Mörderland (eBook)
480 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-30074-6 (ISBN)
Eine Explosion erschüttert ein Kohlekraftewerk in Dänemark. Der gezielte Angriff wurde von einer Kampfdrohne ausgeführt, und es soll nicht der letzte bleiben. Der nächste Angriff trifft ein Kraftwerk in Rostock. Eine Gruppe militanter Klimaaktivisten bekennt sich zu den Anschlägen.
Am selben Morgen wird in Kopenhagen der Sohn des Klimaministers ermordet aufgefunden. Martin Juncker und Nabiha Khalid ermitteln in dem Fall. Hinweise deuten auf eine Verbindung zwischen den Verbrechen. Als der Autopsiebericht die schwere Kokainabhängigkeit des Ministersohnes nachweist, stößt Signe Kristiansen zu den Ermittlungen. Diese ist inzwischen bei der Abteilung für Organisiertes Verbrechen und beschäftigt sich mit Drogengeschäften im großen Stil. Und genau darin war der Tote verwickelt ...
Alle Fälle von Juncker und Kristiansen:
1. Winterland
2. Todland
3. Blutland
4. Mörderland
Die Bücher erzählen eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Kim Faber ist Architekt und Journalist bei »Politiken«, einer der größten dänischen Tageszeitungen.Zusammen mit seiner Frau, der Journalistin Janni Pedersen, schrieb Kim Faber mit »Winterland« einen explosiven und packenden Kriminalroman über Terror, Gewalt, Trauer und Einsamkeit. Das Erstlingswerk des Autorenehepaars ist der Auftakt der Reihe um das dänische Ermittlerduo Martin Juncker und Signe Kristiansen, gefolgt von den Romanen »Todland« und »Blutland«, die ebenfalls die dänische Bestsellerliste im Sturm eroberten.
Kapitel 4
Polizeikommissar Martin Junckersen, der von fast allen aber nur Juncker genannt wird, zwingt sich, den Blick auf die Leiche im Bett zu richten. Der alte Mann liegt, die Decke bis zum Hals gezogen, auf dem Rücken. Das gelbliche Gesicht ist leicht zur Seite gedreht, das eine Auge geschlossen, das andere wie auch der zahnlose Mund halb geöffnet.
Der Mann erinnert Juncker derart an seinen Vater, wie er am 6. Januar 2017 in seinem Bett lag, dass er am liebsten umdrehen und aus dem Zimmer fliehen würde.
Auf einmal hat er die ganze Szene und seine Gefühle von damals so deutlich vor Augen, als wäre es lediglich eine Stunde und keine drei Jahre her: die Überraschung darüber, dass in dem alten, ausgezehrten Körper seines Vaters noch solche Kräfte schlummerten. Die Panik, als ihm klar wurde, dass Arme und Hände nicht reichten, um das Kissen festzuhalten, sondern er mit seinem ganzen Gewicht pressen musste. Und das enorme Unbehagen angesichts der damit einhergehenden Intimität – seinem Vater körperlich so nah zu sein, wie er es, falls überhaupt, zuletzt als Kleinkind gewesen war. Die Verzweiflung darüber, dass der Alte so lang brauchte, bis er starb, und als der Tod endlich eintrat, Erleichterung, es überstanden zu haben.
Schließlich – und das hatte ihn am meisten verblüfft –plötzliche Trauer, weil er sich nun nie mehr mit seinem Vater würde unterhalten können, obwohl sie so häufig aneinandergeraten waren.
Er schaut sich im Zimmer um. Neben dem Bett besteht die Einrichtung aus einem abgewetzten hellbraunen Ledersessel, einem Esstisch aus Teakholz und vier zugehörigen Stühlen mit blau gepunktetem Bezug sowie einer weißen Kommode. An der Wand hängen ein Bild von vier Kühen im Sonnenuntergang und fünf Schwarz-Weiß-Familienfotos in Messingrahmen. Das Ganze wirkt wie der herzzerreißende und vergebliche Versuch zu kaschieren, dass es sich hierbei um eine Endstation handelt. Dass dieser Raum nicht zum Leben, sondern zum Sterben gedacht ist.
So will Juncker seine Tage nicht beschließen. Aber er weiß auch, dass man so etwas nicht immer selbst in der Hand hat. Der Mann im Bett hat vermutlich nicht darum gebeten, lediglich umgeben von ein paar spärlichen Requisiten seines einstigen Lebens aus dieser Welt zu scheiden.
Juncker hofft inständig, dass eines Tages, wenn er nichts mehr hat, wofür es sich zu leben lohnt, und sein Verstand ihn im Stich lässt, jemand nachts in sein Zimmer schleicht und ihm ein Kissen aufs Gesicht drückt. Oder ihm eine Packung Tabletten in den Mund stopft oder eine tödliche Dosis von irgendwas injiziert. Denn er zweifelt ehrlich daran, dass er selbst den Mut dazu hätte.
Schräg hinter Juncker steht Torben Jørgensen, der Leiter des Pflegeheims. Er war derjenige, der die Polizei verständigt hat.
»Also, Juncker, fährst du hin und redest mit ihm?«, hatte Erik Merlin, Chef der Abteilung für Gewaltkriminalität, gefragt, nachdem er knapp erklärt hatte, worum es ging.
Selbst wenn er gefoltert worden wäre, fiel Juncker nichts ein, was er weniger gern getan hätte. Er lebt dafür, Morde aufzuklären, nur keine Morde an alten, schwer dementen Menschen. Aber er war natürlich schlecht darum herumgekommen. Was hätte er Merlin sagen sollen? Dass es ihm Unbehagen bereite, in einem Fall zu ermitteln, der ihn so sehr an damals erinnert, als er selbst seinen Vater umgebracht hat?
Juncker wendet sich an Torben Jørgensen. Ein kleiner kugelrunder Mann mit Glatze und verblüffend heiterem Blick hinter einer braunen Hornbrille.
»Ich weiß, Sie haben meinem Chef schon von Ihrem Verdacht erzählt, aber können Sie es noch mal wiederholen?«
»Gern.« Jørgensen nickt. »Also … es scheinen mir einfach ungewöhnlich viele Todesfälle, die wir hier in letzter Zeit hatten.«
»Nämlich wie viele?«
»Kurt Nielsen eingeschlossen«, er weist mit dem Kinn aufs Bett, »sind es neun in den letzten drei Wochen.«
»Und das sind ungewöhnlich viele?«
»Mehr als doppelt so viele wie sonst zu dieser Jahreszeit.«
»Wie viele Bewohner haben Sie hier?«
»Hundertvierzig.«
»Hm.« Juncker kratzt sich am Nacken. »Es sind ja alles altersschwache Menschen. Könnte es nicht einfach Zufall sein, dass sich die Todesfälle im Moment häufen?«
»Doch, natürlich schon. Es kommt mir nur etwas seltsam vor. Die Verstorbenen waren zwar allesamt dement, davon abgesehen aber für ihr Alter in guter gesundheitlicher Verfassung. In solchen Fällen sprechen wir von einem ›unerwarteten‹ Ableben.«
Juncker geht zur Tür. »Wenn es sich hierbei um einen Tatort handelt, ist es besser, wir sprechen auf dem Flur weiter.«
Sie steuern eine Sitzgruppe bei einem großen Fenster an, das auf eine Grünfläche und fünf nackte Birken zeigt.
»Wie hoch ist die Sterberate normalerweise? Falls sich das sagen lässt?«
»Durchaus. Normal stirbt ein Drittel unserer Bewohner im Jahr, also etwa fünfundvierzig. Drei oder vier im Monat. Selbst wenn man mit einbezieht, dass wir uns noch in der Grippesaison befinden, sind neun Tote in drei Wochen folglich deutlich mehr als sonst.«
»Ja, das sehe ich ein.« Juncker blickt hinaus zu den Birken. »Wie ist das übliche Prozedere, wenn ein Bewohner stirbt?«
»Wenn es ein unerwarteter Todesfall war, müssen wir die Polizei unterrichten.«
»Und die kommt dann auch?«
»Nicht unbedingt. Wenn ich es richtig im Kopf habe, war in fünf von den jetzigen neun Fällen jemand da.«
»Und hat was gemacht?« Juncker macht ein entschuldigendes Gesicht. »Tut mir leid, das müsste ich eigentlich selbst wissen, aber ich hatte noch nie mit Todesfällen in Pflegeheimen zu tun, deshalb …«
»Schon gut.« Torben Jørgensen lächelt freundlich. »Die Beamten stellen im Grunde nur sicher, dass es keine ungewöhnlichen Umstände gab.«
»Wie zum Beispiel?«
»Ob der Tote Verletzungen aufweist. Mögliche Abwehrläsionen. Oder sonst irgendwelche Abdrücke oder Male, für die es nicht auf Anhieb eine Erklärung gibt.«
»Hm. Und dann wird der Verstorbene von einem Arzt untersucht?«
»Ja, normalerweise vom Hausarzt, der dann auch den Totenschein ausfüllt.«
»Wurde bei irgendeinem der aktuellen Fälle eine Obduktion veranlasst?«
»Nein. Weder die Ärzte noch die Polizei haben Hinweise auf eine unnatürliche Todesursache gefunden.«
»Und trotzdem haben Sie die Abteilung für Gewaltkriminalität angerufen.«
»Ja.« Torben Jørgensen lächelt erneut, diesmal begleitet von einem leichten Kopfschütteln. »Ich verstehe, wenn Sie das merkwürdig finden. Aber die Anzahl der Toten … und irgendwie habe ich einfach so ein Gefühl. Wahrscheinlich denken Sie, ich spinne.«
»Überhaupt nicht. Ihr Gefühl sagt Ihnen also, dass jemand in diesem Pflegeheim alte demente Menschen umbringt?«
»Tja, äh … ja, vielleicht.«
»Einer der Mitarbeiter?«
Torben Jørgensen zuckt mit den Schultern. »Vielleicht.«
»Denn ich nehme mal an, außer dem Personal hat hier nachts niemand Zutritt? Die Türen sind sicher verschlossen?«
»Ja. Man braucht einen Code, um reinzukommen.«
»Werden die Eingänge videoüberwacht?«
»Nur der Haupteingang.«
»Wie viele arbeiten in der Nachtschicht?«
»Normalerweise drei.«
»Ich muss wissen, wer in den Nächten, als die neun Personen verstorben sind, gearbeitet hat.«
»Die Liste habe ich schon erstellt.«
Juncker beugt sich vor. »Sagen Sie, wie lange haben Sie den Verdacht schon?«
»So richtig verstärkt hat er sich im Laufe des Wochenendes. Am Samstag ist auch schon jemand gestorben.« Jørgensen macht auf einmal ein betretenes Gesicht. »Denken Sie, ich hätte mich schon früher an Sie wenden sollen?«
»Dazu habe ich keine Meinung. Jetzt noch nicht, jedenfalls.« Juncker steht auf. »Ich muss ein paar Anrufe machen. Finde ich Sie in Ihrem Büro, falls ich Sie brauche?«
»Ja, und falls nicht, fragen Sie eine der Sekretärinnen, sie wissen, wo ich bin.«
Juncker ordert als Erstes ein Team Kriminaltechniker und ruft anschließend Merlin an.
»Und, was sagst du?«, fragt der Chef. »Ist es ein Fall für uns?«
»Bin noch nicht sicher. Aber ich würde den Toten gern obduzieren lassen.«
»Also hast du …«
»Ja, ich hab so ein Gefühl.«
»Irgendwas an der Leiche, das auf Fremdeinwirkung hinweist?«
»Nein. Aber wir wissen beide, dass man jemanden mit einem Kissen ersticken kann, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, höchstens vielleicht eine teilweise geweitete Lunge. Außerdem könnte er auch vergiftet worden sein. Es gibt schließlich Toxine, bei denen man äußerlich nichts sieht. Deshalb.«
»Okay. Ruf einfach bei der Rechtsmedizin an.«
Eine Stunde später treffen drei Techniker ein, und Juncker setzt sie ins Bild. Einer von ihnen ist Peter Lundén, mit dem Juncker bereits bei etlichen Fällen zusammengearbeitet hat. Er ist außerordentlich kompetent – gründlich und erfahren.
»Denk dran zu schauen, ob Blut auf dem Kissen ist. Von der Nase …«, sagt Juncker und bereut die Bemerkung augenblicklich.
Lundén schnaubt beleidigt. »Nee, wirklich?« Kopfschüttelnd geht er ins Zimmer des Verstorbenen.
Juncker folgt ihm, bleibt jedoch auf der Türschwelle stehen. »Und der Rechtsmediziner ist unterwegs?«, fragt er besänftigend.
»Wir haben jedenfalls einen bestellt. In einer Stunde dürfte jemand da sein,...
Erscheint lt. Verlag | 26.7.2023 |
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Reihe/Serie | Juncker & Kristiansen | Juncker & Kristiansen |
Übersetzer | Franziska Hüther |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Skyggeriget |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2023 • Aalborg • Anne Mette Hancock • Bestseller 2023 • Blutland • Bombenanschlag • Dänemark • Die Brücke • Drogen • Drohnenangriff • eBooks • Ermittlerduo • Ermittlerkrimi • Ermittlerpaar • Explosion • Heimatkrimi • Jens Henrik Jensen • Jørn Lier Horst • Klimaaktivisten • Klimawandel • Kohlekraftwerk • Kommissarin Lund • Kopenhagen • Krimi • Kriminalromane • Krimireihe • Krimis • Lina Bengtsdotter • Mord • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • Organisiertes Verbrechen • Pageturner • Ragnar Jónasson • Rostock • Skandinavische Krimis • skandinavische Spannung • Spiegel Bestsellerautoren • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Terroranschlag • Thriller • Todland • Winterland |
ISBN-10 | 3-641-30074-6 / 3641300746 |
ISBN-13 | 978-3-641-30074-6 / 9783641300746 |
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