Leise, stirb leise (eBook)

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2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3154-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Leise, stirb leise -  Reinhard Rohn
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Ein Mörder wird zum Opfer

Als junger Mann wurde er zum Mörder, doch er wurde nie gefasst. 26 Jahre lang lebt er seitdem unentdeckt als angesehenes Mitglied der Gesellschaft, als Ehemann und Familienvater ein geordnetes Leben. Dann holt ihn jedoch die Vergangenheit ein: In Köln wird eine Prostituierte tot aufgefunden, ermordet nach »seinem« Muster von damals.

Dieses Mal ist er unschuldig, doch ein skrupelloser Erpresser schwört Rache. Und der Countdown läuft. Für Kommissarin Lena Larcher ein Fall, der sie an ihre beruflichen und persönlichen Grenzen treibt. Denn auch sie kämpft mit Gespenstern der Vergangenheit ...



Reinhard Rohn wurde 1959 in Osnabrück geboren und ist Schriftsteller, Übersetzer, Lektor und Verlagsleiter. Seit 1999 ist er auch schriftstellerisch tätig und veröffentlichte seinen Debütroman 'Rote Frauen', der ebenfalls bei Aufbau Digital erhältlich ist.

Die Liebe zu seiner Heimatstadt Köln inspirierte ihn zur seiner spannenden Kriminalroman-Reihe über 'Matthias Brasch'. Reinhard Rohn lebt in Berlin und Köln und geht in seiner Freizeit gerne mit seinen beiden Hunden am Rhein spazieren.

 

1.


Um neun Uhr, hatte Gerald Bohl gesagt, der Kriminaldirektor. Sie solle um neun Uhr ihren Dienst antreten. Sie würde einen Schreibtisch haben und von ihrem Kollegen Henning Mahn eingewiesen werden. Sie solle die Sache ruhig angehen – neun Monate Pause seien keine Kleinigkeit. Der Fall, um den sie sich kümmern solle, sei eigentlich eingestellt worden – eine Frau sei vor über einem Jahr spurlos verschwunden, eine Zeitungszustellerin, die morgens auf ihrer Runde in Riehl wahrscheinlich ihrem Mörder oder einem geheimen Liebhaber begegnet sei, mit dem sie ihr normales Leben verlassen habe. Keine große Angelegenheit, aber das Richtige, um wieder in die alltägliche Polizeiarbeit zu finden. Und wenn die Sache zu anstrengend für sie sei, solle sie sich direkt bei ihm melden.

Ein kurzes, freundliches Telefonat.

Erst nachdem Lena Larcher aufgelegt hatte, war ihr aufgefallen, dass ihre Hände zitterten. Dann hatte die Glocke von Sankt Agnes geschlagen, und sie war zusammengezuckt.

Nach neun Monaten würde sie wieder ins Präsidium gehen – sie galt als gesund, zumindest dienstfähig. Von ihren Kopfschmerzattacken und den gelegentlichen Sehstörungen hatte sie nichts gesagt. Sie musste wieder arbeiten – raus aus der Wohnung, aus den Erinnerungen. Wenn sie die Kraft fände, würde sie auch endlich aus der Wohnung ausziehen, die nun, da Robert und Simon tot waren, viel zu groß für sie war.

Insgeheim wusste sie, dass ihr Vater dahintersteckte – der legendäre Hauptkommissar Georg Larcher, der vor über dreißig Jahren das entführte Mädchen eines Großindustriellen aufgespürt und gerettet hatte. Ihr Vater hatte mit Bohl gesprochen und ihm gesagt: Meine Tochter wird zu Hause verrückt, sie muss wieder arbeiten, findet etwas für sie.

Der Himmel war bewölkt, ein unfreundlicher Oktobertag in Köln. Die Uhr zeigte bereits zwanzig nach acht. Sie sollte sich beeilen, wollte sie nicht zu spät kommen.

Sie hatte nur einen Kaffee getrunken, und irgendwie, während sie sich auf den Weg nach Kalk zum Präsidium machte, hatte sie das Gefühl, gleich kein Wort herauszubringen. Es hatte in den letzten Monaten Tage gegeben, an denen sie nicht ein einziges Wort gesprochen hatte.

Was wäre, wenn Mahn ihr den Autoschlüssel in die Hand drücken würde, damit sie zu einem Einsatzort fuhr? Wieder durchlief sie ein Schauder. Daran hatte keiner gedacht, dass sie nach dem Unfall nicht mehr hinter einem Steuer gesessen hatte. Wahrscheinlich würden sich die stechenden Kopfschmerzen sofort wieder einstellen, sobald sie nur den Zündschlüssel herumdrehen würde.

An der Pforte im Präsidium erkannte man sie noch. Sie zückte ihren Dienstausweis und wurde mit einem freundlichen Lächeln durchgewinkt.

Sie atmete erleichtert auf, als wäre damit tatsächlich eine erste Hürde genommen.

Der Gang, auf dem die Mordkommission lag, war verlassen. Aus einer offenen Tür war ein Radio zu hören – die Neun-Uhr-Nachrichten. Sie war also pünktlich. Eine junge Frau mit grellrot gefärbten Haaren eilte aus dieser Tür, ein paar Computerausdrucke in der Hand, und stockte kurz. Dann nickte sie und streckte ihre Hand aus. »Ich bin Mona – Mona Beckmesser. Ihre Assistentin.«

Lena ergriff, ebenfalls lächelnd, die Hand der jungen Frau und dachte gleichzeitig, dass sie diesen Tag nicht durchstehen würde.

»Henning wartet schon«, sagte Mona. »Sie müssen gleich los – alle sind krank. Ganz Köln hat offenbar die Grippe.« Sie zuckte mit den Achseln und lächelte wieder. Zwischen ihren Schneidezähnen war eine kleine Lücke zu sehen. Sie war allenfalls Mitte zwanzig, wahrscheinlich frisch von der Polizeischule, und trug winzige rote Stecker im Ohr und rote Leinenturnschuhe.

»Ich dachte, ich übernehme einen alten Fall«, sagte Lena.

»Hat sich geändert«, erwiderte Mona und schob Lena förmlich in ein Büro hinein. Es war zum Glück ein anderes, nicht ihr altes. In der Ferne sah sie die Spitzen des Doms.

Henning Mahn saß an seinem Schreibtisch vor Schwarz-Weiß-Fotos und blickte auf, als Lena hereinkam. Er erhob sich mit einem Seufzen und ging auf sie zu, um sie wie eine Verwandte, die er lange nicht gesehen hatte, zu umarmen. Er war dünner geworden, wirkte ein wenig ausgezehrt. Trotzdem war er mit seinen dichten braunen Haaren immer noch ein attraktiver Mann von Anfang fünfzig. Sie erinnerte sich, dass er sie kurz nach dem Unfall ein-, zweimal angerufen hatte, um sie zu trösten, aber sie hatte nie lange mit ihm gesprochen.

»Lena«, sagte er, »schön, dass du zurück bist. Wir haben gleich Arbeit, viel Arbeit.«

Mona war bereits wieder hinausgegangen. Vom Gang waren Stimmen zu hören, die sich jedoch nicht näherten.

»Ein neuer Fall?«, fragte sie und ging zu dem zweiten Schreibtisch, der völlig leer war. Ein Computer, ein Telefon – mehr befand sich da nicht.

»Leider – ich wollte dich schon anrufen. Gestern, spätabends. Ein Brand in einer Wohnung am Eigelstein. Eine tote Frau, wurde wahrscheinlich erdrosselt, bevor das Feuer gelegt wurde.« Er seufzte wieder. »Larsen und Wiegand sind beide krank – schwere Grippe. Haben sich gegenseitig angesteckt.«

Lena setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Ich kann das alles nicht, sagte eine Stimme in ihr. Doch was willst du sonst anfangen mit deinem Leben?, flüsterte eine andere.

»Gut«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin bereit. Wohin müssen wir?«

Mahn lächelte. »Ich hole uns einen Kaffee und bringe dich auf den neuesten Stand. Ich bin sicher, wir werden gut zusammenarbeiten.«

Sie fuhren nach Köln hinein. Zum Glück hatte sich Henning Mahn hinter das Steuer ihres Dienstwagens gesetzt. Sie konnte sein Aftershave riechen. Er begann zu erzählen, dass er wieder Bass spiele, in einer richtigen Rockband. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er sie beeindrucken wollte – und dass etwas mit seiner Ehe nicht stimmte. Wie hatte seine Frau geheißen? Anna oder Annelie? Sie wusste es nicht mehr. Eine dünne, ausgemergelte Frau, die aussah, als würde sie dreimal in der Woche ins Fitnessstudio gehen.

»Hast du eigentlich Kinder?«, fragte sie, als er am Ring in den Eigelstein abbog. Sofort bedauerte sie die Frage – sie hätte es eigentlich wissen müssen.

»Drei«, erwiderte er. »Sind aber schon flügge.«

Dann hatten sie den Tatort erreicht. Ein hässliches Mietshaus, das wohl noch aus den Fünfzigerjahren stammte. In der dritten Etage war ein Fenster eingeschlagen worden, die Fassade war verrußt.

»Also«, sagte Henning mit aufgesetzter Fröhlichkeit, während er den Motor abstellte, »unser erster gemeinsamer Fall. Die Kollegen von der Technik sind noch bei der Arbeit, aber die Leiche ist seit heute Morgen in der Rechtsmedizin.«

»Wann wurde die Frau entdeckt?«, fragte Lena.

»Gestern um dreiundzwanzig Uhr ging der Notruf ein.«

Die Haustür stand offen. Ein dunkles, muffiges Treppenhaus empfing sie. Lena ließ Henning den Vortritt. Jeweils zwei Wohnungstüren passierten sie auf den Etagen. Lena versuchte, sich die Namen der Bewohner zu merken, aber der Blick verschwamm ihr, und der rasende Kopfschmerz, der sie seit dem Unfall immer wieder heimsuchte, stach ihr in den Schädel.

Nicht jetzt, dachte sie, nur nicht jetzt – sie musste sich konzentrieren.

Die Wohnungstür war eingetreten und aus den Angeln gerissen worden und stand gegen die Wand gelehnt im Flur. Es roch nach Rauch und dem chemischen Löschmittel der Feuerwehr.

»Hallo«, rief Mahn und trat ein. Drei Männer der Spurensicherung waren bei der Arbeit. Zwei drehten sich nach ihnen um und nickten ihnen zu. Sie waren jung, kaum dreißig. Lena kannte sie nicht. Der dritte Mann war Jürgen Weiler, er war Anfang sechzig, ein dünner, baumlanger Kerl, der bereits mit ihrem Vater zusammengearbeitet hatte. Als er Lena erkannte, lächelte er und hob die Hand.

»Bist du endlich wieder an Bord?« Er kam auf sie zu und deutete eine ungeschickte Umarmung an, obwohl er seinen weißen Papieranzug trug.

»Seit heute«, gab sie leise zurück.

Dann schaute sie sich um. Hier war ein Mensch zu Tode gekommen, aber davon war nichts zu spüren, wie sie das sonst von einem Tatort kannte. Der Täter hatte versucht, seine Spuren zu verwischen. Das Feuer hatte ein Doppelbett zerstört, die Matratze war fast vollständig verbrannt, nur ein paar verkohlte Metallfedern ragten noch heraus. Das Bettgitter war teilweise geschmolzen. Auch ein Schrank war verbrannt. Hier und da standen noch Pfützen des Löschwassers. Scherben lagen auf dem Boden. Durch das eingeschlagene Fenster drang frische Luft herein.

»Der Experte der Feuerwehr ist schon abgezogen«, sagte Weiler an Lena gewandt. »Eindeutig Brandstiftung. Der Täter hat sogar den Benzinkanister dagelassen. Hat sich keine Mühe gegeben, etwas zu vertuschen.«

Lena wandte sich um. »Wie viele Zimmer hat die Wohnung?«

»Nur dieses Zimmer, eine kleine Küche und ein Bad«, antwortete Weiler.

»War die Tote eine Domina?«, fragte Lena.

Mahn schaute sie an und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Eine Domina – wie kommst du darauf?«

Sie deutete auf ein verkohltes Holzkreuz an der Wand. »Wenn ich mich nicht irre, nennt man dieses Holzgebilde Andreaskreuz – es wird gerne von Dominas zur Erbauung ihrer Kundschaft verwendet.«

»Wieso kennst du dich mit so etwas aus?«, fragte Mahn.

Statt zu antworten, verließ Lena das Zimmer und öffnete die Tür zum Bad,...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2022
Reihe/Serie Lena Larcher ermittelt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Andreas Franz • Christoph Gottwald • Ermittlungen • Familienvater • Köln • Köln Krimi • Krimi • Kriminalroman • Lena Larcher • Mord • Polizei • Regionalkrimi • Rheinland • Rheinland Krimi • Roman • Salim Güler • Sören Martens • Tod • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-3154-3 / 3841231543
ISBN-13 978-3-8412-3154-3 / 9783841231543
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