Die Hexen von New York (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
512 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30522-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hexen von New York -  Craig Schaefer
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In New York erfuhr Journalist Lionel Page, dass das Übersinnliche real und er selbst ein Hexer ist. Als seine Freundin Maddie verschwindet, macht er sich auf die Suche nach ihr. Die Spur führt ihn zu Cordell Spears, einem Millionär, der Ausgrabungen in Griechenland finanziert und eine Ausstellung der Fundstücke plant. Als Cordell von einer Frau angegriffen wird, die ihn des Mordes an ihrem Mann, einem Archäologen, beschuldigt und ein kleines Tongefäß mit dem Namen Tisiphone bei sich trägt, wird Lionel klar, dass es bei dieser Ausstellung um mehr geht als bloßen Marmor und dass auch Maddie etwas damit zu tun hat. Für Lionel beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der ihn zurück nach New York führt - direkt zu Göttern, Helden und Furien ...

Craig Schaefer ist das Pseudonym der Autorin Heather Schaefer. Sie lebt in North Carolina, wo sie sich gerne in Museen, Büchereien, an einsamen Kreuzungen mitten im Nirgendwo und ähnlichen Orten aufhält, wo sich Autor*innen düsterer Fantasy gerne versammeln.

Eins


»Ich wusste, dass es eine Fortsetzung geben wird.«

Lionel erkannte das Gesicht der dunkeläugigen Frau am Tisch mit den Vorspeisen. Aber nach ihrem Namen musste er suchen. Sie warf ihm einen Rettungsanker zu.

»Jerrica Winter«, sagte sie.

»Wir sind uns letztes Jahr auf der Presse-Expo in Washington, D. C. begegnet.«

»Richtig.«

Er schüttelte ihre Hand. Sie hatte einen sanften Griff, und ihre Fingerspitzen glitten über seine Handinnenseite, als die Berührung endete. Sie hob die Hand an ihr Gesicht, schnipste ein paar Strähnen ihres rabenschwarzen Ponys weg und musterte ihn von oben bis unten. Er trug ein Sakko zu seinem elfenbeinfarbenen Hemd und den verblassten Jeans, aber auf dieser Party fühlte er sich noch immer zu nachlässig angezogen. Eine schwarze Krawatte war an diesem Abend vorgeschrieben, und über den unechten Sandsteinboden der Galerie im Griffith-Museum huschten zahllose maßgeschneiderte Anzüge und schimmernde Haute-Couture-Roben. Wenigstens war er nicht allein, während er am unmodischen Rand der Galerie lehnte. Jerrica war in einem Hosenanzug von der Stange und bequemen Schuhen erschienen.

»Ich habe Ihr Buch während des Fluges zu Ende gelesen«, sagte sie. »Sehr gut. Als Sie ›auf unbestimmte Zeit‹ von Channel Seven weggegangen sind, dachte ich mir schon, dass Sie an einem Folgeband arbeiten. Der Verleger muss Ihnen einen gigantischen Vorschuss gezahlt haben, damit Sie ein festes TV-Einkommen aufgeben.«

»So ungefähr«, sagte er, reckte den Hals und schaute sich um. Er hoffte noch immer, ein besonderes Gesicht in der Menge zu entdecken.

Vor einem Monat hatte er New York verlassen. Nun lebte er von seinen dahinschwindenden Ersparnissen und fuhr einen rostfleckigen Toyota Corolla mit Fließheck, den er an der Grenze zu New Jersey gekauft hatte. Seine Mission wurde mit Intuition und Tankstellenkaffee befeuert.

Jerrica schenkte ihm einen fragenden Blick, als ob ihr gerade ein Gedanke gekommen wäre. »Sie sind doch nicht hinter Spears her, oder? Ich weiß, dass Sie Großwildjäger sind, aber in diesem Fall würden Sie Ihre Zeit verschwenden. Er ist so sauber, dass er quietscht, wenn er geht.«

Cordell Spears. Unsichtbare Fingerspitzen blätterten das Personenregister in Lionels Hinterkopf durch. Ein Milliardär und Philanthrop, der sein Geld mit Medizintechnologie gemacht und seinen Namen von Küste zu Küste auf ein Dutzend Kinderkrankenhäuser geklebt hatte. Nein. Als Journalist hatte es sich Lionel zur Aufgabe gemacht, Quacksalber, Scharlatane und Spiritisten zur Strecke zu bringen. Soweit er wusste, war Spears nichts von alldem.

Aber …

»Jeder hat eine Leiche im Keller«, sagte er in beiläufigem Tonfall, während er die ausgebreiteten Vorspeisen auf dem Tisch beäugte. Kleine Teller mit russischen Eiern, Quadern aus weißem Kuchen, der wie importierter attischer Marmor wirkte. Das Knurren in seinem Magen erinnerte ihn daran, dass er seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, als er mit einem Pappbecher schwarzen Kaffees und einem schal schmeckenden glasierten Donut in der Mittelkonsole nach Indiana gefahren war.

»Er nicht. Zumindest keine, die es wert wären, dass man darüber schreibt.« Jerrica schürzte die Lippen, als ob sie diesen Mangel jeglichen Skandals missbilligen würde. »Zwei Ex-Frauen, aber wer hat so etwas nicht? Er bezahlt seine Alimente immer rechtzeitig. Keine verärgerten Angestellten, die noch eine Rechnung mit ihm offen haben, keine heimlichen Informanten. Spears-Biomedical-Angestellte erhalten ein ganzes Jahr bezahlten Mutterschaftsurlaub und eine ausgezeichnete Rente. Der Knabe hat sein Leben der Ausrottung von Kinderkrankheiten verschrieben, und wenn er gerade keine medizinischen Wunder wirkt, finanziert er Wohltätigkeitspartys wie diese hier aus eigener Tasche. Er ist einer von den Guten. Ein Superheld aus dem wirklichen Leben.«

Lionel hob die Brauen. »Ein Superheld sogar?«

»Die Post nannte ihn ›Tony Stark mit Stethoskop‹.«

»Ich weiß nicht recht, ob es so etwas wie einen ›guten Milliardär‹ gibt. Nicht, wenn man tief genug gräbt.«

»Das ist zynisch«, sagte sie.

»Eine schlechte Angewohnheit von mir. Ich versuche, sie abzulegen.«

Er griff nach einem mediterranen Feuerrad, einer Tortilla-Spirale, die mit sonnengetrockneten Tomaten, Spinat und Rahmkäse gefüllt war. Es lag kalt auf seiner Zunge, schmeckte frisch und nach einer Spur von Parmesan.

»Wenn Sie es geschafft haben, müssen Sie mir den Trick verraten«, sagte sie. »Wenn Sie also keine Hintergrundinformationen über Spears sammeln, was machen Sie dann hier?«

Gute Frage.

Er war hier, weil seine Geliebte offenbar ein Versprechen hielt, das sie ihm gegeben hatte. Sie hatte es mit blutigen Tränen auf den Wangen ausgesprochen, während sie das Messer mit dem Horngriff gepackt hielt, mit dem sie sich manchmal den Arm ritzte, damit der Druck aus ihr wich. Weißt du, was als Nächstes geschieht? Du wachst eines Morgens auf, und ich bin weg … Ich bin … einfach weg. Weil ich immer irgendwann gehe.

Er war hier, weil er allein im gemeinsamen Bett aufgewacht war – auf dem Hausboot, das sie in Montauk gemietet hatten. Nichts war von ihr zu sehen, außer einem Bonbonpapier auf der Spüle und einer leeren Stelle dort, wo ihr Rollkoffer gestanden hatte. Ihre Herrin – jetzt ihrer beider Herrin – hatte Lionel vor eine einfache Wahl gestellt. Seine Odyssee in New York hatte ihn, den berufsmäßigen Skeptiker, in eine Welt der Geister und des Grauens gestürzt. Das alles konnte er hinter sich lassen; er konnte zurück nach Chicago gehen, zurück zu den Kameras und dem Scheinwerferlicht und zu seiner Illusion einer rationalen Welt. Irgendwann würden die Erinnerungen vielleicht verblassen.

Oder er wählte Maddie. Wenn er das tat, würde er ihrer Spur durch ein von Spuk und Schrecken heimgesuchtes Amerika folgen müssen. Seine Lehrerin, die sich als ältliche Dame namens Regina Dunkle ausgab, konnte ihm den Sieg nicht versprechen. Alles, was sie ihm versprach, waren Kampf und Qual. Und Magie.

Er hatte Maddie gewählt. Und nie zurückgeschaut.

Aber nun war seine Lehrerin verschwunden. »Regina« hatte ihr Telefon abgestellt und methodisch alle Spuren ihrer Existenz gelöscht. Diese besondere Maske würde sie nie wieder tragen. Aber Lionel fühlte sich nicht im Stich gelassen. Wenn er manchmal halb wach in den Resten eines vergessenen Traums hing, glaubte er sie zu spüren. Dann beobachtete sie ihn, war neugierig, wollte unbedingt sehen, was er mit den Werkzeugen anstellte, die er von ihr erhalten hatte.

Die Göttin Hekate – Titanin, Königin der Hexen, Bewahrerin göttlicher Mysterien – glaubte fest an die Erziehungsmethode des »Friss oder stirb«. Und Hekate hatte ihn für sich erwählt, wie sie es Jahrhunderte zuvor mit Maddie gemacht hatte.

Also hatte er sich auf seine Intuition verlassen und war losgefahren. Er war wogenden Wolken aus Sperlingen gefolgt und hatte seinen Kurs nach den Graffiti auf Eisenbahnwaggons berechnet. Lionel war neu in dieser ganzen »Hexensache« – er sprach das Wort noch immer nicht laut aus und nannte sich selbst nie einen Hexer –, und er wusste nicht, ob er wirklich das Wispern des Universums hörte oder nur eine metaphorische Münze warf und sich einbildete, in all dem Lärm ein Signal zu vernehmen, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, bis er eine konkrete Spur fand. Seine Intuition hatte ihn zu einem billigen Hotel am Rand von Bloomington geführt, wo das Reinigungspersonal vergessen hatte, eine Touristenbroschüre für das Griffith-Museum zu entsorgen, die der vorige Gast zurückgelassen hatte. Lionel hatte sie durchgeblättert. Heute Abend begann eine neue Ausstellung mit dem Titel Schätze der mykenischen Welt, die später durch Nordamerika reisen sollte.

Herabhängende Banner säumten die Wände der große Halle und umkreisten die Ränder einer gläsernen Decke, die spitz wie ein Zirkuszelt zulief. Dahinter war der düstere Nachthimmel sichtbar. Ein knochenweißes Stück der Mondsichel spähte herunter und wurde von dahintreibenden Wolkenfetzen verschleiert. Das war genau die Art von Szenerie, die Maddies Aufmerksamkeit erregte: Sie selbst war ein Schatz aus der mykenischen Welt. Aber bisher war hier nichts von ihr zu sehen.

Lionel versuchte gerade, Jerricas Frage zu beantworten, als plötzlich eine tiefe, selbstsichere Stimme in seine Gedanken schnitt.

»Jerrica Winter und Lionel Page? In wie großen Schwierigkeiten stecke ich denn hier?«

Jerrica begrüßte den Neuankömmling mit einer schnellen, aber festen Umarmung. »Sie wissen, dass Sie von mir nichts zu befürchten haben.«

Er wirkte wie eine aus Marmor gemeißelte Statue, war gebaut wie ein griechisch-römischer Ringer, steckte in einem Tausend-Dollar-Anzug und hatte ein ungezwungenes, fröhliches Lachen. Er wandte sich Lionel zu und streckte ihm eine manikürte Hand entgegen.

»Das sagte der Skorpion zum Frosch. Lionel! Sie kennen mich zwar nicht, aber ich kenne Sie. Ich bin ein großer, großer Fan von Ihnen. Cordell Spears – es freut mich, dass wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht begegnen.«

Der Mann der Stunde. Lionel entgingen nicht die privaten Sicherheitsmänner, die in respektvoller Entfernung warteten, aber jederzeit herbeispringen konnten. Sie trugen Ohrhörer wie beim Geheimdienst, und dem Schnitt ihrer Jacketts nach zu urteilen, steckten mehr als Muskeln darunter.

»Die Freude ist ganz meinerseits«, entgegnete Lionel. »Ich habe gehört, dass Sie die Person sind, der wir diese Ausstellung...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2023
Reihe/Serie Die Geister von New York
Die Geister von New York-Reihe
Übersetzer Michael Siefener
Sprache deutsch
Original-Titel A Time for Witches
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • Antike Götter • A Time for Witches • Dark Fantasy • Die Geister von New York • eBooks • Fantasy • Ghosts of Gotham • Götter • Griechische Mythen • griechische Mythologie • Hexe • Hexen • Neuerscheinung • New York • starke Heldin • Übersinnlich • Urban Fantasy
ISBN-10 3-641-30522-5 / 3641305225
ISBN-13 978-3-641-30522-2 / 9783641305222
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