Die verlorene Tochter (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46722-0 (ISBN)
Schon als Kind träumte Soraya Lane davon, Schriftstellerin zu werden. Heute ist ihr Traum wahr geworden. Ihr Zuhause ist eine ständige Quelle der Inspiration, denn Soraya Lane lebt mit ihrem Mann und den beiden gemeinsamen Söhnen umgeben von vielen Tieren auf einer kleinen Farm in Neuseeland. Mehr Informationen unter: sorayalane.com
Schon als Kind träumte Soraya Lane davon, Schriftstellerin zu werden. Heute ist ihr Traum wahr geworden. Ihr Zuhause ist eine ständige Quelle der Inspiration, denn Soraya Lane lebt mit ihrem Mann und den beiden gemeinsamen Söhnen umgeben von vielen Tieren auf einer kleinen Farm in Neuseeland. Mehr Informationen unter: sorayalane.com
3
Lily saß im Wartebereich der Kanzlei von Williamson, Clark & Duncan, eine Zeitschrift auf dem Schoß, in der sie zu lesen vorgab. Sie blickte auf, als eine junge Frau hereinkam, und beobachtete, wie sie am Empfang stehen blieb und in gedämpftem Ton mit der freundlichen Assistentin sprach. Bevor sich die Frau umdrehte, senkte Lily schnell wieder den Blick auf ihre Zeitschrift. Es war seltsam: Nur ein Mann saß im Wartebereich, alle anderen Anwesenden waren Frauen in ihrem Alter, die schweigend dasaßen und in Zeitschriften blätterten.
Sie schaute auf die Uhr und schlug die Beine übereinander, als eine Stimme ihre Aufmerksamkeit erregte.
»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie alle als Gruppe anspreche«, sagte die Assistentin in diesem Moment, »aber könnten mir bitte Lily, Georgia, Claudia, Ella, Blake und Rose folgen?«
Lily wechselte Blicke mit einigen der anderen und fragte sich, was um alles in der Welt hier vor sich ging.
»Haben Sie eine Ahnung, was das hier soll?«, flüsterte Lily einer gut aussehenden blonden Frau zu, die neben ihr ging.
Die Blonde schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich frage mich allmählich, warum ich überhaupt gekommen bin.«
»Wir waren wohl alle neugierig«, sagte eine andere Frau, und Lily lächelte, als sie ihren Blick auffing. »Vielleicht sind wir hier, um Millionen zu erben! Oder wir werden entführt. Wie auch immer, ich bin insgeheim davon überzeugt, dass es sich um einen Betrug handelt.«
Lily lachte. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie in einer Anwaltskanzlei in Paddington mit verglasten Büroräumen kein grausames Ende nehmen würde, aber sie teilte die Skepsis.
Schließlich wurden sie in einen großen Konferenzraum geführt, in dem ein langer Tisch stand. Am Kopfende des Tisches erwartete sie ein gut gekleideter Mann in einem grauen Anzug. Zu seiner Linken saß eine Frau Mitte dreißig, ebenso tadellos gekleidet. Sie trug eine Seidenbluse zu einer schwarzen Hose mit hoher Taille, das Haar zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Trotz ihres schicken Äußeren wirkte sie nervös und blickte mit großen Augen um sich.
Nachdem Lily sich auf den ihr zugewiesenen Platz gesetzt hatte, verteilte die Assistentin, die sie in den Raum geführt hatte, Unterlagen. Niemand rührte zunächst Kekse, Kaffee oder Getränke an, die in der Mitte des Tisches standen, auch nicht, als die Assistentin sie dazu einlud, etwas davon zu nehmen.
Der Mann im grauen Anzug stand auf und ergriff lächelnd das Wort: »Ich möchte Sie alle herzlich willkommen heißen und Ihnen für Ihr Kommen danken«, sagte er. Sein Haar war grau, eine Nuance heller als sein Anzug, und wenn er sprach, wirkte er deutlich jünger. »Sie werden festgestellt haben, dass Sie heute zu sechst hier sind, und obwohl ich weiß, wie ungewöhnlich dies für Sie sein muss, war es in diesem Fall doch sinnvoll, Sie alle als Gruppe einzuladen.«
Lily musterte ihn, fragte sich zum hundertsten Mal, was hier vor sich ging.
»Ich bin John Williamson, und dies ist meine Klientin Mia Jones. Es war ihr Vorschlag, Sie alle heute hier zusammenzubringen, um dem Wunsch ihrer Tante Hope Berenson zu entsprechen. Unsere Kanzlei hat auch sie vor vielen Jahren vertreten.«
Lily griff nach dem Papier vor sich und strich mit den Fingern an den Rändern entlang, während sie zuhörte.
»Mia, möchten Sie jetzt übernehmen?«
Mia nickte und stand auf.
»Ich möchte mich ebenfalls bei Ihnen allen für Ihr Kommen bedanken und mich gleich entschuldigen, falls ich mich verhaspele: Ich bin es nicht gewohnt, vor so vielen Leuten zu sprechen«, begann sie mit einem nervösen Lächeln. »Ich muss gestehen, ich war schon den ganzen Morgen schrecklich aufgeregt.«
Lily lächelte, und es war fast so, als ob alle im Raum kollektiv ausatmeten und ein Teil der Anspannung von ihnen abfiel.
»Wie Sie gerade gehört haben, war Hope Berenson meine Tante. Sie hat lange Zeit ein privates Heim für unverheiratete Mütter und ihre Babys hier in London geführt, das Hope’s House. Sie war bekannt für ihre Diskretion, aber auch für ihre Güte, trotz der schwierigen Umstände in der damaligen Zeit.« Mia blickte sich im Raum um. »Sie fragen sich sicher, warum ich Ihnen das alles erzähle, aber glauben Sie mir, es wird bald einen Sinn ergeben.«
Lily beugte sich vor. Was konnte ihre Großmutter mit diesem Hope’s House zu tun haben? Soweit sie wusste, hatte sie nur ein Kind gehabt – ihren Vater. Gab es da draußen in der Welt noch ein anderes Kind aus den jüngeren Jahren ihrer Großmutter? Oder reichte die Verbindung weiter zurück?
»Das Haus steht schon seit vielen Jahren leer, aber nun soll es abgerissen werden, um Platz für eine neue Wohnsiedlung zu schaffen, also bin ich noch einmal dorthin zurückgegangen, um einen letzten Blick hineinzuwerfen und ein paar Sachen mitzunehmen.«
Lily blickte zu den anderen Frauen am Tisch, die alle Mia ansahen, die meisten mit gerunzelter Stirn oder hochgezogenen Augenbrauen, als ob auch sie versuchten, ihre persönliche Verbindung zu diesem Haus zu erahnen.
»Und was hat dieses alte Haus nun mit uns zu tun?«, fragte eine junge Frau mit braunen Haaren, die Lily gegenübersaß.
»Tut mir leid, damit hätte ich anfangen sollen«, entschuldigte Mia sich verlegen, erhob sich und ging zu einem Tisch im hinteren Teil des Raumes. »Im Büro meiner Tante, wo sie auch die Akten und so etwas aufbewahrte, lag ein Teppich, von dem ich wusste, dass meine Mutter ihn sehr geliebt hatte. Also wollte ich zumindest den Teppich mitnehmen und sehen, ob ich ihn nicht irgendwo gebrauchen konnte, statt ihn den Entrümplern zu überlassen. Als ich den Teppich aufrollte, sah ich etwas zwischen den Bodendielen glitzern. Und da ich nun mal bin, wie ich bin, bin ich noch einmal mit Werkzeug zurückgekommen, um nachzusehen, was sich da unter den Dielen befand.«
Ein Schauer durchlief Lily, und sie schluckte. Gespannt wartete sie auf den Rest der Geschichte und beobachtete, wie Mia eine kleine Schachtel von dem hinteren Tisch nahm.
»Als ich die erste Diele losgehebelt hatte, sah ich zwei staubige kleine Schachteln, und als ich die zweite beiseitezog, waren da noch mehr, alle in einer Reihe und mit einheitlich per Hand beschrifteten Etiketten versehen. Erst konnte ich mir keinen Reim darauf machen, was ich da entdeckt hatte, aber als ich sah, dass auf jeder Schachtel ein Name stand, wusste ich, dass ich sie nicht öffnen durfte, wie neugierig ich auch sein mochte.« Sie lächelte, als sie aufschaute und jeder von ihnen in die Augen sah, bevor sie fortfuhr. »Ich habe diese Schachteln mitgebracht, um sie Ihnen zu zeigen. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass meine Neugier Sie alle heute hier zusammengebracht hat.«
Vorsichtig holte Mia eine Schachtel nach der anderen nach vorne und reihte sie vor sich auf. Lily reckte den Hals, um die Aufschriften zu sehen. Und da erblickte sie es, klar und deutlich: Patricia Rhodes. Ungläubig schaute sie zu Mia auf, während der Anwalt das Wort ergriff. Warum steht der Name meiner Großmutter auf einer dieser Schachteln?
»Als Mia diese Schachteln fand, hat sie sie zu mir gebracht, und wir sind die alten Unterlagen ihrer Tante durchgegangen. Die Akten waren akribisch geführt, und obwohl sie eigentlich privat bleiben sollten, haben wir uns entschieden, nach den Namen auf den Schachteln zu suchen, um zu sehen, ob wir sie nicht ihren rechtmäßigen Besitzern zukommen lassen können.«
»Haben Sie eine davon geöffnet?«, fragte Lily und begegnete Mias Blick.
»Nein.« Mias Stimme wurde leiser als zuvor. »Deshalb habe ich Sie alle heute hergebeten, damit Sie selbst entscheiden können, ob Sie sie öffnen wollen oder nicht.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich weiß nicht, warum meine Tante die Schachteln nicht schon zu Lebzeiten ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben hat. Ich hielt es für meine Pflicht, es zumindest zu versuchen, und nun liegt es an Ihnen, ob sie versiegelt bleiben oder nicht.«
Lily verspürte den überwältigenden Drang aufzustehen und Mia in den Arm zu nehmen, doch dann sah sie, wie sich ihr Rücken straffte und der Moment der Verletzlichkeit so schnell verging, wie er gekommen war.
»Was wir nicht wissen«, sagte der Anwalt, stützte die Hände auf den Tisch und erhob sich langsam, »ist, ob es noch weitere Schachteln gab, die im Laufe der Jahre verteilt wurden. Entweder hatte Hope einen Grund, warum sie diese sieben nicht herausgegeben hat, oder niemand hat Anspruch darauf erhoben.«
»Oder sie fand es aus irgendeinem Grund besser, sie versteckt zu halten«, fügte Mia hinzu. »In diesem Fall habe ich vielleicht etwas aufgedeckt, das eigentlich hätte verborgen bleiben sollen.«
Der Anwalt räusperte sich. »Ja. Aber was auch immer der Grund ist, meine Pflicht ist es jetzt, sie ihren rechtmäßigen Besitzern auszuhändigen, oder in diesem Fall den Erben ihrer rechtmäßigen Besitzer.«
»Und Sie haben keine Ahnung, was da drin ist?«, fragte jemand von der gegenüberliegenden Seite des Tisches.
»Nein, das haben wir nicht«, antwortete Mia.
»So interessant das alles auch klingt, ich muss zurück zur Arbeit«, warf eine gut aussehende, dunkelhaarige Frau ein, die am weitesten von allen anderen entfernt saß. »Wenn Sie mir bitte die Schachtel mit dem Etikett Cara Montano reichen könnten, dann bin ich schon weg.«
Lily war überrascht, wie desinteressiert die Frau wirkte; sie hingegen brannte darauf, die Schachtel ihrer Großmutter zu öffnen und zu sehen, was sie enthielt.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte der Anwalt. »Falls Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren.«
Die Frau nickte, aber angesichts ihres Gesichtsausdrucks...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2023 |
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Reihe/Serie | Die verlorenen Töchter | Die verlorenen Töchter |
Übersetzer | Sigrun Zühlke |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Adoption • adoption roman • Bäckerei • Ballett • Balletttänzerin • Die verlorenen Töchter • Familie • Familiengeheimnis • Familiengeschichten • Familiengeschichten Romane • Familienroman • Familiensaga • Familiensaga Italien • Frauenbücher • Frauenhaus • Frauenromane • Gebäck • Geheimnis • geheimnisvolles Erbe • Große Gefühle • Große Liebe • Haselnuss-Plantage • Italien • italien roman • La Scala • Liebe • Liebesgeschichten Bücher • Liebesroman • Liebesromane Italien • London • Lucinda Riley • Mailand • Oper • Opernhaus • Ort zum Glücklichsein • Rezept • roman adoption • romance books • Romane Familiengeheimnisse • Romane für Frauen • Romane Italien • Romane Liebe • Romane zum Träumen • romantische romane • schicksalsromane • Soraya Lane • spannende Romane für Frauen • The Lost Daughter • Unterhaltungsromane für Frauen • verlorene Tochter Band 1 • Wein • weinernte • Weingut • zwei Zeitebenen |
ISBN-10 | 3-426-46722-4 / 3426467224 |
ISBN-13 | 978-3-426-46722-0 / 9783426467220 |
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