Die Modemacherin von Paris – Mit ihren Kleidern verzauberte Elsa Schiaparelli die Menschen. Für ihr Glück und ihr Kind musste sie kämpfen. ​ (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
400 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-30156-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Modemacherin von Paris – Mit ihren Kleidern verzauberte Elsa Schiaparelli die Menschen. Für ihr Glück und ihr Kind musste sie kämpfen. ​ - Mina König
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1922: Als Elsa Schiaparelli mit ihrer schwerkranken Tochter nach Paris kommt, scheint ihr großer Traum endlich in greifbarer Nähe. Schon immer will sie die Welt mit ihren farbenfrohen Modeentwürfen erobern. Mit Kleidern, die mutiger und expressiver sind als je zuvor. Inspiriert von ihren Freunden, Künstlern wie Man Ray, Jean Cocteau und Pablo Picasso entwirft Elsa Kreationen, die zu wahren Kunstwerken der Moderne werden und stellt die Grande Dame Coco Chanel damit in den Schatten. Doch Elsa kämpft auch an einer anderen Front: Wird ihre Tochter je wieder gehen können? Auf einer rauschenden Party trifft sie auf den Künstler Théo, mit dem sie bald nicht nur die Leidenschaft zur Mode teilt ... Hat sie in ihrem Leben noch Platz für die Liebe?

Mina König ist das Pseudonym der österreichischen Autorin und Journalistin Emily Walton, die sich intensiv mit den Biografien bedeutender Frauen in der Geschichte beschäftigt. Als sie bei Recherchen auf Fotoaufnahmen von Meret Oppenheim aus den Dreißigerjahren und persönliche Briefe aus dem Nachlass der Künstlerin stieß, ließ sie das faszinierende Leben dieser außergewöhnlichen Frau nicht mehr los, und die Idee zu ihrem Roman war geboren. Mit ihrer Familie lebt sie im Süden von Wien.

1


1922, New York – Paris


Schals und Handtücher wedelten wild durch die Luft, als der Transatlantikdampfer sich an diesem Junimorgen langsam, aber zielsicher vom New Yorker Pier fortschob. Elsa musste sich ducken, um nicht vom Hut ihres Nachbarn getroffen zu werden.

»Passen Sie doch auf! Wir sind hier nicht beim Rodeo«, zischte sie, und der Mann neben ihr starrte sie böse an. Sie musste sich beherrschen, ihn nicht zu beschimpfen, aber sie wollte ihrer Tochter Gogo kein schlechtes Vorbild sein.

In dem runden Bullaugenfenster hinter ihr prüfte Elsa ihre Frisur. Das schwarze Haar war zu einem Vogelnest auf ihrem Kopf frisiert und saß noch fest. Ihre dunklen Augen leuchteten aus der Scheibe heraus, und ihre kerzengrade, typisch römische Nase stach ein wenig hervor. Auch den schneeweißen, übergroßen Kragen konnte Elsa in der Spiegelung noch ausmachen, das rote Kleid darunter allerdings nicht mehr. Das Fenster war zu hoch, um einer zierlichen Person wie ihr als anständiger Spiegel zu dienen.

Neben ihr saß Gogo in ihrem sperrigen Rollstuhl und steckte die alte, zerkuschelte Plüschgiraffe Torquet zwischen die Stäbe der Reling, damit auch sie den Trubel mitansehen konnte. Es wärmte Elsa das Herz zu sehen, wie sehr ihre Tochter ihr altes Stofftier liebte.

»Bye-bye Nu Yak, bye-bye Nu Yak«, brabbelte die Kleine.

Elsa streichelte den Nacken der Zweieinhalbjährigen mit sanften, gleichmäßigen Zügen. Ihr Herzschlag verlangsamte sich noch in der Sekunde, in der sie die samtweiche Haut ihrer Tochter berührte.

Sie waren endlich – endlich! – an Bord. Fünf Tage noch, dann würden sie Paris erreichen und alles, was hier in New York geschehen war, hinter sich lassen.

Elsas Finger glitten über Gogos Wollschal, den sie für ihre Tochter mit kleinen roten Drachen bestickt hatte. Selbst unter diesem dicken Umhang spürte sie die hervorstehenden Knochen des dünnen Kindes.

»Armes Ding«, hörte sie plötzlich eine Stimme neben sich. Eine Passagierin mittleren Alters mit übergroßem Dutt und roten Wangen hatte sich ihnen zugewandt und blickte auf Gogos leblos herabhängendes Bein hinunter.

»Kinderlähmung, wenn ich fragen darf?«, flüsterte die Fremde mit unüberhörbarem deutschen Akzent.

Elsa nickte. Sofort sprach Mitleid aus den Augen der Deutschen, und Elsas Hände ballten sich zu Fäusten. Wohin sie auch ging, immer wieder begegnete man ihr und Gogo mit diesen treuherzigen, traurigen Blicken. Am liebsten wollte sie brüllen: Das arme Kind hat schon genug mitgemacht! Hören Sie auf, uns anzustarren wie Ausstellungsstücke in einem Museum!

Stattdessen aber hatte sie es sich angewöhnt, ihrem Gegenüber kurz und knapp zu erklären, warum ihre Tochter im Rollstuhl saß – und das mit einer Zuversicht in der Stimme, die keine Zweifel daran ließ, dass sie fest daran glaubte, ihre Tochter eines Tages wieder laufen zu sehen.

»In Paris werden wir sie wieder auf die Beine bekommen«, sagte Elsa entschlossen zu der Fremden.

Die Dame nickte und kramte aus ihrer Tasche eine Packung Weingummi hervor. Sie reichte Gogo ein paar Stücke, und das Gesicht des Mädchens erhellte sich sofort.

»Meinen Neffen hatte es auch erwischt«, erzählte die Frau Elsa mit gedämpfter Stimme. »Wir waren in Angst und Bange. Aber zum Glück hat er keine bleibenden Schäden davongetragen. Nur ein leicht hängendes Lid. Mehr nicht.« Sie legte die Hände gebetartig zusammen und blickte dann ein wenig beschämt zu Boden. »Ich habe als Krankenschwester in Brooklyn auf der Kinderstation gearbeitet und kenne die Bandbreite der Folgen.« Sie machte eine kurze Pause. »Es tut mir entsetzlich leid für Sie und Ihr Mädchen, Madame.«

»Kein Kind ist in den heißen Sommermonaten vor diesem Virus gefeit. Es kann alle treffen«, erwiderte Elsa sachlich. Das war eine Tatsache, die sie sich in den vergangenen Monaten geradezu mantraartig aufgesagt hatte. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Heute schossen ihr die Tränen in die Augen.

»Na, na, Liebes«, sagte die Dame.

Und da war es schon, das Tätscheln der Hand. Doch diesmal kam es Elsa aufrichtig vor.

Ehe sie jedoch antworten konnte, begann ein Mann neben ihr lautstark, seine Freude über die Abreise kundzutun. »I really am on my way to Paris!«, rief er aus voller Kehle. »I just can’t believe it!«

Elsa sprang erschrocken einen Schritt zurück und trat der deutschen Dame auf den Fuß.

»Wir haben wohl alle ein dünnes Nervenkostüm, wenn wir eine Reise über den Atlantik antreten, was?«, fragte die Dame ruhig. Aber Elsa konnte nicht antworten. Diese Stimme des Mannes! Für einen Moment hätte sie schwören können, dass es ihr Ex-Mann Wilhelm war. Es war der gleiche Tenor, derselbe arrogante, selbstverliebte Ton. Elsa krallte sich an der Reling fest. Ihre Fingerknöchel stachen weiß hervor.

Panisch sah sie sich um. Wo war Gogo? Gerade war sie doch noch neben ihr gewesen.

»Gogo!«, kreischte sie.

Doch dann atmete sie erleichtert auf, als sie ihre beste Freundin, Gabi Picaba, und Gogo etwa fünf Meter von ihr entfernt entdeckte. Gabi hatte die Kleine abgelenkt, während Elsa mit der Fremden gesprochen hatte. Gerade zeigte sie Gogo, wo die Rettungswesten verstaut waren.

»Ich muss zu meiner Tochter«, entschuldigte Elsa sich kurzatmig bei der verwunderten Deutschen und stürzte zu ihrem Kind.

»Bitte macht das nie wieder!«, rief sie und klammerte sich an den Griffen des Rollstuhls fest.

»Elsa, wir waren doch nur zehn Schritte entfernt«, verteidigte Gabi sich.

»Zehn Schritte zu viel«, presste Elsa hervor. Sie zitterte am ganzen Körper.

»Was ist denn los, Liebes? Du bist doch sonst nicht so aus der Fassung, wenn man dich nach Gogos Erkrankung fragt.«

»Der Mann dort.« Elsa nickte über ihre Schulter. »Für einen Moment dachte ich, er sei Wilhelm.«

Sofort nahm Gabi Elsa in ihre Arme. »Sch … Ruhig Blut, chérie«, flüsterte sie. Elsa spürte die warme Hand ihrer Freundin auf ihrem Rücken.

»Wilhelm ist nicht hier«, erklärte Gabi bestimmt. »Er kann euch nichts mehr anhaben. Du musst dich nicht fürchten.«

Selten war Elsa so dankbar für die Zuversicht gewesen, die die dunklen haselnussbraunen Augen ihrer Freundin ausstrahlten.

»Und wenn doch?« Nervös schielte sie an Gabi vorbei. Ihr Atem war flach. Lauerte dort jemand hinter der Tür, die in den Speisesaal führte? Und der Matrose dort mit dem Bart und der Kappe so tief in die Stirn gezogen – gehörte er tatsächlich zur Belegschaft?

»Wilhelm ist in Mittelamerika, Elsa. Das haben wir doch vor ein paar Tagen in der Zeitung gelesen«, besänftigte Gabi sie. »Jetzt kann er dort die Menschen täuschen und belügen.«

Elsa dachte an die Kurzmeldung in der New York Post, die Gabi ihr vor wenigen Tagen am Frühstückstisch in ihrem Zimmer in Greenwich Village vorgelesen hatte: »›Wilhelm de Wendt de Kerlor, der sich hierzulande einen Namen als spiritueller Berater gemacht hat, ist in Kuba, um ein Büro für experimentelle Psychologie zu eröffnen.‹« Noch heute stellte es ihr die Haare im Nacken auf, wenn sie nur daran dachte.

»Berater ist also seine neue Berufsbezeichnung«, zischte sie ihrer Freundin zu, den Blick auf die New Yorker Skyline gerichtet. »Als Hellseher und Wahrsager ist er wohl wieder einmal nicht weitergekommen. Wenn Wilhelm eine Sache kann, dann, sich selbst inszenieren. Das ist ihm damals schon in London geglückt, als ich auf ihn hereingefallen bin.«

Es kam ihr vor wie gestern, als sie als Studentin in der ersten Reihe des Londoner Auditoriums gesessen hatte. Die Familie, bei der sie damals als Kindermädchen arbeitete, hatte ihr den Nachmittag freigegeben, damit sie zum Vortrag des gefeierten Mediums – The Wonderful Mr. De Wendt de Kerlor – gehen konnte. Onkel Giovanni hatte in ihr den Samen für alles Mystische und Übersinnliche gepflanzt, und schon die ersten Worte von Wilhelm de Wendt de Kerlor vorne am Pult über die Macht der Seele und das Leben im Jenseits hatten Elsa in ihren Bann gezogen. Sie war sofort von diesem gut aussehenden Mann geblendet und kurz darauf Hals über Kopf verliebt gewesen – bereit, diesem verführerischen Fremden durch die ganze Welt zu folgen, was sie immerhin bis nach New York getan hatte.

»Wir waren alle mal jung und haben Fehler gemacht«, sagte Gabi, während der Transatlantikdampfer sich seinen Weg ins offene Meer hinaus bahnte.

Gabi nahm einen genüsslichen Zug von ihrer Zigarette und streckte ihr Gesicht der milchigen Sonne entgegen. Elsa bemerkte die kleinen Fältchen um die Augen ihrer Freundin, die einundvierzig und damit um neun Jahre älter war als sie selbst. Diese Linien zeugten von Glück und Sorgen zugleich. New York hatte für Gabi nur ein kurzes Intermezzo sein sollen, eine kreative Horizonterweiterung für ihren Mann Francis Picabia, den aufstrebenden Avantgarde-Maler. Mit Appartements auf beiden Seiten des Atlantiks hatte das Paar zwischen der Pariser Bohème und dem New Yorker Highlife hin und her pendeln wollen. Doch dann hatte eine junge Französin einen Strich durch diese Pläne gemacht: Francis war mit seiner Germaine nach Südfrankreich abgehauen, während Gabi nun in Etappen die Überreste ihrer New Yorker Tage zurück nach Paris übersiedelte. Ihre Kinder waren bereits dort im Internat; auch der Nachzügler Vincente, ein frecher Dreijähriger, war längst mit dem Kindermädchen in die alte Heimat zurückgekehrt....

Erscheint lt. Verlag 14.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2023 • Avantgarde • Berühmte Frauen • eBooks • Elsa Schiaparelli • Frankreich • Künstlerin • Madame Coco • Mademoiselle Oppenheim • Modedesignerin • Modemacherin • Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe • Neuerscheinung • Pablo Picasso • Paris • Surrealismus
ISBN-10 3-641-30156-4 / 3641301564
ISBN-13 978-3-641-30156-9 / 9783641301569
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