Der Geisterbaum (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
512 Seiten
Penhaligon Verlag
978-3-641-29099-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Geisterbaum - Christina Henry
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Eine abgelegene Kleinstadt, eine blutige Mordserie und ein entsetzliches Monster: Der neue Fantasy-Horror-Roman von Christina Henry!
Als die Leichen von zwei Mädchen in der Stadt Smiths Hollow auftauchen, weiß die 14-jährige Lauren, dass die blutige Tat ungesühnt bleiben wird. Schließlich konnte die Polizei auch den Mörder ihres Vaters nicht finden, dessen Leiche ein Jahr zuvor im Wald gefunden wurde: Sein Herz war ihm herausgerissen worden, und zwar unter dem berüchtigten Geisterbaum. Warum musste Laurens Vater sterben? Wieso vergessen die Bewohner von Smiths Hollow, dass aus ihren Reihen immer wieder Mädchen verschwinden? Und welches blutige Geheimnis bewahrt der schreckliche und Lauren doch so vertraute Geisterbaum? Sie ahnt, dass sie in Gefahr ist - und dass sie die nächste ist, die ihr Leben verlieren soll ...
Düster, gruselig, einfach phantastisch - verpass nicht die anderen Bücher von Christina Henry wie »Die dunklen Chroniken« oder »Die Legende von Sleepy Hollow«.

Die Amerikanerin Christina Henry ist als Fantasy-Autorin bekannt für ihre finsteren Neuerzählungen von literarischen Klassikern wie »Alice im Wunderland«, »Peter Pan« oder »Die kleine Meerjungfrau«. Im deutschsprachigen Raum wurden diese unter dem Titel »Die Dunklen Chroniken« bekannt und gehören zu den erfolgreichsten Fantasy-Büchern der letzten Jahre. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin liebt Langstreckenläufe, Bücher sowie Samurai- und Zombiefilme. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Chicago.

1


Juni 1985


Mittwoch

Lauren warf einen Blick nach unten auf ihre Schuhe, die sich auf den Pedalen auf- und abbewegten, während sie mit ihrem Fahrrad Richtung Wald fuhr. Sie trug brandneue türkisfarbene High-Top-Sneaker; sie ähnelten den Chucks, die sie eigentlich gewollt hatte, waren aber markenlose Schuhe von Kmart. Auch wenn sie nicht über den kreisförmigen Aufnäher am Knöchel verfügten, sahen sie ziemlich cool aus. Dachte sie zumindest.

Sie mussten genügen, denn – wie ihre Mutter immer wieder sagte – sie konnten sich keine Markenkleidung leisten. Immerhin hatte sonst niemand an der Schule welche in Türkis. Die Farbe war so grell, dass sie praktisch in der Sommersonne leuchteten, aber bis zum Herbst, wenn die Schule wieder anfing, würden sie ausreichend abgetragen sein, damit sie sich nicht blamierte.

Wenn die Schule wieder losging, wäre sie schon fast fünfzehn (Ende November – noch fünf Monate), was bedeutete, sie würde zu den Älteren in der Jahrgangsstufe gehören; allerdings wäre sie immer noch jünger als Miranda, deren Geburtstag letzte Woche gewesen war. Miranda versäumte es nie, sie daran zu erinnern, weil es bedeutete, dass sie den Führerschein vor Lauren bekommen würde. Lauren machte das nichts aus, solange sie überhaupt in einem Auto zur Schule kam (auch wenn es nicht ihr eigenes war) statt mit dem Fahrrad.

Lauren wusste, dass es Mom nicht gefiel, wenn sie sich mit Miranda im Wald traf. Erst recht nicht seit letztem Jahr. Erst recht nicht, seit Laurens Vater tot in der Nähe der alten Jagdhütte aufgefunden worden war. Mom fand Lauren makaber, wenn sie sich auch nur in die Nähe des Platzes wagte, an dem ihr Vater ermordet worden war.

Doch Lauren interessierte die Meinung ihrer Mutter genauso viel, wie Laurens Mutter sich für ihre Meinung interessierte – nicht im Geringsten. Mom hatte Dad nie so geliebt, wie Lauren es getan hatte. Mom verstand nicht, was es für Lauren bedeutete, sich da aufzuhalten, wo er zuletzt am Leben gewesen war.

Miranda und Lauren trafen sich schon, seit sie ganz klein waren, unter dem Geisterbaum – so lange schon, dass sie nicht mehr wussten, wer als Erste auf die Idee gekommen war. Eine rief die andere an und sagte: »Wir treffen uns am alten Geisterbaum«, und dann fuhren sie beide los.

In den geheimen Schatten der Wälder erlebten sie Abenteuer: Sie errichteten Buden, planschten durch Bäche und kletterten auf Bäume und bauten Schaukeln aus Seilen. In der Nähe der alten Jagdhütte, versteckt im Wald, hatten sie ihr geheimes Basislager. Das war, lange bevor Laurens Vater dort aufgefunden worden war, und jetzt war es schon eine ganze Weile her, dass sie überhaupt dort gespielt hatten.

Im Laufe des letzten Jahres hatte sich viel verändert. Auf einmal wollte Miranda sich nicht mehr schmutzig machen, weshalb sie auch nicht mehr am Seil über den kleinen Bach schwingen wollte, der durch den Wald floss, oder im Laub herumrollen. Sie wollte vor allem Sachen machen, die Lauren eher nicht interessierten, wie sich die Nägel lackieren oder sich gegenseitig die Haare flechten oder über Jungs reden, die Miranda niedlich fand – ältere Jungs, immer, Jungs, die sich nicht im Geringsten für kleine Neuntklässlerinnen interessierten.

Dennoch trafen sie sich immer noch am liebsten am Geisterbaum. Das war der Ort, der nur ihnen gehörte.

Lauren sauste am Imperial Drive-In vorbei, dem Autokino am Stadtrand. Zwei Filme standen auf dem Programm – Die Goonies und Cocoon. Der weitläufige Platz war mit Müll vom gestrigen Abend übersät – leere Popcornbehälter, Bonbonpapierchen, Zigarettenstummel. Manchmal verdiente sich Lauren zehn Dollar und Freikarten für den Abend, indem sie Mr. Harper, dem Besitzer, dabei half, den Platz zu säubern. Aber sie hatte Die Goonies schon zweimal gesehen, und Miranda meinte, Cocoon sei ein Film über alte Leute, sodass sie nie für den zweiten Film des Abends geblieben waren.

Die Rückseite der Leinwand grenzte direkt an den Wald, der Smiths Hollow umgab. Lauren hatte diesen Namen immer gemocht, weil er sie an Sleepy Hollow erinnerte.

Jedes Jahr zu Halloween hatte sie mit ihrem Vater Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte angesehen. Auch wenn Ichabods Name im Titel stand, kam Die Legende von Sleepy Hollow erst als Zweites in dem Film, aber Lauren gefiel sie am besten. Sie liebte es, gespannt auf den Moment zu warten, wenn der kopflose Reiter erschien und mit irrem Lachen das riesige Schwert schwang.

Als sie noch klein war, hatte sie sich bei dieser Stelle immer mit pochendem Herzen eng in den Arm ihres Vaters gekuschelt, auch wenn sie wusste, dass sie sich nicht wirklich fürchten musste, weil ihr Daddy ja bei ihr war. Natürlich war es Jahre her, dass die Szene ihr Angst eingejagt hatte, aber sie kuschelte sich trotzdem jedes Jahr wieder eng an ihn. Er roch immer ein bisschen nach Schmiere und Öl, selbst wenn er frisch geduscht war, und auch nach der Old-Spice-Seife an der Kordel, die sie ihm jedes Jahr zum Vatertag schenkte.

Lauren überlegte, ob sie dieses Jahr zu Halloween den Zeichentrickfilm überhaupt sehen und ob sie ihn ihrem Bruder David zeigen sollte. Letztes Jahr war er noch zu klein dafür gewesen.

Letztes Jahr hatte Miranda verlangt, dass Lauren bei ihr übernachtete, damit sie »echt gruselige« Filme auf dem Videorekorder gucken konnten. Laurens Familie besaß keinen Videorekorder, und das war für Miranda ein unbestreitbarer Nachteil, weshalb sie keinesfalls bei Lauren übernachten konnten.

Jedes Jahr zogen sie zusammen los, um Süßigkeiten zu sammeln, doch nachdem ihre Tüten prall gefüllt waren, gingen sie ihrer eigenen Wege. Letztes Jahr hatte Miranda eigentlich schon gar nicht mehr mitgehen wollen, aber Lauren hatte sie doch noch überredet, und Miranda hatte auf den letzten Drücker aus alten Klamotten noch ein Kostüm zusammengeschmissen und war als Landstreicher gegangen. Die ganze Zeit hatte sie darüber gejammert, wie lahm und kindisch es war, Süßigkeiten zu sammeln, und war dann sauer geworden, als Lauren hinterher nach Hause musste.

»Ich dachte, wir gucken zusammen Halloween«, sagte Miranda. »Das ist der perfekte Abend dafür.«

Lauren schüttelte den Kopf. »Das können wir doch auch noch wann anders machen. Mein Dad wartet auf mich.«

»Wann anders ist es nicht dasselbe«, beharrte Miranda. »Ich fass es nicht, dass du mich durch die halbe Stadt geschleift hast, um bescheuerte kleine Schokoriegel einzusammeln, und jetzt gucken wir nicht mal einen Gruselfilm zusammen.«

»Ich nehm dir deine Süßigkeiten gern ab, falls du sie nicht mehr willst«, antwortete Lauren und hielt ihre Tüte auf.

»Von wegen. Ich bin dafür durch die halbe Stadt gelatscht, ich ess die jetzt auch«, schnaubte Miranda.

Sie war schmollend nach Hause gegangen, aber beim nächsten Mal, als Lauren bei ihr übernachtete, hatten sie sich Halloween angesehen. Oder besser gesagt, Miranda hatte sich den Film angesehen und war jedes Mal in hysterisches Lachen ausgebrochen, wenn jemand von dem Mörder niedergemetzelt wurde, während Lauren sich die Hände vor den Augen hielt, durch die Finger lugte und inständig hoffte, dass sie keine Albträume davon bekam. Sie mochte keine Horrorfilme. Miranda schien daran gewöhnt zu sein.

Wie dem auch sei, Lauren war froh, an jenem Abend nach Hause gegangen zu sein, denn es war das letzte Mal gewesen, dass sie Ichabod und Taddäus Kröte zusammen mit ihrem Dad gesehen hatte. Keinen Monat später war er tot gewesen.

Er war tot, und niemand wollte darüber sprechen. Niemand sprach darüber, warum es geschehen war oder wie. Der Polizeichef hatte Laurens Mutter gesagt, dass es irgendein Herumtreiber gewesen sein musste, ein Perverser, der von Stadt zu Stadt zog. Doch das ergab für Lauren überhaupt keinen Sinn. Warum sollte irgendein Perverser nach Smiths Hollow kommen, um ihren Dad zu töten?

Und es hatte ihr auch niemand sagen können, was ihr Dad so spät in der Nacht noch da draußen gewollt hatte. Jedes Mal, wenn Lauren danach fragte, presste ihre Mutter die Lippen zu einem Strich zusammen und sagte: »Darüber diskutieren wir nicht, Lauren.«

Lauren erreichte das Gebüsch am Waldrand und zog die Bremsen an ihrem Fahrrad. Es war ein zehngängiges Damenrennrad, das sie zum letzten Geburtstag bekommen hatte, auch wenn sie noch etwas zu klein dafür war und wahrscheinlich nie besonders groß werden würde. Miranda sagte, Mädchen hörten, ein Jahr nachdem sie ihre Periode bekamen, auf zu wachsen, und Lauren hatte ihre noch nicht, also bestand noch Hoffnung, dass sie nicht bei 1,58 stehen bleiben würde.

Miranda hatte ihre Regel schon vor fast einem Jahr bekommen, aber ihre beiden Eltern waren auch groß, sodass sie Lauren schon immer um fünfzehn Zentimeter überragte. Außerdem hatte sie lange, lange Beine und konnte tragen, was sie wollte, an ihr sah einfach alles gut aus. Lauren musste immer einen kleinen Eifersuchtsanfall unterdrücken, wenn sie Miranda so cool und schön und erwachsen sah.

Lauren sprang vom Rad und schob es in den Wald den kleinen Trampelpfad entlang, den ihre Füße dort gebahnt hatten. Das Fahrrad holperte über die Baumwurzeln und spritzte kleine Steinchen gegen ihre Schienbeine.

Manche Leute gingen nicht gern in die Wälder rund um Smiths Hollow. Gut, wenn Lauren ehrlich war, ging eigentlich niemand gern hier in den Wald. Mehr als einmal hatte sie gehört, wie der Wald als »gruselig« und »unheimlich« und »schaurig« bezeichnet wurde, aber Lauren fand das...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2023
Übersetzer Sigrun Zühlke
Sprache deutsch
Original-Titel Ghost Tree
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • bücher über hexen • Die Chroniken der Meerjungfrau • Die Chroniken von Alice • Die Chroniken von Peter Pan • Die Chroniken von Rotkäppchen • Die Dunklen Chroniken • Die Legende Von Sleepy Hollow • eBooks • Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Neuerscheinung 2023 • Fluch • Ganz gewöhnliche Monster • Hexen • Horror • horror bestseller • Horror Neuerscheinung 2023 • J. M. Miro • Neuerscheinung • Stranger Things • The Ghost Tree
ISBN-10 3-641-29099-6 / 3641290996
ISBN-13 978-3-641-29099-3 / 9783641290993
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