Colette (eBook)

Ihre Bücher sorgen für Furore, doch für ihre Freiheit muss sie kämpfen

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2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3176-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Colette -  Pia Rosenberger
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»Folge deinem Weg. Und wenn du dich hinlegst, dann erst, um zu sterben.«  

Paris, 1893: Die junge Sidonie-Gabrielle Colette erträumt sich ein Leben an der Seite des Schriftstellers Henry Gauthier-Villars. Doch als sie heiraten, erkennt sie, wer ihr Mann wirklich ist: ein Salonlöwe und Schwerenöter, der seine Bücher von Lohnschreibern verfassen lässt. Auch ihr Talent macht er sich zu eigen. Als ihre frechen »Claudine«-Romane ganz Paris in Aufruhr versetzen, will Colette sich nicht länger unterjochen lassen. Sie kämpft für ihre Freiheit - und ihren Namen. 

Die atemberaubende Geschichte einer Frau, die sich als Schriftstellerin, Schauspielerin und Tänzerin beweist 



Pia Rosenberger wurde in der Nähe von Osnabrück geboren und studierte nach einer Ausbildung zur Handweberin Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Pädagogik. Seit über 20 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Esslingen und arbeitet als Autorin, Journalistin, Museumspädagogin und Stadtführerin. Im Aufbau Taschenbuch sind bereits ihre Romane »Die Bildhauerin« und »Die Künstlerin der Frauen« erschienen.

Prolog


Saint-Sauveur, Burgund, 1880

An einem kalten und regnerischen Herbstabend waren Gabrielle und ihr Vater Jules-Joseph Colette mit dem Pferdewagen zu einem Gasthaus an der Landstraße zum Nachbarort unterwegs. Gabrielle blies sich in die Hände, warf ihre feuchten Zöpfe über die Schultern und zog ihren Mantel enger. Die Rede ihres Vaters würde sterbenslangweilig werden, das wusste die Siebenjährige jetzt schon, aber sie freute sich auf die Vorstellung mit der Laterna Magica, die darauf folgen würde.

Nachdem sie das Cheval Rouge erreicht hatten, hob Hauptmann Colette Gabrielle vom Kutschbock und stellte sie auf die regennasse Straße. An der Hausecke klapperte ein Schild im Wind. Es zeigte ein rotes Pferd, dessen Hufe die Luft peitschten.

»Auf in den Kampf, Kleine«, sagte er. Sie folgte ihm durch einen Flur voller feuchter Wettermäntel und Regenschirme in den Gastraum.

»Bonsoir, Monsieur Colette. Gabri.« Die Kellnerin nickte ihnen zu. Sie stand vor einer verspiegelten Wand voller Flaschen und polierte ein Glas. Gabrielle fand sie sehr hübsch mit ihrem blonden Haarknoten und dem duftigen, grünen Rüschenkleid.

»Bonsoir, Mademoiselle Nora.«

»Der Saal ist gut gefüllt, Monsieur Colette.«

»Das wollen wir hoffen.« Er legte Hut und Mantel ab und packte die Mappe mit seinen Notizen aus. »Dann mal auf!« Gabrielle folgte ihm, obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte.

Der Festsaal war voller Menschen und so verraucht, dass sie kaum etwas sehen konnte. Während sie sich durch die Menge drängten, hätte Gabrielle zu gern nach der Hand ihres Vaters gegriffen, aber das ging nicht, weil er sich auf seine Krücke stützte und unter dem anderen Arm seine Notizen trug. Also hielt sie sich an seiner Jacke fest. Die Gäste johlten und klatschten. »Colette! Colette! Bravo!«

Sie stiegen die Treppe zur Bühne hinauf, wo die Laterna Magica bereits aufgebaut worden war. Hier oben schienen sie über der Menschenmenge zu schweben. Gabrielle hielt sich im Hintergrund, während ihr Vater die Leute mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte.

»Guten Abend, meine lieben Freunde. Mein Name ist Hauptmann Jules-Joseph Colette. Wie ihr wisst, habe ich im tapferen Dienst für das Zuavenregiment mein Bein verloren.« Er räusperte sich und hielt seine übliche Rede. Papa kandidierte für den Landtag. Soweit Gabrielle ihn verstehen konnte, setzte er sich für die Vernunft und gegen Alkoholkonsum ein. Leider kam das bei den Leuten nicht so gut an, wie sie erwartet hatten.

»Was willst du?«, grölte einer der Zuhörer. »Weshalb sollten wir dich wählen, Capitaine, wo du uns doch jegliches Vergnügen verbieten willst? Wir haben was gegen Abstinenzler und Besserwisser!« Er hob sein Glas und prostete in die Runde, woraufhin der Saal in sein spöttisches Lachen einstimmte.

Gabrielle beobachtete, wie ihr Vater den Kopf hob. »Eure Gesundheit steht auf dem Spiel, ebenso wie euer Erbgut. Lasst ab vom Alkohol, ich bitte euch!«

Das Publikum johlte und pfiff ihn aus. Ihr wurde klar, dass er auf verlorenem Posten kämpfte.

»Ohne Schnaps ist die Welt so öde. Gönnst du uns den etwa nicht?«, fragte einer.

Während Jules-Joseph Colette seinen Blick unschlüssig durch die Runde wandern ließ, kippelte Gabrielle nervös auf ihrem Stuhl und schämte sich. Prallte sein Vortrag an den Leuten ab, weil sie schon zu betrunken waren? Das war alles so peinlich. Sie stand auf und zupfte ihn an seiner Jacke. »Lass uns heimgehen!«

Aber er ignorierte sie und lud stattdessen zu seiner Vorstellung mit der Laterna Magica ein. Er wollte gerade beginnen, als einer der Zuhörer ihn unterbrach. »Du hast doch deine goldhaarige Prinzessin mitgebracht, Hauptmann Colette. Lass sie doch auch etwas vortragen. Nur so zur Unterhaltung.«

Ihr Vater schüttelte vehement den Kopf. »Auf gar keinen Fall.«

Doch Gabrielle klatschte aufgeregt in die Hände. »Bitte, Papa. Darf ich? Bitte, bitte!«

»Nein, Gabri! Auf keinen Fall.«

»Doch, doch, doch!« Bevor er sie davon abhalten konnte, trat sie an den Rand der Bühne heran und verbeugte sich.

Die Leute klatschten und jubelten ihr zu. »Bauernabschaum« nannten ihre Eltern die Bevölkerung der Gegend manchmal verächtlich, doch in diesem Augenblick hätte Gabrielle alles für ihren Applaus getan.

»Zeig, was du kannst, Kleine!«, feuerte ein graubärtiger Alter sie an.

»Komm sofort her«, zischte ihr Vater, aber sie ignorierte ihn.

Gabrielle wusste, dass sie hübsch war, schließlich sagten die Leute ihr das immer. Außerdem trug sie ihr gutes Kleid und die geknöpften Stiefeletten, die ihr Dienstmädchen heute extra geputzt hatte.

»Bühne frei«, rief der Mann mit der Pfeife, »für die Prinzessin von Saint-Sauveur.« Die Zuschauer applaudierten.

»Nun, kleine Colette, was hast du uns zu bieten außer goldblonden Zöpfen bis zum Knie?«, fragte eine Frau verdrossen.

Unschlüssig vollführte Gabrielle ein paar Tanzschritte, bei denen ihre Absätze über den Boden klapperten. Dreh dich nicht um, Gabri! Sonst siehst du, wie dein Papa sich die Hände vors Gesicht schlägt.

»Kannst du auch Cancan tanzen?«, fragte einer. »Aber dafür musst du dein Röckchen heben, kleine Puppe.«

Verhaltenes Lachen ertönte. Gabrielle blieb verunsichert stehen. Von diesem Tanz hatte sie noch nie gehört.

»Gabri, hör auf!«, herrschte ihr Vater sie an.

Aber sie hatte noch lange nicht genug. Angefeuert durch das Klatschen der Menge, drehte sie sich wild im Kreis und ließ ihre Zöpfe fliegen, höher und höher. Sie strahlte über das ganze Gesicht und genoss die vielen aufmerksamen Augen, die auf ihr ruhten. Das Licht ließ ihre Haut glänzen und ihre Wangen erröten.

Applaus brandete auf. »Ich könnte etwas singen.« Sie brachte die Leute mit einer herrischen Gebärde zum Schweigen, holte tief Luft, und ihre klare Stimme übertönte das Geraune.

»Alouette, gentille alouette…«

Das Lied handelte von einer kleinen Lerche, der man nach und nach alle Federn ausrupfte. Es wurde als eines von wenigen in der Schule gesungen. Als sie fertig war, dröhnte der Beifall in ihren Ohren. »Bravo, kleine Colette! Bravo!«

Sie verbeugte sich strahlend in alle Richtungen, doch der Hauptmann fand das gar nicht witzig. »Jetzt reicht es aber. Runter mit dir!«

Widerwillig hüpfte Gabrielle von der Bühne. Er nahm seine Krücke, dirigierte sie durch den überfüllten Saal in die Gaststube und hieß sie, sich auf eine Bank zu setzen. Die Vorstellung mit der Laterna Magica fiel wohl heute aus. »Musste das sein? Und dann auch noch dieses Lied. Wie vulgär kann man sein?«

»Ich habe Durst«, maulte sie.

Nora, die blonde Kellnerin, brachte auf Geheiß des Hauptmanns ein Glas Wasser. Gabrielle trank es aus und genoss ihren ersten Erfolg als Bühnenkünstlerin, ganz egal, was ihr Vater dazu zu sagen hatte. Doch als sich ein Paar zu ihnen setzte und ihn in ein Gespräch verwickelte, begann sie sich wieder zu langweilen. Niemand bemerkte, wie sie von der Bank auf den Boden rutschte. Selbst ihr Vater wusste nicht, was für eine versierte Geheimagentin er in ihr hatte. Sie seufzte, denn unter dem Tisch gab es noch weniger zu spionieren als oben. Frustriert betrachtete sie die klebrige Weinlache, die in einer Fußbodenritze versickerte. Daneben stand Papas einziger Fuß. Sein Beinstumpf mit dem festgesteckten Hosenbein lag auf der Bank. Ihm gegenüber saß ein Mann mit dreckstarrenden Schuhen, rechts von ihm standen die Stiefeletten der Frau, mit der er Händchen hielt. Ihr Rock war hochgerutscht, so dass man den angeschmutzten Saum ihres Unterrocks sehen konnte.

Die Erwachsenen waren so in ihr Gespräch vertieft, dass Gabrielle tollkühn wurde. Vorsichtig zog sie die Schnürsenkel des Mannes auf und verknotete sie mit denen der Frau. Danach streckte sie einen Arm hervor, tastete in Richtung der Tischplatte, griff nach einem Glas, zog es zu sich hinab, trank es aus und stellte es zurück. Wein, aha. Auf den Geschmack gekommen, krabbelte sie aus ihrem Versteck und sah sich um. Im Gewimmel der Schankstube nahm niemand Notiz von ihr. Also schlich sie von einem Tisch zum nächsten und leckte nach und nach...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2023
Reihe/Serie Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bohème • claudine • Colette Willy • Ehe • Emanzipation • Ghostwriter • Gleichgeschlechtliche Paare • Henry Gauthier-Villars • Journalistin • Moulin Rouge • Schauspielerin • Schriftstellerin • Sexuelle Befreiung • Skandale • Theater • Varieté
ISBN-10 3-8412-3176-4 / 3841231764
ISBN-13 978-3-8412-3176-5 / 9783841231765
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