Tod im Wunderland (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
328 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12162-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tod im Wunderland -  Nicholas Blake
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»Nehmt euch vor dem verrückten Hutmacher in Acht« In einer Ferienkolonie treibt ein mysteriöser Unruhestifter sein Unwesen und nennt sich selbst »Der verrückte Hutmacher«. Die sorgenfreie Stimmung in der Kolonie ist schon merklich angespannt, als endlich Privatdetektiv Nigel Strangeways anreist. Kann er dem gefährlichen Treiben ein Ende bereiten, bevor es zu spät ist? An der idyllischen englischen Küste liegt die beliebte Ferienkolonie »Wunderland«. Die anreisenden Urlaubsgäste suchen Ruhe und Entspannung. Doch damit ist es schnell vorbei, als klar wird, dass ein Unbekannter in der Kolonie sein Unwesen treibt, der sich selbst als »Verrückter Hutmacher« bezeichnet. Die Inhaber vermuten, dass ein Konkurrenzbetrieb sie zum Aufgeben zwingen will. Oder handelt es sich doch um einen der Angestellten? Als die Scherze des Hutmachers immer grausamer und gefährlicher werden, wächst die Anspannung unter der Feriengästen. Die Inhaber rufen schließlich den Privatdetektiv Nigel Strangeways zur Hilfe, der die wahre Identität des Hutmachers aufdecken und verhindern soll, dass es zum Äußersten kommt. 

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904-1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis.

Nicholas Blake ist das Pseudonym des Autors Cecil Day-Lewis (1904–1972). Er war ein irisch-britischer Akademiker, arbeitete eine Zeit lang beim Verlag Chatto & Windus, wurde von der Queen zum Hofdichter ernannt und brauchte irgendwann Geld, weshalb er begann, unter Pseudonym äußerst erfolgreiche psychologische Kriminalromane zu schreiben. Er ist außerdem der Vater des Oscar-prämierten Schauspielers Daniel Day-Lewis. Elina Baumbach, geboren 1981 in Berlin, war viele Jahre als Englisch-als-Fremdsprachenlehrerin in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt tätig, bevor sie nach Deutschland zurückkehrte, um nochmals ein Studium aufzunehmen. Nach einem Bachelor-Abschluss in Amerikanistik/Anglistik und Kunstgeschichte an der Universität Augsburg absolvierte sie erfolgreich den Masterstudiengang "Literarisches Übersetzen" an der LMU München. Seit 2019 ist sie als freischaffende Literaturübersetzerin tätig und arbeitet außerdem als Lehrbeauftragte für Übersetzung an der Universität Passau. 2020 erhielt sie für die Arbeit an "Lichte Tage" von Sarah Winman das Stipendium "Junge Kunst & Neue Wege" des Freistaats Bayern.

I


Der junge Mr Perry fuhr in ein Camp, aber kein Ausbildungscamp oder Erlebniscamp. Nein, es handelte sich tatsächlich um etwas gänzlich anderes: eine Ansiedlung, bei dessen Anblick sich jeder Nomade ungläubig die Augen gerieben und wohl die Flucht ergriffen hätte. Ein Camp, das, wie Mr Perry hoffte, ihm reichlich Stoff für die Notizbücher bieten würde, die dem Koffer in der Ablage über ihm ein beträchtliches Gewicht verliehen.

Wohlwollend besah sich der junge Mr Perry die Fabriken, die am Fenster seines Zugabteils vorbeijagten. Fabriken waren statthaft, ja sogar erwünscht. Maschinentempel. Mr Perry, der noch nie an einer Werkbank gestanden oder am Fließband gearbeitet hatte, war der Existenz von Maschinen gegenüber durchaus wohlgesonnen. Natürlich konnte man nicht alle Fabriken über einen Kamm scheren. Die aus vergangenen Tagen war eigentlich nicht mehr zulässig: Marode und dem Verfall ausgeliefert, Rauch spuckend und hustend wie pensionierte Drachen, ragten sie unkrautüberwachsen als rostige Boiler und ausrangierte Gerätschaften in der Gegend, in der Mr Perry aufgewachsen war, hie und da aus der Landschaft. Diese schaurigen Überbleibsel von Laissez-faire und beispielloser Habgier hatten ausgedient. Der Fortschritt war unbemerkt an ihnen vorübergegangen, wie Mr Perry es ausdrückte. Ihrem Verfall wohnte möglicherweise ein gewisser romantischer Aspekt inne, doch bei allem Respekt für den jungen Auden, dessen Schwäche für rostendes Metall und aufsteigenden Dampf bezeichnend für ein irrlichterndes Genie war, blieb doch festzuhalten, dass derartige Romantik hier fehl am Platz war.

Mr Perry hielt seinerseits den Klassizismus in Ehren. Er mochte es, wenn alles in tadelloser Ordnung war. Jene Fabrik dort drüben, zum Beispiel, die ganz alleine inmitten grüner Felder stand, auf den ersten Blick weiß, hübsch und ihren Zweck erfüllend – bei diesem Anblick ging ihm das Herz auf, vor allem, als sich herausstellte, dass sie der letzte Außenposten der Zivilisation gewesen war. Der Zug durchquerte mittlerweile unberührte Landschaft, und für Mr Perry war alles Ländliche nicht nur beklagenswert, es existierte für ihn schlicht nicht. Es gab zweifellos Menschen, die hier lebten, aus abwegigen Gründen, die sich nur ihnen selbst erschlossen, aber es handelte sich dabei nicht um Menschen in dem Sinne, wie er diese Vokabel verstand: Es waren keine Menschenmengen, und Mr Perry fühlte sich nur in Menschenmengen wirklich wohl. Zudem waren Menschenmengen sozusagen sein Geschäft.

Er löste seinen Blick von dem jämmerlichen Anblick, Kühe, Scheunen und Obstplantagen, und wandte ihn seinen Mitreisenden zu, um sich mit dem zu befassen, was ihm am Herzen lag, dem Menschen im Allgemeinen und im Besonderen. In seinem Abteil saßen drei Exemplare, offensichtlich eine Familie. Eine ältere Frau starrte ruhig aus dem Fenster; eine Blondine, ihre Tochter, verschlang das Magazin Film Frolics, und dann gab es noch den Paterfamilias. Letzterer war zweifelsohne – wenigstens für Mr Perry – das Schaustück: Ein Mann von übernatürlicher Fettleibigkeit, dessen Bauch sogar die Times, die diesen nur leidlich verdeckte, zwergenhaft erscheinen ließ; sein Gesicht eine Ansammlung von Falten und Furchen, seine Kleidung wie durch ein Wunder faltenfrei. Er trug einen schwarzen Gehrock, schicklich gestreifte Hosen und einen altmodischen Krawattenschal. Sein Gesicht, riesig und ernst, erinnerte an einen Bluthund mit Schilddrüsenüberfunktion. Er sah aus wie die Karikatur eines Kapitalisten.

Der Mann fing Mr Perrys Blicke auf, legte äußerst bedächtig seine Ausgabe der Times zur Seite, deutete mit feierlicher Zurückhaltung auf den grünen bedruckten Anhänger an Mr Perrys Koffer und sagte: »Wie ich sehe, fahren Sie ebenfalls nach Wunderland, Sir.«

Der Zug reagierte unversehens auf dieses Stichwort und stürzte sich, gleich Alice, in einen Tunnel. Das rasselnde Getöse unterband jegliche Unterhaltung, sodass Mr Perry in Ruhe den Ton analysieren konnte, in dem dieser Riese ihn angesprochen hatte. Feierlich bombastisch war er gewesen. Doch es steckt noch mehr dahinter – nicht Unterwürfigkeit per se, eher der gut geölte professionelle Respekt eines höheren Dienstboten. Vielleicht ist er ein Butler, dachte Mr Perry, aber es ist doch eher überraschend, dass ein Butler nach Wunderland fahren sollte, und dann noch in dieser altmodisch förmlichen Kleidung. Außerdem bringt man Butler eigentlich nicht mit hübschen, blonden Töchtern in Verbindung. Wobei natürlich auch Butlern Nachwuchs gestattet ist.

Der Zug schnellte wieder hinaus in den grellen Sonnenschein.

»Sie werden dort ebenfalls einige Zeit verbringen, Sir?«, erkundigte sich der Mann.

»Zwei Wochen wahrscheinlich. Es hängt davon ab …« Mr Perry unterbrach sich, da er nicht preisgeben wollte, dass es davon abhing, wie lange seine Arbeit dauern würde. Man fuhr normalerweise nicht nach Wunderland, um dort zu arbeiten.

»Wenn das so ist, gestatten Sie mir die Freiheit …«

Mr Perry betrachtete die Visitenkarte, die der Mann ihm gereicht hatte. »Mr James Thistlethwaite, 29 St. Petrock’s Street, Oxford« stand dort einfach.

»Und das ist Mrs Thistlethwaite«, fuhr er fort, mit einer Stimme wie ein Kirchendiener, der die Figuren in einem Buntglasfenster aus dem 12. Jahrhundert beschrieb. »Und meine Tochter Sally.«

Sally Thistlethwaite blickte kurz von einer Fotografie Robert Taylors auf, nickte abweisend und versank sogleich wieder in ihren Film Frolics. Normalerweise bekam Mr Perry diese Art von Blick von Blondinen in Tabakläden zugeworfen: Eine große Packung Players, und das war’s, signalisierte er unmissverständlich. Doch heute, aus unerfindlichen Gründen, ärgerte es ihn, mit einem flüchtigen Blick abgewiesen zu werden. Er antwortete ein klein wenig aggressiver, als es sonst seine Art war: »Mein Kurzlebenslauf lautet wie folgt: Name, Paul Perry. Alter, fünfundzwanzig. Ledig. Ausbildung, St. Bees, und Peterhouse, Cambridge.«

Sally sah wieder zu ihm auf, leicht verblüfft. Ihren Vater jedoch brachte Pauls Schroffheit scheinbar nicht aus der Fassung. Er nickte freundlich.

»Ein Akademiker. Recht so. Das merkt man sofort. Und sogar Cambridge. Und Ihre Profession, Sir? Nein«, keuchte er und hob eine seiner dicken Hände, »sagen Sie nichts. Lassen Sie mich raten.« Er musterte Paul mit einem ernsten und merkwürdig wachsamen Blick.

»Mr Thistlethwaite ist ein sehr guter Menschenkenner«, meinte seine Frau leichthin. »Lassen Sie ihn nur machen.«

»Graue Flanellhosen, Stoff von guter Qualität, wenn auch nicht aus der Bügelpresse, fürchte ich. Hemd ohne abnehmbaren Kragen. Sportsakko von der Stange«, murmelte der dicke Mann, wie zu sich selbst. Paul Perry errötete, nahm verhaltene Belustigung in Sallys Blick wahr und errötete weiter mit wachsender Verärgerung.

»Die übliche Arbeitskleidung eines Lehrers«, fuhr Mr Thistlethwaite fort. »Doch wie ich sehe, sind die Ärmelschoner nicht übermäßig abgenutzt, das Jackett lässt hingegen bereits Verschleiß erkennen. Keine Arbeit am Schreibtisch, also können wir folgern: kein Lehrer. Journalist, vielleicht. Bleistifte in der Brusttasche. Ausbeulung in der rechten Hosentasche. Könnte das Notizbuch eines Reporters sein. Ich …«

»Du bringst den Herrn in Verlegenheit, Daddy. Nicht wahr, mein Bester?«, rief Sally.

»Nicht im geringsten«, gab Paul steif zurück. »Tatsächlich bin ich Wissenschaftler. Eine Art Wissenschaftler zumindest.«

»Was für eine Art? Schneiden Sie Meerschweinchen auf, mein Bester?«

»Sally, du solltest fremde Herren in einem Zugabteil wirklich nicht mit ›mein Bester‹ ansprechen«, protestierte Mrs Thistlethwaite wenig überzeugend. »Bitte sehen Sie es ihr nach, Sir. Ähm … Sie ist so impulsiv.«

»Keine Ursache«, erwiderte Mr Perry. »Ich bin Feldforscher, um genau zu sein.«

Sally riss die Augen auf. Es waren bemerkenswert schöne Augen. »Ein Feldforscher«, meinte sie. »Oha. Kunstdünger, vermute ich. Nun ja, jeder nach seiner Fasson.«

»Sally, das reicht jetzt«, meldete sich Mr Thistlethwaite. »Wissenschaftler sind Wohltäter für die Menschheit. Einige Herrschaften unter meinen Kunden haben sich, ihren Neigungen folgend, für die Wissenschaft entschieden. Und Kunstdünger ist von unschätzbarem Wert für den Landwirt, denn das Land heutzutage ist …«

»Aber ich habe mit Kunstdünger nichts zu schaffen«, rief Paul beinahe verzweifelt. »Weshalb glauben Sie …« Sein Stimme wurde leiser, er bemerkte wie Mr Thistlethwaite tadelnd seinen Hals begutachtete.

...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2023
Übersetzer Elina Baumbach
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Britcrime • Cozy Crime • England • Ferienkolonie • Ferienlager • Krimiklassiker • Sommerkrimi • Urlaub • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-608-12162-5 / 3608121625
ISBN-13 978-3-608-12162-9 / 9783608121629
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