Ein dreckiges Geschäft (eBook)

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Tropen (Verlag)
978-3-608-11999-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein dreckiges Geschäft -  Chris Offutt
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Eine Leiche in der Stadt. Eine Mauer des Schweigens in den Bergen. Und eine Spur, die weit über die Grenzen Kentuckys hinausreicht. In seinem neuen Krimi um den wortkargen Army-Ermittler Mick Hardin lässt Chris Offutt ein weiteres Mal den rauen amerikanischen Süden aufleben - mit all seinen Schattenseiten. Mick Hardin, Ermittler für das CID der US-Army, ist zurück in den Kentucky Hills. Er wurde bei einem Sprengstoffangriff verletzt, außerdem soll er die Scheidungspapiere seiner Frau unterzeichnen. Danach will er so schnell wie möglich wieder verschwinden. Doch dann wird in der Stadt eine Leiche gefunden. Der Tote ist Barney Kissick - der stadtbekannte Drogendealer. Für die Polizei liegt der Fall klar auf der Hand: Einer von Barneys Drogendeals ist schiefgelaufen. Seine Mutter bezweifelt das und bittet Mick um Hilfe. Er beginnt sich umzuhören, dabei hat er seiner Schwester, die kurz vor ihrer Wiederwahl als Sheriff steht, eigentlich versprochen, sich rauszuhalten. Als er tief in der rauen Hügellandschaft auf eine dreckige Spur stößt, steht plötzlich nicht mehr nur die Karriere seiner Schwester, sondern sein eigenes Leben auf dem Spiel. »Ein weiterer exzellenter Mick-Hardin-Thriller. Tolle Charaktere, geballte Spannung. Ein weiterer Volltreffer von Offutt.« Kirkus Reviews »Country Noir vom Feinsten: knallharte Action und toughe, aber kluge Protagonisten, die gezwungenermaßen selbst zu Mördern werden, um den Kreislauf der Gewalt zu stoppen.« Booklist »Fans des zeitgenössischen Kleinstadtkrimis fiebern dem nächsten Offutt entgegen.« Publishers Weekly »Offutt weiß, was gespielt wird, er versteht es, und das ist eine gute Voraussetzung für einen Plot, in dem der erfahrene Ermittler Mick für den Fall wie für seine private Misere eine unkonventionelle Lösung findet.« Peter Körte, FAZ

Chris Offutt, geboren 1958, ist Autor mehrerer Romane, für die er mit dem Whiting Writers Award und dem American Academy of Arts and Letters Fiction Award ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt er 2019 für Country Dark den französischen Prix Mystère de la Critique. Er lebt im ländlichen Lafayette County in der Nähe von Oxford, Mississippi.  

Chris Offutt, geboren 1958, ist Autor mehrerer Romane, für die er mit dem Whiting Writers Award und dem American Academy of Arts and Letters Fiction Award ausgezeichnet wurde. Zuletzt erhielt er 2019 für Country Dark den französischen Prix Mystère de la Critique. Er lebt im ländlichen Lafayette County in der Nähe von Oxford, Mississippi.   Anke Caroline Burger lebt nach ausgedehnten Reisen durch Nord-, Südamerika und Asien in Berlin und Zürich. Sie übersetzt aus allen englischsprachigen Ecken der Welt, u. a. die Bücher von Ottessa Moshfegh, Adam Johnson, Tanya Tagaq, Jon McGregor und Naoise Dolan.

»Offutt hat erneut einen atmosphärisch dichten Krimi geschrieben, der diesmal noch ein wenig rauer und gewaltvoller daherkommt. Das Land und seine Bewohner, beides kennt er nur zu gut, da er selbst in der Gegend aufgewachsen ist, wirken lebensecht, erfasst mit Auge und Herz.«
Daniela Höhne, Verlorene Werke, 24. November 2023

»Wer lakonische Dialoge und schrullige Typen mag, wird einmal mehr kurzweilig unterhalten.«
Jörg Kijanski, BookNerds, April 2023

»Chris Offutt zeigt sich einmal mehr als grandioser Krimiautor, der Spannung, Action und fein gezeichnete Charaktere zu einem packenden Country Noir zu schnüren versteht.«
Matthias Eichardt, Stadtmagazin 07, 06.09.2023

»Chris Offutt beschreibt seine Figuren mit spürbarer Sympathie für ihre Schwächen und Geheimnisse […]. Mit dem Army-Kriminalermittler Mick Hardin ist ihm ein Protagonist gelungen, der genau die richtige Mischung zwischen Härte und Verletzlichkeit zeigt.«
Büchermagazin, Juni/Juli 2023

»Nervenkitzel pur. Eine höllisch gute Geschichte mit tollen Charakteren.«
Kultbote, Mai 2023

Kapitel 2


Mick Hardin wachte auf. Er hatte geträumt, er läge in seinem Kinderbett und könne sich nicht bewegen. Seine Lider waren schwer, und er fragte sich, ob er gestorben war, und jemand hatte ihm Pennys auf die Augen gelegt. Die Münzen sollten dafür sorgen, dass die Augen zublieben; außerdem hatte man so eine Bezahlung für den Fährmann dabei, der die Toten über den Unterweltfluss Styx brachte. Mick lag wach da und dachte an den Sprengstoffanschlag, der ihn drei Wochen lang ins Armee-Lazarett befördert hatte. Aus dem Krankenhaus entlassen, war ihm befohlen worden, sein Bein mit Physio wieder fit zu machen, eine langwierige und schmerzhafte Angelegenheit. Vom Bett hatte er sich zum Rollstuhl hochgearbeitet, dann ging er drei Monate lang an Krücken. Schließlich war er auf einen Stock umgestiegen, mit dem er sich aber nur ungern in der Öffentlichkeit sehen ließ.

Sein Vorgesetzter, Colonel Whitaker, schenkte ihm einen beschrifteten Veteranen-Krückstock. Das leichte Stück aus Aluminium war schwarz und trug die Aufschrift: »KEIN FUSS DEM FEIND«. Die Buchstaben waren vertikal darauf gedruckt, und von oben sah es so aus, als stände da »KEIN FASS DEM FEIND«. Wenn er mit dem Stock ging, musste Mick an das Regenfass neben der alten Hütte seines Großvaters mitten im Wald denken, in dem das Wasser so kalt war, dass es beim Untertauchen an den Zähnen wehtat. Mick machte bei allen Reha-Maßnahmen mit, bis er wieder selbstständig im Stützpunkt herumhumpeln konnte, dann bat er, sich zu Hause auskurieren zu dürfen. Seine Frau könne ihn versorgen und zum nächstgelegenen Veteranenkrankenhaus im achtzig Meilen entfernten Lexington fahren. Der Colonel willigte ein, unter der Bedingung, dass Mick sein Handy eingeschaltet ließ und auf alle Anrufe reagierte. Mick hatte zugestimmt und war nach Hause geflogen.

Jetzt öffnete er die Augen. Er lag im Haus seiner Mutter, nicht in der Hütte, in der er seine Jugend verbracht hatte. Er war müde, seine Glieder waren bleischwer – eine Folge der starken Schmerzmittel. Er hatte sich von Fentanyl direkt nach dem Sprengstoffanschlag zu Morphin und seit der Entlassung zu Percocet hochgearbeitet. Das schluckte er immer noch, auch wenn die momentanen Schmerzen solche schweren Geschütze eigentlich nicht mehr erforderlich machten.

Er hatte Colonel Whitaker angelogen. Mick hatte keine Frau, die ihn versorgen könnte. Sie hatten sich vor einem Jahr getrennt. Die Scheidungspapiere lagen, zusammen mit seinem abgeschalteten Handy, ohne Unterschrift in Micks Koffer. Er wartete auf einen Grund, die Papiere zu unterschreiben und sich von sechzehn Ehejahren loszusagen. Trotz der Umstände passte es ihm nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er im Gästezimmer seines Elternhauses schlafen musste. Micks Schwester Linda hatte es nach dem Tod ihrer Mutter geerbt. Linda war viel beschäftigter Sheriff im County und selten zu Hause, da sie sich gerade mitten im Wahlkampf um ihre Wiederwahl befand.

Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte halb elf, und Mick wusste, dass Linda schon relativ bald zum Mittagessen da sein würde. Ihm blieb noch genug Zeit, um seine täglichen zwei Meilen zu gehen und sich hinterher mit einer Percocet zu belohnen. Er trat aus dem flachen Ranchhaus am Ende der Lyons Avenue und ging zügigen Schrittes los. Auf mehreren Nachbargrundstücken leuchteten die gelben Forsythienbüsche in der Frühlingssonne. Obenauf zeigten sich schon erste grüne Blattspitzen. Auch die Narzissen blühten. Am Hang oberhalb der Straße sah Mick Kanadischen Judasbaum und Hartriegel rosa schimmern. Kentuckys Hügel und Berge waren zu jeder Jahreszeit wunderschön, aber nie so wie im Frühling, wenn das Land so viel Hoffnung versprühte. Die Schönheit war überwältigend. In Micks Leben war eine Menge schiefgegangen, und hier war er nun, lebte unter dem Dach seiner Mutter und leckte sich die Wunden, versorgt von seiner wenig mütterlichen Schwester. Kurz musste er über die Absurdität der ganzen Situation schmunzeln.

Eine Nachbarsfrau winkte ihm aus dem Blumenbeet zu. Hinter einem anderen Haus kamen zwei Hunde hervorgetrottet, die Mick so begeistert begrüßten, dass ihr ganzes Hinterteil wedelte. Mick mochte sein Tempo nicht verlangsamen und kraulte sie im Vorbeigehen. Sein Bein tat weh, aber kräftig auszuschreiten, fühlte sich trotzdem gut an. Er war fast vollständig genesen. Täglicher Sport war die letzte Phase der Reha, damit die Muskeln wieder aufgebaut wurden, die sich beim wochenlangen Herumliegen in trostlosen Krankenhausbetten zurückgebildet hatten. Auf der anderen Straßenseite war Miller unterwegs, der Postbote, den Mick noch aus der Schule kannte. Er hatte einen der wenigen Behördenjobs im Ort ergattert, obwohl sich über vierhundert Leute auf die Stelle beworben hatten. Wie Miller das geschafft hatte, war immer noch allen ein Rätsel.

Insgeheim verfluchte Mick sich für das schlechte Timing – jetzt würde er mit jedem an der Straße, der zum Briefkasten ging, um nach der Post zu schauen, ein Schwätzchen halten müssen. Und tatsächlich: Old Man Boyle beobachtete von seinem Briefkasten aus, wie Mick näher kam. Er trug eine Hose mit Bügelfalte, braune Lederschuhe und ein bis oben zugeknöpftes Hemd, als habe er sich extra für den Gang vor die Tür schick gemacht. Bull Boyle hatte selbst in Vietnam gedient und einen seiner Söhne im Irakkrieg verloren. Er empfand eine gewisse Sympathie für Mick, durchsetzt mit einer Menge Bitterkeit darüber, dass Mick mehr oder minder intakt aus dem Krieg zurückgekommen war. Hinter beiden Ohren trug Boyle große, halbmondförmige, hautfarbene Hörgeräte. Mick erkannte sie als die scheußlichen Uraltmodelle, die kostenlos an Kriegsveteranen ausgegeben wurden.

»Wie läuft die Maschine?«, fragte Boyle und zeigte auf Micks Bein.

Mick verlangsamte respektvoll den Schritt.

»Jeden Tag besser«, antwortete er. »Und, was Gutes in der Post?«

»Und ob. Ich habe zweitausend Dollar gewonnen. Muss nur zum Chevy-Händler gehen und sie mir abholen. Dafür kriege ich ein schönes Verkaufsgespräch und ein Paar Kopfhörer. Was soll ich damit machen, bitte schön? Damit sehe ich doch aus wie ein wandelnder Elektroladen.«

Mick musste lächeln.

»Wie geht’s deiner Schwester?«, fragte Boyle.

»Gut, ständig will sie was von mir. Ich mache meinen Spaziergang nur, damit sie mich eine Stunde lang nicht nerven kann.«

»Sie ist ein guter Gesetzeshüter, so als Frau«, sagte Boyle. »Ich wähle sie.«

»Linda meint, es könnte knapp werden.«

»Der andere Bursche taugt nichts. Er hält sich für einen echten Windhund, und das würde er auch noch tun, wenn er ein Holzbein hätte.« Er warf einen entschuldigenden Blick auf Micks Bein. »Das war jetzt nicht persönlich gemeint.«

»Schon klar, Mr. Boyle. Ich muss dann mal weiter, sonst wird’s noch steif, das Bein.«

»Brav«, erwiderte er. »Bis bald mal wieder.«

Mick legte einen Zahn zu und lauschte dem schwach hörbaren Pop in seinem Knie und dem eingebildeten Knirschen in der Hüfte. Luftlinie war es nur eine Viertelmeile vom Haus seiner Schwester bis zur ersten Querstraße, aber die Lyons Avenue folgte einem gewundenen, aus den Bergen kommenden Bachlauf, deswegen hatte er eine ganze Meile zurückzulegen. Zweimal wechselte er auf die andere Straßenseite, um Bekannten auszuweichen.

Vater Hardin war jung gestorben, und Linda war bei ihrer Mutter geblieben. Mick hatte vom achten Lebensjahr an bei seinem Großvater und Urgroßvater gelebt, mitten im Wald, zwölf Meilen vom Ort entfernt. In der Kleinstadt hatte er sich noch nie zu Hause gefühlt. Er hatte nichts gegen Rocksalt im Besonderen, es ging einfach um Menschenansammlungen im Allgemeinen. Im Ort brauchte man eine gewisse Umgänglichkeit, eine kleinstadttaugliche Fassade, die ihm abging. Hier sagte man das eine, meinte aber etwas ganz anderes. Die Leute konnten mit seiner offenen Art nicht umgehen. Ihm war die Direktheit der Landbevölkerung und Armeeangehörigen lieber.

Die Lyons Avenue endete an der Second Street, ein Name, über dessen Einfallslosigkeit sich Mick immer wieder amüsieren konnte. In einer Großstadt waren solche Bezeichnungen vielleicht sinnvoll, weil es viele Querstraßen gab, aber ganz Rocksalt hatte nur drei Kreuzungen: Main Street, First Street und Second Street. Mick machte kehrt und lief zurück zum Haus seiner Schwester. Zwei Autos fuhren vorbei, und er winkte, ohne hinzugucken. An Rücken und Beinen floss ihm der Schweiß herunter. Er bekam genug Luft, sodass er sein Tempo auf Eilmarsch steigern konnte, Blick strikt geradeaus, Wachsamkeit an den Blickfeldrändern. Das Haus tauchte vor ihm auf, und er verfiel in einen Laufschritt, zählte den Rhythmus im Kopf...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2023
Übersetzer Anke Caroline Burger
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte aktuell • Drogendealer • Kentucky • Korrupte Polizisten • Krimi • literarisch • Natur • Politik • politisch • Polizei • Umweltzerstörung • Unbarmherziges Land • USA • US-Army • Wälder • weiblicher Sheriff • Zweiter Band
ISBN-10 3-608-11999-X / 360811999X
ISBN-13 978-3-608-11999-2 / 9783608119992
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