Die Tochter von Kopenhagen (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3204-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tochter von Kopenhagen -  Ronald H. Balson
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Er lässt sich als Held feiern, doch sie kennt sein dunkles Geheimnis 

»Verräter« schmiert die 92-jährige Britta Stein an die Fassade eines Restaurants in Chicago. Sie schwört, dass der Besitzer sich im Zweiten Weltkrieg als Nazi-Kollaborateur schuldig gemacht hat. Um die Behauptungen der alten Dame zu beweisen, muss die Anwältin Catherine Lockhart tief in die Vergangenheit eintauchen. Und auch Brittas Enkelin erfährt erstmals die wahre Geschichte ihrer Großmutter ... 

Nach dem Erfolg von »Karolinas Töchter«: der neue Fall von Catherine Lockhart und Liam Taggart



Ronald H. Balson ist Rechtsanwalt, und seine Fälle führten ihn um die ganze Welt. Die neuen Orte und Fälle inspirierten ihn zu seinen Romanen. Heute lebt und schreibt er in Chicago. Im Aufbau Taschenbuch liegen seine Romane »Karolinas Töchter«, »Hannah und ihre Brüder«, »Ada, das Mädchen aus Berlin« und »Esthers Verschwinden« vor.

Kapitel 1


Chicago, 2018


Richter Obadiah Wilson sieht die beiden Anwälte über den Rand seiner Lesebrille hinweg an und schenkt ihnen ein zweideutiges Lächeln. Gleich wird er das Urteil verkünden, und danach wird nur einer der beiden glücklich nach Hause gehen.

Wilsons Urteile sind sorgfältig ausgearbeitet und werden von ihm mit einem leichten osttexanischen Akzent vorgetragen. »Ich muss zugeben«, beginnt er mit seiner sonoren Baritonstimme, »dass Sie mir einiges zu lesen und zu verdauen gegeben haben.« Er deutet auf den Papierstapel auf dem Richtertisch.

Wilson ist ein hervorragender Jurist, der gut vierzig Jahre seines Berufslebens in Bezirksgerichten gearbeitet hat. Sein kräftiger Körper ist mit den Jahren gebeugter geworden, doch seine Haltung besitzt noch immer etwas Majestätisches. Mittlerweile ist er Vorsitzender Richter des Cook County, das im Zentrum der Metropolregion Chicago liegt. »Möchte einer von Ihnen der umfangreichen Akte noch etwas hinzufügen, bevor das Urteil ergeht?«, fragt er.

Catherine Lockhart steht hoch aufgerichtet und selbstsicher da, die Hände vor dem Körper verschränkt und mit dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen. Sie ist achtunddreißig Jahre alt und bereits viele Male vor Richter Wilson erschienen. Sie kennt seine Gepflogenheiten. Seine Frage nach Ergänzungen ist nicht ernst gemeint. Er möchte keine weiteren Diskussionen, sondern das Urteil sprechen, dessen Begründung er, ihrer Erfahrung nach, bereits schriftlich niedergelegt hat. »Nein, Euer Ehren«, erwidert sie. »Die Beklagte stützt sich auf die Schriftsätze.«

Ihr Gegenanwalt ist ein dünner, knochiger Mann namens Coggins, der nervös von einem Bein aufs andere tritt. Bemüht, eine gewisse Autorität auszustrahlen, räuspert er sich, reckt das Kinn und sagt: »Sollte Euer Ehren wünschen, dass ich die beträchtlichen Mängel im Antrag der Gegenpartei erneut hervorhebe, bin ich dazu gern bereit. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass ich unseren Standpunkt auf überzeugende und zwingende Weise dargelegt habe und das Urteil unseren Erwartungen entsprechen wird.«

Hochtrabende Worte. Catherines Lächeln wird breiter. Coggins erinnert sie an eine Vogelscheuche im Dreiteiler.

Wilson scheint ein Schmunzeln zu unterdrücken. »Hm«, kommt es tief aus seiner Brust. »Vielleicht nicht ganz so zwingend und überzeugend, wie Sie hoffen, Mr. Coggins.« Sein Blick wandert zu Catherine. »Es ergeht folgendes Urteil: Dem Antrag Ihrer Mandantin wird stattgegeben und die Klage abgewiesen. Meine Begründung liegt abholbereit bei meinem Schriftführer. Der Fall ist hiermit abgeschlossen, die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.«

Nach einem Schlag mit dem Richterhammer steht Wilson auf, nimmt die Stufen der Richterbank nach unten und verlässt den Gerichtssaal.

Catherine kehrt zu ihrem Tisch zurück, sammelt ihre Unterlagen ein und verstaut sie in ihrem Aktenkoffer.

»Gute Arbeit, Ms. Lockhart«, ertönt eine Stimme in ihrem Rücken.

»Hallo, Walter«, erwidert sie, ohne sich umzudrehen. »Mir war doch so, als hätte ich dich dort hinten sitzen sehen. Aber was führt einen bedeutenden Mann wie Walter Jenkins so früh am Morgen hierher?«

Walter ist Gründungspartner der Kanzlei Jenkins and Fairchild und wie immer makellos und elegant gekleidet. Maßgeschneiderter Anzug, Hemd mit Monogramm, teure Krawatte. Seine Schuhe sind so blank poliert, dass man sich darin spiegeln kann, die grauen Haare sind perfekt frisiert. In den juristischen Kreisen Chicagos ist Walter Jenkins eine bedeutende Figur. Darüber hinaus ist er Catherines früherer Chef und ein enger Freund.

»Jedes Mal, wenn ich im Gericht ein wenig Zeit übrig habe«, antwortet er, »schleiche ich mich in Obadiahs Reich. Man weiß nie, welche Perlen der Weisheit aus dem Mund des alten Mannes rollen. Wilson ist einmalig und immer unterhaltsam. Menschen wie er gehören einer aussterbenden Gattung an.« Er seufzt. »Heute allerdings bin ich aus einem bestimmten Grund gekommen. In deiner Kanzlei hat man mir gesagt, dass du hier bist. Es geht um etwas, das für mich sehr dringend ist. Hast du Zeit, mit einem müden alten Prozessanwalt eine Tasse Kaffee zu trinken?«

»Für dich habe ich immer Zeit.«

Sie finden einen kleinen Tisch im Café des Gerichtsgebäudes. Nach ein wenig obligatorischem Smalltalk stellt Walter seine Kaffeetasse ab, und seine Stirn legt sich in tiefe Falten. Catherine ist dieser Gesichtsausdruck vertraut. So sieht Walter aus, wenn er Sorgen hat. »Kennst du das Restaurant The Melancholy Dane?«

Catherine nickt. »Ich glaub schon. Das ist das Restaurant mit Bar oben in Andersonville, oder? Liam und ich waren da ein paarmal. Wenn ich mich recht entsinne, ist es so eine Art Shakespeare-Themenrestaurant; die Wände waren mit Hamlet-Plakaten zugepflastert, und es wirkte, als säße man in einer Taverne aus jener Zeit.«

»Den Laden meine ich. Sind dir auch die alten Schwarz-Weiß-Fotos hinter dem Tresen aufgefallen? Auf ihnen sieht man Ole Henryks, den Mann, dem das Restaurant gehört.«

Catherine zuckt mit den Schultern. »Daran erinnere ich mich nicht, aber ich weiß, wer Ole Henryks ist. Er ist in der örtlichen Gemeinde aktiv und tritt des Öfteren im Lokalfernsehen auf – volles weißes Haar, wirkt immer gut aufgelegt. Ich glaube, als wir da waren, hat er Cocktails gemixt.«

»Das ist er«, bestätigt Walter. »Inzwischen führt sein Sohn Nils den Laden. Aber Ole ist auch noch da. Zwar ist er schon ziemlich in die Jahre gekommen, aber er schaut gelegentlich vorbei, begrüßt Stammgäste, mixt den ein oder anderen Martini. Wie auch immer, hinter dem Tresen hängen drei Fotos von ihm und seiner Familie, die vor rund fünfundsiebzig Jahren in Kopenhagen aufgenommen wurden. Zu der Zeit hielten die Deutschen Dänemark besetzt. Auf einem dieser Fotos stehen Ole, sein Vater und ein weiterer Junge am Hafen vor einem Fischerboot. Und Ole erzählt jedem, der es hören will oder auch nicht, dass er und sein Vater auf diesem Boot damals dänische Juden ins neutrale Schweden gebracht haben, um sie vor der Deportation in die Konzentrationslager der Deutschen zu retten.«

Catherine rührt Milch in ihren Kaffee. »Das wusste ich nicht. Ole ist also ein Held?«

Walter wiegt den Kopf hin und her. »Sagt man. Jedenfalls soll er nächsten Monat in die Ruhmeshalle der Dänisch-Amerikanischen Gesellschaft von Chicago aufgenommen werden, sowohl für sein wohltätiges Engagement in der Gemeinde als auch in Anerkennung seines Heldentums im Zweiten Weltkrieg. In der Presse war bereits einiges darüber zu lesen. Die Chicago Tribune hat Ole einen langen Artikel gewidmet, mitsamt den Fotos, die auch im Melancholy Dane hängen.«

Catherine nimmt einen Schluck Kaffee. »Den Beitrag habe ich gesehen.«

»Ole hat zahlreiche Anhänger. Viele Leute halten große Stücke auf ihn.«

Catherine runzelt die Stirn. »Willst du mir für seine sozialen Anliegen eine Spende abschwatzen?«

Walter lacht auf. »Wohl kaum. Ich bin in einer dringenden Angelegenheit unterwegs. Es geht um einen Rechtsfall, der in dein Fachgebiet fällt. Ole wird von vielen gelobt und gepriesen, aber es gibt zumindest einen Menschen, der nichts Gutes über ihn zu sagen hat. Ganz im Gegenteil. Diese Person hat Oles Restaurant schon mehrfach mit hässlichen Kommentaren über ihn besprüht.«

»Im Ernst?« Catherine wirkt belustigt. »Beleidigungen über den Besitzer eines Themenrestaurants?«

»Es war in den Nachrichten. Hast du es nicht gesehen?«

Sie schüttelt den Kopf. »Muss ich verpasst haben. Warum, was stand da?«

»Lügner. Verräter. Betrüger. Nazikollaborateur.« Walter trinkt seinen Kaffee aus. »Daran ist also überhaupt nichts Lustiges, vielmehr ist es ein Fall von Rufschädigung. Ole glaubt, die Verleumdungen haben mit seiner Aufnahme in die Ruhmeshalle zu tun.«

»Jemand will also...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2023
Reihe/Serie Liam Taggart und Catherine Lockhart
Übersetzer Gabriele Weber-Jari?
Sprache deutsch
Original-Titel Defending Britta Stein
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Catherine Lockhart • dänischer Widerstand • Flucht • jüdische Familie • Justizdrama • Kollaborateur • Kopenhagen • Liam Taggart • Nazi-Regime • Sabotage • Schwangerschaft • Verrat • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8412-3204-3 / 3841232043
ISBN-13 978-3-8412-3204-5 / 9783841232045
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