Die Schwester (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
368 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3187-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Schwester -  Petra Johann
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»Jeder Mensch hat dunkle Gedanken. Wie lauten deine?« 

Lisa und Mara sind zwei ungleiche Schwestern. Lisa ist eine erfolgreiche Ärztin, führt eine liebevolle Ehe und hat zwei kleine Kinder. Mara ist Single und lebt von Gelegenheitsjobs, sie nimmt das Leben, wie es kommt. Doch dann fährt Lisa zu einer Tagung, von der sie nicht zurückkehrt. Während die Polizei nur zögernd ermittelt, macht Mara sich selbst auf die Suche. Dabei erfährt sie seltsame Dinge über ihre Schwester, die offenbar einiges vor ihrer Familie verbarg. Und dann wird eine Tote in einem Waldstück gefunden. 

Ein spannender, hintergründiger Kriminalroman über zwei Schwestern und die Frage, was wir wirklich voneinander wissen



Petra Johann, Jahrgang 1971, ist promovierte Mathematikerin. Sie arbeitete mehrere Jahre in der Forschung und in der Softwarebranche, bevor sie ihre wahre Berufung fand: Menschen umbringen - natürlich nur auf dem Papier. Petra Johann ist im Ruhrgebiet aufgewachsen, mittlerweile lebt sie in Bayern. Im Aufbau Taschenbuch ist von ihr »Die Frau vom Strand« und im Verlag Rütten & Loening der Spannungsroman »Der Buchhändler« lieferbar.

2


Als selbstständiger Übersetzer und Lektor legt Tim Wert auf einen präzisen Umgang mit Sprache, daher nehme ich seine Warnung vor Hektors möglichen Trotzanfällen nicht ernst. Etwas schwierig – damit komme ich klar. Meine Mutter behauptet immer, ich sei »das schwierigste Kind, das man sich vorstellen kann« gewesen. Vermutlich hält sie mich noch heute dafür.

Wie erwartet verläuft der Samstagvormittag mit Alma und Hektor entspannt. Nachdem Lisa und Tim losgefahren sind, spiele ich mit den Kindern im Garten. Erst Monsterfangen (ich bin das Monster auf der Suche nach fressbaren Häppchen in Kindergröße), dann Verstecken, dann Rumrollen. Als Hektor gegen eins verkündet, dass er Hunger hat, marschieren wir zu dritt in die Küche, wo mich allerdings eine unliebsame Überraschung erwartet: Es gibt einen Laib Biovollkornbrot, und der Kühlschrank ist voll mit Biogemüse, Biokäse, Biojoghurt, aber offenbar haben Lisa und Tim vergessen vorzukochen – was sie sonst tun, um ihre Kinder davor zu bewahren, aufgrund meiner gastronomischen Unfähigkeit ein lebenslanges Trauma zu erleiden.

»Wer möchte ein Brot?«, frage ich, nachdem ich auch das Gefrierfach überprüft habe, ob es nicht zufällig einige Fertiggerichte enthält.

Alma, brav und genügsam, nickt stumm, Hektor protestiert lautstark.

»Eine Banane?«

»Nein.«

»Einen Joghurt?«

»Nein.«

»Tja, dann könnte es schwierig werden. Was möchtest du denn?«

»Pommes.«

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen und überrascht mich. Lisa und Tim legen Wert auf eine gesunde Ernährung, ich hätte nicht gedacht, dass Hektor weiß, was Pommes sind.

»Pommes gibt’s leider nicht.«

»Pommes!«

»Nein, Hektor, wir haben keine Pommes.«

Im nächsten Moment bricht die Hölle los, und ich erkenne, dass auch Lektoren hin und wieder zu Euphemismen greifen. Hektor hält die Luft an, bis seine Wangen knallrot sind, und kneift die Augen zusammen, bis dicke Tränen daraus hervorquellen.

»Pommes!« Er stampft mit den Füßen auf, dann beginnt er, mit den Fäusten auf einen Küchenstuhl zu trommeln. »POMMES

»Hektor, es gibt keine …«

»POMMES! POMMES! POMMES!«, schreit Hektor wie am Spieß.

Ich starre ihn hilflos an, dann sehe ich zu Alma hinüber, die ihren Bruder aus großen dunklen Augen betrachtet. Sie sagt etwas, das im Gebrüll untergeht. Ich sage etwas Beruhigendes, das ebenfalls untergeht. Schließlich lege ich Hektor eine Hand auf den Rücken, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Es gelingt. Hektor vergisst den Stuhl und boxt stattdessen auf mich ein.

»Spinnst du?«, brülle ich nun meinerseits. Ich umschlinge Hektors Arme und Oberkörper, woraufhin er versucht, mich zu treten.

»Hektor!«

»Pommes!«

»Durchatmen.« Diesmal verstehe ich, was Alma sagt. »Das sagt Mama immer.«

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Hektor sich bei Lisa so aufführt, dennoch versuche ich, den Tipp zu beherzigen, atme tief ein und wieder aus und zähle im Kopf bis zwanzig. Dann gebe ich auf.

»Okay, wir holen Pommes.«

Eine Viertelstunde später sind wir unterwegs zum Kiosk am Ausee. Der Aufbruch hat sich verzögert, weil Hektor – wieder ganz Sonnenschein – darauf bestand, mit dem Laufrad zu fahren, und weil wir noch einmal umkehren mussten, um das Geburtstagsgeschenk für Almas Freundin zu holen. Der Ausee liegt in den Neustädter Auen, einem Naherholungsgebiet am Fluss nicht weit von Lisas und Tims Haus entfernt. Natürlich ist es an diesem Hochsommersamstag eine Woche vor Ferienbeginn proppenvoll dort, und die Schlange vor dem Kiosk zieht sich bis zum Spielplatz hin, doch ich habe Glück. Vor uns wartet ein einbeiniger Mann. Er trägt T-Shirt und Shorts, und die Tatsache, dass nur aus einem der beiden kurzen Hosenenden ein Bein hervorschaut, fasziniert Hektor so sehr, dass er vergisst, wegen der Warterei zu quengeln. Auch Alma starrt den Einbeinigen interessiert und schweigend an, so dass ich die Gelegenheit nutze, mich umzusehen und die Aussicht zu genießen – insbesondere die auf einen knackigen Hintern in einer knappen, leuchtendblauen Badehose. Der knackige Hintern geht nach unten über in zwei muskulöse, dunkelbehaarte Beine, nach oben in eine schmale Hüfte, einen muskulösen Rücken und breite Schultern. Mit anderen Worten: das perfekte Y. Das Y geht nicht weit von mir entfernt Richtung Wasserkante, und ich versuche gerade, es per Telepathie dazu zu bewegen, sich umzudrehen, damit ich auch seine Vorderseite bewundern kann, da bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass Hektor sich dem Einbeinigen nähert und in die Hocke geht in dem Versuch, von unten einen Blick in das ungefüllte Shortsbein zu werfen. Solange er nur guckt …

Doch in dem Moment streckt Hektor eine kleine Hand aus. Ich reiße mich von Y los und ziehe meinen Neffen aus der Gefahrenzone. Kurz darauf kauft der Einbeinige sich ein Eis, ich kaufe drei Portionen Pommes und zwei Flaschen Apfelschorle und bugsiere das Tablett, Alma und Hektor zu einer der Bierbänke. Kaum steht das Essen vor ihm, konzentriert Hektor sich ausschließlich darauf, bis …

»Nein!«

Der Schrei geht mir durch Mark und Bein. »Was ist denn los?«, frage ich meinen Neffen erschrocken.

»Will Pommes!«

»Das sind Pommes.«

»Nein! Will Pommes! POMMES

Innerhalb von drei Sekunden sind wir wieder da, wo wir vor drei Viertelstunden schon einmal waren. Hektor schreit und schluchzt, trommelt mit den Händen auf den Tisch und produziert Tränen so groß wie Tischtennisbälle. Nur, dass das Ganze dieses Mal vor Publikum stattfindet.

»Weißt du, was er hat?«, frage ich Alma verwirrt.

»Ich glaube, er mag kein Ketchup«, flüstert Alma.

Echt jetzt? »Hektor, stimmt das? Magst du dein Ketchup nicht?«

»Pommes!«

»Das sind Pommes. Pass mal auf, wenn dich das Ketchup stört, dann tue ich es weg. Okay?«

Ich greife nach Hektors Teller, doch Hektor schlägt meine Hand weg und jault noch lauter. Ich beiße die Zähne zusammen. Wie war das? Durchatmen und bis zwanzig zählen?

Als ich bei vierzig bin, brüllt Hektor immer noch, und die Missbilligung in den Augen der Umsitzenden ist auf Rekordhoch.

»Kann ich helfen?«

O ja, bitte, denke ich und blicke auf – und im nächsten Moment verschlägt es mir den Atem. Vor mir steht der Typ mit der leuchtendblauen Badehose. Doch es ist nicht die Vorderseite von Y, die mir die Luft raubt, sondern die Tatsache, dass ich Y kenne.

»Oliver.«

Er erkennt mich ebenfalls. »Mara.« Einen Moment lang starren wir einander verblüfft an, bevor Oliver den Blick auf meinen Arm senkt und meine Schlange mustert. »Es ist eine Weile her. Du siehst gut aus. Auffallend.« Das Letzte mit Blick auf meine Haare.

»Das musst du gerade sagen. Wenn du deine Badehose über den Kopf ziehst, können wir als Zwillinge durchgehen.«

Meine Witze sind normalerweise besser, und Oliver muss erst an sich hinuntersehen, bevor er diesen kapiert. Dann: »Wow, du hast dich überhaupt nicht verändert. Es kann dir offenbar immer noch nicht schnell genug gehen, mich aus meinen Klamotten zu bekommen. Soll ich schon mal zu den Umkleidekabinen vorausgehen?«

Er grinst breit, und ich lächle schwach zurück, weil mir keine passende Erwiderung einfällt, zumindest keine, die ich in Almas und Hektors Hörweite aussprechen möchte. Es gab tatsächlich eine Zeit, in der ein Blick auf ihn genügte, dass ich Oliver an die Wäsche wollte. Und wir haben es auch einmal in der Umkleidekabine hier am Ausee getrieben, genauso wie im Mercedes 300SL Roadster seines Großvaters. Allerdings ist das lange her.

Ich mustere Oliver. Er hat sich äußerlich...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ärztin • Der Buchhändler • Die Frau vom Strand • Familie • Frauenfreundschaft • Geschwister • Krimi • Lisa • Mara • Mutter • Mutterschaft • Prekariat • Spannung • Thriller • ungleiche Schwestern
ISBN-10 3-8412-3187-X / 384123187X
ISBN-13 978-3-8412-3187-1 / 9783841231871
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