Die dunklen Fälle des Harry Dresden - Schuldig (eBook)
704 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-30439-3 (ISBN)
Mein Name ist Harry Blackstone Copperfield Dresden, und ich bin jetzt ein Hüter des weißen Rates der Magier. Das macht mich zum wichtigsten Beschützer Chicagos gegen schwarze Magie. Und das Unheil brach auch gleich aus, kaum dass ich das Amt übernommen hatte. Ausgerechnet bei einem Horrorfilm-Festival stiegen die Monster aus der Leinwand. Schnell wurde mir klar, dass ein Schwarzmagier am Werk sein musste. Und langsam dämmerte mir, dass ich als Wächter nicht nur Beschützer war, sondern auch Richter - und Henker ...
Die dunklen Fälle des Harry Dresden: spannend, überraschend, mitreißend. Lassen Sie sich kein Abenteuer des besten Magiers von Chicago entgehen!
Jim Butcher ist der Autor der dunklen Fälle des Harry Dresden, des Codex Alera und der Cinder-Spires-Serie. Sein Lebenslauf enthält eine lange Liste von Fähigkeiten, die vor ein paar Jahrhunderten nützlich waren - wie zum Beispiel Kampfsport -, und er spielt ziemlich schlecht Gitarre. Als begeisterter Gamer beschäftigt er sich mit Tabletop-Spielen in verschiedenen Systemen, einer Vielzahl von Videospielen auf PC und Konsole und LARPs, wann immer er Zeit dafür findet. Zurzeit lebt Jim in den Bergen außerhalb von Denver, Colorado.
1. Kapitel
Blut hinterlässt keine Flecken auf dem grauen Umhang eines Hüters.
Mir war das bis zu dem Tag nicht bewusst gewesen, an dem Morgan, der zweitranghöchste Hüter des Weißen Rates, sein Schwert über der knienden Gestalt eines jungen Mannes erhob, den er für schuldig befunden hatte, Schwarze Magie ausgeübt zu haben. Der Junge, höchstens sechzehn Jahre alt, schrie unter seiner schwarzen Kapuze auf Koreanisch, doch er flehte nicht um sein Leben, denn aufgrund seiner Jugend hielt er sich offenbar nach wie vor für unsterblich. Er schrie vor Hass und Wut und schien nicht einmal zu begreifen, als das Schwert auf ihn herabsauste.
Das war eine geringe Gnade. Eine mikroskopisch geringe, wenn man es so betrachtet.
Sein Blut spritzte in purpurnem Bogen durch die Luft, und ich stand nicht mal drei Meter entfernt. Ich fühlte, wie warme Tropfen auf meine Wange klatschten, und weiteres Blut färbte die eine Seite meines Umhanges zornig rot. Der Kopf fiel zu Boden, und ich sah, wie sich das Tuch darüber bewegte, als stoße der Mund des Knaben immer noch Verwünschungen aus.
Der Körper fiel zur Seite. Die Muskeln einer Wade zuckten zunächst noch, doch das nur für wenige Sekunden.
Morgan blieb einen Augenblick über der unbeweglichen Gestalt stehen, das silberne Schwert in Händen. Außer ihm und mir war noch ein Duzend weiterer Hüter anwesend – und zwei Mitglieder des Ältestenrates, der Merlin und mein ehemaliger Mentor Ebenezar McCoy.
Auch die schwachen Bewegungen des stoffbedeckten Kopfes erstarben. Morgan sah zum Merlin auf und nickte. Der erwiderte das Nicken. »Möge er Frieden finden.«
»Frieden«, antworteten alle Hüter gemeinsam.
Außer mir. Ich wandte ihnen den Rücken zu und schaffte es, noch zwei Schritte zu taumeln, bevor ich mich auf den Boden des Lagerhauses übergab.
Zitternd stand ich einen Augenblick da, bis ich sicher war, dass ich nichts mehr hochwürgen konnte, bevor ich mich langsam aufrichtete. Ich spürte, wie jemand näher kam, und als ich aufblickte, sah ich Ebenezar dort stehen.
Er war ein alter Mann, der Kopf fast kahl bis auf ein paar letzte Büschel weißen Haars. Er war nicht sehr groß, aber stämmig, und sein Gesicht war halb unter einem draufgängerisch aussehenden Bart verborgen. Nase, Wangen und die blanke Kopfhaut waren braun gebrannt bis auf eine frische, gerötete Narbe oberhalb seiner Stirn. Auch wenn er jahrhundertealt war, bewegte er sich mit einer energischen Lebhaftigkeit, und seine Augen hinter der goldrandigen Brille wirkten wachsam und nachdenklich. Er trug die formelle schwarze Robe des Rates, und die purpurrote Stola darüber zeigte, dass es sich bei ihm um ein Mitglied des Ältestenrates handelte.
»Harry«, fragte er leise, »alles klar?«
»Nach dem Ganzen hier?«, brummte ich laut genug, dass mich jeder hörte. »Bei niemandem in diesem verdammten Gebäude sollte alles klar sein.«
Ich fühlte plötzliche Spannung in der Luft hinter mir.
»Nein«, stimmte Ebenezar zu, und ich sah, wie er sich zu den anderen Magiern umblickte. Sein Kiefer war grimmig nach vorn geschoben.
Der Merlin kam zu uns herüber. Auch er trug seine formelle Robe und seine Stola. Er sah genau so aus, wie man sich einen Magier schon immer vorgestellt hat – groß, mit langem weißem Haar, einem langem weißem Bart, durchdringenden blauen Augen und von Alter und Weisheit zerfurchtem Gesicht.
»Hüter Dresden«, hob er an. Er hatte die klangvolle Stimme eines ausgebildeten Redners, und in seinem Englisch schwang ein britischer Oberklassenakzent mit. »Falls Sie einen Hinweis darauf hatten, dass der Knabe unschuldig war, hätten Sie diesen während der Gerichtsverhandlung vorbringen sollen.«
»Sie wissen genau, dass ich nichts dergleichen in der Hand hatte«, antwortete ich.
»Wir haben ihn für schuldig befunden«, sagte der Merlin. »Ich habe den Seelenblick vollzogen. Ich habe mehr als zwei Duzend Sterbliche untersucht, deren Gedanken er verändert hatte. Bei dreien von ihnen besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie ihre geistige Gesundheit wiedererlangen. Vier weitere hat er jedoch gezwungen, Selbstmord zu begehen. Darüber hinaus hatte er neun Leichen vor den örtlichen Polizisten versteckt, und jedes einzelne seiner Opfer war ein Blutsverwandter.« Der Merlin machte einen Schritt in meine Richtung, und die Luft in der Halle fühlte sich plötzlich sengend heiß an. Seine azurblauen Augen blitzten vor Zorn, und in seiner Stimme grollte tiefe, unbeirrbare Autorität. »Die Macht, die er einsetzte, hatte seine Gedanken zerfressen. Was wir taten, war notwendig.«
Ich blickte dem Merlin direkt ins Gesicht, doch meine Körperhaltung war weder streitlustig noch provokativ, und in meiner Stimme lag nichts Respektloses, als ich sprach. Die letzten Monate hatten mich gelehrt, dass der Merlin nicht durch eine Werbeanzeige auf einer Zündholzschachtel an seinen Job gekommen war. Er war schlicht und einfach der mächtigste Magier auf Erden. Mit seiner reinen Stärke gingen Talent, Können und Erfahrung einher. Wenn es je so weit kam, dass wir uns magisch in die Haare kriegten, würde von mir nicht einmal genug übrig bleiben, um es in einen Papiertüte zu kehren. Ich wollte auf keinen Fall eine Auseinandersetzung riskieren.
Aber ich wollte auch auf keinen Fall klein beigeben.
»Er war ein Kind«, sagte ich. »Wir alle waren das mal. Er hatte einen Fehler gemacht. Wie wir alle allzu oft einen machen.«
Der Merlin betrachtete mich mit einem Ausdruck, der irgendwo zwischen Verärgerung und Verachtung lag. »Sie sind sich darüber bewusst, was das Wirken von Schwarzer Magie mit einem Menschen anstellen kann«, entgegnete er. Unglaublich subtile Schattierungen und Betonungen in seinen Worten fügten ohne jeden Zweifel einen unausgesprochenen Gedanken hinzu: Sie wissen das so genau, weil Sie ebenfalls Schwarze Magie ausgeübt haben. Früher oder später werden Sie sich einen Schnitzer leisten, und dann sind Sie an der Reihe.
Laut sagte er: »Wer einmal Schwarze Magie wirkt, wird das erneut tun. Immer wieder.«
»Das höre ich auch dauernd«, antwortete ich. »Sag Nein zu Schwarzer Magie. Aber dieser Junge hatte niemanden, der ihm die Regeln beigebracht hat, niemanden, der ihn unterwiesen hat. Wenn irgendjemand von seiner Gabe gewusst und rechtzeitig etwas unternommen hätte …«
Der Merlin hob die Hand, und diese einfache Geste trug eine derart endgültige Autorität in sich, dass ich verstummte, um ihn sprechen zu lassen. »Der Punkt, der Ihnen entgeht, Hüter Dresden, ist folgender: Der Knabe, der einen törichten Fehler beging, starb lange vor dem Zeitpunkt, als wir herausfanden, was er trieb. Das, was von ihm noch übrig war, war im Großen und Ganzen nur noch ein Ungeheuer, das in seinem Leben nichts anderes mehr getan hätte, als seinen Mitmenschen Schrecken und Tod zu bringen.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte ich, und diesmal gelang es mir nicht, Wut und Frustration aus meiner Stimme zu verbannen. »Und ich weiß, was getan werden musste. Ich weiß, dass das der einzige Weg war, ihn noch aufzuhalten.«
Kurz fürchtete ich, mich erneut übergeben zu müssen, also schloss ich die Augen und stützte mich auf das massive Eichenholz meines beschnitzten Stabes. Ich bekam meinen Magen unter Kontrolle und öffnete wieder die Augen, um dem Merlin erneut direkt ins Gesicht zu sehen. »Aber das ändert nichts daran, dass wir gerade einen Jungen umgebracht haben, dem wahrscheinlich nicht wirklich bewusst war, was da genau mit ihm geschah.«
»Sie sind wahrhaft nicht in der Position, jemandem einen Mord zu unterstellen, Hüter Dresden.« Der Merlin zog eine silberne Augenbraue hoch. »Haben Sie nicht selbst aus kürzester Entfernung eine Schusswaffe auf den Hinterkopf einer Frau abgefeuert, von der Sie nur glaubten, es könne sich um Capiorcorpus handeln?«
Ich schluckte. Zur Hölle, genau das hatte ich ein Jahr zuvor getan. Das war wohl einer der riskantesten Münzwürfe meines Lebens gewesen. Wenn ich damals falschgelegen hätte, wenn der körpertauschende Magier, den ich Totengreifer nannte, nicht in den Körper von Hüterin Luccio gefahren gewesen wäre, hätte ich nicht nur eine unschuldige Frau ermordet, sondern außerdem noch eine Gesetzeshüterin des Weißen Rates.
Ich hatte mich nicht geirrt, aber bis zu diesem Zeitpunkt … hatte ich noch nie jemanden einfach getötet. Zugegeben, in der Hitze des Gefechts hatte ich sehr wohl Leben genommen, und indirekt war ich ebenfalls für weitere Todesfälle verantwortlich. Aber den Tod von Totengreifer hatte ich aus nächster Nähe, kalt berechnend und in keinster Weise indirekt herbeigeführt. Einfach nur ich, eine Knarre und eine in sich zusammengesunkene Leiche. Ich konnte mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich mich entschieden hatte zu schießen, an das Gefühl des kalten Metalls in meiner Hand, den widerspenstigen Abzug meines Revolvers, an das Donnern des Schusses, die Art, wie der Körper als Haufen erschlaffter Gliedmaßen zu Boden gesunken war und dass das tatsächliche Ausführen dieser Tat irgendwie viel zu einfach für die schreckliche Tragweite schien.
Ich hatte gemordet. Ich hatte absichtlich das Leben eines Menschen ausgelöscht, und das verfolgte mich nach wie vor in meinen Träumen.
Ich hatte keine andere Wahl gehabt. Totengreifer hätte tödliche Magie heraufbeschwören können, und das Beste, worauf ich hätte hoffen können, wäre ein Todesfluch gewesen, der mich in dem Moment umgebracht hätte, in dem ich ihn niederstreckte. Selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte Totengreifer in einem fairen Kampf mit mir den Boden aufgewischt. Also hatte ich ihm einfach keinen...
Erscheint lt. Verlag | 21.6.2023 |
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Reihe/Serie | Die Harry-Dresden-Serie | Die Harry-Dresden-Serie |
Übersetzer | Dominik Heinrici |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Proven Guilty (The Dresden Files 8) |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | 2023 • Ben Aaronovitch • benedict jacka • Bestsellersserie • Chicago • Dresden Files • eBooks • Fantasy • Fantasy Bestseller • Filmfestival • Harry Blackstone Copperfield Dresden • Horror • Horrorfilm • Kevin Hearne • Kino • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Magier • Neuerscheinung • New York Times Bestseller • Paul Blackthorne • Privatdetektiv • Schwarze Magie • Serie • Urban Fantasy |
ISBN-10 | 3-641-30439-3 / 3641304393 |
ISBN-13 | 978-3-641-30439-3 / 9783641304393 |
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