Mordsgift (eBook)
272 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-044-0 (ISBN)
Barbara Edelmann ist in Mindelheim geboren und aufgewachsen. Seit Jahrzehnten lebt sie glücklich und zufrieden im Allgäu. Ihre Erfahrungen und Beobachtungen verarbeitet sie in ihren Allgäu-Krimis. Außerdem liebt sie Rothenburg ob der Tauber und widmet der Stadt ihre zweite Krimireihe.
Barbara Edelmann ist in Mindelheim geboren und aufgewachsen. Seit Jahrzehnten lebt sie glücklich und zufrieden im Allgäu. Ihre Erfahrungen und Beobachtungen verarbeitet sie in ihren Allgäu-Krimis. Außerdem liebt sie Rothenburg ob der Tauber und widmet der Stadt ihre zweite Krimireihe.
1
Dieser Julimorgen hätte schöner nicht sein können – außer für die attraktive Frau Ende dreißig mit pechschwarz gefärbtem Haar, die inmitten eines parkartigen Grundstücks am äußersten Rand von Legau unschlüssig vor der schweren Metalltür einer großen Villa stand. Mehrere Male hatte sie schon erfolglos auf den Klingelknopf gedrückt.
Resigniert betätigte sie die Aus-Taste auf ihrem Smartphone und schob es zurück in ihre mit Pailletten bestickte Handtasche. »Ans Telefon geht se auch net«, flüsterte sie gereizt. »Aber ihr Auto steht in der Garage. Und mich dann zusammenscheißen, weil ich zu spät bin. Des lass ich mir nimmer lang bieten.« Wütend schüttelte sie ihre wallende Mähne, die sich wie etwas Lebendiges um ihre Schultern ringelte. Eine der nachlässig angebrachten Extensions löste sich, fiel zu Boden und blieb in einem der gepflegten Lavendelbüsche hängen, die den schmalen Gehweg zur Eingangstür säumten. Doch die hübsche Frau bemerkte es nicht.
Anita Hoff hatte sich angesichts des vielversprechenden Sommermorgens mit beeindruckender Hartnäckigkeit in ein an strategisch wichtigen Stellen etwas zu knappes feuerrotes Schlauchtop gezwängt sowie in eine schwarze Stretchjeans, die nichts der Phantasie überließ. Ihre Füße steckten in zierlichen Goldsandaletten mit halbhohen Absätzen. Der aufgeworfene Schmollmund war exakt geschminkt und der Lidstrich eine Winzigkeit zu dick aufgetragen. Anita war davon überzeugt, er verleihe ihren Augen etwas Geheimnisvolles.
Sie zeigte gern, was der liebe Gott ihr geschenkt hatte, und erfreute sich daher bei einigen Herren im Dorf großer Beliebtheit. Das lag nicht nur an ihrem unkonventionellen Kleidungsstil, den die ehrbaren Damen des Legauer Kirchenchores hinter vorgehaltener Hand »nuttig« und die männlichen Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr »rattenscharf« nannten, sondern auch an ihrer großzügigen Einstellung zu gewissen Dingen, über die man im Dorf ebenfalls tuschelte. Anita scherte sich nicht um das Gerede anderer, da sie seit ihrer Kindheit ohnehin nur um sich selbst kreiste. Das Attribut »rattenscharf« eröffnete ihr, die nichts von ihrer Überzeugung nach antiquierten Moralvorstellungen hielt, erstaunliche Möglichkeiten. Lästige Dinge wie Skrupel oder Empathie überließ sie gern Leuten, die Zeit für so was hatten. Sie säte nie, erntete trotzdem und war mit einem Selbstbewusstsein gesegnet, für das andere gemordet hätten.
Nun aber wurde sie mit jeder Sekunde, die verstrich, nervöser. Unsicher tippelte sie von einem Bein aufs andere. Die Chefin öffnete nicht. Das sah nach Ärger aus.
Dummerweise hatte Anita vor Kurzem ihre Stelle beim Moserhof verloren, einem luxuriösen Seniorenruhesitz in Legau. Schuld daran war ein klitzekleiner, Anitas Meinung nach künstlich hochgespielter und eigentlich nicht erwähnenswerter Zwischenfall, bei dem ihre offenherzige Art, ihre Schwäche für hochpreisigen Schmuck, ein wohlhabender Senior mit bis dato unerkannter Herzschwäche, ein Defibrillator plus Reanimation und ihr Minirock in der Größe eines breiteren Gürtels signifikante Rollen gespielt hatten. Wie es ihrem Naturell entsprach, betrachtete sie die ganze Entrüstung darüber als aufgebauscht, denn immerhin hatte es ja keine Toten gegeben, und wenn doch, dann wäre der gute Mann wenigstens glücklich gestorben.
Zu diesem Arbeitsplatz auf dem Moserhof hatte jedenfalls auch ein kuscheliges Appartement für Anita und ihren kleinen Sohn gehört, das mit dem Job ebenfalls futsch war. So kam es, dass sie kleinlaut auf dem Bauernhof ihrer Eltern vorstellig werden und um Aufnahme in ihr altes Kinderzimmer bitten musste.
Frau und Herr Walter hatten ihrem Sargnagel von Tochter allerdings unmissverständlich klargemacht, dass wer nicht arbeitete, auch nicht essen sollte. Die Zeiten hatten sich geändert, und der Welpenschutz, von dem Anita als Einzelkind bis zu ihrem achtunddreißigsten Lebensjahr profitiert hatte, war Geschichte. Irgendwann werden auch die gutmütigsten Eltern gescheit.
»Umsonst gibt’s gar nix mehr«, hatte Frau Walter ihrer verdatterten Tochter resolut verdeutlicht, als diese mit dem kleinen Kevin im Türrahmen stand und ihre Eltern bittend anblickte. »Kannst schon kommen, der Bub auf jeden Fall, aber schaffen gehen musst du. Oder du hilfst auf dem Hof mit. Mir können immer jemand brauchen. Der Papa wird auch net jünger.«
Anita wusste, wann ihre Mutter es ernst meinte. Dieses Mal hatte es auch nichts genützt, ihren Vater zu umschmeicheln, denn der hatte vor seiner Frau noch mehr Angst als vor seiner Tochter und schwieg nur betreten, als Anita ungläubig stotterte: »Papa, des meints ihr hoffentlich net wirklich so? Weil ich mich doch erst amal erholen muss von dem Schock, eigentlich bin des wahre Opfer ja ich. Die ham mich alle gemobbt, weil se neidisch auf mich sind.«
»Darüber, was am Moserhof war, schwätzen mir net«, hatte ihr Vater verlegen erwidert. »Reicht schon, wenn die Leut des tun. So ham mir dich net erzogen.«
Hatten sie doch, aber das ist eine andere Geschichte.
Und so kam es, dass Anita seit nunmehr zwei Monaten als Haushaltshilfe bei Ilona und Rainer Wassermann angestellt war, einem sehr vermögenden Unternehmerehepaar, das gemeinsam eine gut gehende Seifenmanufaktur in Legau betrieb. Die Artikel der Firma »Wohlgeruch« waren mittlerweile aus keinem Onlineshop und keiner Edelparfümerie mehr wegzudenken.
»Schon zehn Minuten nach acht«, zischte Anita jetzt grimmig. »Und dann macht se mich wieder rund, die grantige Beißzang, weil ich zu spät bin. Obwohl ich pünktlich war. Lieber Gott, warum werd ich so gestraft? Ich bin doch ein anständiger Mensch!« Sie sandte einen flehentlichen Blick gen Himmel, bekam aber keine Antwort. Das war zu erwarten gewesen, denn sie ließ sich höchst selten in der Kirche sehen.
»Hat sie wohl net ins Bett gefunden.« Anita war stinksauer. »Dann darf ich heut einen Haufen leere Flaschen zum Wertstoffhof schleppen. Toll. So a Teflon-Leber wie die möchte ich mal einen Tag lang ham. Da pfeift sie mich wegen ein paar Minuten Verspätung an, aber selber sauft sie wahrscheinlich dermaßen, dass sie mir jetzt net die Tür aufmachen kann. Ich bin so sauer!«
In Wirklichkeit war Anita eher verunsichert als wütend, denn Ilona Wassermann, ihre neue Chefin, hasste Unpünktlichkeit wie der Teufel das Weihwasser, genauso sehr wie Tariflöhne und glückliche Menschen. Da der Gesetzgeber sie allerdings zur Bezahlung dieser Tariflöhne verpflichtet hatte, erwartete sie eine Menge Leistung für ihr Geld. Anita konnte davon ein Lied singen. Ilona überwachte und kontrollierte sie ständig, sie war sich nicht mal zu schade, unter den Küchenschränken nachzusehen, ob ihre Angestellte dort gründlich gesaugt hatte.
Hatte sie nicht, darum war auf diese Insubordination eine Aussprache gefolgt, in deren Verlauf Anita heulend auf einem chromglänzenden Küchenstuhl von Bentz zusammengesunken war. Ilona, eine zerbrechlich wirkende, aber drahtige Blondine mit Kurzhaarschnitt, einem herben, hageren Gesicht und dünnen, stets perfekt geschminkten Lippen, hatte mit vor Wut beinahe schwarz wirkenden Augen auf sie herabgesehen.
»Da brauchen S’ jetzt net plärren«, hatte sie Anita mit ihrer harten Stimme angeherrscht. »Machen S’ Ihre Arbeit anständig, dann geraten mir zwei nicht mehr aneinander.«
»Aber …«, hatte Anita gegreint, »ich …«
»Sparen Sie sich des. Funktioniert vielleicht bei meinem Mann, aber bei mir net«, fuhr Ilona genervt fort, als Anita sie mit tränennassen Augen anblickte. »Mir sind jetzt fertig. Die zehn Minuten für des Gespräch zieh ich Ihnen übrigens vom Lohn ab. Avanti.« Mit einer einzigen Handbewegung hatte sie Anita wieder an die Arbeit gescheucht, und die hatte eingeschüchtert gehorcht.
Es gab nur wenige Menschen in Legau, die Anita so aus der Fassung bringen konnten wie Ilona Wassermann. Ihr waren grellfarbige Haushälterinnen mit dickem Lidstrich, zumal wenn sie nicht unter den Möbeln fegten, ein Gräuel. Aber Anita war die einzige Bewerberin auf das Inserat im Legauer Kirchenanzeiger gewesen, was nicht am florierenden Arbeitsmarkt, sondern am Bekanntheitsgrad von Ilona lag, die ihr Unternehmen nach dem Motto »Wenn sie mich nicht lieben, dann sollen sie mich wenigstens fürchten« leitete. Kim Jong-un hätte noch von ihr lernen können.
»Im Moserhof war’s gar net so schlecht«, bemerkte Anita verärgert. »Hätt ich da bloß bleiben können. Alleweil diese frustrierten älteren Weibsbilder, die einer starken Frau wie mir das Leben zur Hölle machen. Jetzt muss ich hier buckeln und krieg jeden Tag einen Anschiss. Was Besseres kommt halt nie nach.« Verdrossen zog sie eine Grimasse. »Ich lauf außenrum durch den Garten«, beschloss sie dann. »Vielleicht hat sie die Terrassentür offen gelassen. Wär net des erste Mal.«
Sie setzte sich in Bewegung und verschwand um die Hausecke. »Der ihre Sorgen möchte ich mal einen Tag lang ham«, maulte sie, als sie den schmalen, mit Granitplatten belegten Weg entlangstöckelte. »Riesenhaus, eigene Firma, Kleidergröße 36, Geld wie Dreck. Und dann nie mit was zufrieden, die ganze Zeit am Rumnörgeln. Dabei hat sie so einen tollen Mann. Keine Ahnung, warum die trotzdem so mies drauf ist. Die hat garantiert keinen Grund dazu.«
Hier irrte sich Anita. Ilona Wassermann, Anitas Chefin, hatte ein einziges, aber enormes Problem: Es war hundertsiebenundachtzig Zentimeter groß, achtundvierzig Jahre alt, blond und mit breiten Schultern sowie einem höllischen Charme versehen. Alle Frauen, ob jung oder alt, ob ledig oder verheiratet, bekamen bei seinem Auftauchen feuchte Augen. Rainer wusste das und genoss es. Und er nutzte es aus. Weidlich. Er war einfach unglaublich schlecht im...
Erscheint lt. Verlag | 22.6.2023 |
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Reihe/Serie | Sissi Sommer, Klaus Vollmer | Sissi Sommer, Klaus Vollmer |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Allgäu • Allgäukrimi • Gift • Habgier • Klaus Vollmer • Krimi • Krimi mit Humor • Lokalkrimi • Mord • Schwarzer Humor • Sissi Sommer • Spannung |
ISBN-10 | 3-98707-044-7 / 3987070447 |
ISBN-13 | 978-3-98707-044-0 / 9783987070440 |
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