Gallant (eBook)
352 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491591-3 (ISBN)
Victoria (V. E.) Schwab ist die Autorin der »Shades of Magic«-Trilogie, des Bestsellers »Das unsichtbare Leben der Addie LaRue« und des Gothic-Fantasy-Romans 'Gallant'. Ihre Werke wurden in über vierundzwanzig Sprachen übersetzt. Sie wurde 1987 als Kind einer englischen Mutter und eines amerikanischen Vaters geboren und ist seitdem von unstillbarem Fernweh getrieben. Wenn sie nicht gerade durch die Straßen von Paris streunt oder auf irgendeinen Hügel in England klettert, sitzt sie im hintersten Winkel eines Cafés und spinnt an ihren Geschichten.
Victoria (V. E.) Schwab ist die Autorin der »Shades of Magic«-Trilogie, des Bestsellers »Das unsichtbare Leben der Addie LaRue« und des Gothic-Fantasy-Romans "Gallant". Ihre Werke wurden in über vierundzwanzig Sprachen übersetzt. Sie wurde 1987 als Kind einer englischen Mutter und eines amerikanischen Vaters geboren und ist seitdem von unstillbarem Fernweh getrieben. Wenn sie nicht gerade durch die Straßen von Paris streunt oder auf irgendeinen Hügel in England klettert, sitzt sie im hintersten Winkel eines Cafés und spinnt an ihren Geschichten. Petra Huber ist Übersetzerin aus dem Russischen und Englischen. Sie hat unter anderem Katherine Addison und V. E. Schwab ins Deutsche übertragen. Sara Riffel studierte Amerikanistik, Anglistik und Kulturwissenschaft in Berlin und arbeitet seit vielen Jahren als freiberufliche Übersetzerin und Lektorin. Zu ihren Autoren gehören William Gibson, Anthony Ryan und Joe Hill.
Gruselstoff vom Feinsten
Eine düstere, hochspannende Geschichte für alle Fantasy-Fans.
Superb geschrieben, hübsch aufgemacht mit Tagebuch-Seiten und Illustrationen, ein griffiges Hardcover – wie könnte man sich der Buchmagie dieses Werks von V. E. Schwab entziehen?
[E]ine gruselige Geistergeschichte ganz eigenständiger Art, die sich ihre Veröffentlichung als illustriertes hochwertiges Hardcover redlich verdient hat.
Ein sprachgewaltiger, atmosphärischer Roman.
Die Schattenwelt, die sie erschaffen hat, ist eindrucksvoll.
Ich fands unglaublich gut. Ich glaube, das ist bisher mein Lieblingswerk von Victoria.
1
Regen trommelt wie Finger auf den Gartenschuppen.
Es wird Gartenschuppen genannt, aber in Wahrheit gibt es auf dem Gelände von Merilance keinen Garten, und von einem Schuppen kann eigentlich auch kaum die Rede sein. Einer welkenden Pflanze gleich neigt er sich zur Seite, aus billigem Blech und modrigem Holz gebaut. Der Fußboden übersät mit vergessenen Werkzeugen, Scherben zerbrochener Blumentöpfe und den Stummeln gestohlener Zigaretten, und Olivia Prior steht mittendrin in der nach Rost riechenden Dunkelheit und wünscht sich, sie könnte schreien.
Den Schmerz des frischen roten Striemens auf ihrer Hand in Lärm verwandeln und den Schuppen umwerfen, so wie sie es mit dem Kochtopf in der Küche tat, an dem sie sich verbrannt hat. Auf die Wände einschlagen, was sie auch gern mit Clara gemacht hätte, weil die den Herd angelassen und auch noch unverschämt gekichert hat, als Olivia keuchend den Topf losließ. Der weiß glühende Schmerz, die rot glühende Wut, der Ärger der Köchin über den ruinierten Kartoffelbrei, und Clara, die mit spitzen Lippen sagte: »Allzu schlimm kann es nicht gewesen sein, sie hat keinen Mucks gemacht.«
Olivia wäre der anderen direkt an die Gurgel gegangen, hätte ihre Handfläche nicht so gebrannt und wäre die Köchin nicht dagewesen, um sie wegzuzerren, und hätte der kleine Triumph nicht eine Woche Strafe nach sich gezogen. Also hat sie das Nächstbeste getan und ist aus der stickigen Gruft gestürmt, verfolgt vom wütenden Gebrüll der Köchin.
Und jetzt steht sie im Gartenschuppen und wünscht sich, sie könnte so viel Lärm machen wie der Regen auf dem niedrigen Blechdach, einen der verwahrlosten Spaten nehmen und damit gegen die dünnen Metallwände hämmern, um sie zum Klirren zu bringen. Aber das würde jemand hören, und dann würden sie kommen und sie hier finden, in diesem kleinen, gestohlenen Versteck, und ihr bliebe keine Zuflucht mehr. Vor den Mädchen. Vor den Gouvernanten. Vor der Schule.
Sie hält den Atem an und drückt ihre verbrannte Hand gegen die kühle Blechwand, bis der Schmerz etwas abebbt.
Der Schuppen selbst ist kein Geheimnis.
Er steht hinter der Schule, jenseits des Schotterwegs, am Ende des Grundstücks. Über die Jahre hat eine Handvoll Mädchen versucht, ihn für sich zu beanspruchen, um heimlich darin zu rauchen, zu trinken oder rumzuknutschen, aber die meisten kommen nur einmal und dann nie wieder. Er ist ihnen zu gruselig, sagen sie. Feuchte Erde und Spinnweben, und noch etwas anderes, ein unheimliches Gefühl, bei dem sich einem die Nackenhaare sträuben, auch wenn man nicht weiß, warum.
Doch Olivia weiß es.
Es hat mit dem toten Ding in der Ecke zu tun.
Oder jedenfalls was davon übrig ist. Kein echtes Gespenst, nur ein paar Lumpen, eine Handvoll Zähne und ein einzelnes, schläfriges Auge, das in der Dunkelheit schwebt. Es bleibt stets am Rand ihres Blickfelds und huscht wie ein Silberfischchen davon, sobald sie in seine Richtung schaut. Aber wenn sie ganz still steht und nur nach vorn sieht, schälen sich vielleicht ein Wangenknochen und eine Kehle heraus. Dann schwebt das Ding näher, blinzelnd und lächelnd, und seufzt ihr ins Ohr, schwerelos wie ein Schatten.
Natürlich hat sie sich schon gefragt, wer es einmal war, als es noch Haut und Knochen hatte. Das Auge schwebt in der Luft, höher als ihre eigenen, und einmal erhaschte sie einen Blick auf einen Hutrand, einen zerschlissenen Rocksaum und dachte, es sei vielleicht eine Gouvernante gewesen. Auch wenn es jetzt keine Rolle mehr spielt. Jetzt ist es bloß noch ein Ghul, der hinter ihrem Rücken lauert.
Verschwinde, denkt sie, und womöglich kann er ihre Gedanken hören, denn er zuckt zusammen und verzieht sich wieder in die Finsternis, lässt sie in dem tristen, kleinen Schuppen allein zurück.
Olivia lehnt sich mit dem Rücken an die Wand.
Als sie noch kleiner war, stellte sie sich gerne vor, dies sei ihr Zuhause, und nicht Merilance. Vater und Mutter seien nur kurz hinausgegangen und sie solle hier drinnen saubermachen. Natürlich würden sie wiederkommen.
Sobald das Haus fertig war.
Damals hat sie Staub und Spinnweben fortgekehrt, die Tonscherben aufgestapelt und Ordnung in die Regale gebracht. Aber ganz gleich, wie gründlich sie den kleinen Schuppen aufräumte, nie war er sauber genug, und sie kamen nicht zurück.
Sein Zuhause wählt man sich selbst. Diese sechs Worte stehen einzeln auf einer Seite im Buch ihrer Mutter, umgeben von so viel weißem Papier, dass sie sich wie ein Rätsel ausnehmen. Eigentlich wirkt alles, was ihre Mutter geschrieben hat, wie ein Rätsel, das auf eine Lösung wartet.
Inzwischen klingt der Regen nicht mehr wie hämmernde Fäuste, sondern eher wie das leise, unregelmäßige Tippen gelangweilter Finger, und Olivia tritt seufzend aus dem Schuppen.
Draußen ist alles grau.
Der graue Tag verschwimmt bereits mit einer grauen Nacht; dünnes graues Licht schwappt gegen den grauen Schotterpfad, der die grauen Steinmauern der Merilance School for Independent Girls umgibt.
Das Wort »Schule« beschwört Bilder von sauberen Holztischen und kratzenden Bleistiften herauf. Von Gelehrsamkeit. Tatsächlich lernen sie auch etwas, aber es ist eine oberflächliche Bildung, auf rein praktische Dinge ausgerichtet. Wie man einen Kamin reinigt. Wie man einen Brotlaib formt. Wie man die Kleider anderer Leute flickt. Wie man in einer Welt existiert, die einen nicht will. Wie man als Geist im Haus anderer lebt.
Merilance nennt sich zwar Schule, doch in Wahrheit ist es eine Anstalt für die Jungen, die Wilden und die Glücklosen. Die Waisen und Unerwünschten. Wie ein Grabstein ragt das schmucklose graue Gebäude in den Himmel auf, weder von Parks noch von weitläufigen Rasenflächen umgeben, sondern von den öden, eingesunkenen Fassaden der anderen Gebäude am Stadtrand, deren Schornsteine Rauch ausröcheln. Mauern gibt es keine und auch kein Eisentor, nur einen leeren Steinbogen, der zu sagen scheint: Du kannst gerne gehen, wenn du eine andere Zuflucht kennst. Aber wenn man geht – und ab und zu tut es eines der Mädchen –, ist man danach nicht mehr erwünscht. Einmal im Jahr, manchmal öfter, hämmert ein Mädchen, das zurückkehren möchte, verzweifelt an die Tür, und die anderen lernen daraus, es ist schön und gut von einem glücklichen Leben und einem Zuhause zu träumen, in dem man willkommen ist, aber selbst ein düsterer Grabstein von einem Haus ist besser als ein Leben auf der Straße.
Und doch ist Olivia an manchen Tagen in Versuchung.
Dann betrachtet sie den Steinbogen, der wie ein offener Mund am Rand der Schotterfläche gähnt, und denkt was, wenn, denkt ich könnte, denkt eines Tages werde ich.
Eines Nachts wird sie in die Räume der Gouvernanten einbrechen, sich schnappen, was sie finden kann, und damit verschwinden. Dann wird sie zur Vagabundin, zur Zugräuberin, zur Einbrecherin oder Trickbetrügerin, wie die Männer in den Groschenheftchen, die Charlotte ständig irgendwo herbekommt, Geschenke eines Jungen, mit dem sie sich einmal die Woche am Rand des Schottergrabens trifft. Einhundert verschiedene Zukünfte malt Olivia sich aus, doch abends ist sie immer noch hier, steigt in das schmale Bett in dem überfüllten Schlafsaal in dem Haus, das kein Zuhause ist und niemals sein wird. Und morgens erwacht sie ebendort.
Olivia schlurft über den Hof zurück, mit einem steten Sch-sch-sch gleiten ihre Schuhe über den Schotter. Ihr Blick ist zu Boden gerichtet, auf der Suche nach Farbe. Wenn es viel geregnet hat, zwängen sich ab und zu ein paar grüne Halme zwischen den Steinen hervor, oder eine Schicht hartnäckigen Mooses klammert sich an einen Pflasterstein, doch diese trotzigen Farben bleiben nie lange bestehen. Die einzigen Blumen sind im Büro der Hausmutter zu finden, und selbst die sind künstlich und verblichen, die seidenen Blütenblätter längst grau von Staub.
Doch als sie um die Ecke geht, zu der Seitentür, die sie offen gelassen hat, entdeckt sie einen Tupfer Gelb. Ein kleines blühendes Unkraut, das zwischen den Steinen hervorlugt. Sie kniet sich hin, ohne auf den Schotter zu achten, der sich ihr in die Knie bohrt, und streicht mit dem Daumen behutsam über die winzige Blüte. Gerade als sie sie pflücken will, hört sie Schuhe über den Schotter stampfen und das vertraute Rascheln und Seufzen der Röcke einer Gouvernante.
Sie sehen alle gleich aus, die Gouvernanten, in ihren einst weißen Kleidern mit den einst weißen Gürteln. Aber sie sind es nicht. Da ist Gouvernante Jessamine mit ihrem verkniffenen Lächeln, als lutsche sie an einer Zitrone, Gouvernante Beth mit den tief liegenden Augen und Tränensäcken, und Gouvernante Lara mit einer Stimme hoch und schrill wie das Pfeifen eines Teekessels.
Und dann ist da noch Gouvernante Agatha.
»Olivia Prior!«, donnert sie ärgerlich schnaufend. »Was tust du da?«
Olivia hebt die Hände, obwohl sie weiß, dass es nichts bringt. Gouvernante Sarah hatte ihr die Zeichensprache beigebracht, was so lange gut ging, bis Gouvernante Sarah die Schule verließ. Keine der anderen machte sich die Mühe, sie zu erlernen.
Jetzt ist es egal, was Olivia sagt. Niemand versteht es zuzuhören.
Agatha starrt sie an, während sie mit den Händen formt: Ich plane meine Flucht. Aber mittendrin wedelt die Gouvernante bereits ihrerseits ungeduldig mit den Händen.
»Wo … ist … deine … Kreidetafel?«, fragt sie laut und langsam, als sei Olivia schwerhörig. Was sie nicht ist. Die Kreidetafel dagegen, die steckt hinter einer Reihe Marmeladengläser im Keller, und...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2023 |
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Übersetzer | Petra Huber, Sara Riffel |
Zusatzinfo | 8 s/w-Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | All Age Fantasy • Crossover Fantasy • Dark Fantasy • Fantasy Bestseller • Fantasy Buch 2023 • Fantasy für Frauen • Fantasy für Jugendliche • Feministische Fantasy • Gothic • Gothic novel • literarische Fantastik • Romance • ya fantasy |
ISBN-10 | 3-10-491591-1 / 3104915911 |
ISBN-13 | 978-3-10-491591-3 / 9783104915913 |
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