Tinte und Knochen - Die Magische Bibliothek (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
512 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-27796-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tinte und Knochen - Die Magische Bibliothek -  Rachel Caine
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Die Bibliothek von Alexandria ist die mächtigste Organisation der Welt. In jeder Stadt gibt es eine Zweigstelle, und die Bibliothekare sind einflussreiche Männer und Frauen, die über das Wissen der Menschheit herrschen. Der private Besitz von Büchern ist strengstens verboten. Jess Brightwell liebt Bücher, auch wenn er nur illegal mit ihnen zu tun hat. Er stammt aus einer Schmugglerfamilie, die Bücher auf dem Schwarzmarkt verkauft. Jess' Leben ändert sich von Grund auf, als sein Vater ihn als Spion in den Orden der Bibliothekare eingeschleust. Jess reist nach Alexandria, um in der Großen Bibliothek seine Ausbildung zu machen. Dort kommt er einer gewaltigen Verschwörung auf die Spur - und stellt fest, dass den Großmeistern der Bibliothek ein einzelnes Buch mehr wert ist als ein Menschenleben ...

Rachel Caine, »New York Times«- und internationale Bestsellerautorin, hat bereits als Buchhalterin, professionelle Musikerin und Schadensermittlerin gearbeitet, und war Geschäftsführerin in einem großen Unternehmen, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete und mit zahlreichen Fantasy- und Mysteryserien große Erfolge feierte. Sie lebte mit ihrem Mann, dem Künstler R. Cat Conrad, in Texas. Rachel Caine verstarb 2020.

Prolog


Sechs Jahre zuvor

Halt still und hör auf, dich zu wehren«, sagte sein Vater und verpasste ihm eine so schallende Ohrfeige, dass ein roter Handabdruck zurückblieb. Jess erstarrte. Er hatte nicht herumzappeln wollen, aber der Beutel, der auf seiner nackten Brust festgeschnallt war, fühlte sich heiß und gefährlich an, wie ein Tier, das sich jederzeit gegen ihn wenden und zubeißen könnte.

Er spähte zu seinem Vater empor, während dieser den Gurt festzog. Sobald er so fest saß, dass das Leder dem Jungen fast den Atem raubte, schleuderte der Mann seinem Sohn ein schmutziges, altes Hemd zu.

Jess hatte das hier schon oft genug über sich ergehen lassen, und obwohl es ihm immer noch Angst einflößte, war es ihm nicht mehr fremd. Doch diesmal fühlte sich der Botengang anders an. Den Grund kannte Jess nicht, er spürte nur, dass sein Vater angespannter als üblich schien.

Und so fragte er zögerlich: »Dad … gibt es da was, das ich wissen sollte?«

»Es spielt nicht die geringste Rolle, was du weißt. Sollte die Garda das Buch in die Finger bekommen, wirst du hängen … wenn du Glück hast. Wenn ich dich nicht zuerst erwische. Du kennst die Strecke. Lauf geradewegs und schnell wie der Blitz, und ich rate dir, lieber zu sterben, als das Buch jemandem zu überlassen, der nicht dafür bezahlt hat.«

Callum Brightwell beäugte kritisch die dünne Gestalt seines Sohns, dann riss er eine Weste aus einer Schublade und zog sie dem Jungen unsanft über das Hemd. Sie besaß nur einen einzigen Knopf. Umständlich machte Jess ihn zu. Die Weste war ihm viel zu groß, was Sinn und Zweck war: ein besseres Versteck für den Holster.

Brightwell nickte zufrieden und trat einen Schritt zurück. Er war ein eher kleiner Mann von gedrungener Statur aufgrund von Mangelernährung in seiner Jugend, doch heutzutage war er teuer gekleidet in einer leuchtend gelben Seidenweste und einer Hose aus feinem Zwirn. »Das sieht gut aus«, sagte er zu Jess. »Vergiss nicht, bei den Flitzern zu bleiben. Trenn dich nur von ihnen, wenn die Garda euch eine Falle stellt. Und selbst dann hältst du dich an die besprochene Route.«

Jess nickte nachdrücklich mit dem Kopf. Er kannte die Route. Er kannte alle Routen, sämtliche Wege, die seine Familie im gesamten Londoner Stadtgebiet gegen Konkurrenten verteidigte. Seine Ausbildung hatte begonnen, sobald er alt genug war, um zu gehen, seine Hand in der seines Vaters, und dann später mit seinem älteren Bruder Liam, dem er auf Schritt und Tritt nachgetrottet war.

Liam war jetzt tot. Mit siebzehn von der Londoner Garda wegen Bücherschmuggel festgenommen. Seine Familie war nicht für ihn in die Bresche gesprungen, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Er hatte das Familiengeheimnis bewahrt und bis zum bitteren Ende geschwiegen.

Und zur Belohnung für seine Loyalität hatte die Stadt London ihn in eine namenlose Grube geworfen, zusammen mit anderen Kriminellen, deren Identität nicht festgestellt werden konnte. Liam war siebzehn gewesen, und Jess war jetzt zehn und hatte keine Ahnung, wie er dieser Legende jemals gerecht werden sollte.

»Dad …« Mit seinem Einwand riskierte er eine weitere Ohrfeige oder noch Schlimmeres, aber er holte tief Atem und sagte: »Heute ist ein schlechter Tag fürs Schmuggeln, das hast du selbst gesagt. Die Garda ist mit einem Großaufgebot dort draußen im Einsatz. Warum kann es nicht warten?«

Callum Brightwell blickte über den Kopf seines Sohns zur massiven Wand des Lagerhauses. Dies hier war eines von vielen Verstecken, in denen er seine kostbaren Raritäten aufbewahrte, und natürlich auch die seltensten Schätze von allem: Bücher. Echte, originale Bücher, Regale und Kisten voll. Callum Brightwell war ein wohlhabender, kluger Mann, doch in diesem Moment, als das Licht durch ein hohes Stabkreuzfenster harsch auf ihn fiel, wirkte er doppelt so alt wie sonst.

»Bring es einfach hinter dich. Ich erwarte dich in zwei Stunden zurück. Verspäte dich nicht, oder ich hole den Stock.« Unvermittelt zog sein Vater ein finsteres Gesicht. »Solltest du deinen nichtsnutzigen Bruder sehen, richte ihm aus, dass ich auf ihn warte und es ihm höllisch leidtun wird. Er ist heute als Flitzer dran.«

Obwohl Jess und Brendan als eineiige Zwillinge geboren worden waren, hätten sie von ihrem Wesen her nicht unterschiedlicher sein können. Jess war mutig, Brendan eher schüchtern. Jess war unabhängig und ruhig, Brendan neigte zu Gewaltausbrüchen.

Jess war ein Sprinter. Brendan … ein Ränkeschmieder.

Jess wusste genau, wo Brendan in diesem Moment steckte. Er konnte ihn in seinem Versteck sehen, auf dem schmalen Steg hoch oben im Gebälk, die Hände um eine alte Leiter geschlungen, die zum Dach führte. Brendan hatte sie still beobachtet, wie er es häufig tat. Er liebte die Höhe, weit weg von dort, wo ihn ihr Dad in die Finger bekommen konnte, und er vermied es so gut es ging, sich als Sprinter in Gefahr zu bringen.

»Wenn ich ihn sehe, richte ich es ihm aus«, sagte Jess und starrte seinem Bruder direkt ins Gesicht. Komm runter, du kleiner Mistkerl. Brendan antwortete ihm, indem er lautlos die Leiter noch weiter in die Dunkelheit hinaufkletterte. Er hatte herausgefunden, was er wissen wollte, nämlich dass Jess heute die kostbare Beute ausliefern sollte. Und wie er Brendan kannte, hatte dieser längst entschieden, dass seine Haut mehr wert war, als einfach nur als Lockvogel für seinen Bruder zu dienen.

»Nun?«, sagte sein Vater mit scharfer Stimme. »Worauf wartest du noch, auf einen Kuss von deiner Mutter? Raus mit dir!«

Er schubste Jess in Richtung der massiven, mit Eisenbeschlägen verstärkten Tür des Lagerhauses, die von drei schweigsamen Männern geöffnet wurde. Jess kannte sie nicht und versuchte nicht einmal, sich ihre Namen zu merken, da sie in diesem Metier nur selten alt wurden. Er zögerte und holte hastig tief Atem, um sich innerlich vorzubereiten. In der Ferne erspähte er die Meute an Flitzern, die ihre Plätze in dem Gässchen auf der anderen Straßenseite eingenommen hatten. Kinder in seinem Alter und jünger, alle bereit, ihre festgelegten Routen abzulaufen.

Sie warteten nur auf ihn.

Jess stieß ein wildes Kriegsgeschrei aus und sprintete los. Die anderen Flitzer stimmten in sein Johlen ein, dünne Arme schwangen vor und zurück, Knie wurden in die Höhe gerissen, während die Kinder zwischen erschrockenen Fußgängern in Alltagskleidung hindurchhuschten. Einige von ihnen schossen auf die Straße, was ein gefährliches Unterfangen war. Sie schlängelten sich zwischen Dampfwagen hindurch und ignorierten die wütenden Rufe der Fahrer. Die Flitzer formierten sich an der nächsten Ecke zu einem Mob aus gut zwölf Kindern, und Jess mischte sich für den ersten Teil des Weges unter sie. In der Gruppe war er sicherer, während die Gegend immer sauberer und die Kleidung der Passanten immer eleganter wurde. Es ging vier lange Blocks aus Wohnhäusern und Geschäften entlang, dann in eine Rechtskurve an einem Pub vorbei, das bereits zu so früher Morgenstunde gut besucht war. Es lief wie geschmiert, bis ein finster aussehender Mann aus einem Gemüseladen trat und ein Mädchen aus ihrer Gruppe an den langen Haaren packte. Sie war ein zu leichtes Opfer gewesen – die meisten Mädchen banden sich das Haar zu einem Knoten zusammen oder rasierten es raspelkurz.

Jess musste den Drang niederkämpfen, langsamer zu werden und ihr zu Hilfe zu eilen.

Das Mädchen wehrte sich kreischend, aber der Hüne rang sie auf den Bürgersteig nieder und riss ihr den Arm hinter den Rücken. »Garda! Garda! Flitzer-Alarm!«

Jetzt waren sie aufgeflogen. Es gab immer einen wichtigtuerischen Gutmenschen, der sich einmischen musste, wie Jess’ Vater stets zu sagen pflegte. Das war der Grund, weshalb er die Flitzer im Rudel schickte, die meisten mit wertlosem Plunder in ihrem Gurtzeug. Die Garda landete nur selten einen Treffer, aber wenn sie doch einmal Glück hatte, bezahlte sie jeden Informanten fürstlich, der sie auf die Spur von Schmugglern führte.

Passanten drehten sich um, in ihren Augen die Hoffnung auf einen Batzen Geld, und Jess senkte den Kopf und rannte stur weiter.

Die Flitzer schlugen Haken, trennten sich und sammelten sich dann wieder wie ein Schwarm Vögel. Einige hatten Messer dabei und benutzten sie auch, wenn sie geschnappt wurden. Es war riskant, sehr riskant sogar, denn wenn ein Kind mit einem blutigen Messer geschnappt wurde, war ihm der Galgen sicher, egal, ob es seinem Angreifer eine Fleischwunde oder eine tödliche Verletzung beigebracht hatte. Der Junge an Jess’ linker Seite – zu groß, um als Sprinter zu fungieren, auch wenn er wohl jünger als er selbst war – steuerte direkt in eine Wand aus entgegenkommenden Betrunkenen zu. Er hatte ein Messer gezückt und holte aus; Jess sah einen hellen Blutstrahl, der im Halbkreis durch die Luft spritzte, und wagte dann keinen weiteren Blick zurück.

Das durfte er nicht. Er musste sich auf seine Flucht konzentrieren.

Die Route verzweigte sich an der nächsten Straßenecke. Jetzt würden sie sich alle aufteilen und getrennte Wege einschlagen, um die Garda zu zerstreuen … zumindest laut Plan.

Doch als Jess die Straßenecke erreichte, hatte sich ein Pulk Garda auf seiner Route aufgebaut. Sie bemerkten ihn und stießen laute, wütende Schreie aus.

Im nächsten Moment traf Jess eine Entscheidung, von der er wusste, dass sein Dad ihn deswegen grün und blau prügeln würde: Er verließ die Route.

Als er nach rechts ausscherte, wäre er fast in zwei andere Flitzer hineingelaufen. Sie warfen ihm beide überraschte Blicke...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2023
Reihe/Serie Die Magische Bibliothek-Reihe
Übersetzer Beate Brammertz
Sprache deutsch
Original-Titel The Great Library – Ink and Bone
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • Abenteuer-Fantasy • Bibliothekare • Bibliothek von Alexandria • Booktok • Cornelia Funke • Crossover • dark academia • eBooks • Fantasy • geheimer Orden • Magie • Neuerscheinung • Roman über Bücher • TikTok • Tintenherz • Urban Fantasy • Verschwörung • Young Adult
ISBN-10 3-641-27796-5 / 3641277965
ISBN-13 978-3-641-27796-3 / 9783641277963
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