Clara und Rilke (eBook)

Eine Liebe zwischen Worten und Farben
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3175-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Clara und Rilke -  Lena Johannson
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Eine Liebe, so bewegend wie Rilkes Verse

Als der umschwärmte Dichter Rainer Maria Rilke die junge Bildhauerin Clara Westhoff das erste Mal sieht, ist er hingerissen: von ihrer Schönheit, ihrer Durchsetzungskraft, ihrer Leidenschaft für die Kunst. Als Clara das erste Mal ein Gedicht aus seinem Mund hört, ist sie ihm erlegen - wider besseres Wissen. Denn Rilke gilt als unstet und macht dazu noch ihrer Freundin und Malerin Paula Becker den Hof. Dennoch entspinnt sich zwischen den beiden eine intensive Liebe, die sich nicht nur über alle Konventionen hinwegsetzt, sondern auch Inspiration bietet für einige der bis heute schönsten Liebesgedichte. 

Bestseller-Autorin Lena Johannson gibt spannende Einblicke in die Künstlerkolonie Worpswede und erzählt von einer besonderen Liebe

 



Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie als Reisejournalistin ihre beiden Leidenschaften Schreiben und Reisen verbinden konnte. Sie lebt als freie Autorin an der Ostsee. Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Hamburg-Saga: »Die Villa an der Elbchaussee«, »Jahre an der Elbchaussee« und »Töchter der Elbchaussee«, die Jungfernstieg-Saga: »Die Frauen vom Jungfernstieg - Gerdas Entscheidung«, »Die Frauen vom Jungfernstieg - Antonias Hoffnung« und »Die Frauen vom Jungfernstieg - Irmas Geheimnis«, die ersten beiden Bände der Nord-Ostsee-Saga »Zwischen den Meeren« und »Nach den Gezeiten« lieferbar, die Romane »Die Malerin des Nordlichts«, »Dünenmond«, »Rügensommer«, »Himmel über der Hallig«, »Der Sommer auf Usedom«, »Die Inselbahn«, »Liebesquartett auf Usedom«, »Strandzauber«, »Die Bernsteinhexe«, »Sommernächte und Lavendelküsse« und ihre Kriminalromane »Große Fische« und »Mord auf dem Dornbusch«. Mehr zur Autorin unter www.lena-johannson.de

Rainer

Kapitel 2


Sommer 1900

Konnte jemand perfekter sein als seine Lou? Eine Erscheinung und eine große Frau. Körperlich, aber noch viel wichtiger: geistig. Diese sinnliche Ausstrahlung, gepaart mit Stärke und Strenge. Rilke schloss die Augen. Er durfte nicht an sie denken, das wusste er, es würde ihn umbringen. Ach, wenn es nur so wäre! Er öffnete die Augen wieder. Darauf brauchte er nicht zu hoffen. Er musste weiterleben. Ohne sie. Sein Blick fiel in den schmalen Flur. Auf dem zerkratzten Parkett drängten sich Koffer und Taschen aneinander, als hätten auch sie Angst, die nächste Reise ohne Lou antreten zu müssen. Er ging zum Fenster, zog den Vorhang beinahe zu, nur ein winziger Spalt blieb offen, gerade genug Licht, um Staub in dem erhellten Streifen tanzen zu sehen. Rilke hatte Durst. Er hätte jetzt gern Milch getrunken. Im Bauernhaus des Dichters Droschin hatten sie jeden Morgen mit einem Glas begrüßt, noch ganz warm aus dem Euter der Kuh. Da war doch wieder alles gut gewesen zwischen ihm und Lou, in dem einfachen Haus, zu Gast bei dem einfachen Mann, der Rilke eine angenehm natürliche Bewunderung entgegengebracht hatte. Wenn nur diese gierigen Stechmücken nicht gewesen wären. Und das Stroh war auch nicht so bequem gewesen wie die Betten in den Moskauer Hotels. Er hatte es gern erduldet.

Sein Durst wurde übermächtig, aber es war keine Milch im Haus. Nichts war im Haus, denn er war ja gerade erst selbst wieder in seiner kleinen Wohnung in Berlin-Schmargendorf angekommen. Eben noch waren sie in Russland gewesen. Ein zweiter Besuch bei Tolstoi. Auch daran wollte er lieber nicht denken. Er hatte von dem Grafen und großen Dichter mehr erwartet. Tolstoi hatte sich ihrer ersten Begegnung nicht einmal mehr entsinnen können! Vor seinem geistigen Auge sah Rilke das Gutshaus vor sich, umschlossen von einem ungepflegten Garten. Der Besitz in einem solchen Zustand war der Berühmtheit nicht würdig, die darin lebte. Und doch hatte alles irgendwie zusammengepasst. Die unhöfliche und grobe Art des Grafen, der sie hatte warten lassen. Dann hatte er auch noch über Lyrik hergezogen, obwohl Rilke ihm gerade erklärte, dass es das war, womit er sich beschäftigte. Er trat zum Fenster, presste die Stirn an die Scheibe. Fort mit den schlechten Gedanken. Jeder Mensch hatte eben mehrere Gesichter, auch der große russische Dichter. Gewiss verbarg sich hinter seinem schlechten Betragen eine tiefe Verbundenheit mit Rilke, die Tolstoi einfach nur nicht verständlich war. Deshalb hatte er sich so ungnädig aufbrausend benommen. Das konnte Rilke nachvollziehen. Er selbst war manches Mal ungehalten Lou gegenüber gewesen. Warum hatte sie aber auch kein Verständnis für seinen Drang zu Schreiben? Das war ihm noch heute unbegreiflich. In jeder Minute, in jeder Sekunde wollte er in Worte fassen, was er sah und empfand. Das musste sie doch verstehen. Es war ihr zu viel gewesen. Wie konnte Schreiben je zu viel sein? Ihretwegen hatte er seinen Trieb unterdrückt, sein Verlangen gezügelt, nach seinem Notizbuch zu greifen. Kaum dachte er daran, wie nervös es ihn gemacht hatte, spürte er wieder den Schmerz, den der Verlust in ihm ausgelöst hatte. Er eilte in den Flur, blieb vor dem Gepäck stehen, als hockten dort Fremde, die sich ungefragt Zutritt zu seinem Reich verschafft hatten. Wohin? Immer ängstlicher war er geworden, in Russland. Das war doch kein Wunder. In seinem Kopf hatte sich alles aufgestaut, was nicht über seine Finger und die Feder hatte hinausfließen können. Und dann, bei einem Spaziergang, Himmel, welch eine schreckliche Erinnerung, war er vor lauter Angst nicht in der Lage gewesen, auch nur einen winzigen Schritt vorwärts zu gehen. Jetzt noch jagte ihm der Gedanke an diesen einen unheimlichen Baum eine Gänsehaut über den Leib. Wie der Wächter am Tor zur Hölle hatte er dort gestanden und die Äste ausgestreckt, um Rilke die Wörter aus dem Hirn zu klauben.

Er müsste auspacken, doch er schaffte es nicht. Zu viel Anstrengung. Er ging hinüber zur winzigen Küche, lauschte dem Knarzen des alten Holzes unter seinen Füßen nach. Ihm wurde die Brust eng, er rang nach Luft. Wie hatte sie nur die heilige Zeit beenden können, die sie miteinander geteilt hatten? Auch auf der vierwöchigen Reise auf der Wolga, wo ihn die endlose Weite der Landschaft zu verschlingen gedroht hatte, war Lou ihm Anker und Zuflucht gewesen. Und nun? Sie hatte ihn aus dem Paradies geworfen. Er sah sie noch, wie sie in St. Petersburg den Zug nach Finnland bestieg. Kein Blick zurück, während ihm die Augen überliefen und sein Körper sich schmerzhaft verkrampfte. Der Anfang eines langen Abschieds.

Er nahm die Jacke vom Stuhl, die er dort abgelegt hatte, Rilke wusste, er sollte sich für die nächste Reise bereitmachen, doch er konnte nicht. Sein Körper war von der Trauer gelähmt. Wieder ließ er seinen Geist in die Vergangenheit reisen. Sie hatten im Großen Moskauer Hof gewohnt, dann im Hotel Amerika. Ein scheußlicher Name, der das Gewöhnliche der westlichen Welt geradezu verkörperte und nicht zu einem derartig seelenvollen Land passte. Sie waren über den Arbat spaziert, seine Hand in ihrer, in der Mitte der berühmten Flaniermeile die Pferdebahn, links und rechts die eleganten Häuser, die den Geist ihrer Bewohner atmeten: Dichter, Maler, Schauspieler. Aber einfache Leute, keine verwöhnten Sprösslinge reicher Adeliger, die in der Kunst nur einen Zeitvertreib suchten. Die Iberische Ikone kam ihm in den Sinn, die im Auferstehungstor über den Zugang zum Kreml wachte. Nur ein Beispiel für all die spirituellen Orte und Figuren, die es in dem Land en masse gab. Wie froh er war, bei einem früheren Besuch in Moskau entgegen Tolstois Rat nicht auf die Osterfeierlichkeiten inmitten der frommen Pilger am Kreml verzichtet zu haben. Die Schwingungen hatten ihn vollständig durchdrungen und zurück zu seiner eigenen Frömmigkeit gebracht, die er schon verloren geglaubt hatte.

Wieder dachte er an Lou. Er hatte ihr Buch über Nietzsche und ihre Erzählung Ruth gelesen, bevor sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Da hatte er bereits gespürt, dass ihn etwas mit dieser Frau verband. In der Pause einer Theaterpremiere war sie ihm vorgestellt worden. Nur einen Monat später hatten sie bereits einen gemeinsamen Sommer verbracht. Lou war es, die seine Männlichkeit gelockt und gestärkt hatte. René Maria, sein Name, hatte mehr als einmal dazu geführt, dass jemand ihn für eine Frau gehalten hatte. Aber er wollte doch ein Mann sein. Rilke krallte die Finger in seine Jacke, darin der säuerliche Geruch von Abschied und Verlust. Er warf sie auf einen Koffer, ging auf und ab, wie eingesperrt hinter unsichtbaren Gitterstäben. Jedes Mal, wenn es aufgrund seines Namens zu einer Verwechslung gekommen war, hatte sich die Vergangenheit vor ihm aufgebaut und ihn ausgelacht, weil seine Mutter ihn in Mädchenkleider gesteckt hatte, weil sie ihn wie ein Mädchen großgezogen hatte, um den Tod der ungeborenen Tochter zu übermalen. Damit war Schluss. Er nannte sich nun Rainer statt René.

Schon wieder sah er sie vor sich, wie sie in dieser Theaterpause auf ihn zukam an der Seite seines Kollegen und, ja, Rilke würde ihn auch als Freund bezeichnen, Jakob Wassermann. Jakob war in der Redaktion des Simplicissimus tätig gewesen. Rilke hatte nie darüber nachgedacht, ob die Arbeit bei einer Zeitschrift etwas für ihn wäre. Natürlich erschienen immer wieder Gedichte von ihm in verschiedensten Magazinen, aber das war ja doch etwas anderes. Schwer vorstellbar, regelmäßig und womöglich über andere Dichter berichten zu müssen. Und wenn schon, dann keinesfalls Satire. Lou war ihm so vertraut gewesen, und doch war es für ihn wie eine Offenbarung, als sie ihm zum ersten Mal gegenüberstand. Groß war sie und schlank, unkonventionell. Die erfolgreiche Literatin, die sie bereits war, sprühte aus jeder ihrer Poren. Sie war eingebettet in die Kunstwelt. Rilke hatte sie angesehen und hatte sich gleichzeitig selbst gesehen, wie sie ihn Gerhart Hauptmann und August Strindberg vorstellen würde. Sie würde sein Schlüssel sein und sein Antrieb. Und wirklich, ihre Strenge hatte ihn angespornt wie nichts jemals zuvor.

Rilke holte Heinrich Vogelers Brief aus der Innentasche seiner Weste, die Einladung nach Worpswede. Er faltete ihn auseinander und las, was nicht nötig gewesen wäre, denn er kannte jedes Wort auswendig. Lou hatte es für die beste Lösung gehalten, wenn ...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Reihe/Serie Berühmte Paare – große Geschichten
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bildhauerin • Clara Westhoff • Der Sommer auf Usedom • Dichter • Die Frauen vom Jungfernstieg • Die Villa an der Elbchaussee • Dreiecksbeziehung • Duineser Elegien • Dünenmond • Historischer Liebesroman • Konventionen • Künstler • Künstlerkolonie • Liebe • Paula Becker • Rainer Maria Rilke • Romantik • romantisch • Stundenbuch • Worpswede
ISBN-10 3-8412-3175-6 / 3841231756
ISBN-13 978-3-8412-3175-8 / 9783841231758
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