Sturm über Triest (eBook)
512 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-7444-6 (ISBN)
Günter Neuwirth wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Der Autor verdient seine Brötchen als Informationsarchitekt an der TU Graz und wohnt am Waldrand der steirischen Koralpe. Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat in jungen Jahren in Wiener Jazzclubs auf. Eine Schaffensphase führte ihn als Solokabarettist auf zahlreiche Kleinkunstbühnen. Seit 2008 publiziert er Romane, vornehmlich im Bereich Krimi. Mehr Informationen zum Autor unter: www.guenterneuwirth.at
Günter Neuwirth wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Der Autor verdient seine Brötchen als Informationsarchitekt an der TU Graz und wohnt am Waldrand der steirischen Koralpe. Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat in jungen Jahren in Wiener Jazzclubs auf. Eine Schaffensphase führte ihn als Solokabarettist auf zahlreiche Kleinkunstbühnen. Seit 2008 publiziert er Romane, vornehmlich im Bereich Krimi. Mehr Informationen zum Autor unter: www.guenterneuwirth.at
Montag,
4. November 1907
Bruno stieg die Treppen hoch, trat durch die offen stehende Tür in die Wohnung und stellte die Badewanne aus verzinktem Eisenblech ab. Damit war das gesamte Mobiliar am Ziel angelangt. Er schloss die Wohnungstür hinter sich und wischte mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Zwei Stunden war er unermüdlich die Treppe hinauf- und hinuntergelaufen, jetzt nahm er den Wasserkrug vom Wohnzimmertisch, füllte das Glas und trank es in einem Zug leer.
Luise hatte das Wohnhaus in der Via Pietro Kandler vor knapp einem Monat gekauft und umgehend einige Sanierungsarbeiten in die Wege geleitet. Sowohl Bruno, aber noch viel mehr Fedora waren sprachlos gewesen, als Luise ihnen mitgeteilt hatte, dass sie ihrem Advokaten den Auftrag zum Kauf erteilt hatte. Wozu sei sie, so hatte Luise achselzuckend gefragt, die Baronin Callenhoff und verfüge über ein beträchtliches Vermögen, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit eine Investition tätigen könne, ihr Mann habe bestimmt Verständnis, dass sie Geld in Immobilien veranlagte. Ein Wohnhaus in der Nähe des Giardino Pubblico war unbestreitbar eine solide Geldanlage. Die Verwaltung des Hauses würde weiterhin die bestehende Kanzlei durchführen, und die Mieter würden den Besitzerwechsel nicht in geänderten Mietpreisen, sondern lediglich an der frisch gestrichenen Fassade bemerken. Luise plante, ihre mäßig große Triester Stadtwohnung im Borgo Teresiano beizeiten aufzugeben und in eine geräumigere zu übersiedeln. In der Beletage lebte ein altes Ehepaar. Die ehemaligen Hausbesitzer benötigten eine derart große Stadtwohnung nicht mehr, deshalb hatten sie das Haus veräußert, sie wollten ihren Lebensabend auf dem Landsitz der Familie verbringen. In Jahresfrist würde die Beletage frei werden. Und für die leer stehende Wohnung im vierten Stock war flugs eine Mieterin gefunden, nämlich Fedora. Luise hatte als Mietpreis den niedrigsten Betrag gewählt, den man als Miete in Triest veranschlagen konnte, ohne den Neid anderer Hausbewohner zu erwecken. Ja, in Wahrheit hatte Luise für Fedora und ihre beiden Söhne mit einem Fingerschnippen eine Wohnung in guter Lage und Ausstattung besorgt.
Durch die Wohnungstür trat man direkt in die Küche, in der sich ein solider Küchenschrank und der Herd befanden. Eine weitere Tür führte in das recht geräumige Wohnzimmer, das mit einem Keramikofen ausgestattet war. Rechts und links lagen je ein Kabinett ungefähr gleicher Größe. Im Zimmer rechts würden Fedoras Söhne schlafen, sie selbst im Zimmer links. Die vier Fenster zur Seitengasse hinaus waren neuwertig, da pfiff nicht der Wind durch Rillen und Ritzen. Fedora wusste nicht, wie sie Luise für diese Gunst jemals danken konnte.
Bruno hörte Fedora im Kinderzimmer fluchen. »Ist etwas passiert?«
»Was?«
»Ich fragte, ob dir etwas passiert ist.«
Fedora kam in das Wohnzimmer, setzte sich zu Bruno an den Tisch und goss sich ebenfalls ein Glas Wasser ein. »Nein, nichts ist passiert. Ich habe mich nur am Knie gestoßen. Bist du schon fertig?«
Bruno streckte seine Arme von sich. »Jawohl, ich bin fix und fertig.«
Fedora schaute sich um. Möbel, Steigen und Koffer standen überall herum, es würde noch ein ganzes Weilchen dauern, bis die Wohnung fertig eingerichtet war, aber immerhin war ihr Hab und Gut jetzt hier. »Ohne deine Hilfe hätte ich die Möbel und das Gepäck niemals in so kurzer Zeit transportieren können.«
»Du hättest eine Schar Möbelpacker engagieren müssen.«
Fedora kniff die Augen zusammen. »Du kommst mir erheblich billiger. Ein Teller Suppe und genug.«
»Wasser brauche ich auch«, konterte Bruno verschmitzt lächelnd und füllte das Glas erneut.
Sie schaute zur am Boden liegenden Tischuhr. »Es ist knapp vor zwölf. Großartig, dass wir es noch vor Mittag geschafft haben.«
»Wann kommen die Buben von der Schule?«
»In einer Stunde.«
»Das heißt, die Suppe wird rechtzeitig fertig sein.«
»Bleibst du zum Essen?«
Bruno verzog seinen Mund. Da Carlo und Fedora Cherini in Trennung von Tisch und Bett lebten und das Gerichtsverfahren noch anhängig war und da Fedoras Söhne Bruno vielleicht nicht hassten, dennoch ablehnten, hielt Bruno sich, was das Familienleben Fedoras mit ihren beiden Buben betraf, lieber zurück. Es reichte ja, dass sich im neuen Wohnhaus Fedoras die Leute den Mund zerrissen. Da sowohl Carlo als auch Fedora katholischer Konfession waren, war gemäß der Rechtsprechung Österreich-Ungarns eine Scheidung nicht möglich, nur Menschen anderer Konfessionen konnten sich in der Habsburgermonarchie rechtsgültig scheiden lassen. Für Katholiken gab es nur die Möglichkeit der Annullierung einer Ehe oder das Recht auf Trennung von Tisch und Bett. Im Fall des Ehepaares Cherini war die Annullierung nicht möglich, denn der Ehe waren zwei kerngesunde Knaben entwachsen. Also blieb für sie nur die Trennung von Tisch und Bett, wodurch die Ehe aufrechtblieb, aber sowohl Mann als auch Frau keine Eherechte und -pflichten mehr zueinander hatten. Da Carlo und Fedora einander trotz beiderseitiger Verfehlungen nicht wegen Ehebruchs angeklagt hatten, steuerte das Verfahren auf eine einvernehmliche Trennung zu.
Dennoch wohnte der Affäre erhebliches Potenzial zum Skandal inne. Carlo Cherini bekleidete als Erster Offizier des Liniendampfers Baron Beck eine bedeutende Stellung im Österreichischen Lloyd. Und der Geliebte seiner treulosen Ehefrau Fedora war auch kein geringer Mann, nämlich Inspector I. Klasse im Dienste des k.k. Polizeiagenteninstituts. Dass Carlo angeblich ein Verhältnis zu einer in Bombay lebenden Engländerin unterhielt, hatte sich zwar herumgesprochen, aber, ganz ehrlich, Triest war Triest, und Bombay sehr, sehr weit entfernt.
Bruno und Fedora hatten, nachdem die Baron Beck abgelegt hatte, demonstrativ ihre zuvor heimliche Beziehung offengelegt, um damit dem Getratsche den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie waren, kaum war der Skandal ruchbar geworden, gemeinsam auf den Markt und in die Fischhalle gegangen, hatten zusammen im Caffè degli Specchi Kaffee getrunken und im Teatro Verdi einer Opernaufführung beigewohnt. Diese Strategie war insofern von Erfolg gekrönt gewesen, als dass der Skandal tatsächlich bald vergangen und vergessen war.
Bruno allerdings hatte das Bekanntwerden seiner jahrelangen Beziehung zu Fedora beruflich erheblich geschadet. Ehebruch war nach dem Gesetz ein Vergehen, das bei einer Anklage eines geschädigten Ehepartners mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft werden konnte und im Falle einer Verurteilung zur sofortigen Entlassung aus dem Polizeidienst geführt hätte. Brunos Glück war, dass Carlo keine Anklage erhoben hatte. Und das schlicht und einfach deshalb, weil Fedora drei Briefe seiner Engländerin gefunden hatte und offen gedroht hatte, auch Carlo wegen Ehebruch anzuklagen, was mit den vorliegenden Beweisen möglicherweise zu Haft, in jedem Fall aber zu einer Entlassung aus dem Dienst als Seeoffizier geführt hätte. So hatte sich das Ehepaar Cherini geeinigt, das Trennungsverfahren ohne Anklage einvernehmlich zu eröffnen. Der Polizeidirektor hatte Bruno nicht entlassen, aber bis zum Abschluss des Verfahrens vom Dienst suspendiert.
»Lieber nicht. Ich gehe wieder nach Hause.«
»Wie du willst.«
»Wann musst du wieder ins Theater?«
»Erst in zwei Tagen. Für den Umzug habe ich mir freigenommen.«
Nicht nur mit der Wohnung hatte Luise Fedora geholfen, auch bei der Arbeit. Auf Luises Empfehlung hatte Fedora eine Anstellung als Kostümbildnerin am Politeama Rossetti erhalten. Gemeinsam mit zwei anderen Frauen hielt sie den umfangreichen Kostümbestand des Theaters instand, sie arbeitete sowohl mit der Nadel in der Hand als auch mit der Nähmaschine. Das Gehalt war bescheiden, aber sie konnte ihre geringe Miete und den täglichen Bedarf ihrer Söhne bestreiten. Und natürlich half Bruno großzügig aus, zwar erhielt er in der Zeit seiner Suspendierung kein Gehalt, aber nach fünfzehn Jahren im Dienst der Triester Polizei hatte er Reserven angespart.
Bruno erhob sich und trat ans Fenster. Der Regen prasselte seit dem Morgengrauen herab. Zum Glück hatten sie die Möbel in der Hauseinfahrt – vor dem Regen geschützt – zwischenlagern können. »Eigentlich hast du es gar nicht so schlecht getroffen. Die Schule ist im Nachbarhaus, das Theater ist nicht fern und der Volksgarten liegt fast vor der Haustür.«
Fedora stellte sich neben ihn und umfasste seine Taille, er legte seinen Arm um ihre Schulter. »Du aber auch nicht. Sobald Luise hier einzieht, hast du deine beiden Geliebten unter einem Dach vereint.«
»Ich nähere mich paradiesischen Zuständen.«
Fedora grinste schief. »Ich glaube, du wirst unter der Last der Verantwortung zusammenbrechen.«
»Da kann ich mir schlimmere Niedergänge vorstellen.«
»Bestimmt ist es ein Vorteil, dass der Weg in dein Stammcafé dich hier vorbeiführt.«
»Du meinst, ich kann in Zukunft vor, während und nach dem Billardspiel zu dir hochlaufen, um einen Teller Suppe oder ein Glas Wasser zu holen.«
»Du könntest dir auch einen Kuss holen.«
»Nun, dafür, dass ich dein Mobiliar vier Stockwerke hochgeschleppt habe, hätte ich einen verdient.«
Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wann sehe ich dich wieder?«
»Morgen vielleicht. Ich bin um zehn Uhr zum Polizeidirektor vorgeladen.«
»Wie bitte? Und die ganze Zeit über sagst du nichts!«, rief Fedora überrascht. »Erklär mir das.«
Bruno zuckte mit den Achseln. »Gestern habe ich einen Brief erhalten. Der Direktor bittet mich höflich um...
Erscheint lt. Verlag | 8.3.2023 |
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Reihe/Serie | Historische Romane im GMEINER-Verlag | Inspector Bruno Zabini |
Verlagsort | Meßkirch |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror | |
Schlagworte | 1907 • 20. Jahrhundert • Adria • Agenten • Agentenkrimi • Band 3 • bru • Flotte • Flottenrüstung • Friaul-Julisch • Historischer Roman • Italien • Krimi • Kriminalroman • Mittelmeer • Österreich • Roman • Schlachtschiffe • Scirocco • Sturm • Sturm über der Adria • Triest • Venetien |
ISBN-10 | 3-8392-7444-3 / 3839274443 |
ISBN-13 | 978-3-8392-7444-6 / 9783839274446 |
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