Die Fremde in meinem Haus (eBook)
466 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-30008-1 (ISBN)
Endlich schließt du sie in deine Arme. Endlich eine zweite Chance. Doch du ahnst nicht, wen du in dein Haus lässt ...
Der neue Thriller des internationalen Bestsellerautors!
»Hallo, ich bin Anna. Aber geboren wurde ich als Sky und ich glaube, dass du meine leibliche Mutter bist.« Diese Nachricht trifft Susie wie ein Schlag in die Magengrube. Tatsächlich hat sie vor 15 Jahren als junge, mittellose Musikerin ihre Tochter zur Adoption freigegeben - und diese Entscheidung seitdem stets bitter bereut. Als Anna dann über ihre strengen Adoptiveltern berichtet, ist Susie überzeugt, dass das Mädchen Hilfe braucht. In der Hoffnung, ihren Fehler aus der Vergangenheit wieder gutzumachen, nimmt sie Anna bei sich auf. Doch das Mädchen verhält sich seltsam und verstrickt sich mehr und mehr in Lügen. Eine nur verständliche Reaktion auf die traumatischen Zustände in ihrer Adoptivfamilie? Oder steckt mehr dahinter? Was sind die wirklichen Gründe für die Adoption vor 15 Jahren? Und wer hütet hier welches Geheimnis?
»Spannend vom Anfang bis zum Ende - ich konnte die Seiten nicht schnell genug umblättern!« Claire Douglas
JP Delaney wurde mit seinem ersten Thriller »The Girl Before« weltweit zum Star: Der Roman erschien in 45 Ländern und stand an der Spitze der internationalen Bestsellerlisten. Seitdem setzt JP Delaney mit seinen genialen Ideen und rasanten Romanen neue Standards im Thriller-Genre.
3
Susie
Gabes erste Frage war: »Bist du ganz sicher, dass es wirklich sie ist?«
Ich nickte wortlos, meine Kehle war wie zugeschnürt.
»Aber … woher weiß sie das alles? Diese ganzen Details?« Er las die Nachricht noch mal. »Deinen Nachnamen. Den genauen Zeitpunkt ihrer Geburt.«
»Es gibt da dieses … Dokument.« Ich holte tief Luft. »Einen Brief, in den bei der Adoption alles reingeschrieben wird über die Mutter, die Geburt, den Adoptionsvorgang, damit das Kind später über seine Herkunft Bescheid weiß. Diesen Brief bekommen die Kinder, wenn sie alt genug sind, ihn zu verstehen.«
»Aber sie soll doch keinen Kontakt mit dir aufnehmen, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Geburtsurkunde bleibt bis zum achtzehnten Geburtstag versiegelt. Aber ich bin nun mal leicht zu finden, vor allem, falls man ihr gesagt hat, ich sei Sängerin bei einer Band.« Wir sind natürlich auch bei Instagram, Facebook und Twitter, das ist Teil unserer PR-Arbeit.
Gabe runzelte die Stirn. »Dann sollen wir sicher auch nicht darauf reagieren, oder?«
»Also, ich werde das ganz bestimmt nicht ignorieren.« Meine Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Aber Gabe, so großherzig er auch ist, erweist sich immer wieder als erstaunlich gesetzestreu, vor allem für einen Rockmusiker. »Und sie scheint ja auch meine Hilfe zu brauchen.«
»Na ja, sie hat dich indirekt um Hilfe gebeten. Was nicht unbedingt das Gleiche sein muss.« Als er meinen Blick bemerkte, fügte er hinzu: »Sie ist in der Pubertät, Susie. Da ist man oft melodramatisch, das war bei mir nicht anders.«
»Aber sie hat mit mir Kontakt aufgenommen, Gabe. Wie du selbst sagst: Das soll nicht passieren, es muss also einen massiven Grund geben. Außerdem …« Ich hielt inne, einen Moment lang zu überwältigt, um weiterzusprechen. Dann sagte ich leise: »Ich habe fünfzehn Jahre lang darauf gewartet. Unter keinen Umständen werde ich diese Chance jetzt versäumen.«
Es war eine sonderbare Trauer, denn sie wurde mit den Jahren stärker statt schwächer.
Am Anfang stand die Verzweiflung, dieses scheußlich schmerzhafte Gefühl, dass mir etwas entrissen wurde, das ich geliebt hatte. Dieser Schmerz ließ im Lauf der Zeit nach, wenn er auch nie vollständig verschwand. Eine Therapeutin sagte mir einmal, dass dieses Verlustgefühl nicht weniger wird, dass wir aber unser Leben darum herum gestalten können, so wie ein Baum um einen Nagel in seiner Rinde weiterwächst. Als meine Karriere als Musikerin Fahrt aufnahm – kein großer Glamour und kein Leben als Star, aber doch kontinuierlich und befriedigend –, empfand ich mein Leben als vollständiger. Und, klar, eine Zeitlang war ich wild drauf, arbeitete viel und feierte viel, was aber vielleicht auch Teil meiner Bewältigungsstrategie war.
Dann lernte ich Gabe kennen, und meine biologische Uhr machte sich bemerkbar. Vielleicht war es auch umgekehrt, und ich hatte unbewusst angefangen, nach einem Mann Ausschau zu halten, mit dem ich eine Familie gründen wollte. Einem Mann, der fürsorglicher und verlässlicher war als die klischeehaft zügellosen Rockmusiker, mit denen ich mich vergnügte, bis ich plötzlich keinen Spaß mehr daran hatte.
Ein Jahr nach unserer Hochzeit beschlossen wir gemeinsam, dass ich die Pille absetzen sollte. Und da ging es mit den Schmerzen los. Bei Myomen ist es offenbar häufiger so, dass die Symptome durch Hormongaben gedämpft werden. Weshalb man sich ausgerechnet dann beim Sex unwohl fühlt, wenn man häufig welchen haben will, um schwanger zu werden.
Als ich mich in Behandlung begab, hatte ich bereits recherchiert und wusste, was mich erwartete. Dennoch wurde das Ganze für mich erst richtig real, als ich es zu hören bekam. Verstärkte Menstruationsbeschwerden. Eingeschränkte Empfängnisfähigkeit. Erhöhte Gefahr von Fehlgeburten. Deshalb entschied ich mich für eine Operation und war selig, als ich drei Monate danach schwanger wurde. Ich kam mir vor, als habe ich dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen.
Meine erste Fehlgeburt kam früh – ein jäher Schmerz im unteren Rücken, ich rannte aufs Klo, wo ich einen Fleck in meinem Höschen entdeckte, den ich im ersten verwirrten Moment für meine Regel hielt. Schreckliche Krämpfe, dann ein braunroter Schwall, der an Kaffeesatz erinnerte. Es dauerte ein paar Stunden, aber ich weinte noch Tage später.
Die folgenden Fehlgeburten passierten dann sukzessive zu späteren Zeitpunkten in der Schwangerschaft. Was besonders grausam war, weil ich jedes Mal glaubte, diesmal sei ich über den Berg. Beim zweiten Mal war es in der neunten Woche. Ich rief in der Klinik an, wo man mir sagte, ich solle zu Hause bleiben, es sei denn, die Blutung würde abnorm stark. Die hörten sich an, als hätte ich mir lediglich das Knie aufgeschlagen. Danach brauchte ich Ewigkeiten, bis ich mich wieder auf die Straße wagte. Ich wollte keine Mütter mit Babys sehen. Sogar der kleine Sitz am Einkaufswagen im Supermarkt trieb mir Tränen in die Augen.
Beim dritten Mal sagte man mir beim Ultraschall nach zwölf Wochen: Es tut uns sehr leid, es gibt keinen Herzschlag mehr. Gabe unkontrolliert weinen zu sehen, war fast das Schlimmste dabei. Ich bekam Medikamente zum Einleiten, und nach vier Stunden entsetzlicher Krämpfe verlor ich das Baby in unserem Badezimmer. Es hatte die Farbe und Größe einer Pflaume, war aber vollständig ausgebildet.
Danach hörte ich auf, etwaige Geburtstermine im iPad-Kalender zu vermerken; es deprimierte mich zu sehr, sie löschen zu müssen. Noch schlimmer war es, als einer Monate später plötzlich auf meinem Display auftauchte. Als ich nach sechzehn Wochen eine Ausschabung zur Entfernung von Geweberesten hatte, begann ich mich ebenso vor einer Schwangerschaft zu fürchten, wie ich sie herbeisehnte.
An einem besonders trostlosen Muttertag nach meiner dritten Fehlgeburt begann ich wieder an Sky zu denken. Denn bei allen Problemen und Fehlschlägen sagte ich mir, dass ich doch schließlich bereits Mutter sei – mein Kind war irgendwo draußen in der Welt. Meine Tochter. Und all die angestaute Liebe und Hoffnung auf ein weiteres Kind begann, sich auf sie zu konzentrieren, auf das bezaubernde kleine Wesen, das ich kurz im Arm halten durfte, bevor es seinen neuen Eltern übergeben wurde. (In Großbritannien kann man erst nach sechs Wochen offiziell in eine Adoption einwilligen. Manchmal werden Kinder aber für diese Zeitspanne bei einer Pflegeperson untergebracht.) Ich versuchte mir Sky in ihrer Schuluniform vorzustellen. Welche Sportarten machte sie wohl? Hatte sie rotblonde Haare wie ich, und wenn ja, waren sie lang und glatt wie bei mir in meiner Jugend? Würde sie so rebellisch sein wie ich, oder hatte sie das nicht von mir geerbt? War sie musikalisch?
Und manchmal, wenn ich ein Glas Wein zu viel getrunken hatte, begann ich wie besessen das Internet nach ihr zu durchforsten. Es war zu verlockend, beim Schreiben von Posts – Wow! Unsere neue Single hat schon über fünfhundert Plays! – eine Suche zu starten.
Anfänglich, wenn ich glaubte, sie gefunden zu haben, erzählte ich noch Gabe davon, und eine Zeitlang freute er sich mit mir. Erst als er dann einmal schweigend das Bild eines jungen Mädchens auf meinem iPad betrachtete, wurde mir klar, dass er das alles für Wunschdenken hielt. Was es natürlich auch war. Und von den ganz schlimmen Erlebnissen, die mir heute noch die Schamröte ins Gesicht treiben, wusste er gar nichts – von meinen betrunkenen Nachrichten auf Instagram oder Snapchat, die mit den Worten begannen: Hallo, du kennst mich nicht, aber …
Damit hörte ich auf, nachdem eine Vierzehnjährige meine private Nachricht öffentlich gepostet hatte, mit dem Kommentar: Wie krass gruselig ist das denn wohl?
Natürlich suchte ich nach Mädchen, die Sky hießen. Ich kam nicht auf die Idee, dass die neuen Eltern ihr einen anderen Vornamen gegeben hatten. Denn heutzutage gilt es als identitätsstärkend, den Geburtsnamen beizubehalten, das legt man den Adoptiveltern auch nahe. Bei meinen endlosen Recherchen hatte ich zwar gelesen, dass manche Eltern das umgehen, indem sie stattdessen den zweiten Vornamen des Kindes benutzen. Aber letztlich kommt das wohl eher selten vor.
Als ich nun merkte, dass die Eltern wirklich den Namen meiner Tochter geändert hatten, überlegte ich, was für Menschen das wohl waren. Auf jeden Fall offenbar solche, denen Anna besser gefiel als Sky.
Und genau das hatte Gabe nicht erfasst, als ich ihm die Nachricht zeigte. Ich freute mich nicht nur darüber, dass Sky und ich uns endlich gefunden hatten. Sondern ich hatte die Befürchtung, vor fünfzehn Jahren einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben. Meine Entscheidung hatte ein riesiges Loch in meinem Leben hinterlassen, weil ich weggegeben hatte, wonach ich mich jetzt sehnte. Aber zumindest hatte ich mir bislang einreden können, dass ich etwas Gutes für meine Tochter getan hatte – dass Sky in einer liebevollen Familie geborgen aufwachsen konnte und gefördert wurde.
Doch wenn das gar nicht so war? Wenn sie bei Menschen gelandet war, die sie nicht zu schätzen wussten, sie womöglich nicht liebten? In Adoptionsforen war schließlich von so etwas immer wieder die Rede.
Und deshalb kam für mich nichts anderes infrage, als die Nachricht zu beantworten. Ich musste herausfinden, ob es meiner Tochter gut ging, auch wenn ich gegen die Regeln verstieß. Sogar wenn – und das machte mir weitaus mehr Angst, als Gesetze nicht einzuhalten – dabei all meine Geheimnisse, die ich bislang in meiner Ehe verborgen...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2023 |
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Übersetzer | Sibylle Schmidt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | My Darling Daughter |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Adoption • Bestseller • Bestsellerautor • Claire Douglas • eBooks • Familiengeheimnis • Freida McFadden • Harlan Coben • Karen Slaughter • neue Bücher 2023 • Neuerscheinung • Pageturner • Psychospannung • Psychothriller • Suspense • The Girl before • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2023 • Tot bist du perfekt • Trauma • Urlaubskrimi • Urlaubsromane für Frauen • Wenn sie wüsste |
ISBN-10 | 3-641-30008-8 / 3641300088 |
ISBN-13 | 978-3-641-30008-1 / 9783641300081 |
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