Der Auftrag des Papstes (eBook)

Historischer Roman
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2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29240-9 (ISBN)

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Der Auftrag des Papstes -  Luigi Panella
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1274: Nach abenteuerlichen Jahren hat der päpstliche Inquisitor Yves Le Breton sein Amt aufgegeben und sich in ein bretonisches Kloster zurückgezogen. Zu seiner Überraschung erhält er eines Tages Besuch vom Papst, der ihn mit einer heiklen Aufgabe betraut: Yves soll den Tod des Theologen Thomas von Aquin untersuchen, der auf dem Weg zum Konzil von Lyon starb. In Begleitung einer ritterlichen Eskorte begibt Yves sich auf eine höchst gefährliche Reise durch das mittelalterliche Europa und kommt einer ungeheuerlichen Verschwörung auf die Spur ...

Luigi Panella ist hauptberuflich Rechtsanwalt für Strafrecht und praktiziert in Rom. Die Trilogie um Yves le Breton, dem Inquisitor Ludwigs IX., ist sein erfolgreiches Debüt im Bereich des historischen Romans.

Kapitel 1
»Sobald sie mich nur hören, gehorchen sie.«


Dominikanerkloster von Morlaix,
20. April 1274, zur Terz


Der Frühling erreichte diesen entfernten Zipfel der Bretagne stets spät. Seit drei Tagen regnete es ununterbrochen, und der alte Mönch hatte auf die langen Spaziergänge am Strand von Carantec verzichten müssen, wo er sonst, nur wenige Meilen von Morlaix entfernt, anhielt, um auf einem kleinen Friedhof am Ufer des Ozeans zu beten. Langsam durchschritt er nun den Kreuzgang des Klosters, die Kapuze auf dem Kopf schützte ihn vor dem Regen. Hin und wieder blieb er stehen, betrachtete die Tropfen, die stetig auf die Pflanzen rund um den Brunnen fielen, und sog den Geruch nach feuchter Erde in tiefen Zügen ein. Die Sonne hatte er nie gemocht. Sein Lieblingshimmel war grau mit tief hängenden Wolken.

Das Geräusch von Sandalen, die sich rasch näherten, überlagerte das Plätschern der Regentropfen auf den Blättern. Der alte Mann drehte sich nicht um. Es konnte niemand anders sein als Bernard Gui, der einzige junge Mann im Kloster. Einmal hatte er ihn ermahnt, dass Eile sich für einen Dominikaner nicht schicke, aber allzu streng durfte er mit dem Jungen nicht sein. Schließlich war er in seinem Alter nicht anders gewesen. Lebhaft erinnerte er sich an den Marsch um die hundertdreiundachtzig Pfähle, an denen die Häretiker bei lebendigem Leib verbrannt werden sollten, während sein Meister, Mathieu de Bourbon, im Schatten einer großen Eiche gesessen hatte. Bernard hatte seinen Tadel ignoriert, aber der Lauf der Zeit würde auch seine Schritte verlangsamen, ebenso wie es ihm selbst ergangen war.

Der junge Mann kam auf ihn zu und sagte: »Magister! Drei Reiter sind eingetroffen. Einer stellte sich als Herr von Castres vor und hat nach Euch gefragt.«

Der alte Mann drehte sich um und zog die Kapuze zurück. Seine wenigen weißen Haare waren rund um die Tonsur kurz geschnitten.

»Wo sind sie jetzt?«

»Der Graf wartet im Atrium auf Euch, die anderen kümmern sich um die Pferde.«

»Lass uns gehen.«

Jean de Montfort, Herr von Castres, Graf von Squillace, Herr von La Ferté-Alais und Bréthencourt sowie diversen anderen Ländereien, war gerade mal dreißig Jahre alt. Er war mittelgroß, kräftig und trug immer noch seinen vom Regen durchnässten Umhang. Als er den alten Mönch eintreten sah, ging er lächelnd auf ihn zu: »Magister, welch Freude, Euch wiederzusehen!«

»Pax tecum, Jean. Damit habe ich nicht gerechnet.«

»Und doch bin ich hier. Ihr wisst ja, dass man mich nicht so leicht loswird …«

»Was machst du hier? Bist du nicht auf den Ländereien, die Charles von Anjou deinem Vater im Königreich Sizilien vermacht hat?«

Der junge Mann streifte den Umhang ab und enthüllte ein rotes Kettenhemd mit seinem Wappen, einem aufgerichteten grauen Löwen und vier blauen, miteinander verbundenen Türmen.

»Ich habe die Bischöfe ins Königreich Lyon begleitet, wo am 7. Mai das große Konzil beginnt. Von dort komme ich gerade. Papst Gregor will Euch sofort sehen.« Lächelnd fügte er hinzu: »Er hat mich im Vertrauen darauf geschickt, dass ich Euch überzeugen kann.«

Die grünen Augen des Mönches verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er hatte darauf gehofft, dass man ihn vergessen würde, aber seine Vergangenheit ließ ihn nicht los. Betont gleichgültig antwortete er: »Das muss ein Fehler sein …«

Jean wurde ernst. »Nein, Magister, der Papst meint wirklich Euch, Yves le Breton, Mönch des Dominikanerordens.«

»Warum?«

»Das sollte ich gar nicht wissen, aber ich weiß es. Am Vortag hat die Todesnachricht von Thomas von Aquin Lyon erreicht.«

»Wie bitte? Thomas ist tot?«

»Bedauerlicherweise ja, er starb Anfang März im Kloster Fossanova, als er auf dem Weg nach Lyon war.«

Yves schwieg. Er war mit Thomas in brüderlicher Freundschaft verbunden und hielt ihn für den brillantesten Denker des Ordens, auch wenn nicht all seine Schriften ihn überzeugt hatten. Er schloss die Augen und sah ihn lächelnd vor sich im Kloster Saint-Jacques in Paris, wie er inmitten seiner Schüler auf einer Bank saß, die sich unter seinem Gewicht bog, um mit ihnen über die correctio fraterna und den Timaios von Platon zu debattieren. Thomas hatte Yves mit Ironie und Intelligenz von dem großartigen Projekt abbringen wollen, das er damals verfolgte. Er aber, vom Teufel und der Anmaßung geblendet, hatte seinem Rat keine Beachtung geschenkt und seinen König in einen katastrophalen Kreuzzug geführt. Yves hatte nicht einmal sein Versprechen gehalten, Thomas nach seiner Rückkehr nach Frankreich alles zu erzählen. Ihm war nichts geblieben, außer jeglichen Kontakt zu ihm abzubrechen und der Welt zu entsagen. Leise rezitierte er ein Requiem und fragte dann: »Wie ist er gestorben?«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht solltet Ihr das herausfinden.«

»Meine Zeit ist vorbei, Jean.«

»Ihr seid noch immer der beste Inquisitor, Magister.«

»Nein, der Inquisitor ist in Karthago gestorben, zusammen mit dem König, deinem Vater, und vielen anderen. Kehr zurück zum Papst und berichte ihm das.«

Der Graf sah ihn ernst an, dann sagte er: »Vor neun Jahren, ich war fast noch ein Kind, bin ich Euch als benediktinischer Novize verkleidet in Manfreds Königreich gefolgt. Wir sind zusammen über die Mauer der Abtei Montecassino geklettert, haben in den Wäldern Wölfen getrotzt, der deutschen Kavallerie in Benevent und Umberto di Fondi in den unterirdischen Gängen von Karthago. Mein Vater hat mich Euch vor seinem Tod anvertraut. Wenn der Papst Euch jetzt, nach dem Tod eines Mitbruders und Freundes, nach Lyon ruft, bitte ich Euch, wenigstens persönlich dort zu erscheinen. Dann könnt Ihr ihm erklären, dass Ihr Euch nicht um den Fall kümmern wollt, weil Ihr noch zu sehr mit Eurem Selbstmitleid beschäftigt seid.«

»Ich bin sechzig Jahre alt, Jean. In meinem Leben hat es immer an edlen Taten gefehlt. Warum sollte sich das jetzt ändern?«

»Ich habe Euch einmal sagen hören, dass man den bitteren Kelch mit dem Willen Gottes stets leeren muss. Es ist der Stellvertreter Gottes auf Erden, der Euch ruft, Magister. Vielleicht hat Gott Eure Gebete erhört und gibt Euch eine zweite Chance.«

»Wirst du mich dazu zwingen?«

»Nein, auch wenn es Leute gibt, die das von mir erwarten.«

»Wer?«

»Bonaventura da Bagnoregio, Kardinal und Generalminister der Franziskaner. Er hat mich vom Wunsch des Papstes in Kenntnis gesetzt und mir gedroht, nicht ohne Euch zurückzukehren. Er hat mir auch eine persönliche Botschaft an Euch mitgegeben.«

»Welche?«

»Nur vier Worte: ›Es ist für Thomas.‹ So habe ich den Grund für den Ruf aufgefasst.«

Yves senkte den Kopf. Bonaventura war einer der bedeutendsten lebenden Theologen. Er war nicht nur der größte Gegner Thomas von Aquins in Paris in den Auseinandersetzungen über die Lehre gewesen, sondern auch sein brüderlicher Freund.

»Die Zeit drängt, Magister. Wir müssen noch heute abreisen«, beschwor ihn Jean. »Nehmt nur das Nötigste mit, auch einen Umhang gegen den Regen. Der Kardinal hat vorgeschlagen, Euch von einem der Mönche aus dem Kloster begleiten zu lassen.«

»Sie sind alle alt, außer Bernard, der ist fast noch ein Kind.«

»Bernard ist perfekt. In Montecassino war ich auch nicht älter als er.«

Lyon, Burg Pierre Scize, Sitz des Erzbischofs, 2. Mai 1274, vor der Vesper


Die vier wichtigsten Vertreter der Kirche auf Erden waren versammelt: der Papst, zwei Kardinäle, einer davon Generalminister der Franziskaner, und der Großmeister der Dominikaner.

Yves tat jeder einzelne Knochen weh, und doch gelang es ihm, vor dem Pontifex auf die Knie zu gehen. Die zwölftägige Reise auf dem Rücken des Maultiers war ausgesprochen anstrengend gewesen. Er war noch nie gerne geritten, aber Jean hatte auf sein Klagen geantwortet, dass es von Morlaix nach Lyon gerade einmal sieben Tage gedauert habe, während sie mit ihm viel langsamer vorankämen. Yves hatte ihm erklärt, dass eine Reise, die einem jungen Mann auf einem Pferd langsam vorkomme, dies mitnichten für einen alten Mann auf einem Maultier gelte. Immerhin hatte es Gott gefallen, dass sich das Wetter besserte, als er die feuchte Bretagne hinter sich gelassen hatte. Die zwei Reiter, die ihn begleiteten, schienen Brüder zu sein. Beide hatten dunkle Haare, waren von kräftiger Statur und schweigsam. Dabei war der eine Franzose, der andere Italiener. Yves hatte Godefroy de Montreveil bereits während der Eroberung des Königreichs Sizilien kennengelernt. Der andere, Ruggero di San Floro, stammte aus der Grafschaft Squillace in Bruttium, die Charles von Anjou Manfreds Cousin, Bartolomeo d’Agliano, entrissen und den vertrauenswürdigen Montforts übertragen hatte.

Der Sitz der Erzbischöfe von Lyon befand sich in der Burg Pierre Scize, die sich genau dort über der Saône erhob, wo der Fluss sich verengte und zwischen zwei Hügeln hindurchfloss. Der Eingang zur Burg lag am Fuße eines dieser Hügel. Von dort führten zweihundert Stufen empor, die Yves nur mit großer Mühe und einigen Pausen erklomm. Schwer atmend erreichte er den Burghof, wo er von einem Franziskaner in Empfang genommen wurde, der ihn über eine schmale Steintreppe bis in einen Salon im ersten Stock des Hauptturms führte.

Der Papst sprach zu ihm mit leiser Stimme: »Erhebt Euch, Bruder Yves.«

Gregor X. war vierundsechzig Jahre alt, hatte eine zwischen den eingefallenen Wangen...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2024
Reihe/Serie Die Chronik des Inquisitors
Übersetzer Ingrid Ickler
Sprache deutsch
Original-Titel L’angelo dell’apocalisse
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2023 • 2024 • Bretagne • C.J. Sansom • eBooks • Frankreich • Giftmord • Historische Romane • Historischer Roman • Hochmittelalter • Il filo di paglia • Inquisitor • Mittelalter Romane • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • The Inquisitor's Chronicles Trilogy • Thomas von Aquin • Yves le Breton
ISBN-10 3-641-29240-9 / 3641292409
ISBN-13 978-3-641-29240-9 / 9783641292409
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