gewitzten Novizin. Doch kurz nach ihrer Ankunft geschieht ein Mord. Ein Giftanschlag, ist sich Hildegard sicher. Sie versucht, mit ihren medizinischen Kenntnissen dem Täter auf die Spur zu kommen - bis sie selbst unter Mordverdacht gerät. Nun liegt es an Elisabeth: Kann sie die Unschuld ihrer Äbtissin beweisen?

Andreas J. Schulte, Jahrgang 1965, verheiratet, zwei Söhne, ist geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen und lebt heute mit seiner Familie in der Nähe von Andernach. Neben seinen Krimis und Thrillern schreibt und veröffentlicht er auch Kurzgeschichten und historische Kriminalromane. Er ist Mitglied im »Syndikat«. Sein historischer Kriminalroman »Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs« ist für den Goldenen HOMER 2024 nominiert. www.andreasjschulte.de www.krimiautor.com

Andreas J. Schulte, Jahrgang 1965, verheiratet, zwei Söhne, ist geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen und lebt heute mit seiner Familie in der Nähe von Andernach. Neben seinen Krimis und Thrillern schreibt und veröffentlicht er auch Kurzgeschichten und historische Kriminalromane. Er ist Mitglied im »Syndikat«. Sein historischer Kriminalroman »Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs« ist für den Goldenen HOMER 2024 nominiert. www.andreasjschulte.de www.krimiautor.com

11

Kloster Rupertsberg

Ein Tag folgte dem nächsten. Das Lernen und die Aufgaben von Pater Ansgar hatten Elisabeths altes Leben geprägt. Hier dagegen, im Kloster Rupertsberg, prägten die Gebete ihren Tag. Das nächtliche Aufstehen fiel ihr überraschend leicht. Die übrigen Stundengebete, die über den Tag verteilt waren, die Feier der Messe, das alles waren für sie willkommene Pausen, in denen ihr Geist zur Ruhe kam. In solchen Momenten vergaß sie das Kloster, den Grund, warum sie überhaupt auf dem Rupertsberg weilte, und den Rest von Sehnsucht nach ihrem alten Leben. Elisabeth fand Gefallen an den Wechselgesängen, an den Lesungen aus der Heiligen Schrift. Sie hatte schon als kleines Mädchen gern zusammen mit ihrer Mutter gesungen und besaß eine klare, hohe Stimme. Aber gemeinsam im Chor mit den übrigen Nonnen war diese Stimme so viel mehr, sie vereinte sich mit den anderen zu einem einzigen großen Klang, der die Kapelle erfüllte. Elisabeth genoss diesen Klang.

Dass sie sich so gut in den Alltag des Klosters einlebte, lag auch an den übrigen Nonnen. Der heilige Benedikt hatte in seinen Schriften deutlich gemacht, dass er das Schweigen innerhalb der Klostermauern schätzte. »Albernheiten, müßiges und zum Gelächter reizendes Geschwätz verbannen und verbieten wir für immer und überall«, schrieb er in seinen Regeln. Aber das hinderte die Nonnen nicht daran, sich bei der Arbeit auszutauschen. Und Elisabeth erlebte mehr als einmal, dass eine der Nonnen nach einer Bemerkung von Schwester Mathilde hemmungslos kicherte. Ordensregel hin oder her. Wirklich schweigsam wurden die Nonnen nur, wenn die Magistra Hildegard in der Nähe war. Die Aura dieser Frau sorgte dafür, dass sich Elisabeth in ihrer Anwesenheit immer ganz beklommen fühlte.

Die Äbtissin übernahm, wie alle anderen auch, Aufgaben im Kloster. Sie half beim Anlegen der neuen Kräuterbeete, hielt die Gebetszeiten ein, aber sie kümmerte sich auch darum, dass die Bauarbeiten zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt wurden. Fast schien es, als würde Hildegard spüren, wenn es an einer Ecke der Baustelle zu einem Aufschub kam. Dann war sie zur Stelle, sprach mit den Arbeitern, vermittelte, schlug neue Wege vor.

»Diese Frau packt dich bei deiner persönlichen Ehre, du kannst gar nicht anders, du willst alles tun, um sie am Ende nicht zu enttäuschen.« Der Mann, der dies Elisabeth mit einem Seufzen gestanden hatte, war ein Kerl mit einem Brustkorb wie ein Eichenfass und Händen so groß wie Schaufeln.

Elisabeth, die dabei gewesen war, die Bauarbeiter mit verdünntem Wein zu versorgen, konnte ihm nur zustimmen. Sie wusste genau, was der groß gewachsene Steinmetz ihr hatte sagen wollen. Und als sie dann noch von Schwester Maria erfuhr, dass Hildegard bereits an einem neuen Buch über die verschiedenen Naturen der Geschöpfe arbeitete, kannte Elisabeths Bewunderung für die Kraft und Ausdauer der Äbtissin keine Grenzen mehr. Wie konnte diese Frau nur all die Aufgaben bewältigen?

Elisabeth hatte Maria diese Frage gestellt, die auch keine Antwort gewusst und stattdessen berichtet hatte, dass die Äbtissin schon mehr als einmal von Schwächeanfällen, Lähmungen und Krankheiten niedergeworfen worden sei. »Ich denke, der Allmächtige hält seine schützende Hand über unsere Mater«, hatte Maria vermutet.

Elisabeth mochte die freundliche, einfühlsame Maria von allen Nonnen am meisten. Wobei sie nichts Nachteiliges über die übrigen Ordensfrauen hätte sagen können. Zumindest nicht bis zu den zwei Tagen kurz vor Michaelis, die Elisabeth eine neue Freundin und eine Feindin bescherten.

***

Elisabeth war von Magistra Hildegard nach dem Gebet zur Prim und dem Frühstück für die Arbeit in der Küche eingeteilt worden. Zusammen mit Schwester Clementia hatte Elisabeth zwei große Kessel Bohneneintopf gekocht. In einem weiteren Kessel hatten die Nonnen Haferbrei zubereitet, der zusammen mit Dörrobst als Nachspeise serviert werden sollte. Schwester Gertrudis, die sich um die Vorräte des Klosters kümmerte und mit wachem Blick die Arbeiten in der Küche beaufsichtigte, hatte die beiden in den Keller geschickt, um vier Tonkrüge mit Dörrobst heraufzuholen. Clementia und Elisabeth kamen gerade wieder aus dem Keller, als sie einen lauten Schlag hörten, gefolgt von einem wütenden »Wie kannst du es wagen, Kerl?«.

Während Clementia auf der Treppe stehen blieb, vor Schreck ganz starr, rannte Elisabeth die Stufen zur Küche hinauf.

»Gertrudis, ist alles in Ordnung? Brauchst du Hilfe?«, rief Elisabeth, als sie in die Küche stürmte.

Gertrudis hob nur kurz die Hand, um Elisabeth aufzuhalten, und dann schlug sie mit der flachen Hand erneut auf die hölzerne Arbeitsplatte.

»Dreck, Tod und Höllenfeuer, der Herr vergebe mir mein Fluchen. Wenn du deine dreckigen Finger noch einmal in meinen Honigvorrat tauchst, dann zeige ich dir, wie scharf mein Küchenmesser ist, dann ist Schluss mit Honigschlecken, haben wir uns verstanden?«

Der Lehrjunge, der vor der Nonne stand, schien unter ihrem zornigen Blick noch einen halben Kopf kleiner zu werden. »Ja … Ja … ehrwürdige Mutter. Ich …«

»Das ›ehrwürdige Mutter‹ kannst du dir für unsere Äbtissin aufheben, du unwürdiger Wicht, du diebischer Nichtsnutz. Warum bist du überhaupt hier? Na los, rede. Du wirst doch wohl noch einen anderen Grund haben. Was wolltest du sonst noch tun, außer meinen süßen Honig zu stehlen?«

Der Lehrjunge nahm seinen ganzen Mut zusammen, straffte die Schultern und sagte: »Meister Pösen lässt ausrichten, dass er heute noch drei weitere Maurer am Westflügel hat, und … und … er bittet darum, dass Ihr dies beim Eintopf und bei den Broten … ähm …« Der Lehrjunge kratzte sich unter seiner Bundhaube, weil ihm das Wort nicht mehr einfiel.

»Ich verstehe schon, ich soll mehr Essen bringen«, schnaubte Gertrudis, wobei Elisabeth deutlich sah, dass deren Empörung angesichts der Verlegenheit des Lehrjungen längst verraucht war.

Der Junge nickte mit einem erleichterten Grinsen. »Das war es, was Meister Pösen wollte.«

»Dann richte ihm aus, dass ich mich darum kümmern werde.« Gertrudis griff in ein Regal und nahm aus einer Schüssel eine Handvoll getrockneter Apfelringe. »Da, Junge, iss. Aber denk daran, dass mein Messer auf deine gierigen Finger wartet, wenn ich dich noch einmal am Honigtopf erwischen sollte.«

»Ja, ja, natürlich.« Der Lehrjunge zog die Bundhaube von seinen struppigen Haaren und verbeugte sich tief. Schnell steckte er sich zwei Apfelringe in den Mund und kaute genüsslich. »Und danke.«

»Mund leer essen, bevor du sprichst. Und jetzt ab mit dir.«

Der Lehrjunge flitzte aus der Küche.

»Dreck, Tod und Höllenfeuer?«, fragte Elisabeth mit einem Lächeln, während sie die beiden Tontöpfe abstellte. »Als ich den Schlag hörte, befürchtete ich schon das Schlimmste.«

»Und trotzdem bist du unerschrocken in meine Küche gestürzt, bereit, mich und meine Ehre zu verteidigen. Das war sehr mutig von dir, Elisabeth. Merke dir, wir sind Nonnen und haben Respekt verdient, bei den Kerlen da draußen bedarf es dafür manchmal … ähm … einer anderen Wortwahl, als es für eine Dame von Adel schicklich wäre.«

»Himmel, mein Herz, ich werde alt. Mir … Mir fehlt die Luft zum Atmen. Da stürmt dieser Lehrjunge an mir vorbei, als sei ihm der Leibhaftige auf den Fersen. Erst da habe ich gewagt, näher zu kommen.« Schwester Clementia stellte ihre Tonkrüge auf die Arbeitsplatte, stützte sich ab und holte tief Luft.

»Nur ruhig, Clementia, es ist nichts geschehen, was dich aufregen müsste«, erwiderte Gertrudis und zwinkerte Elisabeth zu. »Außerdem hätte ich tatkräftige Unterstützung bekommen. Elisabeth ist in meine Küche gestürmt, als wäre sie der heilige Georg, bereit, mit dem Drachen zu kämpfen.«

»Ja, jung müsste man noch mal sein. In deinem Alter, Elisabeth, hätte ich es auch noch mit jedem Drachen aufgenommen.«

»Und er hätte sich bestimmt in Acht nehmen müssen, davon bin ich überzeugt, Clementia«, erwiderte Elisabeth.

Doch die ältere Nonne lachte trocken auf. »Schau dir unsere Novizin an, Gertrudis, tapfer ist sie, und sie weiß, wie sie einer alten Frau schmeicheln muss.«

Gertrudis klopfte Elisabeth anerkennend auf die Schulter. »Ich denke, du wirst noch mehr Stärken haben. Beim Schneiden der Zwiebeln hast du dich jedenfalls ganz geschickt angestellt. Da hatte ich in meiner Küche schon ganz andere Fälle.«

»Brunhilde, unsere Köchin auf Burg Greich, war immer der Meinung, dass auch die Tochter eines Grafen wissen muss, was in der Küche zu tun ist, und meine Mutter hat dem nie widersprochen.«

»Dann hast du von zwei sehr weisen Frauen lernen dürfen. So, und nun wird geschwiegen. Ich möchte, dass du das Dörrobst in die Tonschüsseln dort drüben verteilst und anschließend den einen Kessel mit Eintopf nach draußen auf die Baustelle trägst. Nimm einen Lappen dazu, der Henkel des Kessels wird heiß sein. Und, Clementia, du könntest die Brote aufschneiden, die Scheiben dort in die Körbe legen und ebenfalls nach draußen bringen. Sputet euch beide. Es kann nicht mehr lange dauern, bis uns die Glocke zum Mittagsgebet ruft, und ich möchte das Essen für die Männer auf jeden Fall vor dem Gebet auf der Baustelle haben.«

»Ja, Schwester«, antworteten Clementia und Elisabeth wie aus einem Mund, was Gertrudis zu einem weiteren amüsierten Lächeln verführte.

***

»Na, sieh mal einer an, was haben wir denn da?«

Elisabeth, die nach dem Frühstück noch schnell in den Schlafsaal gelaufen war, um sich für die Arbeit an den neuen Kräuterbeeten ihre Schürze anzuziehen,...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2023
Reihe/Serie Historischer Kriminalroman
Historischer Kriminalroman
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 12. Jahrhundert • Friederich Barbarossa • Frühes Mittelalter • Gift • Heinrich der Löwe • Hildegard von Bingen • Hildegard von Bingen-Krimi • hirstorischer Kriminalroman • Kloster • Kloster Rupertsberg • Mord • Spannung
ISBN-10 3-98707-012-9 / 3987070129
ISBN-13 978-3-98707-012-9 / 9783987070129
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