Perry Rhodan 3234: Cyberflora (eBook)
64 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-6234-2 (ISBN)
1.
Die Horchende Welt
Der dritte Planet des Systems, Lurru, war eine erdähnliche Welt. Größe, Schwerkraft, Atmosphärenzusammensetzung, Land-Wasser-Verteilung und andere Grundparameter kamen Terra nahe. Es gab Siedlungszentren auf jedem Kontinent, Seefahrt, Funkverkehr, ökonomisch und ökologisch optimierte Energie- und Rohstoffkreisläufe.
Ein buntes Gemisch aus Tausenden Spezies, die von anderen Planeten zugewandert sein mussten, bildete die Bevölkerung. Aus den bisherigen Begegnungen hatte die Besatzung der RA Erfahrungen mit einigen gesammelt. Die insektoiden Sman, die kantigen Noiran, die auch auf Lurru bevorzugt blaumetallene Rüstungen trugen, und die Cunuur, die Menschen am ehesten als Kreuzungen von Spinnen und Krokodilen erschienen, waren in den aufgefangenen Sendungen zu sehen. In einer Kleinstadt dominierten Pertsuma, deren hölzerne Hüte eine geringere Variabilität aufwiesen, als das Einsatzteam sie an Bord des Noiranfrachters vorgefunden hatte. Omomi betrieben einen unterseeischen Raumhafen.
Doch Lurru war nicht die eigentliche Attraktion des Sterns Udina Zumy. Bedeutender als der Planet war sein künstlicher Trabant, die Station SAGHIK, die ihn in einem weiten Orbit umkreiste. Eine durch beeindruckende Ingenieurskunst geschaffene Welt mit einem Durchmesser von 1055 Kilometern, also von vergleichbarer Größe wie der Saturnmond Tethys und nur wenig kleiner als die Sporenschiffe der Sieben Mächtigen.
»Findet ihr es auch verstörend«, fragte Antanas Lato, »dass die Daseinsberechtigung dieses hochtechnischen Konstrukts darin besteht, optimale Bedingungen für florales Leben zu schaffen?«
Die drei Besatzungsmitglieder saßen in der Zentrale der RA auf Sesseln, die aus dem weißen Boden gewachsen waren. Ansonsten gab es derzeit keine Einrichtungsgegenstände, lediglich ein Anzeigeholo, und die Kuppel war transparent geschaltet. Deswegen wirkte es, als würden sie auf einer acht Meter durchmessenden Schneefläche durch das Sternenmeer treiben.
»Was findest du daran ungewöhnlich?« Shema Ghessow sah ihn über den Rand ihrer Tasse an. Dass der aufsteigende Dampf ihre Brauen befeuchtete, schien sie nicht zu stören. »Bei jedem Raumschiff, das mit einer Besatzung fliegt, ist das Lebenserhaltungssystem eine essenzielle Komponente.«
Lato störte sich an unscharfen Aussagen. Kein Schiff hatte nur ein Lebenserhaltungssystem. Es war das Zusammenspiel aus Temperaturregelung, Atmosphärenaufbereitung, Andruckabsorber und anderen Elementen, das ein Raumfahrzeug wie die RA bewohnbar für biologische Lebensformen machte.
Da eine Korrektur der begrifflichen Unschärfe vom Hauptthema ihres Gesprächs abgelenkt hätte, verzichtete Lato darauf. Schließlich war Shema keine Schülerin, die er auf eine Prüfung vorbereiten musste.
»Ein Raumschiff hat eine Mission«, argumentierte er. »Wenn zu deren Erfüllung eine Besatzung hilfreich ist, muss diese einsatzbereit gehalten werden. Der zu erwartende Ertrag rechtfertigt daher Aufwand für die vielen, aufeinander abgestimmten Lebenserhaltungssysteme. Er ist ein Faktor in der Funktion, die zum Erfolg führt. Im Fall dieser Horchenden Welt sind aber die zahlreichen Biotope das Ergebnis, das optimiert werden soll. Sie sind Zweck, nicht Mittel.«
Er zeigte auf das in die Mitte der Zentrale projizierte Holo, das die runde Konstruktion darstellte.
SAGHIK war eine Kugel, deren Hülle in zwei durchsichtige Hemisphären geteilt war. Wobei durchsichtig ein variabler Begriff war: Abertausende Segmente filterten, färbten und fokussierten das auftreffende Licht des Zentralgestirns, das dadurch in vielfachen Modulationen auf die drei Kilometer unter der Hülle liegende, massive Oberfläche traf. In Verbindung mit energetischen und physischen Trennelementen schuf dieses Design unterschiedlichste Habitate, die lediglich den dichten Pflanzenbewuchs gemein hatten.
»Flora«, startete Lato einen weiteren Versuch, seine Irritation zu vermitteln. »Im Grunde nichts als primitive Biologie. Zu keinem intellektuellen Austausch fähig. Eine kooperative Fortentwicklung des Verständnisses kosmophysikalischer Gegebenheiten ist von ihr eigentlich nicht zu erwarten. Ausnahmen bestätigen die Regel.«
Shema sah ihn seltsam an, während sie einen Schluck K'amana nahm. Dachte sie gerade an Morann-Wanderpflanzen, eines der seltenen pflanzlichen intelligenten Völker der heimischen Milchstraße, und suchte ein Gegenargument zu seiner Äußerung?
Resigniert betrachtete Lato das Holo. Tröstlich fand er nur den Äquatorialwulst der Station. In diesem zehn Kilometer breiten Stahlring waren die Halbsphären verankert. Der Hyperphysiker stellte sich vor, dass eine solche Struktur ein ähnlich steril-geordnetes Umfeld wie die RA bot. Eine urbane Ruhezone inmitten der Wildnis aus chaotisch wucherndem Leben, das die Station bedeckte. Er berechnete die Kugeloberfläche: annähernd dreieinhalb Millionen Quadratkilometer ungeordneter, intellektuell inaktiver Wucherungen, für die man auch noch immensen Erhaltungsaufwand betrieb! Temperatur, Wasser, unterschiedliche Gasgemische, vermutlich angepasste Schwerkrafterzeuger, abgestimmte Nährstoffzufuhr, Abtransport zerfallenden Biomaterials ... ihm wurde schwindelig.
»Wer tut so etwas?«, murmelte er. »Und vor allem: weshalb?«
»Der Zweck der Horchenden Welten besteht darin«, erinnerte Perry Rhodan, »die Transponderdaten der Emmzu auszuwerten. Damit erfüllen sie eine essenzielle Funktion innerhalb des Verkehrsnetzes der Galaxis Spaphu.«
»Aber dafür kann doch unmöglich eine solche Menge Unkraut notwendig sein!«, protestierte Lato. »Ein ganzer Kunstmond, bedeckt mit nichts als Pflanzen!«
Die Gefährten schienen seine Empörung nicht zu teilen. Rhodan schmunzelte sogar, während er sich in seinem Sitz zurücklehnte und die Hände hinter dem Kopf verschränkte. »Glücklicherweise ist intelligentes Leben nicht gezwungen, sich auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Es kann sich auch am Schönen erfreuen.«
Lato starrte auf das Holo und versuchte, zu erkennen, was an dieser biologischen Halde schön sein könnte. Je nach Biotop wäre bereits die Bewegung durch den morastigen Untergrund, den die dortigen Pflanzen bevorzugen mochten, eine Qual. Von hoher Luftfeuchtigkeit, stacheligen Gewächsen und penetrantem Gestank bestäubungswilliger Flora ganz abgesehen.
Sein Blick kehrte zum Ringwulst zurück, dem einzigen Element der Konstruktion, das Erholung versprach. Dort dockten ständig Schiffe an oder hoben ab. Ein Pendelverkehr wob ein Verkehrsnetz zwischen SAGHIK, einer Vielzahl kleinerer Orbitalstationen, dem Planeten und Raumern, die das System besuchten.
»RA, kannst du aus dem Funkverkehr ermitteln, welchen Zwecken die Station dient?«, fragte Shema Ghessow.
»Die Auswertung der Positionsdaten von den Emmzu-Transpondern ist das definitorische Merkmal einer Vai, die auch die Kolloquialbezeichnung Horchende Welt für diese Einrichtungen motiviert. SAGHIK dient zudem der botanischen Forschung, der Produktion von Nahrung und Arzneimitteln, als Arche für vom Aussterben bedrohte Pflanzen, der Zucht neuer Arten sowie deren Anpassung auf zu besiedelnde Habitate. Sekundär sind Funktionen als Handelsknotenpunkt, diplomatische Begegnungsstätte, militärischer Stützpunkt und Ziel touristischer Ausflüge.«
»Es gibt intelligente Lebensformen, die sich freiwillig in diesem Dschungel aussetzen lassen?« Latos Stimme kippte. »Zur ... Erholung?«
Shema lachte, und Rhodan grinste.
»Da muss es doch von Keimen wimmeln!«, entsetzte sich Lato. »Und nach einem solchen Ausflug hat man sein Verständnis des Universums kein bisschen erweitert.«
»Das Universum besteht aus wesentlich mehr als hyperphysikalischen Gleichungen«, gab Rhodan zu bedenken. »Auch unser Gehirn ist darauf ausgelegt, sinnliche Eindrücke zu verarbeiten.«
»Ja, aber ... wir sollten doch die Möglichkeiten nutzen, die unser Potenzial über das von Tieren erheben!«
Er sah von Shema zu Rhodan und wieder zurück.
»Was machst du eigentlich, um dich zu entspannen?«, fragte Shema.
»Am liebsten berechne ich Auffaltungsanomalien in Hyperraumgleichungen«, antwortete er. »Etwa bei Septadimknäueln, die über Sextadimfäden mit dem Quintadimraum verbunden sind, wie Doktor Ulahb sie beschrieben hat. Ich weiß«, abwehrend hob er eine Hand, »ihre Existenz ist spekulativ. Aber wenn es sie gibt, sind die Verwirbelungen, die sie erzeugen, äußerst faszinierend. Für einige der sich aufdrängenden Gleichungssysteme hat noch niemand eine Lösung gefunden, die mit den Rachow-Axiomen vereinbar wäre!«
Shema kratzte ihren Hinterkopf. »Tja, das macht mir auch zu schaffen.«
»Das lässt einem keine Ruhe! Wenn man den intellektuell feigen Weg der Variablenreduktion vermeidet, gerät man ...«
RA erzeugte ein Holo, in dem zehn Sekunden heruntergezählt wurden.
Rhodan blendete oberhalb der Darstellung von SAGHIK eine Kontrollkurve von den Rohdaten zu den Sensormessungen im relevanten Hyperenergieband ein.
Die Ausschläge kamen exakt zur vorausberechneten Zeit. Hunderttausende von ihnen. RA übersetzte die einlaufenden Signale für menschliche Ohren in ein helles Knistern. Eine Signalwelle, die durch ganz Spaphu schwappte, alle 173 Minuten. Sie baute sich auf, erreichte ein Plateau, sank wieder ab. Insgesamt währte das Phänomen nur 45 Sekunden.
»Der Pulsschlag des Kondors«, flüsterte Shema.
Schweigend beobachteten sie die Gerade, aus der sich keine Ausschläge mehr erhoben.
»Erstaunlich, dass Pflanzen so etwas fertigbringen, nicht wahr?«, meinte Rhodan.
»Kybernetisch aufgewertete Pflanzen«, erinnerte...
Erscheint lt. Verlag | 10.8.2023 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan-Erstauflage |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-6234-0 / 3845362340 |
ISBN-13 | 978-3-8453-6234-2 / 9783845362342 |
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