Nachtjagd (eBook)
512 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30454-6 (ISBN)
Am Ufer eines Sees in Norwegen wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, ihr geschundener Körper ist mit Wunden übersät. Kriminalkommissar Anton Brekke von der Polizei Oslo läuft es bei dem Anblick eiskalt den Rücken herunter. Wenn sich sein Verdacht bestätigt, dann hat der flüchtige Serienmörder Stig Hellum sein grausames Werk wiederaufgenommen - und bereits sein nächstes Opfer im Visier. Für Brekke beginnt ein Kampf gegen die Zeit und gegen unvorstellbar Böses. Denn der Fall ist mit einem Mann verbunden, der in Texas in der Todeszelle sitzt und nun sein Schweigen über eine verhängnisvolle Nacht vor über zehn Jahren bricht ...
Jan-Erik Fjell wurde 1982 geboren und wuchs bei Fredrikstad im Osten des Oslofjords auf. Er studierte Informatik, heute ist er als Radiomoderator tätig und widmet sich dem Schreiben von Kriminalromanen. Er zählt zu den erfolgreichsten Krimiautoren Norwegens und wurde mit dem renommierten Preis des norwegischen Buchhandels und dem Frederik-Preis ausgezeichnet. Seine Thriller um den Kommissar Anton Brekke stürmen in Norwegen regelmäßig die Buchcharts und sind auch hierzulande Bestseller.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 23/2023) — Platz 19
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Kapitel 10
Montag, 12. September
Ein Mann in den Zwanzigern öffnete die Tür. Anton und Magnus stellten sich vor. Der junge Mann gab keine Antwort, nickte bloß.
»Rune Back?«, fragte Anton.
Der Mann schüttelte den Kopf und sagte: »Ich bin sein Bruder. Rune sitzt auf der Veranda.«
Er trat einen Schritt zurück und schob gleichzeitig die Tür auf. Eine Kinderstimme rief etwas aus dem Keller. Rune Backs Bruder beugte sich über das Geländer der Kellertreppe.
»Ich komme, Noah.« Er setzte einen Fuß auf die Treppe. »Gehen Sie einfach zu Rune durch.«
Anton warf einen Blick in die Küche. Der Kühlschrank brummte leise. Ein leerer Teller stand neben einem Superman-Becher auf dem Tisch. Oben an der Kühlschranktür klebte das Bild eines Jungen in einem Magnetrahmen. Die restliche Tür war von Zeichnungen bedeckt. Ganz unten hing schief eine Postkarte. Sie zeigte ein Schiff der Hurtigruten. Es lag umgeben von hohen grünen Felsen in einem blauen Fjord.
»Kommst du, Magnus?«
Durch das Fenster konnten sie Rune Back in einem Korbstuhl auf der Veranda sitzen sehen. Die Markise bot Schutz vor dem Regen.
Sein rotbraunes Haar verschmolz beinahe mit den Herbstfarben im Garten hinter ihm. In der Hand hielt er eine Zigarette, von der er tiefe Züge nahm. Anton und Magnus beobachteten ihn für einen Augenblick und gingen dann hinaus.
Mit der Zigarette zwischen den Fingern starrte Rune Back auf die kahlen Apfelbäume und die Laubhügel im Garten.
»Hallo«, sagte Anton gedämpft.
Rune Back drehte sich um. Seine Augen waren rot und geschwollen. Er trug Jeans und einen Pulli mit der Aufschrift Sandefjord Rør auf der Brust. Er schien Anfang dreißig zu sein. Anton und Magnus stellten sich vor.
»Ist schon jemand hier gewesen und hat mit Ihnen gesprochen?«, wollte Anton wissen.
Rune Back antwortete etwas. Seine Stimme klang heiser. Er räusperte sich und wiederholte: »Da war ein Polizist …« Mit der Hand, die die Zigarette hielt, wischte er sich über die Wange. »Zusammen mit dem Geistlichen.«
Magnus zog einen Korbstuhl heran und setzte sich Rune gegenüber. Anton blieb stehen. Magnus nahm seinen Notizblock aus der Tasche und legte ihn auf seine Knie. Er ließ die Hand mit dem Stift auf dem Block ruhen.
»Wir werden Ihnen nur ein paar Fragen stellen, dann sind wir auch schon wieder weg.«
»Ich weiß nicht mehr, als was ich gestern schon gesagt habe.« Rune Back drückte die Zigarette in einem Aschenbecher auf dem Boden aus.
»Können Sie das für uns wiederholen?«
»Sie ist nicht von der Arbeit nach Hause gekommen. Das war alles.« Er sah sie an. »Sie ist von der Arbeit nicht nach Hause gekommen …«
»Sie hat im Scandic Park hier in der Stadt gearbeitet?«
»Ja. Sie hatte die Nachtschicht am Wochenende. Die war um sechs gestern früh zu Ende. Noah wacht immer zeitig auf, und als sie um sieben noch nicht hier war, hab ich im Hotel angerufen. Ich hab mit der Kollegin gesprochen, die sie abgelöst hatte, und die hat gesagt, Hedda sei ein paar Minuten nach sechs losgegangen.«
»Sie war also zu Fuß unterwegs?«
»Ja. Es ist ja nicht weit«, erwiderte Rune Back mit leiser Stimme und deutete mit dem Kopf in Richtung Innenstadt. »Zehn Minuten.«
Die unmittelbare Nachbarschaft bestand aus alten, dicht nebeneinanderliegenden Holzhäusern mit kleinen Gärten und weißen Lattenzäunen. Sie stand in auffälligem Gegensatz zu den moderneren Gebäuden, die den Zentrumskern ein paar Blocks weiter ausmachten. Ein Wagen kam schnell um die Kurve gefahren und bremste scharf vor dem Zaun ab. Ein Mann stieg aus, noch ehe der Wagen völlig zum Stillstand gekommen war. Er sprang über den Zaun und kam mit knallrotem Gesicht durch den Garten auf sie zugestürmt. Die Körpersprache drückte irgendetwas zwischen Wut und Verzweiflung aus.
»Wer ist das?«, fragte Anton leise.
»Mein Schwiegervater.«
Rune erhob sich. Antons Handy begann im selben Moment zu klingeln, als Hedda Backs Vater die wenigen Stufen zur Veranda hochstürmte. Auf dem Display leuchtete ihm Mogens Poulsen – RMI entgegen. Anton drückte den Anruf weg und steckte das Handy zurück in die Tasche.
Etwas an der Haltung des Mannes verursachte in ihm eine Art von Anspannung. Auch Magnus war es anscheinend nicht entgangen, denn er stand auf und legte den Notizblock auf den Korbstuhl.
»Es tut mir leid …«, sagte Rune mit tränenerstickter Stimme.
»Du solltest doch gut auf sie aufpassen«, sagte der andere mit zusammengebissenen Zähnen. »Das war das Letzte, was ich zu dir gesagt habe.«
Tränen rollten über Rune Backs Wangen. Der Schwiegervater erbebte. Als wollte er sich jede Sekunde zwischen den beiden Ermittlern hindurchquetschen und auf seinen Schwiegersohn losgehen.
»Und was machen Sie beide hier, während derjenige, der meine Tochter umgebracht hat, irgendwo da draußen rumläuft?« Er zeigte in Richtung Innenstadt. »Wie?«
»Irgendwo müssen wir anfangen«, erwiderte Anton ruhig. »Und ich habe volles Verständnis für Sie. Aber was wir jetzt gerade tun, ist das Wichtigste, was wir zu diesem Zeitpunkt tun können. Die Informationen, die wir jetzt zusammentragen, können sich als ganz entscheidend erweisen.«
Der Schwiegervater atmete schwer durch die Nase aus.
»Wo ist Noah?«
»Unten in seinem Zimmer«, erwiderte Rune.
Heddas Vater stürmte durch die Verandatür und weiter durchs Wohnzimmer. Sein kräftiger Rücken verschwand hinter der Ecke an der Treppe. Anton schloss die Tür hinter ihm.
»Was war denn das?«, fragte Magnus und setzte sich wieder.
»Es ist etwas kompliziert.«
»Versuchen Sie’s.«
Rune Back nahm sich eine neue Zigarette, setzte sich und zündete sie an.
»Hedda und ich haben uns kennengelernt, als sie siebzehn war, und ich … na ja, ich war etwas älter.«
»Wie alt sind Sie?«
»Dreiunddreißig. Zwölf Jahre älter als sie. Das war nicht eben von Vorteil, als sie schwanger wurde, obwohl sie bei Noahs Geburt fast neunzehn war. Wir haben letzten Sommer geheiratet. Ich hatte die Hoffnung, ihre Mutter würde begreifen, dass ich es ernst meinte – dass wir es ernst meinten. Aber sie hat nicht einmal auf die Einladung reagiert.«
»Ihre Frau wurde also einfach ausgestoßen?«, fragte Magnus.
»Ja. Sie ist hier eingezogen, als sie schwanger wurde. Die Mutter hat Hedda gezwungen, sich zwischen mir und ihrer Familie zu entscheiden. Das tat sie dann.«
»Und weswegen hat die Mutter so reagiert?«
»In erster Linie wohl deswegen, weil ich älter war. Außerdem bin ich ja ein ziemlich gewöhnlicher Typ. Die Mutter hat mich nie gemocht und hatte hohe Ambitionen für ihre Tochter … Dass Hedda dann mit achtzehn schwanger wurde …«
»Bedeutete eine Enttäuschung«, sagte Anton. »Aber was ist mit dem Vater?«
»Er hat versucht, sie etwas zu unterstützen, aber viel kam da nicht.«
»Ohne dass die Mutter davon wusste?«
»Ja.«
»Wie ist Hedda damit klargekommen?«
»Es war natürlich schwierig, aber sie meinte, sie hätte keinerlei Zweifel, mit wem sie zusammenleben wollte.«
»Das heißt, dass Sie das jetzt alles ganz allein durchstehen müssen?«
Rune schüttelte den Kopf. »Nein, meine Eltern sind auf dem Weg von Spanien hierher, und dann ist ja auch mein Bruder da. Und ich habe Noah.«
Antons Handy klingelte erneut. Wieder war es Mogens Poulsen. Anton drückte auf den Button, der eine automatische Antwort als SMS verschickte: Ich kann das Gespräch gerade nicht annehmen.
»Aber dass Hedda sich gestern Morgen mit jemandem getroffen hat, halten Sie für ausgeschlossen?«, sagte Anton und schob das Handy zurück in die Tasche.
»Wer sollte das denn gewesen sein, an einem Sonntagmorgen um sechs?«
»War zwischen Ihnen alles in Ordnung?«, fragte Magnus.
»Ich versteh schon, worauf Sie hinauswollen, und nein, sie hätte sich niemals hinter meinem Rücken mit jemandem getroffen.« Rune schüttelte den Kopf. »Nein … niemals. Nicht nach allem, was wir durchgemacht haben. Noah und ich waren alles, was sie hatte. Uns ging es gut. Alles war in Ordnung.«
»Hat sie mal von unangenehmen Erlebnissen bei der Arbeit gesprochen?«
»Nein. Sie war da ja auch nie allein.«
»Und es gab auch niemanden, der noch eine Rechnung mit ihr offen hatte?«
»Nein«, erwiderte Rune leise und atmete aus. »Und das mit ihrer Familie war ja sozusagen auch geklärt.« Rune drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Oder … aber nein, vergessen Sie es.« Er spähte in den Himmel.
»Was denn?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich habe gerade nur einfach zu viele Gedanken im Kopf.«
»Wir würden Ihre Gedanken gern hören«, sagte Anton. »Deswegen sind wir ja hier.«
Rune blickte nachdenklich zu Boden.
»Hedda meinte, sie hätte am Freitagabend draußen einen Mann gesehen. Da drüben.« Er zeigte auf den Zaun.
»Haben Sie ihn auch gesehen?«
»Nein, ich war ja nicht zu Hause, aber sie rief an, um es mir zu erzählen. Aber als sie sich dann mit dem Telefon am Ohr wieder zum Fenster gedreht hat, war er weg.«
»Hat sie gesagt, wie lange er da gestanden hat?«
»Gesehen hat sie ihn nur zwei Minuten. Aber das ist doch kein Ort, an dem man stehen bleibt....
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2023 |
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Reihe/Serie | Anton-Brekke-Reihe |
Übersetzer | Andreas Brunstermann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Gjemsel |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Anton Brekke • Bestseller aus Norwegen • eBooks • Gjemsel • Jo Nesbø • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Norwegen • Norwegen-Krimi • Serienmörder • Skandinavien • Thriller • Todeszelle • Todszelle |
ISBN-10 | 3-641-30454-7 / 3641304547 |
ISBN-13 | 978-3-641-30454-6 / 9783641304546 |
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