The Marriage Act - Bis der Tod euch scheidet (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
560 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30274-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

The Marriage Act - Bis der Tod euch scheidet -  John Marrs
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Verheiratete Menschen sind glücklicher, gesünder und produktiver. Um den Bürgern des Vereinten Königreiches den Hafen der Ehe schmackhaft zu machen, erlässt die Regierung ein Gesetz, das Verheirateten Privilegien verschafft: bessere Schulen für die Kinder, bessere Kredite, bessere Gehälter, Häuser in besseren Wohngegenden. Alles, was man für das schöne Leben tun muss, ist einen Smart-Marriage-Vertrag zu unterschreiben. Doch was bedeutet es, wenn man seine Beziehung einem Algorithmus anvertraut? Ein Witwer versucht verzweifelt, den Tod seiner Frau zu vertuschen, weil er nicht zwangsverheiratet werden will. Eine Hausfrau und Mutter macht Karriere als Vloggerin, bringt dabei aber ihre Familie an den Rand des Ruins. Ein Serienmörder wird zum Paartherapeuten, und ein queeres Paar gerät wegen seiner smarten Ehe in tödliche Gefahr ...

John Marrs arbeitete über zwanzig Jahre als freischaffender Journalist für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Mit seinem Roman »The One« und dessen Serienadaption auf Netflix gelang ihm der internationale Durchbruch. Der Autor lebt und arbeitet in London.

1


Roxi

Ungläubig starrte Roxi auf das YouTube-Video, das auf ihrem Tablet lief. »Wie zum Teufel kommt die an so was ran?«

Eine junge Frau ging mit dynamischen Schritten einen weißen Sandstrand auf den Malediven entlang und gestikulierte so begeistert wie eine Moderatorin im Kinderfernsehen, während sie ihren Zuschauern von den hohen Temperaturen und den Naturschönheiten dieses tropischen Paradieses vorschwärmte.

»Wenn du weiter so rumfuchtelst, hebst du gleich ab«, murmelte Roxi, als die Kamera herauszoomte und ein Luxusresort ins Bild kam.

Autumn Taylor war braun gebrannt, ihre Haut strahlte geradezu, ihre Frisur war makellos, und obwohl sie behauptete, gerade eben erst aufgestanden zu sein, war ihr Make-up perfekt. In der einen Hand hielt sie eine Tube Sonnencreme und in der anderen eine Flasche Wasser. Beide Markennamen waren in die Kamera gerichtet.

Roxi drückte auf »Pause«, nahm ihr Handy, öffnete die Notiz-App und diktierte: »Sonnenbrille: Prada. Bikini: Harper Beckham. Sonnencreme: Nivea. Mineralwasser: Acqua Panna. Titten: Sponsor unbekannt.«

Sie überflog die anderen Videos, die auf dem Kanal der Videobloggerin mit dem Titel Autumn’s Endless Summer angezeigt wurden. Es waren zweiundvierzig Videos, die an den verschiedensten Orten der Welt gedreht worden waren: auf Bali, in Indien, auf den Fidschi-Inseln, den Seychellen, auf Musha Cay und auf Bora Bora. Autumns jüngster Clip, den sie erst gestern gepostet hatte, war jetzt schon über eine Million Mal angeklickt worden. Dass sie unter den weltweit wichtigsten Influencern zu den Top Ten gehörte, ärgerte Roxi jedes Mal, wenn sie darüber nachdachte. Und das tat sie ziemlich häufig.

Was Autumn präsentierte, war eine ganz andere Welt als die in den Videos, die Roxi an diesem Vormittag im wolkenverhangenen New Northampton zusammengeschnitten hatte. Gestern war sie durch die Verkaufsräume eines Möbeldiscounters gewandert und hatte die Sonderangebote der Woche vorgestellt. Dabei hatte sie darauf geachtet, die Wörter und Floskeln zu verwenden, die das Wörterbuch jeder Influencerin bildeten – »Hallo zusammen«, »Community«, »Seid ihr bereit?«, »Partner«, »Challenge« und »Schnäppchen« –, und hatte alles mit einer Begeisterung vorgetragen, als hätte sie über Airbnb in Frankreich eine Unterkunft gebucht und dann unverhofft die Schlüssel für das Schloss von Versailles bekommen.

Das Material war mit dem Handy aufgenommen worden, und die Beleuchtung hatte ein tragbares LED-Ringlicht geliefert. Geholfen hatten Roxi dabei, wenn auch widerwillig, ihre Kinder Darcy und Josh. Das Ergebnis war von Autumns High-End-Produktionen so weit entfernt wie die Sonne vom Mond. Und selbst die ausgefeilteste Bearbeitung konnte die wütende Miene nicht beseitigen, die ihre Tochter Darcy gezeigt hatte, als sie sie für einen Augenblick vor die Kamera gezerrt hatte. Darcy hätte lieber in der Hölle geschmort, als eine Filiale von Costland zu betreten.

»Ich kapier einfach nicht, warum du diese Videos machst«, hatte Darcy gequengelt, und es hatte sich angefühlt, als hätte sich in Roxis Ohren eine Mücke verfangen. »Die guckt doch kein Mensch.«

»Wie wär’s mal mit ein bisschen positivem Feedback?«, hatte Roxi erwidert. »Wenn irgendeine PR-Abteilung auf einen meiner Hashtags aufmerksam wird, kann sich schlagartig alles ändern.«

»Dafür bist du viel zu alt.«

»Jem Jones ist nicht viel jünger als ich.«

»Ja, sie ist ein Dinosaurier, aber wenigstens einer, für den sich die Leute interessieren.«

»Ich habe in den sozialen Medien insgesamt zwölftausend Follower.«

»So wenig?«, hatte Darcy lachend erwidert. »Da hat ja selbst dieser schielende Hund mehr, der mit dem Fellimplantat auf dem Rücken, der aussieht wie Prinz Louis. Mit diesen Videoblogs wirst du nie berühmt. Das ist doch nur peinlich.«

»Weißt du, was wirklich peinlich ist?«, hatte Roxi erwidert. »Wenn du morgen ohne Handy in die Schule gehst, weil deine Mutter es dir abgenommen hat, weil du nicht gehorcht hast. Und jetzt sei ein braves Mädchen, halt den Mund und richte die Kamera auf mich, wenn ich es dir sage.«

»Ich hasse dich«, hatte Darcy gemurmelt.

»Das beruht auf Gegenseitigkeit, meine Liebe.«

Das stimmte so nicht, aber Roxi musste zugeben, dass ihr Leben von heute auf morgen in Stücke gefallen war, als ihre Welt auf einmal von Kindern bevölkert wurde. Sie war noch immer damit beschäftigt, sie wieder zusammenzusetzen. Und insgeheim warf sie das ihren Kindern vor.

Als sie jetzt Autumns Video sah, musste sie sich eingestehen, dass es ihrem eigenen Clip trotz aller Bemühungen an Begeisterung für das Thema fehlte. Daran konnten auch kein warmer Farbfilter, keine Hintergrundmusik und kein Heer von positiven Emojis etwas ändern. Die Taylors dieser virtuellen Welt bekamen geschmackvoll verpackte Haute-Couture-Mode, Schmuck, Luxusreisen und Parfüm geschenkt. Die Roxis dagegen erhielten weniger glamouröse Produkte, wie etwa Espadrilles, Slipeinlagen oder wiederwendbare Holzboxen für den Audite, den auf künstlicher Intelligenz basierenden digitalen Assistenten, den jedes Paar, das eine Smart-Ehe eingegangen war, zu Hause installieren musste. Dennoch blieb Roxi stets durch und durch professionell und hielt sich vor Augen, dass auch Jem Jones irgendwann einmal klein angefangen hatte.

Heute aber war ihr Autumns neues Video zu viel. Kurz entschlossen löschte sie es. Nie wieder würde sie solche Clips anschauen.

Dass Roxi sich aufs Videobloggen verlegt hatte, war zum Teil Darcys Schuld. Es hatte vor zwölf Jahren begonnen; Darcy war ein schwieriges Kind gewesen, sie hatte unter Koliken, Reflux und Ekzemen gelitten und nur selten durchgeschlafen. Roxi hatte sich so manche Nacht damit um die Ohren geschlagen, im Internet nach Rat zu suchen. Und zu so ziemlich allen Beschwerden, unter denen ein Baby leiden konnte, gab es Videos oder Videoblogs. Aber von den Influencerinnen sah kaum eine so aus wie Roxi. Diese Frauen waren keine übernächtigten Mütter in zerrissenen Jogginghosen und fadenscheinigen Pullovern, die ihre Rundungen verbargen. Sie banden sich die Haare nicht hastig mit einem Haargummi zusammen oder gingen ohne Make-up vor die Tür. Vielmehr waren sie makellos herausgeputzte Familiengöttinnen, die ein perfektes, durch Filter beschönigtes Leben präsentierten. Roxi hatte ihre Kanäle abonniert, ihre Websites ihren Favoriten hinzugefügt, hatte sie mit ihren Fotos und Videos stellvertretend für sich selbst ihr Leben leben lassen, hatte bei ihren Signierstunden angestanden und für sie gestimmt, wenn sie im Fernsehen an Realityshows teilnahmen. Sie wurden Freundinnen, die Roxi bloß noch nicht kennengelernt hatte.

Doch im Lauf der Zeit war die Faszination dem Neid gewichen. Warum musste sie jeden Tag in ihren jahrealten Jeans mit Gummizug die Kinder zur Schule bringen und bei der Rückkehr nach Hause in Bergen von Schmutzwäsche versinken, während diese Frauen um die Welt jetteten, in exquisiten Restaurants aßen und die angesagtesten Kleidungsstücke trugen? Nach dem Chaos und der Unordnung ihrer jungen Jahre hatte Roxi mit zwei Kindern und einem Ehemann zu so etwas wie Normalität gefunden. Doch das genügte ihr nicht. Sie brauchte noch etwas anderes. Sie brauchte mehr.

Die Lösung kam so unerwartet, als hätte Gott sie ihr persönlich ausgehändigt. Sie würde selbst mit dem Videobloggen anfangen.

»Das musst du unbedingt machen, Schätzchen«, hatte ihre beste Freundin Phoebe zu ihr gesagt. »Wenn diese Mädels das können, kannst du das erst recht. Du hast da garantiert ein Händchen dafür. Du bist klug und witzig und kannst die Leute überzeugen. Du könntest einem Veganer Fleisch verkaufen.«

Roxi hatte so gut wie alles zum Thema ihres Blogs gemacht. In manchen Wochen sprach sie über günstige Modemarken, in anderen gab sie Ratschläge, wie man seiner Beziehung neuen Schwung verleiht. Sie bloggte über alles, von Sex bis Shopping, von Kosmetik bis Kindererziehung. Aber sehr zu ihrem Frust stieg die Anzahl ihrer Follower nur langsam, und die Firmen, auf die sie es abgesehen hatte, meldeten sich nicht bei ihr.

Sie wandte sich wieder Autumn und ihren Followern zu. Die meisten davon gehörten zu dem lukrativen Segment junger Frauen zwischen vierzehn und dreißig mit hohem verfügbarem Einkommen. Plötzlich fiel ihr Blick auf eines der Profilbilder. Es war Darcy. Roxi hatte gar nicht gewusst, dass ihre Tochter einen Instagram-Account hatte. Sie überflog ihre Posts. Die meisten davon waren Videos, in denen sie und ihre Freundinnen in die Kamera blickten und einen Schmollmund zogen oder Tanznummern vorführten. Als sie Darcys Profil schon wieder verlassen wollte, fiel ihr Blick auf die Zahl ihrer Follower. Es waren knapp zwölftausend, und das nur in einem einzigen sozialen Netzwerk. Noch immer verblüfft, ging sie zurück zur Website von Autumn Taylor.

»Wenn man dich so sieht, könnte man glatt meinen, du stehst auf sie«, war hinter ihr eine Stimme zu hören.

»Mein Gott, Owen, hast du mich erschreckt!« Roxi war hochgefahren und atmete jetzt tief aus, als ihr Mann sie auf die Wange küsste und ihr über die Schulter sah. Seine Sporttasche und seinen Hockeyschläger hatte er neben der Tür abgelegt.

»Wie geht’s der entzückenden Autumn denn heute? Ich sehe sie so oft bei uns, dass ich schon fast das Gefühl habe, sie gehört zur Familie.«

»Letzte Woche hat sie dreißigtausend neue Follower dazugewonnen. In einer Woche. Wie schafft sie das? Kannst du mir das mal erklären?«

Owen zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, weil die Leute...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2023
Übersetzer Felix Mayer
Sprache deutsch
Original-Titel The Marriage Act
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2023 • Diversität • eBooks • Gesellschaftskritik • LGTBQ • Liebe und Beziehungen • Near future • Neuerscheinung • Social Media • Spannung • Thriller • Zukunftstechnologie
ISBN-10 3-641-30274-9 / 3641302749
ISBN-13 978-3-641-30274-0 / 9783641302740
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