Pinocchios Abenteuer. Die Geschichte einer Holzpuppe (eBook)

Reclam Taschenbuch
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2022 | 1. Auflage
202 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962065-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pinocchios Abenteuer. Die Geschichte einer Holzpuppe -  Carlo Collodi
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Als der Holzschnitzer Geppetto gebeten wird, aus einem Stück Holz eine Marionette zu schnitzen, staunt er nicht schlecht, als die Holzpuppe plötzlich zum Leben erwacht. Er nimmt die Puppe an wie einen Sohn, doch der schelmische Pinocchio macht es ihm nicht leicht: Immer wieder gerät er auf Abwege oder lässt sich von seiner Neugier zu allerlei Abenteuern verleiten. Bösartige Puppenspieler, gerissene Tiere und andere magische Gestalten begleiten seine Reise, an deren Ende er erkennt, was es braucht, um ein »echter Junge« zu werden. Carlo Collodi, der zu früh starb, um den Erfolg seines Kinderbuchklassikers mitzuerleben, schuf mit Pinocchio eine literarische Figur, die Kindern wie Erwachsenen zeigt, was Güte, Freundschaft und Ehrlichkeit bedeuten. - Mit einer kompakten Biographie des Autors.

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II
III
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VI
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VIII
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XXIII
XXIV
XXV
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XXVII
XXVIII
XXIX
XXX
XXXI
XXXII
XXXIII
XXXIV
XXXV
XXXVI

Anhang
Zu dieser Ausgabe
Nachwort
Zeittafel

XXIV


Pinocchio gelangt zur Insel der »fleißigen Bienen« und findet die Fee wieder

Von der Hoffnung beflügelt, seinem armen Vater helfen zu können, schwamm Pinocchio die ganze Nacht hindurch.

Und was war das für eine schreckliche Nacht! Es goss in Strömen, es hagelte und donnerte fürchterlich, und zwischendurch blitzte es taghell.

Gegen Morgen konnte er unweit einen ausgedehnten Landstrich erkennen. Es war eine Insel mitten im Meer.

Jetzt setzte er alles daran, um an den Strand zu gelangen, aber vergeblich. Die Wellen jagten und überschlugen sich und warfen ihn einander zu, als sei er bloß ein Ästchen oder ein Strohhalm. Schließlich, und zu seinem Glück, rollte eine gewaltige und mächtige Welle heran und schleuderte ihn mit aller Wucht auf den Sandstrand.

Er wurde so heftig an Land geschleudert, dass ihm alle Rippen und Gelenke krachten. Aber er tröstete sich gleich und sagte:

»Auch dieses Mal bin ich heil davongekommen!«

Unterdessen klarte der Himmel allmählich auf, die Sonne strahlte in ihrer ganzen Pracht, und das Meer wurde ganz ruhig und glatt wie Öl.

Da breitete der hölzerne Junge seine Kleider zum Trocknen in der Sonne aus und hielt nach allen Seiten Ausschau, ob er nicht vielleicht auf der riesigen Wasserfläche ein kleines Boot mit einem ganz kleinen Mann darin ausmachen könnte. Aber nachdem er lange seinen Blick hatte umherschweifen lassen, sah er nichts vor sich als Himmel, Meer und ein paar Schiffssegel, die aber, ganz weit in der Ferne, wie Fliegen aussahen.

»Wenn ich doch nur wüsste, wie diese Insel heißt!«, sagte er. »Wenn ich doch nur wüsste, ob diese Insel von freundlichen Leuten bewohnt wird, ich meine von Leuten, die nicht die Unart an sich haben, Kinder an den Ästen der Bäume aufzuhängen! Aber wen könnte ich nur danach fragen? Wen, wenn niemand da ist?«

Die Vorstellung, mutterseelenallein auf einer unbewohnten Insel zu sein, versetzte ihn in tiefe Schwermut, und er wollte schon weinen; da sah er plötzlich unweit vom Ufer einen großen Fisch, der gemächlich seines Weges zog und dabei seinen Kopf aus dem Wasser streckte.

Da der hölzerne Junge seinen Namen nicht kannte, rief er laut, um gehört zu werden:

»Hallo, Herr Fisch, gestattet Ihr mir ein Wort?«

»Auch zwei«, antwortete der Fisch, der ein so höflicher Delphin war, wie man nur selten einem auf den Meeren der Welt begegnet.

»Hättet Ihr die Liebenswürdigkeit, mir zu sagen, ob es auf dieser Insel Dörfer gibt, wo man essen kann, ohne Gefahr zu laufen, selbst gefressen zu werden?«

»Ja sicher«, antwortete der Delphin. »Sogar ganz in der Nähe liegt eines.«

»Und wo muss ich langgehen, um dorthin zu kommen?«

»Du schlägst den kleinen Fußweg zu deiner Linken ein und gehst immer geradeaus der Nase nach, so kannst du es nicht verfehlen.«

»Sagt mir noch etwas anderes. Ihr zieht doch Tag und Nacht durch das Meer, seid Ihr zufällig einem kleinen Boot mit meinem Vater begegnet?«

»Und wer ist dein Vater?«

»Er ist der beste Vater der Welt, wie ich der schlimmste Sohn bin, den es geben kann.«

»Bei dem Unwetter heute Nacht«, antwortete der Delphin, »ist das kleine Boot wohl gesunken.«

»Und mein Vater?«

»Den wird der schreckliche Haifisch verschlungen haben, der seit Tagen Tod und Schrecken in unseren Gewässern verbreitet.«

»Ist denn dieser Haifisch sehr groß?«, fragte Pinocchio, der jetzt vor Angst zitterte.

»Und ob der groß ist!«, erwiderte der Delphin. »Damit du dir eine Vorstellung von ihm machen kannst, sage ich dir, dass er größer als ein fünfstöckiges Haus ist und einen so breiten und tiefen Schlund hat, dass darin bequem ein Eisenbahnzug samt dampfender Lokomotive Platz fände.«

»Du liebes bisschen!«, rief der hölzerne Junge entsetzt. Eilig und hastig zog er sich wieder an, wandte sich dem Delphin zu und sagte:

»Auf Wiedersehen, Herr Fisch, entschuldigt die Störung und tausend Dank für Eure Güte.«

Nach diesen Worten schlug er den Pfad ein. Er ging so behände, dass man hätte meinen können, er liefe. Und beim geringsten Geräusch drehte er sich gleich um, aus lauter Angst, von dem schrecklichen Haifisch verfolgt zu werden, der so groß war wie ein fünfstöckiges Haus und in seinem Maul einen Eisenbahnzug hatte.

Nach einer halben Stunde Weges kam er in einem Dorf an, das man das Dorf der fleißigen Bienen nannte. Die Straßen wimmelten nur so von Leuten, die geschäftig hin und her eilten. Alle arbeiteten sie, alle hatten sie etwas zu tun. Nirgendwo ein Müßiggänger, nirgendwo ein Herumtreiber, selbst wenn man ihn mit der Laterne gesucht hätte.

»Ich habe verstanden«, sagte da dieser Faulpelz von Pinocchio, »dieses Dorf ist nichts für mich. Ich bin nicht zum Arbeiten geboren.«

Mittlerweile quälte ihn der Hunger, denn er hatte schon über vierundzwanzig Stunden nichts mehr gegessen, nicht einmal ein Wickengericht.

Was tun?

Es blieben ihm nur zwei Möglichkeiten, seinen Hunger zu stillen: entweder eine kleine Arbeit zu suchen oder um ein paar Pfennige oder einen Bissen Brot zu betteln.

Er schämte sich zu betteln, weil sein Vater ihm immer wieder gepredigt hatte, dass nur die Alten und Kranken um ein Almosen bitten dürften. Die wahrhaft Armen dieser Welt, die Unterstützung und Mitleid verdienten, seien nur die, die wegen ihres Alters oder einer Krankheit ihr Brot nicht mehr mit ihrer Hände Arbeit verdienen könnten. Alle anderen hätten die Pflicht, zu arbeiten. Und wenn sie nicht arbeiteten und Hunger litten, dann seien sie selbst schuld daran.

Da kam auf der Straße ein Mann daher, der schwitzend und keuchend ganz allein mit größter Mühe zwei Karren voll Kohle zog.

Pinocchio hielt ihn dem Aussehen nach für einen gutmütigen Mann, er ging auf ihn zu, schlug vor Scham die Augen nieder und sagte leise zu ihm:

»Hättet Ihr die Barmherzigkeit, mir einen Groschen zu geben? Ich sterbe nämlich vor Hunger.«

»Nicht nur einen will ich dir geben«, antwortete der Kohlenmann, »sondern vier, wenn du mir hilfst, die beiden Kohlenkarren bis nach Hause zu ziehen.«

»Na, so was!«, antwortete der hölzerne Junge, fast beleidigt. »Damit Ihr es wisst, noch nie habe ich den Esel gemacht, noch nie habe ich einen Karren gezogen!«

»Umso besser für dich«, antwortete der Kohlenmann. »Nun, mein Junge, wenn du wirklich glaubst, vor Hunger zu sterben, dann schneide dir doch zwei dicke Scheiben von deinem Hochmut ab und pass auf, dass du kein Magendrücken kriegst.«

Ein paar Minuten später kam ein Maurer daher, der auf seinem Rücken eine Kiepe mit Mörtel trug.

»Gnädiger Herr, würdet Ihr einem armen Jungen, der vor Hunger gähnt, einen Groschen geben?«

»Aber gerne. Komm, hilf mir den Mörtel tragen«, erwiderte der Maurer, »und statt eines Groschens will ich dir sogar fünf geben.«

»Der Mörtel ist aber schwer«, antwortete Pinocchio, »und ich will mich nicht anstrengen.«

»Wenn du dich nicht anstrengen willst, nun, mein Junge, dann gähne mal tüchtig weiter und wohl bekomm’s!«

In einer knappen halben Stunde kamen noch zwanzig Leute vorbei, und alle bat Pinocchio um eine milde Gabe, aber alle gaben zur Antwort:

»Schämst du dich nicht? Statt auf der Straße herumzufaulenzen, such dir lieber etwas Arbeit und lerne, dir dein Brot zu verdienen.«

Zuletzt kam eine liebe, gute Frau vorbei, die zwei Wasserkrüge trug.

»Gute Frau, dürfte ich einen Schluck Wasser aus Eurem Krug trinken?«, fragte Pinocchio, der vor Durst brannte.

»Trinke nur, mein Junge«, sagte die gute Frau und stellte die beiden Krüge auf die Erde.

Nachdem Pinocchio das Wasser wie ein Schwamm in sich gesogen hatte, trocknete er sich den Mund ab und murmelte:

»Den Durst habe ich gelöscht. Könnte ich nur meinen Hunger genauso stillen!«

Die freundliche, gute Frau hatte seine Worte vernommen und sagte sogleich:

»Wenn du mir hilfst, die Wasserkrüge nach Hause zu tragen, bekommst du ein schönes Stück Brot.«

Pinocchio besah sich den Krug und sagte weder ja noch nein.

»Und zu dem Brot gibt es noch einen Teller Blumenkohl, angemacht mit Essig und Öl«, fügte die gute Frau hinzu.

Pinocchio warf abermals einen Blick auf den Krug, und antwortete weder mit Ja noch mit Nein.

»Und nach dem Blumenkohl gebe ich dir noch eine köstliche Likörpraline.«

Der Verlockung dieser Schlemmerei konnte Pinocchio nicht mehr widerstehen; er gab sich einen Ruck und sagte:

»Wohlan! Ich trage Euch den Krug nach Hause.«

Der Krug war aber sehr schwer, und weil der hölzerne Junge nicht die Kraft hatte, ihn mit den Händen zu tragen, trug er ihn eben auf dem Kopf.

Zu Hause angekommen, ließ die gute Frau Pinocchio an einem kleinen gedeckten Tischchen Platz nehmen und setzte ihm das Stück Brot, den angemachten Blumenkohl und die Praline vor.

Pinocchio aß nicht, er schlang. Sein Magen war so leer wie eine fünf Monate lang leerstehende und unbewohnte Behausung.

Nachdem sich sein wütender Heißhunger allmählich gelegt hatte, hob er den Kopf, um seiner Wohltäterin zu danken. Er hatte ihr noch kaum ins Gesicht gesehen, da entfuhr ihm ein langes, erstauntes ›Oooh‹, und mit weit aufgerissenen Augen, die Gabel in der Luft und Blumenkohl im Mund, blieb er wie verzaubert.

»Was versetzt dich denn in solches Erstaunen?«, fragte die gute Frau.

»Es ist …«, stammelte Pinocchio, »es ist … es ist … weil Ihr ähnelt … Ihr erinnert mich … ja, jaja, die gleiche Stimme … die gleichen Augen … die gleichen Haare, ja, ja, ja …...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2022
Reihe/Serie Reclam Taschenbuch
Illustrationen Enrico Mazzanti
Nachwort Hubert Bausch
Übersetzer Hubert Bausch
Zusatzinfo 81 Abb.
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Carlo Collodi Geschichte einer Holzpuppe auf Deutsch • Carlo Collodi Geschichte einer Holzpuppe deutsche Textausgabe • Carlo Collodi Geschichte einer Holzpuppe Reclam • Carlo Collodi Geschichte einer Holzpuppe Übersetzung • Carlo Collodi Pinocchio auf Deutsch • Carlo Collodi Pinocchio deutsche Textausgabe • Carlo Collodi Pinocchio Reclam • Carlo Collodi Pinocchios Abenteuer auf Deutsch • Carlo Collodi Pinocchios Abenteuer deutsche Textausgabe • Carlo Collodi Pinocchios Abenteuer Reclam • Carlo Collodi Pinocchios Abenteuer Übersetzung • Carlo Collodi Pinocchio Übersetzung • Geschichte einer Holzpuppe auf Deutsch • Geschichte einer Holzpuppe deutsche Textausgabe • Geschichte einer Holzpuppe Original • Geschichte einer Holzpuppe Reclam • Geschichte einer Holzpuppe Übersetzung • Geschichte einer Holzpuppe Vorlage • Pinocchio auf Deutsch • Pinocchio deutsche Textausgabe • Pinocchio Original • Pinocchio Reclam • Pinocchios Abenteuer auf Deutsch • Pinocchios Abenteuer deutsche Textausgabe • Pinocchios Abenteuer Original • Pinocchios Abenteuer Reclam • Pinocchios Abenteuer Übersetzung • Pinocchios Abenteuer Vorlage • Pinocchio Übersetzung • Pinocchio Vorlage
ISBN-10 3-15-962065-4 / 3159620654
ISBN-13 978-3-15-962065-7 / 9783159620657
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