Meister der Dschinn (Gewinner des Nebula Award 2021 für Bester Roman & des Hugo Award 2022 für Bester Roman) (eBook)

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2023 | 1. Auflage
576 Seiten
Cross Cult (Verlag)
978-3-98666-335-3 (ISBN)

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Meister der Dschinn (Gewinner des Nebula Award 2021 für Bester Roman & des Hugo Award 2022 für Bester Roman) -  P. Djèlí Clark
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Nebula-, Locus- und Hugo-Award-Gewinner P. Djèlí Clarks umwerfender Debütroman! Kairo, 1912: Fatma el-Sha'arawi ist die jüngste Frau, die je für das Ministerium für Alchemie, Verzauberungen und Übernatürliche Wesen gearbeitet hat. Dennoch ist sie keine blutige Anfängerin, besonders nachdem sie im letzten Sommer die Zerstörung der Welt verhindert hat. Als jemand alle Mitglieder einer geheimen Bruderschaft ermordet, die sich al-Jahiz, einem der berühmtesten Männer der Geschichte verschrieben hat, wird der Fall Agentin Fatma zugeteilt. Al-Jahiz verwandelte die Welt vor vierzig Jahren, als er den Schleier zwischen dieser Welt und der magischen lüftete, bevor er ins Unbekannte verschwand. Der Mörder behauptet, al-Jahiz zu sein, der zurückgekehrt ist, um das moderne Zeitalter für seine sozialen Ungerechtigkeiten zu bestrafen. Seine gefährlichen magischen Fähigkeiten sorgen für Unruhe auf den Straßen von Kairo, die sich weltweit auszubreiten drohen. Zusammen mit ihren Kollegen vom Ministerium und einer Person aus ihrer Vergangenheit muss Agentin Fatma das Geheimnis um diesen Hochstapler lüften, um den Frieden in der Stadt wieder herzustellen - oder die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er genau der ist, der er zu sein vorgibt ...

KAPITEL


1


Archibald James Portendorf konnte Treppen nicht leiden. Lächerlich lang waren sie und führten immerzu aufwärts, als wollten sie ihn veralbern. Manchmal glaubte er sie sogar kichern zu hören. Es wäre nicht beim Kichern geblieben, hätten sie Augen gehabt, um zu sehen, wie er durch seine lockigen rotbraunen Barthaare schnaufte und wie die kurzen Beine unter seinem runden Leib zitterten. Es war geradezu kriminell, dass man in dieser modernen Zeit noch immer duldete, dass Treppen existierten – schließlich gab es Aufzüge, die ihre Passagiere auf komfortable Weise beförderten.

Er blieb stehen, lehnte sich gegen die gigantische Replik einer kupfernen Teekanne, deren Tülle wie ein Schnabel gebogen war, und stellte die Last ab, die er getragen hatte. Schändlich, dass jemand in seinem Alter – in diesem Jahr 1912 war er einundsechzig geworden – noch so etwas über sich ergehen lassen musste. Zu dieser späten Stunde sollte er es sich eigentlich mit einem starken Drink gemütlich machen, statt diese verflixte Treppe hinaufzutrotten!

»Alles für König, Land und Firma«, murrte er.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und wünschte sich, er könnte auch die Nässe auf seinem Rücken erreichen und an anderen unaussprechlichen Stellen, die sein dunkler Anzug zum Glück versteckte. Für November war es warm und in diesem überhitzten Land schien sein Körper vergessen zu haben, wie man nicht schwitzte. Er seufzte und spähte mit müden Augen durch eines der Bogenfenster. Selbst zu dieser Stunde konnte er die schrägen Konturen der Pyramiden ausmachen: Der Stein warf das Licht des Vollmondes zurück, der am schwarzen Himmel prangte.

Ägypten. Das mysteriöse Juwel des Orients, Land der Pharaonen, der legendären Mamluken und zahlloser Wunder. Im Laufe der letzten zehn Jahre hatte Archibald immer wieder drei, vier, sogar sechs Monate am Stück in diesem Land verbracht. Und eins war sicher: Er hatte genug davon.

Er hatte diesen elend heißen, trockenen Ort satt. Dreißig Jahre zuvor war Ägypten reif gewesen, eine weitere Eroberung des Britischen Weltreichs Seiner Majestät zu werden. Nun war das Land zu einer der Großmächte geworden, und Kairo lief London, sogar Paris, rasch den Rang ab. Die Einwohner stolzierten geradezu durch die Straßen und bezeichneten England spöttisch als »öde kleine Insel«. Das Essen hier machte seinem Magen zu schaffen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit hörte man ihre Gebete. Und sie fanden Vergnügen daran, so zu tun, als verstünden sie kein Englisch, obwohl er wusste, dass sie es sehr wohl verstanden!

Dann waren da noch die Dschinn. Widernatürliche Wesen!

Abermals seufzte Archibald und fuhr mit dem Daumen über das lavendelfarbene G, das in sein Taschentuch gestickt war. Georgiana hatte es ihm vor ihrer Hochzeit geschenkt. Sie mochte seine Reisen ebenso wenig wie er, denn sie blieb jedes Mal allein in London zurück, wo sie nichts weiter tun konnte, als Diener herumzuscheuchen.

»Nur noch ein paar Wochen, meine Liebe.« Ein paar Wochen noch, dann wäre er auf einem Luftschiff Richtung Heimat. Wie er es begrüßen würde, seine »öde kleine Insel« wiederzusehen, wo es im November angemessen kalt und verregnet war. Er würde die engen Straßen entlanggehen und jeden üblen Geruch genießen. Zu Weihnachten würde er sich ordentlich betrinken – mit gutem hartem englischem Whisky!

Diese Gedanken hoben seine Stimmung. Er hievte sein Bündel hoch und marschierte weiter, wobei er »Rule, Britannia!« summte. Ein Anflug von Patriotismus konnte es allerdings nicht mit dieser unausstehlichen Treppe aufnehmen. Als er oben ankam, war nichts mehr von seinem Elan übrig. Stolpernd blieb er vor zwei hohen Türflügeln aus dunklem, beinahe schwarzem Holz stehen, die in einen steinernen Torbogen eingefügt waren. Vornübergebeugt hielt er inne, die Hände auf die Knie gestützt, und schnaufte.

Als er sich wieder aufrichtete, hörte er ein schwaches Klirren und legte den Kopf schief. Schon seit Wochen hörte er hin und wieder dieses eigenartige Geräusch – ein fernes Echo, der Klang von Metall, das auf Metall traf. Er hatte die Diener dazu befragt, doch die meisten hatten bisher nichts davon mitbekommen. Diejenigen, die etwas gehört hatten, behaupteten, das seien wahrscheinlich unsichtbare Dschinn, die in den Wänden lebten, und empfahlen ihm, etwas aus der heiligen Schrift zu rezitieren. Nichtsdestotrotz musste das Geräusch doch irgendwoher …

»Portendorf!«

Bei dem Ruf straffte sich Archibald unwillkürlich. Er strich sich das Jackett glatt und wandte sich den beiden Männern zu, die auf ihn zuschritten. Beim Anblick des ersten musste er sich beherrschen, nicht das Gesicht zu verziehen.

Wesley Dalton wirkte auf Archibald wie die Karikatur eines aristokratischen Edwardianers: das goldene Haar ordentlich gescheitelt, der Schnurrbart zu feinen Spitzen gewachst, seine Züge von den Augenbrauen bis zum Grübchen im Kinn voller überschäumender Selbstsicherheit. Zusammengenommen wirkte das alles einfach nur ekelerregend. Der jüngere Mann kam auf ihn zu und verpasste ihm einen deftigen Schlag auf den Rücken, der ihn fast umwarf.

»Dann komme ich wohl nicht als Einziger zu spät zur Soiree der Firma! Ich dachte schon, ich müsste mich bei dem alten Herrn entschuldigen. Aber wenn ich zusammen mit dem kleinen Kaiser reingehe, dürfte mich das vor einer Tracht Prügel bewahren!«

Archibald lächelte steif. Portendorf war schon seit Jahrhunderten ein englischer Name, der noch dazu ursprünglich aus Österreich stammte, nicht aus Deutschland. Aber es war schlechtes Benehmen, sich über einen Scherz zu entrüsten. Er grüßte Dalton und gab ihm die Hand.

»Bin gerade aus Fayyum hergeflogen«, berichtete Dalton. Das erklärte seine Aufmachung: ein hellbrauner Pilotenanzug, die Hosenbeine in schwarze Stiefel gestopft. Wahrscheinlich hatte er einen dieser Zwei-Mann-Segelapparate geflogen, die hier so beliebt waren. »Mir wurden Informationen über eine interessante Mumie mitgeteilt, die einen genaueren Blick wert sei. Hat sich aber als Schwindel erwiesen. Einheimische hatten sie aus Stroh und Gips gebastelt, können Sie sich das vorstellen?«

Archibald konnte es sich sogar sehr gut vorstellen. Dalton war besessen von Mumien: Er brauchte sie, um seine Theorie zu beweisen, dass die alten Herrscher Ägyptens in Wahrheit flachsblonde Verwandte der Angelsachsen gewesen seien, die über die dunkleren Horden ihres Reichs geherrscht hatten. Archibald war nicht weniger Rassist als alle anderen, doch selbst er fand solche Behauptungen unsinnig und hanebüchen.

»Moustafa«, fuhr Dalton fort, wobei er sich die Handschuhe abstreifte, »manchmal denke ich, es macht dir Spaß, mich auf solche törichten Expeditionen zu schicken.«

Archibald hatte den zweiten Mann beinahe vergessen, der still wie ein Möbelstück dastand. Moustafa war Daltons Diener, wenngleich es sich zunehmend schwierig gestaltete, Einheimische für diese Art von Arbeit zu finden. Mumien waren schwer zu bekommen, seitdem das Parlament Ägyptens den Handel mit ihnen eingeschränkt hatte. Dennoch gelang es Moustafa immer wieder, irgendeinen Anhaltspunkt für Dalton aufzutreiben – nur erwies sich jede Suche als fruchtlos und, so vermutete Archibald, äußerst kostspielig.

»Ich bemühe mich nur, Ihnen zu dienen, Mr Dalton«, sagte Moustafa in abgehacktem Englisch. Er nahm die Handschuhe entgegen, faltete sie und ließ sie in seinem blauen Gewand verschwinden.

Dalton brummte ungehalten. »Alle halten sie die Hand auf für ein kleines bisschen Bakschisch. Genauso schlimm wie die Schmuddelkinder in London, und wenn man sie lässt, ziehen sie einen aus bis aufs Hemd.« Moustafas Blick wanderte zu Archibald, ein kaum merkliches Lächeln auf den vollen Lippen.

»Ach, nein!«, rief Dalton. »Ist das etwa … der Gegenstand?«

Hastig hob Archibald das Bündel auf. Er hatte beim Kauf doch recht viel feilschen müssen und würde nicht zulassen, dass der Mann das kostbare Ding betatschte.

»Sie können es sich später zusammen mit allen anderen ansehen«, erklärte er.

Auf Daltons Miene spiegelten sich Enttäuschung und ein wenig Ärger wider. Doch dann zuckte er mit den Schultern. »Natürlich. Würden Sie dann erlauben?« Die schweren Türflügel schabten über Stein, als er sie aufzog.

Der Raum jenseits des Durchgangs war rund, die Wand mit Mustern verziert: Gold, Beige, Grün und Umbrabraun auf königsblauem Untergrund. Die glatte Oberfläche schimmerte im Licht des Messinglüsters, in den nach arabischer Art kleine Sterne geschnitten waren. An den Seiten standen Reihen aus Säulen, verbunden durch längs...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2023
Übersetzer Bernd Sambale
Verlagsort Ludwigsburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Ägypten • Alchemie • Dschinn • Fantasy • Kairo • lgbtqia+ • Magie • Mystery • Science Fiction • Steampunk
ISBN-10 3-98666-335-5 / 3986663355
ISBN-13 978-3-98666-335-3 / 9783986663353
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