Die Richterin und das Erbe der Toten (eBook)
304 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60367-6 (ISBN)
Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute mit ihrer Familie in Bremen. Die Autorin besitzt französische Wurzeln und lebt viele Wochen des Jahres in der Nähe von Nîmes, wo sie Kultur, Land und Leute und das Savoir-vivre Südfrankreichs genießt.
Liliane Fontaine ist der Geburtsname der Krimiautorin und Kunsthistorikerin Liliane Skalecki, die in Saarlouis nahe der französischen Grenze geboren wurde. Sie promovierte an der Universität des Saarlandes in den Fächern Kunstgeschichte und Klassische und Vorderasiatische Archäologie und wohnt heute mit ihrer Familie in Bremen. Die Autorin besitzt französische Wurzeln und lebt viele Wochen des Jahres in der Nähe von Nîmes, wo sie Kultur, Land und Leute und das Savoir-vivre Südfrankreichs genießt.
Kapitel 1
Es war Odile nicht leichtgefallen, überhaupt nichts zu tun, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Der gute Geist im Château de Boncourt und Ziehmutter von Mathilde de Boncourt sah ihrem Geburtstag jedes Jahr mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie freute sich über die große Aufmerksamkeit, die man ihr widmete, aber ihre Küche kampflos Mathilde, Vivienne und Lucette zu überlassen, fiel ihr schwer.
»Nichts da, du versorgst uns tagaus und tagein, kochst, lässt dir die besten Leckereien einfallen, da wirst du dich doch mal einen Tag von uns verwöhnen lassen«, hatte Mathilde gescholten, und Odile hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Da Rémy de Boncourt, Besitzer des Weingutes und graue Eminenz im Hintergrund, und sein Neffe Philippe, der die Geschäfte leitete, am Freitag nach Lyon zur Weinmesse aufbrechen wollten und so das Wochenende für die geplante Feier nicht infrage kam, war beschlossen worden, Odile am Tag ihres Wiegenfestes hochleben zu lassen.
Neugierig war sie alle paar Minuten an der Küchentür erschienen, doch immer wieder mit dem Wedeln eines Geschirrtuchs hinauskomplimentiert worden. Und so saß sie mit einem Buch in der Hand im Salon, als Mathilde hereinkam, um nach ihren Zigaretten zu suchen, die sie auf dem Couchtisch abgelegt hatte.
»Was liest du denn da?«, fragte sie und steckte die Packung ein. Geraucht wurde draußen, ein Gesetz Odiles, dem sie nicht zu widersprechen wagte, es sei denn, sie befand sich in ihrem eigenen Appartement im ersten Geschoss des Schlosses. Dort rauchte sie heimlich, pustete den Rauch ihrer Gauloises blondes aus dem bodentiefen Fenster und wurde doch immer irgendwie von Odile dabei erwischt.
»Die Kindheitserinnerungen von Marcel Pagnol. Bestimmt schon zum hundertsten Mal, aber ich liebe diese Geschichten. Allerdings lese ich jede Seite zweimal. Ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren. Was hat denn vorhin in der Küche so gescheppert?« Odile klappte das Buch zu und legte es weg.
»Nichts Schlimmes passiert. Sébastien hat sich über seine Mutter geärgert, weil die ihn das Eiweiß nicht schlagen ließ. Sie hat an der Schüssel gezerrt, und Sebastien hat plötzlich losgelassen.« Mathilde lachte. »Fast hätte sie sich auf ihren Allerwertesten gesetzt. Die Schüssel ist auf den Boden geplumpst. Gott sei Dank waren noch keine Eiweiße drin.«
»Aha, was macht ihr mit dem Eiweiß? Baisers?«
»Meine liebste Odile, wie kann man nur so neugierig sein.« Mathilde umarmte die ältere Frau und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. »Lass dich doch einfach überraschen.«
»Und die Jungs, was planen die?«
Die Jungs waren die vier Söhne von Philippe und Lucette, die zum Ehrentag von Odile zusammen mit Sébastien ein kleines Theaterstück aufführen wollten. Seitdem Viviennes Sohn, der mit dem Downsyndrom zu Welt gekommen war, im Sommer bei einer Aufführung in der Arena von Nîmes mitgewirkt hatte, stand sein Berufswunsch fest: Er wollte Schauspieler werden. Gar nicht so leicht für einen jungen Mann mit diesem Handicap, hatte die ganze Familie vermutet. Doch Sébastien war hartnäckig geblieben, hatte mit Mathildes Hilfe eine Bewerbung und ein Foto an eine Casting-Agentur geschickt, und tatsächlich hatte er eine winzige Nebenrolle in einem Film bekommen. Die Dreharbeiten würden im nächsten Frühjahr beginnen.
»Odile, das wirst du noch früh genug erfahren. Jetzt halt einfach mal die Füße still, und genieße es, nichts zu tun«, sagte Mathilde streng.
»Gut. Aber, was rieche ich denn da? Da brennt doch hoffentlich nichts an.« Odile hob den Kopf und schnupperte.
»Nein, da kann noch nichts angebrannt sein. Die …, sag mal, willst du mich aufs Glatteis führen? Jetzt hätte ich doch fast verraten, was wir in den Ofen schieben. Versuch das bloß nicht noch mal, du weißt, was auf zu große Neugierde steht.«
»Na, das möchte ich sehen, eine Richterin kriegt mich wegen Neugierde dran«, schnaubte Odile. Ihre Augen blitzten amüsiert. »Mathilde …« Sie wurde plötzlich ernst. »… ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin so gerührt. Du nimmst dir für mich den ganzen Tag frei, wo du doch in Arbeit geradezu ertrinkst.«
»Ach, was, Odile, ich liebe dich. Du bist wie eine Mutter für mich. Es ist selbstverständlich.« Sie setzte sich neben Odile und nahm ihre Hand. »Was wäre ich denn ohne dich und grand-père? Hm?«
Mathildes Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als sie gerade einmal drei Jahre alt gewesen war. Ihr Großvater Rémy und Odile hatten sie großgezogen, ihr die Werte vermittelt, die letztendlich zur Wahl ihres Berufs geführt hatten. Mathilde war Untersuchungsrichterin, juge d’instruction, am Gericht von Nîmes.
Die Tür wurde ein Stück aufgeschoben, und ein brauner Hundekopf äugte herein. Schwanzwedelnd marschierte der Labrador zum Sofa und sprang auf das weiche Kissen, keine zehn Sekunden später folgte ein schwarzer Labrador, der es sich auf dem Teppich vor dem Kamin bequem machte.
»Babou, willst du wohl da runter.« Mathilde wedelte halbherzig mit den Händen, der Hund sah in eine andere Richtung und blieb liegen.
»Wie die kleinen Kinder, wenn er nichts sieht, denkt er, wir sehen ihn nicht«, sagte Odile lachend. »Lassen wir ihn, er ist ein alter Mann geworden, er darf es bequem haben.«
Vom Kamin her war ein Schnarchen zu hören. »Grand-père war mit den Hunden unterwegs. Jetzt hör dir mal an, welches Schnarchkonzert Henri gibt.« Auch vom Sofa ertönte nun ein satter schnaufender Ton. Babou war ebenfalls eingenickt.
Mathilde erhob sich. »So, weiter geht’s, wenn die fünf Gänge fertig werden wollen, muss ich wieder ran.« Mathilde hatte zusammen mit Lucette alte Kochbücher mit Rezepten aus der Region durchforstet, um Odile etwas ganz Besonderes an ihrem Geburtstag auf den Tisch zu zaubern.
»Mon Dieu, fünf Gänge. Auch wenn ich das Gefühl habe, ich müsste selbst in der Küche stehen, so bin ich doch ein wenig stolz darauf, dass ihr euch alle so viel Mühe wegen meines Geburtstags gebt. Aber weißt du, was das schönste Geschenk für mich ist, meine kleine Mathilde?«
Mathilde konnte es sich denken. »Das habe ich nur für dich getan«, neckte sie Odile und schlang mit einer eleganten Bewegung ihre lockigen rotblonden Haare, das Erbe ihrer Urahnin aus der Normandie, mit einem Haargummi, den sie aus der Hosentasche zog, zu einem Pferdeschwanz zusammen.
»Nein, im Ernst, ich freue mich so. Rachid ist zum ersten Mal an meinem Geburtstag Gast an unserer Familientafel. Weißt du, ich habe eine Zeit lang gedacht, du und Martin … Das hätte mir auch gefallen. Aber ihr beide, du und Rachid, ihr seid so ein schönes Paar.«
Es hatte geraume Zeit gedauert, bis sich Mathilde über ihre Gefühle für Commandant Rachid Bouraada klar geworden war. Und seit dem Hitzesommer diesen Jahres wussten sie, dass sie zusammengehörten. Martin Endress, der Reiseschriftsteller aus Deutschland, der jetzt in Saint-Fons in direkter Nachbarschaft zum Weingut lebte, war ihr engster und bester Freund, und er gönnte Mathilde ihr Glück von ganzem Herzen, auch wenn er zugeben musste, dass er sehr verliebt in sie gewesen war. Rachid war Mathildes vertrautester Mitarbeiter, und sie hatten in den Jahren ihrer Zusammenarbeit so manchen kniffeligen Fall zusammen gelöst. Er war ihr Fels in der Brandung, sowohl was die berufliche Seite wie nun auch ihr Privatleben anbelangte. Mathilde war glücklich.
Als Rachid sich von Mathilde verabschiedete, war es weit nach Mitternacht.
»Und ich kann dich wirklich nicht überreden, mit in die Stadt zu kommen?« Er hielt ihre Hände und musterte sie zärtlich.
»Ich kann Vivienne und Lucette nicht mit dem ganzen Durcheinander alleine lassen. Wir sehen uns morgen.« Sie küsste ihn und stemmte dann die Arme in die Seiten. »Mir tut alles weh vom Lachen.«
Odile war komplett aus dem Häuschen geraten. Fünf Gänge, nur für sie, und einer köstlicher als der andere. Croquettes de brandade als Entrée, dazu ein Glas Champagner, Terrine de lapin à la farigoule, Soupe de courge et de châtaignes aux truffes, als Hauptgang Cailles aux raisins und zum krönenden Abschluss eine Charlotte à la...
Erscheint lt. Verlag | 30.3.2023 |
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Reihe/Serie | Ein Fall für Mathilde de Boncourt |
Ein Fall für Mathilde de Boncourt | Ein Fall für Mathilde de Boncourt |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Band 6 • Bannalec • COSY • Ermittlungen • frankreich-krimi • Französische Krimis • Krimi Frauen • Kriminal-Romane • Krimireihe • Krimi-Reihe • Krimi-Serie • Krimi Top 10 • Madame le Commissaire • Madame le Juge • Neuerscheinung 2023 • Nimes • Provence-Krimi • Regionalkrimi • Richterin • Sophie Bonnet • Spannung • Südfrankreich • Taschenbuch • Urlaubskrimi |
ISBN-10 | 3-492-60367-X / 349260367X |
ISBN-13 | 978-3-492-60367-6 / 9783492603676 |
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