12 Harte Arizona Western Dezember 2022 (eBook)
1100 Seiten
Alfredbooks (Verlag)
978-3-7452-2593-8 (ISBN)
19
Nachdem sie das Dörrfleisch gegessen hatten, löschte Billy Dunlop sofort das Feuer. Er bedachte Henrietta mit einem Blick, der unverhohlene Gier ausdrückte. Mit dem Ärmel wischte er sich den Mund ab...
Henrietta starrte ihn an, wusste sofort, was mit ihm los war.
Zeit gewinnen, dachte sie. Jeder Augenblick, der verstrich, war möglicherweise ein Gewinn. Sie war überzeugt davon, dass Jim Cranston ihr noch immer auf den Fersen war und versuchte, sie zu befreien. Ja, sie klammerte sich regelrecht an diesen Gedanken.
Billy Dunlop blickte an ihrem Körper herab, starrte einige Augenblicke auf die Brüste, die sich durch den Stoff des Hemdes hindurch deutlich abzeichneten. Sie trug nichts darunter. Kein Mieder oder etwas Ähnliches. Dazu war bei dem überstürzten Aufbruch von der Blue Creek Ranch keine Zeit gewesen.
"Wir sollten weiterreiten", sagte sie. "Jim Cranston wird uns sonst einholen..."
Billy Dunlops Augen wurden schmal.
"Ich dachte, das ist es, was du dir wünschst..."
"Ich weiß nicht. Nachdem, was ich mir wünsche, hat Cranston nie gefragt."
Er ging auf sie zu. "Aber, was ich mir wünsche, weißt du ganz genau, oder?" Er grinste breit.
"Cranston...", flüsterte sie.
"Der hat keinen Gaul mehr."
"Er wird aber nicht aufgeben, Billy."
"Ich schätze, der ist längst auf dem Weg zurück zur Blue Creek Ranch!" Billy Dunlop glaubte in Wahrheit an diese Möglichkeit kaum. Aber er sagte das, um seine Gefangene zu entmutigen, ihr jeden Willen zur Flucht zu nehmen, der vielleicht noch vorhanden war.
Henrietta schluckte.
"Nein, so einer ist Jim Cranston nicht!"
"Glaubst du!" Er lachte rau. "Selbst wenn er hinter uns her ist und sich dabei die Füße wundläuft - Zeit genug für ein paar schöne Augenblicke bleibt uns allemal." Er näherte sich, breitete dabei die Arme aus. Henrietta wich einen Schritt zurück, fühlte dann den kalten Felsen hinter sich.
"Na komm schon, du hast dich auch nie geziert... Heißt es nicht von dir, du seist die Sünde pur?"
Er schnellte vor, griff nach ihr und bekam das Hemd zu fassen. Ein kräftiger Ruck und die Knöpfe lösten sich. Sie versuchte, ihn wegzudrücken. Seine Hände fanden ihre Brüste. Sie stieß ihn zurück, aber er war zu kräftig. Er hielt ihre Arme an den Handgelenken fest und drückte sie gegen den kalten Fels. Ihr Atem ging schneller. Ihre Brüste hoben und senkten sich in immer schnellerem Rhythmus dabei. Der Puls schlug ihr bis zum Hals.
"Was hast du davon, wenn du mich mit Gewalt nimmst - wenn du doch den Himmel auf Erden haben könntest?", keuchte sie. Er sah sie an.
"Was soll das heißen?", fragte er.
"Nicht hier", erwiderte sie. "Nicht hier und jetzt."
"Glaubst du, ich lass mich ewig hinhalten?"
"Bis heute Abend wirst du noch warten können, Billy." Er atmete tief durch. Ihre Brüste drückten gegen seinen Oberkörper. Die Nähe dieser unvergleichlichen Frau brachte ihn völlig um den Verstand.
Schließlich nickte er, ließ sie dann los.
Henrietta zitterte leicht, biss sich dann auf die Unterlippe. Sie brauchte einige Augenblicke, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die junge Frau rieb sich die Handgelenke. Der Griff von Billys Pranken glich dem eines Schraubstocks.
"Okay", sagte Billy. "Aber ich möchte dir nicht geraten haben, mir etwas vorzumachen..."
"Hast du es nötig, mir zu drohen, Billy?", erwiderte Henrietta. "Ich dachte, du könntest eine Frau auf andere Weise beeindrucken!"
Billy fluchte etwas Unverständliches vor sich hin. Henrietta verknotete das offene Hemd vor der Brust.
"Reiten wir weiter", forderte Billy. Er verzichtete darauf, sie fesseln. Henrietta war ihm dankbar dafür. So war es leichter, sich auf dem Pferderücken zu halten. Gerade dann, wenn es steile Hänge hinauf oder hinunter ging und der Gleichgewichtssinn ohnehin auf eine harte Probe gestellt wurde.
Außerdem ergab sich vielleicht doch noch eine Möglichkeit zur Flucht.
Henrietta war sich nämlich darüber im klaren, dass sie Billy nicht endlos lange hinhalten konnte. Spätestens am Abend würde er das fordern, was er irrigerweise als sein Recht empfand.
Henrietta mochte gar nicht daran denken, wie groß der Vorsprung, den sie gegenüber Jim Cranston hatten, bis dahin geworden war. Sieh den Tatsachen ins Auge!, forderte eine immer lauter werdende Stimme in ihr. Auf Jim Cranston kannst du nicht mehr zählen. Er hat kaum eine Chance uns noch einzuholen.
Sie ritten schweigend durch die karge, steinige Landschaft. Schroffe Felsen ragten empor und wenn sie günstig zur Sonne standen, dann spendeten sie immerhin etwas Schatten. Billy Dunlop hatte die Zügel von Henriettas Pferd nach wie vor an seinen Sattelknauf gebunden. Er traute ihr nicht über den Weg - allen Versprechungen zum Trotz. Und um sich einfach loszureißen, den Gaul herumzureißen und wie eine Wahnsinnige davonzupreschen, dazu war sie einfach nicht die richtige Reiterin.
Sie kamen an den Überresten eines Trecks vorbei, der vor vielen Jahren diesen Weg genommen hatte. Die Planwagen waren von den stürmen, die hier mitunter aufkamen, zerzaust. Nur als Fetzen hingen Planen von den Gestellen. Die Ochsen, die sie gezogen hatten, lagen als bleichende Skelette im Staub. Von den Siedlern gab es keine Spur. Vermutlich hatten sie versucht, ohne die Wagen durchzukommen. Ob sie es geschafft hatten, vermochte niemand zu sagen.
Billy Dunlop würdigte die Überreste des Trecks nur eines kurzen Blickes, nahm kurz den Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
"So wirst du auch enden, Billy", sagte Henrietta. "Früher oder später..."
Er lachte heiser.
"Du glaubst an Wunder, Schätzchen! Jim Cranston kämpft im Augenblick genauso um das Überleben, wie es die Siedler dieses Trecks einst mussten... der verschwendet keinen Gedanken mehr an dich, Baby!"
"Das wünschst du dir vielleicht. Aber irgendwann wird er dich zur Stecke bringen. Wenn nicht hier, dann in El Paso in Mexiko. Irgendwann wird er dich aufspüren.
Vielleicht erst nach Jahren, aber es wird geschehen!" Billy spuckte aus, nahm dann einen Schluck aus seiner Feldflasche.
"Du kannst mir keine Angst machen, Henrietta! So sehr du dir auch Mühe gibst!"
Mit einem Ruck zog er ihren Gaul hinter sich her, preschte vorwärts und Henrietta krallte sich an ihrem Sattelknauf fest. Als er nach einigen hundert Yards wieder ein langsameres Tempo vorlegte, lachte er.
Du wirst dich noch wundern, Billy!, durchzuckte es Henrietta grimmig.
Sie ritten bis zum frühen Abend, als die Sonne bereits milchig wurde. Als glutroter Feuerball senkte sie sich über die gezackten Kämme der Felsmassive nieder. Ein einzigartiges Farbenspiel war dort zu sehen.
Im Schutz einiger Felsbrocken fand Billy einen geeigneten Lagerplatz. Er ließ Henrietta ein paar Sträucher als Feuerholz zusammensuchen. Es war ziemlich schwierig, genug davon zusammenzubekommen, zwar befanden sie sich inzwischen schon wieder in einem Gebiet, in dem die Vegetation etwas reichhaltiger war. Aber trotzdem blieb das Suchen von Feuerholz sehr mühsam. Henrietta musste in den umliegenden Felsen herumklettern, um hier und da einen vertrockneten Strauch aus dem Boden zu reißen. Zunächst hatte sie überlegt, das zur Flucht zu nutzen, aber sie sah schnell ein, dass das unmöglich war.
Billy beobachtete sie die ganze Zeit über, hatte die Hand immer am Colt.
Er konnte sie jederzeit abknallen wie ein Kaninchen, wurde ihr klar. Vermutlich musste sie mit der Flucht warten, bis Billy Dunlop schlief. Irgendwann würden auch diesem wilden Kerl die Augen zufallen. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Vielleicht kann ich zu seiner Müdigkeit ja auch etwas beitragen, ging es ihr durch den Kopf.
Als sie genug Holz zusammengetragen hatte, machte Billy Feuer. Dann holte er die Sättel von den Pferderücken. In seiner Satteltasche war noch eine Dose mit Bohnen.
"Wie ich sehe, gehen deine Vorräte auch bald zur Neige", stellte Henrietta fest.
"Keine Sorge, wir kommen schon zurecht." Sie bemerkte, dass er stets darauf achtete, dass sie in keinem Fall sein Wichester-Gewehr erreichen konnte. Billy hatte ein Blechgeschirr dabei. Daraus aßen sie nacheinander.
Inzwischen war es merklich dunkler geworden.
Nachdem die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, brach die Dämmerung sehr schnell herein. Die ersten Sterne funkelten am Himmel. Der Mond stand als strahlende Sichel über den Felsen. Es würde kalt werden. Henrietta fröstelte schon bei dem Gedanken daran. Aber da war noch etwas anderes, das ihr kalte Schauder über den Rücken trieb.
Es war das Blitzen in Billy Dunlops Augen und der unverhohlen lüsterne Blick, mit dem er sie betrachtete. Er verstaute das Essgeschirr in den Satteltaschen. Und dann wandte er sich wieder ihr zu.
Ihr Atem ging schneller.
Jetzt alles auf eine Karte setzen, dachte sie. In der hereinbrechenden Dämmerung konnte sie vielleicht fliehen, wenn sie es schaffte, Billy vorher wenigstens für eine Weile auszuschalten.
Er stand auf, stand breitbeinig da und steckte die Daumen hinter seinen Revolvergurt.
"Na los, was ist jetzt mit deinem Versprechen..." Henrietta sah ein, dass sie ihn nicht länger hinhalten konnte.
Wortlos löste sie den Knoten, mit dem sie ihr Hemd zusammengebunden hatte.
Das...
Erscheint lt. Verlag | 4.12.2022 |
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Verlagsort | Lengerich |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
ISBN-10 | 3-7452-2593-7 / 3745225937 |
ISBN-13 | 978-3-7452-2593-8 / 9783745225938 |
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