Alles, was mein kleiner Sohn über die Welt wissen muss (eBook)
192 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29943-9 (ISBN)
Bestsellerautor Fredrik Backman hat eine ebenso hinreißende wie humorvolle Liebeserklärung an seinen kleinen Sohn geschrieben, in der er diesem alles erklärt, was er in den ersten Lebensjahren und darüber hinaus über die Welt wissen muss. Und warum Vatersein das größte Abenteuer von allen ist.
Fredrik Backman ist mit über 20 Millionen verkauften Büchern einer der erfolgreichsten Schriftsteller Schwedens. Sein erster Roman »Ein Mann namens Ove« wurde zu einem internationalen Phänomen; die Verfilmung mit Rolf Lassgård war für zwei Oscars nominiert, es gibt zudem ein Remake mit Tom Hanks. Auch Fredrik Backmans folgende Romane eroberten die obersten Ränge der Bestsellerlisten in Deutschland, Schweden, den USA und vielen anderen Ländern. Sein Werk wurde bisher in 46 Sprachen übersetzt und zu großen Teilen verfilmt. Der Autor lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Solna bei Stockholm.
Was du über Toilettenbeleuchtung wissen musst, die von Bewegungsmeldern aktiviert wird
Ja. Ich bin also dein Papa. Ich merke, dass du das so langsam begreifst. Bis jetzt bist du ja mehr oder weniger einfach mitgelaufen und hast uns anderen die Arbeit allein überlassen, aber soweit ich weiß, bist du nun also eineinhalb Jahre alt und kommst folglich in ein Alter, in dem man dir Dinge beibringen kann. Verschiedene Tricks und so was. Ich sehe die Sache positiv, das kann ich dir gleich sagen.
Denn ich will, dass du begreifst, dass die Sache mit dem Elternsein gar nicht so einfach ist, wie es scheint. Man muss an unheimlich viele Dinge denken. Wickeltaschen. Autositze. Ein zweites Paar Handschuhe. Kacke. Kacke ganz besonders. Man muss sich wahnsinnig viel um Kacke kümmern. Das ist jetzt gar nicht persönlich gemeint. Da kann man alle Leute fragen, die kleine Kinder haben. Im ganzen ersten Lebensjahr, da dreht sich alles im Leben eigentlich nur um Kacke.
Man riecht sie. Dann wieder bleibt sie aus. Dann entdeckt man sie. Die aromatische Sensation von Kacke. Warten auf Kacke. Ganz ehrlich, ich kann dir gar nicht sagen, wie viel Zeit seines Lebens man damit zubringt, auf die Kacke zu warten, wenn man ein Kind bekommen hat.
»Wollen wir los? Okay! Hat er denn schon? Wie? Was hast du gesagt? Er hat noch nicht? Scheiße. Okay, okay. Ganz mit der Ruhe, keine Panik. Wie spät ist es denn? Wollen wir noch abwarten? Oder es einfach versuchen und hoffen, dass wir es vorher schaffen? Wir probieren es! Okay? Doch nicht? Und wenn es passiert, während wir unterwegs sind? Du hast recht. Okay. Ruhe mal, ich muss nachdenken! Okay, aber wenn wir nun hierbleiben und darauf warten, und dann kommt nichts, was machen wir dann? Wollen wir es drauf ankommen lassen und einfach losgehen? Und dann passiert es unterwegs, und wir sagen nur: ›Mist! Wären wir sofort losgegangen, hätten wir es vorher geschafft!!!‹«
So ist es den ganzen Tag, wenn man sich fortgepflanzt hat. Der ganze Alltag wird von der Kackelogistik beherrscht. Plötzlich redet man völlig unbefangen mit wildfremden Menschen über Kacke. Ihre Konsistenz, die Farbe, und wann sie kommt. Kacke an den Klamotten. Kacke, die sich in den Fugen zwischen den Fliesen im Bad festsetzt. Man fängt an, über das metaphysische Erlebnis der Kacke zu diskutieren. Hievt es auf eine akademische Ebene. Als ein paar Forscher aus der Schweiz mit der Nachricht an die Öffentlichkeit gingen, sie hätten einen bislang unentdeckten Partikel gefunden, der sich schneller als das Licht bewege, und die ganze Welt sich den Kopf zerbrach, woraus dieser Partikel bestehen könne, da sahen alle Kleinkindeltern ihre Partner an und sagten nur: »Kacke. Kann eigentlich nur Kacke sein.«
Aber das Schlimmste ist gar nicht die Kacke selbst. Am schlimmsten ist es, wenn man es nicht weiß. Wenn man diese kurzen Zuckungen im Gesicht seines Kindes betrachtet und dann: »Hat sie jetzt …? Es sah aus, als ob sie …, aber vielleicht hat sie auch nur eine Grimasse geschnitten? Oder … nur gepupst? Guter Gott, das hier ist ein Ryanair-Flugzeug, sag, dass es nur ein Pups war!« Und dann muss man diese fünf Sekunden abwarten. Und das sind die längsten fünf Sekunden im ganzen Universum, das kann ich dir sagen. Die Zeit zwischen zwei Sekunden kommt dir vor wie zehntausend Ewigkeiten und die Dauer eines lebensbejahenden, französischen Dramas. Und dann, endlich, als wäre es eine dieser Szenen aus Matrix, wo die Zeit immer langsamer wird, dann kommt dieser Geruch. Und das fühlt sich an, als ob man einen nassen Sack Beton ins Gesicht bekommt. Dann folgt dieser Spazierweg zum Wickelraum, wie damals, als die aufbegehrenden Sklaven im Kolosseum gegen Löwen kämpfen mussten. Ich kann dir sagen, wenn man dann zurückkommt, fühlt man sich so, wie sich die Krieger gefühlt haben müssen, als sie sich auf den Heimweg nach Rom gemacht haben, nachdem sie die Barbaren besiegt haben. Aber beim Einmarsch ist man nur unter einem Namen bekannt: Gladiator.
Wenn du älter bist, werde ich dir von der allerersten Kacke erzählen. Der Urkacke. Alle Babys machen das an ihrem ersten Tag nach der Geburt. Die ist nämlich rabenschwarz. Als ob das Böse selbst geschissen hätte. Und das ist kein Witz.
Und klar, du fragst dich wahrscheinlich, warum ich jetzt damit anfange. Aber ich will nur, dass du die Zusammenhänge verstehst. Kacke ist ein Teil der Welt, weißt du. Und heutzutage, wo die Umwelt und die Nachhaltigkeit so wichtig sind, muss man doch wissen, welche Rolle Kacke in einem größeren Zusammenhang spielt. Welche Bedeutung Kacke für die modernen Technologien hat.
Denn weißt du, die Welt hat nicht immer so ausgesehen. Es gab eine Zeit vor der Elektronik und den Computern. Als ich klein war, wenn man da einen Film gesehen hat und nicht darauf kam, wie dieser eine Schauspieler hieß, da gab es keine Möglichkeit, es herauszufinden! Kannst du dir das vorstellen? Man hatte keine andere Wahl, als auf den nächsten Tag zu warten und in die Bibliothek zu gehen und es da nachzuschlagen. Ich weiß. Total krank. Oder man musste einen Freund anrufen und den fragen. Aber jetzt stell dir das mal vor: Da konnte es passieren, dass man nach zehn Klingelsignalen den Hörer wieder auflegen musste und sagte: »Nee, er war nicht zu Hause.« Nicht ZU HAUSE, verstehst du, was ich meine?
Das war eben eine andere Zeit. Und dann kam diese ganze Technologie. Internet und Handy und Touchscreens und so ein Kram, und deshalb steht meine Generation nun unter einem Wahnsinnsdruck, seit wir Eltern sind. Alle anderen Generationen vor uns konnten alles darauf schieben, dass sie es »nicht besser wussten«. Unsere Eltern machen das heute noch. Wein getrunken in der Stillzeit? »Wussten wir nicht besser.« Zimtschnecken zum Frühstück? Nicht angeschnallt auf dem Rücksitz? LSD in der Schwangerschaft? »Ach, mein Lieber, das WUSSTEN wir doch nicht besser. Das war schließlich in den Siebzigern, weißt du. Da war das völlig ungefährlich!«
Aber meine Generation weiß alles, okay? Wir wissen ALLES! Also, wenn mit deiner Entwicklung irgendwas schiefläuft, dann bin ich dafür verantwortlich. Es wäre juristisch völlig unhaltbar zu denken, ich hätte in gutem Glauben gehandelt. Ich hätte die Angelegenheit ja googeln können. Ich hätte sie googeln müssen. Mein Gott, warum habe ich nicht gegoogelt?
Mist.
Ich will einfach keine Fehler machen. Das ist alles. Meine ganze Generation ist so aufgewachsen, dass sie sich auf ein oder zwei Sachen spezialisiert hat. Wir haben Webshops und Steuervorteile für Hauseigentümer und Personal Trainer und Apple-Support-Hotlines. Wir versuchen es nicht allein, wir rufen jemanden an, der sich auskennt. Die Natur hat uns auf euch nicht vorbereitet.
Also googeln wir. Lesen Forumsbeiträge. Wir rufen in der Notaufnahme an, weil ihr beinahe mit dem Kopf an die Tischkante geknallt wärt, und fragen, ob das psychische Schäden verursachen könne, denn wir wollen nicht riskieren, dass ihr in 16 Jahren mit 0 Punkten in Mathe dasteht und wir uns fragen, ob das vielleicht am posttraumatischen Stress liegt. Wir wollen nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass ihr nächtelang draußen wart und mit euren Laserwaffen und fliegenden Autos gespielt habt, statt für die Schule zu lernen!
Weil wir euch liebhaben.
Und allein darum geht es. Wir wollen, dass aus euch bessere Menschen werden. Denn wenn unsere Kinder keine besseren Menschen werden, was hat das Ganze dann für einen Sinn? Wir wollen, dass ihr besser, klüger, demütiger, großzügiger und selbstloser werdet als wir. Wir wollen die allerbesten Voraussetzungen dafür schaffen, mit aller Kraft. Also halten wir uns an Einschlafmethoden und belegen Kurse und kaufen ergonomische Badewannen und brüllen Autositzverkäufer an: »Den sichersten! Ich will den SICHERSTEN haben, kapierstdudas?« (Nicht, dass ich das getan hätte, du darfst deiner Mama nicht alles glauben.)
Wir überwachen eure Kindheit mit Kameras, so dass das Big-Brother-Haus einem im Vergleich wie ein Wunder der Privatsphäre vorkommt, wir gehen zum Babyschwimmen und kaufen atmungsaktive, geschlechtsneutrale Funktionskleidung. Wir haben eine fast krankhafte Angst, einen Fehler zu machen. Eine unbeschreibliche Panik, nicht zu genügen. Weil wir, bevor wir Kinder bekommen haben, als die größten Egoisten in der Weltgeschichte unterwegs waren, und erst jetzt gemerkt haben, wie mickrig und klein wir in Wirklichkeit sind.
Die Einsicht, dass man von diesem Zeitpunkt an all seine Atemzüge durch die Lungen eines anderen tut, beutelt einen umso mehr, je unvorbereiteter sie einen trifft.
Dabei wollen wir euch doch nur beschützen. Euch alle Enttäuschungen und Entbehrungen und jeden Liebeskummer ersparen. Wir haben wirklich keinen Schimmer, was wir da eigentlich tun, Kinder zu bekommen ist in vielerlei Hinsicht, als würde man versuchen, in einem Porzellangeschäft Bagger zu fahren. Mit Gipsbein. Und Tarnmaske. Sternhagelvoll.
Aber wir versuchen es trotzdem. Goddammit. Weil wir die besten Eltern sein wollen, mit aller Kraft. Das ist alles.
Also googeln wir. Wir googeln alles.
Und wir kümmern uns um die Umwelt. Denn schließlich haben wir die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen und all dieser Mist. Und wir glauben diesen Mist auch noch! Wir sind bereit, dafür zu kämpfen! Also kaufen wir bessere Autos. Trennen den Müll. Wir installieren kleine Bewegungsmelder an allen Lampen, damit sie automatisch ausgehen, wenn man das Zimmer verlässt. Aber manches geht einfach zu weit. Wir tun das alles natürlich nur mit den allerbesten Absichten, aber manchmal wollen wir einfach zu viel. Manchmal ist meine Generation so schrecklich...
Erscheint lt. Verlag | 14.12.2022 |
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Übersetzer | Stefanie Werner |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Saker min son behöver veta om världen |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2022 • Bestseller aus Schweden • eBooks • Ein Mann namens Otto • Geschenk für Eltern • Geschenk für Väter • Liebeserklärung Vater • Neue Männlichkeit • Neuerscheinung • Roman • Romane • Schweden • Tom Hanks • Vaterschaft • Vater-Sohn-Beziehung |
ISBN-10 | 3-641-29943-8 / 3641299438 |
ISBN-13 | 978-3-641-29943-9 / 9783641299439 |
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