Going Back - Wo fing das Böse an? (eBook)
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60393-5 (ISBN)
Gillian McAllister schreibt schon, solange sie denken kann. Sie studierte Anglistik, bevor sie als Anwältin arbeitete und in jeder freien Minute, oft auch auf dem Arbeitsweg, an ihren Romanen schrieb. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und lebt in Worcestershire in der Nähe von Birmingham. All ihre Thriller wurden in Großbritannien zu Sunday Times-Bestsellern, ihre Bücher wurden bereits in über zehn Sprachen übersetzt. Gillian McAllister ist die Gründerin und Co-Moderatorin des beliebten britischen Podcasts »Honest Authors«. »Going Back« ist das erste Buch der Autorin, das auf Deutsch erscheint.
Gillian McAllister schreibt schon, solange sie denken kann. Sie studierte Anglistik, bevor sie als Anwältin arbeitete und in jeder freien Minute, oft auch auf dem Arbeitsweg, an ihren Romanen schrieb. Heute arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und lebt in Worcestershire in der Nähe von Birmingham. All ihre Thriller wurden in Großbritannien zu Sunday Times-Bestsellern, ihre Bücher wurden bereits in über zehn Sprachen übersetzt. Gillian McAllister ist die Gründerin und Co-Moderatorin des beliebten britischen Podcasts »Honest Authors«. »Going Back« ist das erste Buch der Autorin, das auf Deutsch erscheint.
Tag null, kurz nach Mitternacht
Jen ist froh, dass die Uhren heute Nacht zurückgestellt werden. Eine gewonnene Stunde, in der sie verschleiern kann, dass sie wach bleibt, um auf die Rückkehr ihres Sohnes zu warten.
Es ist Samstagnacht, kurz nach Mitternacht. Übermorgen ist Halloween. Jen sagt sich, dass Todd achtzehn ist, ihr Septemberbaby ist jetzt erwachsen. Er kann tun und lassen, was er will.
Einen großen Teil des Abends hat sie damit zugebracht, unbeholfen an einem Kürbis herumzuschnitzen. Sie platziert ihn auf dem Sims des großen Fensters mit Blick auf die Einfahrt und zündet die Kerze darin an. Sie hat ihn aus demselben Grund geschnitzt, aus dem sie die meisten Dinge macht – weil sie das Gefühl hatte, sie sollte es tun –, aber auf seine etwas eigene, ausgezackte Art ist er doch recht hübsch geraten.
Sie hört die Schritte ihres Mannes Kelly auf dem Treppenabsatz über sich und wendet sich um. Es ist untypisch für ihn, dass er noch auf ist, denn er ist die Lerche und sie die Nachteule. Er kommt aus dem Schlafzimmer im Dachgeschoss. Sein Haar ist verstrubbelt und wirkt im Halbdunkel schwarzblau. Er trägt kein einziges Kleidungsstück am Leib, nur ein schiefes, belustigtes Lächeln um die Mundwinkel.
Er kommt die Treppe herunter. Ein Lichtstreifen fällt auf das Tattoo am Handgelenk, dort ist ein Datum eingraviert: der Tag im Frühling 2003, an dem er wusste, dass er sie liebt. Jen betrachtet seinen Körper. Ein paar wenige der dunklen Brusthaare sind im letzten Jahr, seinem dreiundvierzigsten, weiß geworden. »Du warst fleißig.« Er deutet auf den Kürbis.
»Alle haben einen gemacht«, ist Jens wenig überzeugte Erklärung. »Die ganze Nachbarschaft.«
»Wen kümmert das schon?«, erwidert er. Typisch Kelly.
»Todd ist noch nicht da.«
»Für ihn ist es noch früh am Abend«, sagt er. Ganz schwach ist sein walisischer Tonfall in den ausbuchstabierten Silben zu erkennen, als stolpere sein Atem über eine Bergkette. »War nicht ausgemacht, dass er erst um ein Uhr nach Hause kommen muss?«
Es ist ein klassischer Dialog zwischen ihnen. Jen macht sich sehr viele Gedanken, Kelly möglicherweise zu wenige. Noch während sie das denkt, dreht er sich um, und da ist er: sein perfekter, vollkommener Hintern, den sie seit fast zwanzig Jahren liebt. Sie wirft einen Blick auf die Straße, hält Ausschau nach Todd, dann sieht sie wieder zu Kelly.
»Die Nachbarn können deinen Hintern sehen«, meint sie.
»Sie werden denken, es ist noch ein Kürbis«, erwidert er mit messerscharfer Schlagfertigkeit. Frotzelei. Das war schon immer ihr Umgangsstil. »Kommst du ins Bett? Ich kann kaum fassen, dass ich mit der Merrilocks-Sache fertig bin«, fügt er gedehnt hinzu. Er hat die ganze Woche den viktorianischen Fliesenboden eines Hauses in der Merrilocks Road restauriert. Allein, ohne Unterstützung, so wie Kelly es am liebsten mag. Er hört sich einen Podcast nach dem anderen an und sieht kaum einen Menschen. Kompliziert und irgendwie unerfüllt, so ist Kelly.
»Ja«, sagt sie. »Bald. Ich will nur wissen, dass er sicher zu Hause ist.«
»Der wird jeden Augenblick mit einem Döner in der Hand auftauchen«, meint Kelly mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Bleibst du auf, um was von den Pommes abzubekommen?«
»Sei still«, sagt Jen lächelnd.
Kelly zwinkert und geht wieder ins Bett.
Ziellos durchstreift Jen das Haus. Sie denkt an den Fall, mit dem sie gerade zu tun hat, eine Scheidung, bei der sich das Paar vordergründig um ein Service streitet, aber im Grunde natürlich über den Treuebruch. Sie hätte ihn nicht annehmen sollen, sie kümmert sich bereits um dreihundert Fälle. Aber Mrs Vichare hatte Jen beim ersten Gespräch angesehen und gesagt: »Wenn ich ihm diese Teller geben muss, dann verliere ich alles, was mir lieb und teuer ist«, und Jen hatte nicht widerstehen können. Sie wünschte, sie würde sich weniger Gedanken machen – um fremde Menschen, die sich scheiden lassen, um Nachbarn und beschissene Kürbisse –, aber sie kann nicht anders.
Sie kocht sich einen Tee und nimmt ihn mit ans Panoramafenster, wo sie ihre Wache fortsetzt. Sie wird so lange warten wie nötig. Beide Enden der Elternschaft – die Jahre mit dem Neugeborenen und die mit dem beinahe Erwachsenen – sind von Schlafentzug geprägt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Das Haus haben sie wegen dieses Fensters gekauft, das exakt in der Mitte des dreistöckigen Gebäudes liegt. »Wie die Könige werden wir von dort hinausschauen«, hatte Jen gesagt, und Kelly hatte gelacht.
Sie blickt in den Oktobernebel, und da, endlich, taucht Todd auf der Straße auf. Jen entdeckt ihn in dem Augenblick, als die Uhr auf dem Handy von 1:59 auf 1:00 zurückspringt. Sie verkneift sich ein Lächeln: Dank der Zeitumstellung ist er nicht zu spät dran. Typisch Todd, er findet die linguistischen und semantischen Kapriolen in der Auseinandersetzung um die vereinbarte Uhrzeit interessanter als die eigentlichen Gründe.
Schnell kommt er die Straße herauf. Er besteht nur aus Haut und Knochen, scheint nie auch nur ein Gramm zuzulegen. Beim Gehen bohren seine Knie Ecken in die Jeans. Der Nebel schluckt die Farben, die Bäume und Bürgersteige sind schwarz, die Luft ein milchiges Weiß. Die Welt besteht aus Grauschattierungen.
Ihre Straße am Ortsrand von Crosby ist unbeleuchtet. Vor dem Haus hat Kelly eine Laterne wie aus dem Land Narnia installiert, als Überraschung für Jen. Die Lampe ist schmiedeeisern und teuer, und Jen hat keine Ahnung, wie er sie sich leisten konnte. Bei Bewegung schaltet sie sich ein.
Aber Halt. Todd hat irgendetwas bemerkt. Abrupt bleibt er stehen und kneift die Augen zusammen. Jen folgt seinem Blick und sieht es auch: Eine Gestalt hastet aus der Gegenrichtung herbei. Der Mann ist älter als Todd, viel älter. Das lässt sich an seinem Körperbau und seinen Bewegungen erkennen. Solche Dinge fallen Jen auf. Schon immer. Das macht sie zu einer guten Anwältin.
Sie legt die heiße Handfläche an die kühle Fensterscheibe.
Etwas stimmt hier nicht. Irgendetwas wird passieren. Das weiß Jen ganz sicher, ohne es benennen zu können. Es ist ihr Instinkt für Gefahren, genauso fühlt sie sich bei Feuerwerken, an Bahnübergängen und Felskanten. Wie Kameraklicks schießen ihr die Gedanken durch den Kopf, einer nach dem anderen nach dem anderen.
Sie setzt die Tasse auf dem Fensterbrett ab, ruft Kelly und rennt die Treppe hinunter, wobei sie immer zwei Stufen auf einmal nimmt. Der gestreifte Läufer unter ihren nackten Füßen ist rau. Sie schlüpft in die Schuhe und hält, die Hand auf dem metallenen Türgriff, eine Sekunde inne.
Was? Was ist das für ein Gefühl? Sie kann es sich nicht erklären.
Ist es ein Déjà-vu? So etwas widerfährt ihr nur selten. Sie blinzelt, und das Gefühl, substanzlos wie Rauch, vergeht. Was war das? Ihre Hand auf dem Messinggriff? Der gelbe Lichtschein vor dem Haus? Nein, sie erinnert sich nicht. Es ist vorbei.
»Was ist?«, fragt Kelly, der hinter ihr auftaucht und sich einen grauen Morgenmantel um die Taille bindet.
»Todd … er ist dort draußen … mit jemandem.«
Sie eilen hinaus. Sofort kühlt die Herbstkälte ihre Haut aus. Jen läuft auf Todd und den Fremden zu. Aber noch bevor sie überhaupt versteht, was passiert, brüllt Kelly: »Stopp!«
Todd rennt und packt den Fremden innerhalb von Sekunden an der Vorderseite seiner Kapuzenjacke. Mit vorgewölbten Schultern steht er vor ihm, ihre Körper dicht aneinandergepresst. Der Fremde steckt eine Hand in die Tasche.
Kelly rennt auf sie zu, panisch sieht er nach rechts und links, die Straße hinauf und hinunter. »Todd, nicht!«, sagt er.
Da bemerkt Jen das Messer.
Das Adrenalin schärft ihren Blick, als sie sieht, was passiert. Ein schneller, akkurater Stich. Und dann verlangsamt sich alles: die Bewegung des Arms beim Herausziehen, die Kleider, die zunächst Widerstand leisten und schließlich das Messer freigeben. Mit dem Messer kommen zwei weiße Federn heraus, die wie Schneeflocken ziellos durch die eisige Luft schweben.
Jen starrt auf das Blut, das hervorquillt, es sind riesige Mengen. Sie hat sich wohl hingekniet, denn sie merkt, wie sich ihr der Kies auf dem Gehweg in die Knie prägt. Sie hält ihn im Arm, öffnet seine Jacke...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2023 |
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Übersetzer | Maria Hochsieder |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Wrong Place, Wrong Time |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | aktuell • Britischer Krimi • Das Böse in ihr • Domestic Noir • Englische Autorin • Erwachsene • Frauen • Mutter-Sohn-Beziehung • Neu • Neuerscheinungen 2023 • New York Times Bestseller • Psychologischer Spannungsroman • Psychologischer Thriller • Psychothriller • Reese's Book Club Pick August 2022 • Reese Witherspoon • Romane • Science Fiction • spannende Bücher • Sunday Times Bestseller • Sunday Times Bestsellerautorin • Thriller • Thriller für Frauen • Thriller Neuerscheinungen 2023 • Thriller über Familie • Thriller über Mutter • TOP 10 • ungewöhnlicher Krimi • weibliche Autorin • Weiblicher Thriller • wrong place wrong time • Zeitreise Bücher • Zeitschleife |
ISBN-10 | 3-492-60393-9 / 3492603939 |
ISBN-13 | 978-3-492-60393-5 / 9783492603935 |
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