Die Geliebte des Räubers (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
496 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0574-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Geliebte des Räubers -  Natalie Hallward
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Wem traust du, wenn dein Herz verraten wird?

Deutschland 1802. Die Gebiete links vom Rhein sind gerade erst an Frankreich gefallen und stehen fortan unter französischer Verwaltung. Das bringt für die Bevölkerung neue Pflichten, aber auch neue Rechte. Diese Zeit des Umbruchs ermöglichte es einer Vielzahl von Kriminellen, sich zu Räuberbanden zusammenzuschließen und Land und Leute mit rücksichtsloser Brutalität auszuplündern. Der jungen Lisbeth sind seit einem Überfall auf ihre Eltern die räuberischen Banden verhasst. Als ihr Dorf von Räubern terrorisiert wird, wehrt sich die selbstständige Näherin mit allen Mitteln, über die sie als Frau verfügt, um die Eindringlinge gegeneinander auszuspielen und das Dorf zu befreien. Doch auf welcher Seite steht der Dorfbüttel Johann, der Mann, den sie liebt, und von dem keiner so genau weiß, wer er ist und woher er eigentlich kommt?



Natalie Hallward lebt im hessischen Langen. Unabhängig von der jeweiligen Epoche, in der ihre Romane spielen, faszinieren sie Frauen, die selbstbewusst ihre Ziele verfolgen und dabei ihr humorvolles und emotionales Wesen nicht verlieren. Natalie Hallward ist ein Pseudonym.

1


Der Anblick des niedergebrannten Elternhauses bereitete Lisbeth sofort Atemnot. Die Erinnerungen kehrten zurück, und keine davon war gut.

Im Licht der morgendlichen Frühlingssonne wirkten die Steine der alten Ruine beinahe idyllisch, als wollte es den Schrecken beschwichtigen, den dieser kleine Hof vor acht Jahren so unbarmherzig ereilt hatte. An die zerstörten, dachlosen Mauern klammerte sich Efeu, und seine Ranken schienen sagen zu wollen, dass sie nichts mehr hergaben, was sie sich einmal genommen hatten. Wie der Tod damals auch.

Lisbeth spürte, wie ihr Herz schneller gegen ihre Brust schlug. Es würde sich wohl nie ändern. Wie oft hatte sie vergeblich gehofft, es würde ihr nichts mehr anhaben können, wenn sie nach dem halbstündigen Fußweg vom Dorf hierherkam? Doch der Anblick der vom Feuer immer noch geschwärzten Mauern traf sie jedes Mal aufs Neue. Auch nach so vielen Jahren konnte sie das brennende Holz der Dachbalken immer noch riechen, die glimmenden Funken um ihr Gesicht fliegen sehen und das Geräusch der zusammenkrachenden Scheune hören, als die Flammen gierig alles gefressen hatten, was sie kriegen konnten. Und von allen Seiten die lauten Stimmen der Männer, deren Sprache sie nicht verstand und die sie an ihren dünnen Armen fortzerrten, damit ihre Haare kein Feuer fingen, weil sie zu nahe herangegangen war an das, was einmal ihr Zuhause gewesen war.

Lisbeth wusste, dass es nicht half, die Vergangenheit zu nah an sich herankommen zu lassen. Wichtiger war die Gegenwart, wenn sie eine Zukunft haben wollte. Doch was nutzte der Verstand, wenn er an der Leine der Gefühle hing?

Sie ging um das verfallene Gemäuer herum. Dort, wo sich hinter einer weitläufigen Lichtung die Wiesen bis hoch zu den Roten Wäldern anschlossen, ragte ein verwittertes Holzkreuz aus dem Gras auf. Die eingekerbte Inschrift war verdreckt und kaum leserlich, aber Lisbeth wusste auch so, dass dort der Name ihres Vaters stand. Er hatte das Leben verlassen müssen, ohne Zeit zum Sterben gehabt zu haben.

Sie ging auf die Knie und hob dabei ihre Schürze ein wenig an, damit sie nicht unter dem Rock eingeklemmt wurde. Dann löste sie die Schlaufen ihrer Haube, hängte sie sich über den linken Arm und atmete tief ein. Es tat gut, die leichte Brise zu spüren. Als würde ein gnädiger Wind ihre lähmenden Gedanken einfach mit sich nehmen.

Auf dem Weg hierher hatte sie Feldblumen gepflückt, die sie nun niederlegte. Leise flüsterte sie ein kurzes Gebet, bevor sie sich gleich wieder erhob.

Es tut mir leid, dachte sie, dann wandte sie sich ruckartig um und stapfte zum Feldweg zurück. Sie hatte noch nie die nötige Ruhe in sich getragen, um länger am Kreuz zu verweilen. Das lag nicht allein daran, dass der Leichnam ihres Vaters hier gar nicht begraben war und das Holzkreuz lediglich die Stelle seines Sterbens markierte, sondern vielmehr, weil ihr einfach keine Worte einfallen wollten, um ihre Sprachlosigkeit vertreiben zu können. Und was nutzte es Vater jetzt noch, wenn sie hier war? Vor acht Jahren hätte sie da sein sollen.

»Jemand, den du kennst?«

Lisbeth blieb wie erstarrt stehen.

Der Mann hockte auf einem der Felsen, die den sandigen Weg säumten, und sah ihr unverwandt in die Augen. Instinktiv blickte Lisbeth hastig nach links und rechts, ob er alleine war. Niemand sonst am Weg oder um das Ruinengemäuer. Wie unvorsichtig war sie, derart in grüblerische Gedanken zu versinken. Sie wusste es doch besser, wusste doch, dass der Hattinger mit seiner Bande in dieser Gegend sein Unwesen trieb. Entlang des Rheins bekreuzigten sich die Frauen, wenn sie seinen Namen hörten.

Lisbeths Abscheu dem ganzen Räubergesindel gegenüber war grenzenlos. Seit Jahren marodierten diese unmoralischen, gewissenlosen Mörder zu beiden Seiten des Rheins, raubten fahrende Kaufleute aus und fielen in Dörfer ein. Sie vergewaltigten und stahlen, was sie in die Finger bekamen. Von der Gendarmerie konnten sie nicht gefasst werden, weil sie sich in den tiefen Wäldern verbargen und in sämtlichen Mittelgebirgen besser auskannten als die französischen Soldaten, unter deren Herrschaft die Gebiete auf der linken Rheinseite standen.

Sicher, einige dieser Räuber wie der Bückler Johannes, den sie »Schinderhannes« nannten, genossen zweifelhaften Ruhm in der Bevölkerung. Den Franzosen ein Schnippchen zu schlagen und so für lustige Anekdoten zu sorgen täuschte aber nicht darüber hinweg, dass sie allesamt nichts weiter als gewissenlose Verbrecher und Mörder waren. Die Guillotine stellte eine viel zu milde Strafe dar für all das Leid, das sie über Familien brachten, fand Lisbeth.

»Nun hab dich nicht so«, sagte der Fremde. »Brauchst dich doch nicht vor mir fürchten.«

Und genau jetzt erschien es Lisbeth besonders ratsam, wachsam zu bleiben.

Verstohlen tastete Lisbeth mit einer Hand in ihre Schürzentasche. Ausgerechnet heute hatte sie kein Schneidmesserchen eingesteckt. Sie beobachtete den Fremden genau, ob er ansetzte, sich ihr zu nähern. Wie lange er schon da am Felsen hockte und sie beobachtet hatte, konnte sie nicht sagen, wohl aber, dass er sie auf unverschämte Weise anlächelte.

Ein Grund mehr, vorsichtig zu sein.

»Ich fürchte mich nicht.«

»Und doch überlegst du, was ich dir antun könnte.«

»So wie Sie überlegen sollten, wie gut ich mich wehren könnte.«

Der Fremde lachte auf entwaffnende Weise aus vollem Hals. Zu Lisbeths eigener Überraschung klang es aufrichtig und herzlich.

Er trug eine sansculotte, eine lange Hose aus Leinen, die seit ein paar Jahren auch bei den einfachen Leuten die Kniebundhosen verdrängte. Dazu feste, mit getrocknetem Schlamm verkrustete Stiefel, die aussahen, als hätten sie irgendwann einmal einem Soldaten gehört. Über einem völlig verstaubten weißen Hemd trug er eine dunkle Kurzjacke. Mit einem Hut in der Hand fächelte er sich Luft zu, obwohl die schräg zwischen den Bäumen einfallende Morgensonne noch gar nicht die Wärme der vergangenen Tage erreicht hatte.

»Keine Angst«, sagte er schließlich. »Ich hab nicht vor, dir was zu tun. Ich bin vorbeigekommen und hab dich am Kreuz knien sehen, und … was soll ich sagen? Mir gefiel der Anblick, als dein Jäckchen hochrutschte.«

Lisbeth strich über ihre kurze Schößchenjacke. Diese wurde dadurch natürlich nicht länger, aber der sittliche Anstand blieb wenigstens gewahrt.

Der Fremde fuhr sich mit dem Daumen über seine ausgetrockneten Lippen und das unrasierte Stoppelkinn. Für einen Moment ruhte sein Blick auf Lisbeths Körper, dann schien er sich zu erinnern, dass sie sehen konnte, wohin er blickte, und strich sich eine Strähne seines hellbraunen Haars aus der Stirn. »Wie heißt du?«, fragte er.

»Sag ich nicht.«

»Warum das denn?«

»Ich bin ein zurückhaltender Mensch.«

Er lachte erneut. »Na schön, jeder muss irgendwas sein. Aber vielleicht sagst du mir ja, weshalb du dieses Grab aufsuchst?«

»Ich komm’ hierher, um meinen Zorn nicht zu vergessen.«

Kaum ausgesprochen, ärgerte sich Lisbeth. Was ging es den Fremden an, was sie hier tat? Schließlich hatte sie ihn noch nie in der Gegend gesehen. Weder auf den Feldern als Tagelöhner noch im Wirtshaus unten im Dorf. Er wäre mir vermutlich aufgefallen, gestand sie sich widerstrebend ein. Seine Augen schlugen sie in ihren Bann. Interessiert, nicht aufdringlich, aber stets auf sie gerichtet. Als würde man in die Tiefe eines Brunnens schauen, so dunkel und gleichsam unergründlich waren sie.

Mit einer jähen, fließenden Bewegung rutschte er vom Felsen herunter und stemmte beide Fäuste in die Hüften. Dabei schlug seine Kurzjacke auf, und Lisbeth sah den Griff einer Steinschlosspistole aus seinem Hosenbund ragen. Er bemerkte, dass sie auf die Waffe starrte, kümmerte sich aber nicht weiter darum, sondern ging an ihr vorbei zur Ruine und legte dort eine Hand auf den schwärzesten Stein der Mauer, die einmal die Vorderseite des Hauses gewesen war.

»Hier hat eine Tragödie stattgefunden«, sagte er, und seine Stimme klang angemessen betroffen.

»Sprechen die Steine mit Ihnen?«

Und schon wieder ärgerte sich Lisbeth über sich selbst. Weshalb konnte sie ihre Zunge nicht im Zaum halten? Es war noch nie gut gewesen, vorlaut zu sein, und bei einem Fremden erst recht nicht. Wer wusste schon, wie wankelmütig seine Launen waren?

Der Fremde drehte sich langsam um, sah ihr belustigt in die Augen und stapfte gemächlich zum Weg zurück. »Die Steine sagen mir nur das Offensichtliche«, meinte er. »Du selbst verrätst mir viel mehr.«

»Sie wissen nichts. Weder von mir noch von diesen Mauern hier.«

»Aber ich weiß, dass alle Flüsse ins Meer fließen und kein einziger die Berge hinauf.«

Er schaute sich unentschlossen um, als überlegte er, in welche Richtung er weitergehen sollte. Lisbeth rührte sich nicht von der Stelle. Sie wollte, dass der Fremde zuerst den Platz verließ. Es wäre ihr nicht recht, wenn er wüsste, wohin sie ging. Er neigte den Kopf und blinzelte schräg in die Sonne.

»Scheint ein warmer Tag zu werden.«

Lisbeth erwiderte nichts. Wann ging der Kerl endlich?

»Lebst du hier irgendwo?«

»Von woher kommen Sie?«

Mit einem Schmunzeln gab er ihr zu verstehen, sie mit ihrer Gegenfrage durchschaut zu haben. »Von der rechten Rheinseite komme ich«, sagte er.

»Und warum sind Sie nicht dortgeblieben?«

»Ich traf in Frankfurt auf eine sehr hübsche Frau, mit der ich kurzzeitig Bekanntschaft geschlossen habe.«

...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Code Civil • Die Räuber • Französische Revolution • Frieden von Luneville • Gefühle • Heiliges Römisches Reich Deutscher Nationen • Koalitionskriege • Napoleon • Napoleonische Kriege • Räuberbande • räubertochter • Überfall • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-7499-0574-6 / 3749905746
ISBN-13 978-3-7499-0574-4 / 9783749905744
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