Der Tote in der Dorfkirche (eBook)
320 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-30638-0 (ISBN)
»Ich warte schon lange auf einen Roman mit einem Pfarrer, dickköpfigen alten Damen, Mord und Dackeln - und hier ist er!« Dawn French
Pfarrer Daniel Clement liebt die kleine beschauliche Dorfgemeinde von Champton. Seit acht Jahren lebt er zusammen mit seiner Mutter - der so furchtlosen wie temperamentvollen Audrey - und den Dackeln Cosmo und Hilda im alten Pfarrhaus. Doch mit dem Frieden ist es vorbei, als Daniel den Plan fasst, im Kirchengebäude eine Toilette zu installieren. Plötzlich ist das Dorf in zwei Lager gespalten, und im Verlauf der Streitigkeiten drängen lange gehütete Geheimnisse ans Licht. Als der Archivar des imposanten Adelssitzes Champton House tot in der Kirche aufgefunden wird, tut Daniel alles, um seine Schäfchen vor weiterem Unheil zu bewahren. Und dazu muss er einen Mörder fassen ...
»Wie alle großartigen Cosy-Krimis vermittelt auch dieser ein wohliges Gefühl, ohne die Realität auszublenden. Und der Ton passt perfekt dazu: humorvoll und zugleich unaufdringlich weise.« Daily Telegraph
Reverend Richard Coles studierte Theologie am King's College London und hat bereits mehrere Sachbücher verfasst, bevor er sich mit »Der Tote in der Dorfkirche« dem Krimigenre zuwandte. Er ist der einzige Pfarrer in Großbritannien, der einen Nr.-1-Hit vorweisen kann - als Mitglied des Popduos The Communards - und in Strictly Come Dancing auftrat. Der Autor war lange Jahre Gemeindepfarrer von St Mary the Virgin in Finedon in der Grafschaft Northamptonshire.
1
Daniel Clement, seines Zeichens Pfarrer der Kirche St Mary’s in Champton, blickte von der Kanzel auf seine Gemeinde hinab. Heute wollte er in seiner Predigt vom Vierten Buch Mose erzählen, in dem die Israeliten gegen Moses aufbegehren, weil er sie nicht ins Gelobte Land, sondern in die Wüste führt. Eine lehrreiche Geschichte, wie Daniel fand, und gewiss nicht nur für ihn, sondern auch für seine achtundfünfzig Vorgänger in dieser Gemeinde. Denn gelegentlich mussten nun einmal auch die Gläubigen mit ein wenig List zu etwas überredet werden.
Dem Propheten Moses war es gelungen, einen Aufstand zu verhindern, indem er auf einen Fels einschlug, aus dem daraufhin Wasser strömte. So konnte das erzürnte und erschöpfte Volk seinen Durst löschen. Daniel gedachte, eine ähnlich gewitzte Taktik bei seinen Schäfchen anzuwenden.
»Ebenso wie Moses und das entkräftete Volk Israel«, begann er, »müssen auch wir mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft blicken und uns ihren Anforderungen in der Gegenwart stellen. So wie in Meriba Wasser aus dem Fels floss, auf den Moses geschlagen hatte, so soll auch in diesem Gotteshaus bald frisches Wasser strömen, und zwar in Form einer Spülung: Meine liebe Gemeinde, es ist dringend erforderlich, in unserer Kirche eine Toilette einbauen zu lassen.«
Ein aufgeregtes Raunen lief durch die Reihen, als sei bereits jetzt im Gotteshaus Unsägliches durch einen Wasserschwall beseitigt worden.
St Mary’s, ein erlesenes architektonisches Juwel des englischen Perpendikularstils, war vier Jahrhunderte lang ohne Abort ausgekommen. Nicht nur zahllose Einwohner von Champton hatten längere Gottesdienste als diesen ohne Malheur durchgestanden, sondern auch die Geistlichen – sogar die hochbetagten, auch wenn die Blase jenseits der neunzig nicht mehr ganz verlässlich war. Daniel hegte allerdings den Verdacht, dass er nicht der erste Gemeindevorsteher war, der die verborgene Ecke an der nördlichen Kirchhofmauer genutzt hatte, um sich zu erleichtern, wenn eine Braut sich verspätete.
Bis zum Abendmahl hatte sich der Aufruhr schließlich gelegt, und Daniel erwartete seine Schäfchen mit den geweihten Hostien auf der Altartreppe. Bis die ersten Gemeindemitglieder vorne an der Kommunionbank eintrafen, dauerte es wie üblich länger als nötig. Wie in vielen Kirchen kamen auch hier in der Regel die hinteren Reihen zuerst nach vorne, da die vordersten Plätze den Alten und Gebrechlichen vorbehalten waren, weil sie dort besser sehen und hören konnten (sobald das schrille Pfeifen der Hörgeräte nachgelassen hatte).
»Kommet vertrauensvoll zu mir«, rief Daniel mit nicht ganz verhohlener Ungeduld, »um den Leib unseres Herrn Jesus Christus zu empfangen, den er für euch geopfert hat, und das Blut, das er für euch vergossen hat.«
Man hätte nun erwarten können, dass alle, die ewiges Leben begehrten, sich eiligst nach vorne begeben hätten, um die großzügige Gabe entgegenzunehmen. Der Chor stand zügig zur Speisung an und kehrte dann zum Gestühl zurück, um die Hymne zu singen. Doch in den Bänken rührte sich niemand, bis sich schließlich Lord de Floures erhob – Kirchenpatron, adliger Gutsherr, Arbeitgeber und seltener Gast in der Kirche, den Daniel jedoch heute absichtlich einbestellt hatte. Bernard de Floures zwängte sich aus der Familienbank ganz vorne, die mit der Blumenrosette aus dem Wappen der de Floures verziert war, und bewegte sich etwas stockend Richtung Altar. Der Gutsherr trug seinen Sonntagsanzug aus Tweed (»altehrwürdig« wäre eine gnädige Vokabel dafür gewesen, fand Daniel, der sich immer fragte, ob der Anzug bereits die Leibesfülle von Bernards Vater umhüllt hatte). Jedoch nicht das Lebensalter von siebenundfünfzig Jahren sorgte für Bernards unsicheren Gang, sondern der Alkoholgenuss des Vorabends, und als der Lord an der Familiengruft in der Kapelle vorüberkam, wo die steinernen Ahnen auf Sarkophagen seiner harrten, geriet er kurz ins Stolpern.
Margaret Porteous heftete sich augenblicklich an seine Fersen, weshalb es ihr flink gelang, Anthony Bowness zu überholen, Bernards Cousin, der kürzlich zum Archivar von Champton House ernannt worden war und nun hinter Bernard aus der Floures-Bank kam. Die flachen Slipper, die Margaret zu ihrem Tweed-Kostüm trug (das auch schon einiges erlebt hatte, aber nicht ganz so antik wirkte wie Bernards Anzug), waren ihr gewiss eine Hilfe dabei, zeitgleich mit dem Lord auf der Kommunionsbank niederzuknien. Margaret gehörte nicht zur Familie de Floures, war aber zuständig für die Koordination der Freiwilligen, die während des Sommers Führungen durch Champton House anboten und den Touristen die Schätze und Schönheiten des Anwesens präsentierten. Durch diese vom Finanzamt abgesegnete Regelung für zusätzliche Einnahmen konnte Bernard einen gewissen Ausgleich zu den hohen Erbschaftssteuern herstellen, die er für das Gut berappen musste.
Jetzt standen weitere Dorfbewohner an und ließen sich auf der Bank nieder, und Daniel kam es vor, als stellten die Anwesenden wie in einem Roman die gesamte Geschichte von Champton dar: Licht und Schatten, Macht und Machtlosigkeit, Glück und Unglück.
Norman Staveley in Cordhose und Blazer, als Mitglied des Gemeinderats immer sehr auf sein Ansehen bedacht, schritt betont eifrig nach vorne. Den Platz neben ihm auf der Bank nahm Katrina Gauchet ein, Rektorin der Grundschule, mitsamt ihren zwei Söhnen, aber ohne ihren atheistischen Gatten Hervé, der zu Hause den Brunch zubereitete (unter anderem eine Bloody Mary, die er sich zu Gemüte führte, wenn das Glockenläuten auf das nahende Ende des Gottesdiensts hinwies). Die beiden ledigen älteren Schwestern Dora und Kath Sharman in ihren steifen Sonntagskostümen zwängten sich neben den zappelnden Jungen auf die Bank.
Daniel schritt die Reihe ab und verteilte das Fleisch des Herrn.
»Christi Leib für dich …«
»Amen.«
»Christi Leib für dich …«
»Amen.«
»Christi Leib für dich …«
»Danke schön«, sagte Norman höflich, als habe man ihm ein Canapé gereicht.
Die Organistin Jane Thwaite, Frau des ehemaligen Schuldirektors Ned Thwaite, stimmte die Hymne an. Es war ein schwungvolles Kirchenlied aus dem achtzehnten Jahrhundert, das Daniel immer heiter stimmte.
Und er war auch voller Zuversicht, während Stäubchen in den Strahlen der Frühlingssonne tanzten, die den Kirchenraum erleuchteten, und die Gläubigen geduldig Schlange standen, um das Abendmahl zu empfangen. Danach kehrten die meisten an ihren Platz zurück, einige hingegen verließen die Kirche zügig, um die Begegnung mit Nachbarn – oder dem Pfarrer – zu vermeiden.
Nachdem das letzte Gebet gesprochen war, ging Daniel hinaus und nahm seinen üblichen Platz am Portal ein. Er blickte über den Kirchhof mit den verwitterten Grabsteinen, die ordentlich in Reih und Glied standen, damit der Küster den Rasen besser pflegen konnte. Hinter einem Graben befand sich der Park des Anwesens, der um 1790 von dem berühmten Landschaftsarchitekten Humphry Repton naturnah gestaltet worden war, wie es zum Ende dieses Jahrhunderts modern wurde. Damals hatte man auch den See angelegt und Follies erbaut, bizarre, zwecklose kleine Bauwerke, die dem romantischen Geschmack der Zeit entsprachen.
Bernard de Floures verließ die Kirche wie immer als Erster nach Daniel.
»Ist das Ihr Ernst, Daniel? Ein Klo?«, fragte Bernard. »Da haben Sie ja was losgetreten.«
»Ja, ist das nicht sonderbar? Was ist so schlimm an einem Klo?«, erwiderte Daniel.
»Pipi und Kacka. Daran möchte doch in einem Gotteshaus niemand erinnert werden«, antwortete Bernard. »Ich befürchte massiven Widerstand, offen gestanden. Kommen Sie doch heute Nachmittag zum Tee. Und bringen Sie die Frau Mama mit.«
»Sehr gern, danke«, erwiderte Daniel.
Margaret Porteous erschien wie üblich dicht in Bernards Gefolge. »Ein herrlicher Gottesdienst, Daniel«, bemerkte sie im Vorübergehen und beeilte sich, dem Lord auf den Fersen zu bleiben.
Dann kamen die Damen der örtlichen Blumengilde heraus, die für das florale Dekor der Kirche zuständig war: die streitbare Stella Harper und ihre rechte Hand Anne Dollinger. Beide trugen fast identische geblümte Kleider aus Mrs Harpers Boutique, wirkten deshalb aber noch lange nicht wie das blühende Leben. Stella Harper war hager und kratzbürstig (Daniels Mutter Audrey hatte sie einmal als »miesepetrige Artischocke« beschrieben), Anne Dollinger dagegen wuchtig und grobschlächtig (»ein Schlachterhund im Fummel«, hatte Audreys gnadenloses Urteil gelautet). Beide gehörten zum Inventar des Dorfes und ließen sich regelmäßig in der Kirche blicken, ohne jedoch Interesse an den Finessen des Gottesdienstes zu zeigen – sie hatten nur Blumen im Sinn. Deshalb kam es auch alljährlich während der Fastenzeit zu Debatten, weil Anne Dollinger sich weigerte, gemäß der religiösen Regeln auf Blumenschmuck zu verzichten.
Jedes Jahr behauptete sie von Neuem steif und fest, eine schlichte Hyazinthe sei kein Regelverstoß, worauf Daniel ihr alljährlich nicht minder hartnäckig widersprechen musste. Manchmal hatte er den Eindruck, dass St Mary’s von diesen beiden Frauen nur als Ausstellungsfläche betrachtet wurde.
»Guten Morgen, Daniel«, sagte Stella kühl, wobei sie beinahe von den beiden Gauchet-Jungs überrannt wurde, die wie Torpedos auf den Kirchhof rasten, um angestaute Energie loszuwerden. »Diese … Umbauten«, fügte Stella naserümpfend hinzu. »Steht schon fest, wann?«
»Nein. Vorerst ist es nur ein Vorschlag, über den der Kirchengemeinderat...
Erscheint lt. Verlag | 17.5.2023 |
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Reihe/Serie | Richard Coles, Ein Fall für Pfarrer Daniel Clement | Richard Coles, Ein Fall für Pfarrer Daniel Clement |
Übersetzer | Sibylle Schmidt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Murder Before Evensong. A Canon Clement Mystery |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Cozy Crime • Dorfgemeinschaft • eBooks • Inspector Barnaby • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Landpfarrer • Miss Marple • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Nr. 1 Bestseller England • Pater Brown • Pfarrer als Ermittler • very british |
ISBN-10 | 3-641-30638-8 / 3641306388 |
ISBN-13 | 978-3-641-30638-0 / 9783641306380 |
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