Vampyria - Der Hof der Stürme (eBook)
672 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-29207-2 (ISBN)
Jeanne hat im Kampf gegen Ludwig den Unwandelbaren versagt. Doch jetzt erhält sie die Möglichkeit, die Schreckensherrschaft des Vampirkönigs ein für alle Mal zu beenden. Denn der Widerstand, jene geheimnisvolle Organisation, die im Verborgenen gegen die Vampiraristokratie vorgeht, bittet Jeanne um einen ungeheuerlichen Gefallen: Sie soll den finsteren Piratenkapitän Pâle Phoebus verführen, um ihn in den Kampf um Vampyria zu verwickeln. Auf dem Weg nach Amerika, dem Land, das sich seit Jahrhunderten dem alten vampyrischen Europa entzieht, trifft Jeanne nicht nur auf finstere Piraten und ihren stürmischen Kapitän, sondern auch auf ihr wahres Ich.
Lass dich von Victor Dixen in seine opulente Vampyria-Welt entführen:
1. Der Hof der Finsternis
2. Der Hof der Wunder
3. Der Hof der Stürme
Victor Dixen, zweimaliger Gewinner des »Grand Prix de l'Imaginaire«, wurde als Sohn einer französischen Mutter und eines dänischen Vaters geboren. Er hat in Paris, Dublin und Singapur gelebt und wohnt aktuell in New York. Nachts schläft er eher wenig und widmet sich in den dunklen Stunden der Erschaffung phantastischer Welten.
1
Exempel
Wo ist unser Gold?«, knurrt der König der Finsternis.
Seine tiefe Stimme dringt durch seine reglosen Lippen – sie gehören zu der goldenen Maske, die seit dreihundert Jahren sein Gesicht vor der ganzen Welt verbirgt. Der Thron, auf dem er Ehrfurcht gebietend sitzt, besteht ebenfalls aus massivem Gold. Vom Boden bis zur Decke bestehen die Wandvertäfelungen des Apollo-Saals aus Blattgold. In diesem Raum gibt es genug von dem Edelmetall, um daraus die Kronen von hundert Herrschern zu gießen. Das reicht aber noch nicht, um den Hunger des königlichen Gierschlunds zu stillen. Sein Appetit nach Reichtum und Blut kennt keine Grenzen.
»Wo ist unser Gold?«, wiederholt er noch einen Ton tiefer.
Menschen mit gesenkten Köpfen stehen am unteren Ende der mit einem Samtteppich belegten Treppe, die zum Thron hinaufführt: in der ersten Reihe drei adelige Vampire, die an ihrer bleichen Gesichtsfarbe und den roten Absätzen ihrer Schuhe zu erkennen sind, dahinter sechs sterbliche Adelige. Die Gesichter dieser Letzteren sind mit tiefen Narben übersät. Einer von ihnen stützt sich auf Krücken, der Arm eines weiteren steckt dick verbunden in einer Schlinge.
Das ist alles, was von der französischen Flotte in Amerika noch übrig ist, die einstmals dreißig Schiffe umfasste: kaum ein Dutzend armselige Offiziere und ein paar Handvoll überlebender Matrosen, die in den Krankenhäusern von Versailles untergebracht worden sind.
»Der Feind hat uns überrascht, Euer Majestät«, stammelt der größte der Unsterblichen – ein langer Kerl mit vor Scham gebeugtem Rücken, dessen Gesicht sorgenvoll zwischen den Locken seiner schweren braunen Haarpracht hervorschaut. »Wir haben uns nach Kräften gewehrt, sind aber überwältigt worden.«
»Dieses Gejammer beantwortet meine Frage nicht, Marigny«, unterbricht ihn der erste aller Vampire, dessen metallische und übermenschliche Stimme scharf wie ein Fallbeil niedersaust. »Wollt Ihr wirklich, dass wir sie ein drittes Mal wiederholen?«
Ein Schauder läuft durch die Reihen des Hofstaats, der im Thronsaal versammelt ist. Diese Nacht des 19. März im 300. Jahr der Finsternis hätte eigentlich den Glanz Frankreichs präsentieren sollen. Seit Monaten raunte man sich auf den Gängen von Versailles zu, dass die amerikanische Flotte die sagenhafteste Fracht an Gold heimbringen sollte, die jemals den Kolonien auf der anderen Seite des Atlantiks entrissen worden ist. Der Ertrag mehrerer Jahre aus den mexikanischen und brasilianischen Minen, der dem Unwandelbaren als Tribut durch die Vizekönigreiche Spanien und Portugal entrichtet wurde. In Vorfreude auf einen prunkvollen Empfang haben zahlreiche Höflinge sich für falsche Haarteile in Form von Galionsfiguren entschieden, die so hoch aufragen, dass sie nur mit Mühe durch die Türen passen.
Doch heute ist Admiral Marigny mit leeren Händen vor den König, seinen Hofstaat und seine Reiter getreten. Ich, Diane de Gastefriche, gehöre zu dieser Eliteeinheit: zur Leibgarde Ludwigs, des Unwandelbaren. Ich stehe mit meinen fünf Gefährten am Fuß der Treppe und kann so aus nächster Nähe die Erniedrigung der überlebenden Seeleute miterleben.
»Nein, Sire, gebt Euch keine Mühe, die Frage noch einmal zu wiederholen«, erwidert Admiral Marigny unterwürfig. »Ich erkläre Euch alles.« Er räuspert sich. »Wie vorgesehen hat die Flotte die Lucayischen Inseln im Norden passiert und sich so von den Kanonen der Freibeuter ferngehalten, die seit Hunderten von Jahren ihre Gestade wie Ungeziefer verpesten. Allerdings hat uns dort, mitten auf dem Meer vor Bermuda, ein furchtbarer Sturm heimgesucht, der aber nur der Vorbote für eine noch größere Gefahr gewesen ist: Piraten in unerhörter Zahl. Legionen von Freibeutern sind aus den Regenschleiern aufgetaucht, als ob der Sturm selbst sie hervorgewürgt hätte! Euer Gold … ist … ähm … Es ist in den Händen ihres Anführers zurückgeblieben. Kapitän Fahler Phöbus, so lässt sich dieser Dämon mit dem Antlitz eines jungen Mannes nennen. Angeblich wurde er irgendwo an der amerikanischen Ostküste geboren, bevor er innerhalb weniger Jahre zum schlimmsten Schrecken des Ozeans aufgestiegen ist. Von den Kleinen Antillen bis nach Cape Cod wagen selbst die wildesten Piraten seinen Namen nur halblaut auszusprechen. Denn er greift nicht nur Handelsschiffe, sondern auch die der anderen Piraten an.«
Bleierne Stille folgt den Worten des Admirals. Die sterblichen Höflinge halten die Luft an. Die Unsterblichen haben das Atmen schon seit Langem aufgegeben. Nur noch das Ticken der Uhr im Thronsaal ist zu hören, ein Ticktack, in dessen Rhythmus die Flammen der Kerzen erzittern, die in den Leuchtern über unseren Köpfen schweben. Ihr flackernder Schein spiegelt sich auf der goldenen Maske des Königs wider.
»Unser Gold ist in den Händen dieser Gesetzlosen verblieben«, fasst dieser nun mit tonloser Stimme zusammen. »Aber Ihr, Marigny, seid mit Euren Leuten hier.«
»Ich habe den allergrößten Teil meiner Truppen in der Schlacht verloren, Sire!«, protestiert der Admiral. »Um Haaresbreite hätte auch meine Existenz dort geendet, die Finsternis sei meine Zeugin!«
In seiner Würde gekränkt, hebt er abrupt den Kopf und blickt in die beiden unergründlichen schwarzen Löcher, die dem Souverän als Augen dienen. Ich sehe, wie er sich gleich darauf auf die Lippen beißt und wie die Spitzen seiner Eckzähne aus dem blassen Fleisch seiner Lippen hervorragen – der Unverschämte hat es gewagt, dem Monarchen gegenüber laut zu werden!
Der Unwandelbare erhebt sich langsam von seinem Thron. Die Schleppe seines langen weißen Hermelinmantels, der mit kleinen goldenen Fledermäusen besetzt ist, ergießt sich über die Stufen. »Ihr hättet auch in Bermuda bleiben sollen!«, wirft er dem Admiral vor. Seine Stimme ist ganz und gar nicht mehr ruhig, er lässt seinem Zorn von göttlichen Ausmaßen freien Lauf. Die Temperatur im Saal, die schon durch die reine Anwesenheit des Souveräns eisig ist, fällt durch seine Wut noch einmal um mehrere Grad. »Ihr hättet unser Hab und Gut mit Eurem Leben verteidigen sollen!«, dröhnt er.
Die Kristalle an den Leuchtern stoßen wütend gegeneinander, und die hohen Fensterscheiben erzittern in ihren prunkvollen Rahmen.
»Dieser Phöbus wirft einen Schatten auf uns«, knurrt der König. »Er wagt es, einen der Namen zu verwenden, den die Ahnen Apollo gaben, dem Sonnengott, dem einzig wir hier unten ebenbürtig sind.«
Ich muss an die Kurse in Redekunst denken, die ich auf der Schule des Großen Marstalls besucht habe. Apollo, Sol, Helios, Phöbus: Madame de Chantilly hat uns so einige Synonyme beigebracht, die den Lieblingsgott des Unwandelbaren bezeichnen.
»Dieser Gesetzlose kann es doch niemals mit Eurem strahlenden Glanz aufnehmen, Sire!«, ruft der Admiral mit salbungsvoller Unterwürfigkeit. »Man erzählt sich, dass er bleich wie ein toter Stern ist – daher kommt auch sein Spitzname …«
»Erspart uns das Hörensagen und liefert uns lieber einen Bericht aus eigener Anschauung!«
»Nun ja … er hat am helllichten Tag angegriffen, und ich habe geschlafen«, gesteht Marigny kleinlaut. »Meine Diener hatten nur noch Zeit, meinen Sarg in ein Rettungsboot zu laden, als wir geentert wurden. Wir lebenden Toten teilen das Schicksal, den Strahlen der Sonne entfliehen zu müssen.«
»Ihr seid kein lebender Toter, sondern nichts als toter Ballast. Ein Nichtsnutz, der zu nichts anderem gut ist, als einen Sarg mit Eurem Körper zu belasten, der vom Blut unserer Untertanen allzu gut genährt ist.«
»Ich … Sire … ich habe Euch doch in den zweihundertfünfzig Jahren, in denen ich Euch diene, noch kein einziges Mal enttäuscht …«
»In denen Ihr uns gedient habt«, verbessert ihn der König.
Dann hebt er die bleiche Hand mit den langen, schlanken Fingern – diese mächtige Hand, die seit dreihundert Jahren Armeen regiert und Imperien zerquetscht. Wie Automaten ziehen die Schweizergardisten, die überall im Raum Aufstellung genommen haben, ihre Schwerter und gehen auf die Überlebenden des Piratenangriffs zu.
»Wir werden ein Exempel statuieren«, schnaubt der König von seinem Podest herunter. »Morgen, in der Nacht vom 20. auf den 21. März, zur Feier der Tag- und Nachtgleiche des Frühlings, werden wir die überlebenden Sterblichen in unseren Gärten freilassen, um die höfische Jagd am Abend noch ausgelassener zu gestalten. Die Vampire setzen wir den Strahlen der Morgensonne aus, damit sie bis auf die Knochen verbrennen.«
Ein aufgeregtes Gemurmel läuft durch die Reihen der Höflinge. Die kleinen Adeligen freuen sich über das bevorstehende Verschwinden mehrerer Vampire, die Plätze im Numerus clausus frei machen und ihre eigenen Chancen erhöhen, in den Genuss des ewigen Lebens zu kommen. Und die Granden des Königreichs, die schon vor sehr langer Zeit verwandelt worden sind, lecken sich die Lefzen in Erwartung des bevorstehenden Festmahls.
»Das … das ist ungerecht«, stammelt Marigny.
Er blickt voller Panik zwischen seinen Locken hervor wie ein in die Enge getriebenes Tier, das das Halali näher kommen hört. Unvermittelt ziehen sich seine Pupillen zusammen, sein Kiefer weitet sich, und die Eckzähne, die er mühsam eingezogen hat, schießen aus den Taschen seines Zahnfleischs hervor. Er stürzt zur nächsten Tür und stößt dabei ein raues Brüllen aus. Der Schweizergardist daneben hat keine Zeit mehr, sein Schwert zu ziehen, bevor ihm der Admiral mit seinen scharfen Klauen die Kehle aufreißt. Die beiden anderen...
Erscheint lt. Verlag | 18.10.2023 |
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Reihe/Serie | Die Vampyria-Saga | Die Vampyria-Saga |
Übersetzer | Bernd Stratthaus |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Vampyria 3. La Cour des Ouragans |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | 2023 • Abenteuerroman • Akademie • Anne Rice • Christelle Dabos • crave • Dark Fantasy • Das Reich der Vampire • Dracula • eBooks • Fantasy • Fantasy Neuerscheinung 2023 • Fluch der Karibik • Frankreich • Französische Fantasy • Freibeuter • Holly Black • Interview mit einem Vampir • Jay Kristoff • jeanine frost • Jennifer Armentrout • Katmere Academy • Kerri Maniscalco • Märchenbuch • Neuerscheinung • Paris • Piraten • Renée Ahdieh • Romantasy • Scarlett St. Clair • Sexy Vampire • Tarot • the beautiful • tiktok trend • Tracy Wolff • Urban Fantasy • Vampir • Vampyria • Versailles |
ISBN-10 | 3-641-29207-7 / 3641292077 |
ISBN-13 | 978-3-641-29207-2 / 9783641292072 |
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