Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-004-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kriminalistinnen. Der Tod des Blumenmädchens -  Mathias Berg
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Ein facettenreicher zeitgeschichtlicher Kriminalroman . . .. . . und das mitreißende Porträt einer jungen Frau in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Düsseldorf, 1969: Erstmals werden Frauen zu Kriminalbeamtinnen ausgebildet - ein Novum, das Widerstände in der Behörde und der Bevölkerung hervorruft. Die zweiundzwanzigjährige Lucia Specht lässt sich davon nicht abhalten. Sie ist fasziniert vom Beruf der Kriminalistin und fest entschlossen, der Enge ihrer Heimatstadt zu entkommen. Als ein junges Hippiemädchen brutal ermordet wird, nimmt sich Lucia unter Mithilfe ihrer Kolleginnen des Falls an - und beweist, dass sie das Zeug zur Ermittlerin hat.

Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem 14. Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln und in der Vulkaneifel.

Mathias Berg wurde 1971 in Stuttgart geboren und schreibt seit seinem 14. Lebensjahr. Nach dem Studium der Soziologie in Bamberg und London wurde er PR-Redakteur und arbeitete in der Werbung und im Marketing. Mathias Berg ist verheiratet und lebt in Köln und in der Vulkaneifel.

1

Montag, 4. August 1969

Der Himmel war ein sattes, großes Blau. Als hätte der Zeichner vergessen, die Wolken zu malen. Ich stand mit meinen fünf Kolleginnen von der Polizei auf dem ausgedörrten Rasen im Düsseldorfer Hofgarten und posierte für den Fotografen. Es war kurz nach neun an diesem Montagmorgen. Die Sonne schien freundlich, und mir war zum Heulen zumute. Genau heute vor zehn Jahren war meine Mutter vor meinen Augen zu Tode gekommen, und immer noch quälte mich die Frage, ob ich es hätte verhindern können. Die Frage nagte an mir, und ich fragte mich, ob das jemals aufhören würde. Und zugleich war ich glücklich, denn ihr Tod wiederum war der Grund, warum ich jetzt hier stand. Wo ich hinwollte.

Ob ich hierhingehörte, sollte sich zeigen.

Eigentlich waren wir alles gestandene Frauen. Bis auf mich. Ich fand, dass ich unfertig war. Mit meinen zweiundzwanzig Jahren war ich die Jüngste in der Truppe. Ich war hungrig nach Wissen, ich wollte in einer Sache richtig gut sein, und das hier war meine Chance. Vom ersten Tag der Ausbildung an hatte ich jede Unterrichtsstunde aufmerksam verfolgt, Fachwissen in mich aufgesaugt, jedes Sachbuch akribisch gelesen und unsere Ausbilder mit Fragen gelöchert. Ich wusste, das war genau das, was ich machen wollte. Ich hatte es zur Polizei geschafft und war verdammt stolz auf mich. Ich wünschte, meine Mutter könnte mich jetzt sehen.

»Lächle doch mal«, hätte sie gesagt. »Schau nicht immer so ernst drein.«

Klick. Klick. Klick.

»Hey, Ladys, noch ein Lächeln an diesem herrlichen Summerday, ja, genau so«, rief uns der jugendliche Fotograf vom STERN mit heller Stimme zu.

Und wir lächelten.

»Gut so, weiter. Und das Kinn heben.«

Wir hoben gleichzeitig das Kinn an. Ich fand es albern, wie wir dastanden, wie eine Riege von Pennälern und so scheußlich zurechtgemacht. Eine freiwillige Feuerwehr hätten sie schöner inszeniert, dachte ich. Aber wie so oft behielt ich meine Gedanken für mich.

Klick. Klick. Klick.

»Stehen Sie ruhig locker, das sind nur Fotos zum Warmwerden«, sagte der Fotograf, als wären es Modeaufnahmen für die Mademoiselle.

Ich hörte das mechanische Klicken des Verschlusses des Fotoapparats und das schnelle Aufziehen nach jeder Aufnahme, aber in meinen Gedanken war ich woanders.

»Danke, eine kurze Pause«, rief der Fotograf und gab dem Reporter ein Zeichen.

Das Wochenmagazin STERN wollte einen Artikel über uns sechs angehende Kriminalistinnen bringen, damit ganz Deutschland wusste, wie besonders wir waren. Gruppenfotos und Einzelporträts. Hier im Park und in den Schulungsräumen im Präsidium, wo wir ausgebildet wurden. Wir sechs Frauen waren besonders, weil wir gemeinsam mit den Männern zu Kriminalbeamten ausgebildet wurden. Ohne jeglichen Unterschied, eine vollkommene Gleichbehandlung. Das war neu und sorgte für Aufregung. Seit dem Tag im März, an dem wir unsere Dienstmarken in die Hand gedrückt bekommen hatten, waren wir von den männlichen Kollegen genau beobachtet worden. Umso erstaunlicher, dass heute keiner hinter den Büschen lauerte und auf uns aufpasste. Für diesen Montagvormittag hatten wir freibekommen, denn Öffentlichkeitsarbeit war der Behörde wichtig.

Der Reporter, er hieß Fred Klein, ein gemütlicher Typ mit Vollbart, zeigte auf mich. Die Kolleginnen kontrollierten ihr Make-up, und er schritt auf mich zu, mit einem gezückten Reporterblock in der Hand, und nahm ruhig die Pfeife aus dem Mundwinkel, die kalt geworden war.

»Warum wollten Sie zur Kripo? Kriminalbeamter ist doch ein typischer Männerberuf. Was war Ihre Motivation als Frau?«, fragte er und taxierte mich dabei.

In Gedanken war ich bei dem Abend im November vor zehn Jahren, als die Polizei zu uns kam. Zu meinem Vater, meinem Bruder und mir, im November 1959, drei Monate nach Mutters Tod. Noch immer hörte ich das Schrillen der Türklingel in meinem Kopf. Ich senkte den Blick, starrte auf meine Schuhspitzen, auf die sich der Staub von der knochentrockenen Wiese gelegt hatte, und widerstand dem Impuls, sie sauber zu wischen.

»Wie meinen Sie das?«, fragte ich Fred Klein.

Er sah mich erstaunt an. »Wäre Stewardess bei der Lufthansa nicht auch ein schöner Beruf für Sie? Das ist doch ebenso aufregend.«

Ich kniff die Augen zusammen. Beim Bewerbungsgespräch im Präsidium hatten sie mir dieselbe Frage gestellt. Ich hatte in einem züchtigen Kleid wie aufgespießt auf dem Stuhl gesessen und im Brustton der Überzeugung geantwortet: »Weil kein Verbrechen ungestraft bleiben soll und kein Verbrecher ungeschoren davonkommen darf.«

Ich sah den Reporter ernst an und wiederholte laut den Satz aus dem Bewerbungsgespräch. Er kritzelte auf seinem Block herum.

»Und wo sind Sie aufgewachsen?«

»In Essen. Im Arbeiterviertel. Mein Vater und mein Bruder arbeiten in der Zeche. Auf Zollverein.«

»Was ist Ihr Beruf? Was haben Sie gelernt?«

»Sekretärin«, antwortete ich, und Fred Klein nickte, betrachtete seine Notizen.

»Freuen sich Ihre Eltern, dass Sie bei der Polizei sind?«

»Ich habe sie nicht gefragt. Ich bin ja volljährig und kann machen, was ich will.«

»Finden die das nicht ungewöhnlich? Sie, als Frau, mit einer Waffe?« Fred Klein legte den Kopf schief. Er war so ein väterlicher Typ, doppelt so alt wie ich, und mir schien, dass er bereits eine feste Vorstellung davon hatte, wie sein Artikel aussehen sollte.

»Nein, eigentlich nicht. Hatten Sie schon mal eine Waffe in der Hand?«

Er schüttelte kurz den Kopf. »Danke, das genügt mir fürs Erste«, erklärte er.

Ich atmete auf, und er ging weiter zu meiner Kollegin Mieze, die eigentlich Herta hieß und dem Mann direkt ein Kotelett ans Ohr quatschte.

»Ich bin in einer Kneipe groß geworden und kenne die Menschen. Ich sehe einem Typen an, wenn er lügt«, hörte ich sie sagen, während ich mich zu den anderen stellte und an meinen Haaren rumnestelte. Das Schlimmste an diesen Fotos war: Wir mussten alle Perücken tragen, damit uns niemand auf den Fotos erkennen konnte. Schwachsinn, dachte ich.

»Langweilige Fragen, was?«, sagte Ruth, stellte sich neben mich und deutete auf Fred Klein. »Da schicken die uns einen Mann zum Interview. Das kann doch nichts werden.«

Ich schielte auf ihre falschen blonden Haare, die im Sonnenlicht unnatürlich glänzten. »Du siehst merkwürdig aus«, sagte ich zu ihr und deutete auf ihren Kopf.

»Ich tauge nicht zur Blondine«, erwiderte Ruth. »Warte mal, bei dir hängt noch eine Strähne raus.« Mit einem konzentrierten Blick stopfte sie meine echten dunkelblonden Haare unter den braunen Pagenkopf aus Polyester. »Ich hab’s gleich.«

»Meine Mutter würde dir auf die Finger hauen, wie du mit meinen Haaren umgehst«, rutschte es mir raus.

»Hab dich nicht so. Diese Perücken sind furchtbar, die würde ich höchstens zum Karneval tragen«, schimpfte Ruth. »Was haben die sich nur dabei gedacht? Als ob uns niemand mehr erkennen könnte, mit den ollen Fifis aufm Kopp. So, fertig.«

»Schau dir mal Mieze an. An der würde ich glatt vorbeilaufen«, bemerkte ich und deutete mit ausgestrecktem Finger auf sie.

Mieze trug ebenfalls eine brave Blondhaarperücke. Ihre leuchtenden roten Locken waren verschwunden. Sie hatte einen kirschroten Lippenstift aufgelegt und sah aus wie eine miese Kopie von Jayne Mansfield. Sie posierte, kurvig, wie sie war, solo für den Fotografen, der einen Narren an ihr gefressen hatte und vor ihr wie Mick Jagger in schlangenhaften Bewegungen herumturnte.

Wir sahen uns an und lachten.

»Meine Damen, wir würden jetzt gern ein Foto mit Ihrer Dienstmarke machen«, sagte Reporter-Fred.

»Bitte, Ladys, stellen Sie sich vor das Brückengeländer hier«, dirigierte uns der Fotograf. »Und klemmen Sie sich die Dienstmarke wie ein Monokel vor das Auge.«

Ich hatte mir den Namen nicht gemerkt, weil ich ihn uninteressant fand. Ein junger Kerl in hellblauen, engen Jeans, die tief auf seiner schmalen Hüfte saßen, mit blonden, gescheitelten Haaren, die ihm fast bis zu Schulter reichten und ihn wie einen Musiker aussehen ließen. Er war sonnengebräunt, als sei er gestern aus Saint-Tropez gekommen. Ein moderner junger Mann und ganz und gar nicht mein Typ. Ich mochte langhaarige Männer nicht leiden.

»Ihnen würde die Perücke auch gut stehen«, sagte Ruth, und er lachte amüsiert und dirigierte mich mit der ausgestreckten Hand an die richtige Position.

Ich sollte in der zweiten Reihe stehen, links außen, neben der großen Renate, die mir mit leidender Miene zuzwinkerte.

»Sehe ich genauso schlimm aus wie du?«, fragte sie leise, als ich mich neben sie stellte.

Ich hob den Kopf und sah auf ihre Perücke, die wie ein Wischmopp auf ihrem schmalen Kopf thronte.

»Schlimmer«, antwortete ich und gluckste.

Vor uns standen Mieze, Lilli und Petra. Mieze in der Mitte, die anderen beiden links und rechts, mit braunem, glänzendem Plastikhaar. Alle drei trugen das gleiche knielange Baumwollkleid mit einem grünen Schilfblattmuster darauf und einem dünnen Gürtelchen um die Taille. Renate, Ruth und ich in der Reihe dahinter hatten uns auf einen hellen Faltenrock und einen dünnen cremefarbenen Pullover geeinigt. Die Idee war, dass wir relativ einheitlich aussehen sollten, keine sollte durch Individualität auffallen.

»Was für ein Affentheater«, raunte mir Renate zu, als wir uns, wie von Fred geheißen, die Dienstmarke wie ein Monokel ans Auge setzten. Die anderen unterdrückten ein Kichern.

»Die Damen haben gute Laune, das ist doch prächtig«, rief Fred vom STERN, und wir lachten einmal laut auf. Aber...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2023
Reihe/Serie Die Kriminalistinnen
Die Kriminalistinnen
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1969 • Deutschlands erste Kriminalistinnen • Düsseldorf • Emanzipation • Frauen • Frauenbewegung • Frauen in der Polizei • Gleichberechtigung • Hippiemädchen • historisch • Kriminalroman • Mord • Mordfall • Polizeiausbildung • Unterhaltsam • Unterwelt • weibliche Ermittlerin
ISBN-10 3-98707-004-8 / 3987070048
ISBN-13 978-3-98707-004-4 / 9783987070044
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