Gespenster-Krimi 106 (eBook)

Die schwarze Galeere

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3937-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gespenster-Krimi 106 - Michael Schauer
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Wie aus dem Nichts stand sie plötzlich vor ihm.
Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel auf ihn herab, das Meer umspielte seine Knöchel, und das Rauschen der Brandung klang wie eine schöne Melodie in seinen Ohren. Doch all das war jetzt vergessen, denn sie zog ihn in ihren Bann. Sie war nackt und von vollkommener Schönheit. Lange blonde Locken fielen ihr über die schmalen Schultern und verdeckten ihre Brüste. Ihre Augen strahlten so blau wie das Meer selbst, und ein feines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Verlangen ergriff ihn. Dann dachte er an seine Liebste, die zu Hause auf ihn wartete, und er drängte es zurück. Sie bedeutete ihm so viel mehr als alles andere auf der Welt.
Die Haut der Fremden war seltsam, fiel ihm auf. Bleich wie die einer Toten. Sie öffnete den Mund und entblößte ebenmäßige weiße Zähne. 'Möchtest du mein Gefährte sein?', fragte sie.
Er starrte sie an. Er wollte nein sagen, doch er konnte es nicht ...


Die schwarze Galeere

von Michael Schauer

Wie aus dem Nichts stand sie plötzlich vor ihm.

Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel auf ihn herab, das Meer umspielte seine Knöchel und das Rauschen der Brandung klang wie eine schöne Melodie in seinen Ohren.

Doch all das war jetzt vergessen, denn sie zog ihn in ihren Bann. Sie war nackt und von vollkommener Schönheit. Lange blonde Locken fielen ihr über die schmalen Schultern und verdeckten ihre Brüste. Ihre Augen strahlten so blau wie das Meer selbst, und ein feines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. Verlangen ergriff ihn. Dann dachte er an seine Liebste, die zu Hause auf ihn wartete, und er drängte es zurück. Sie bedeutete ihm so viel mehr als alles andere auf der Welt.

Die Haut der Fremden war seltsam, fiel ihm auf. Bleich wie die einer Toten. Sie öffnete den Mund und entblößte ebenmäßige weiße Zähne. »Möchtest du mein Gefährte sein?«, fragte sie.

Er starrte sie an. Er wollte Nein sagen, doch er konnte es nicht ...

Sardinien, 64 n. Chr.

Bonza runzelte missmutig die Stirn. Der kleine Mann am Tisch neben der Tür trank zu viel. Mal wieder. Er lag bereits mehr auf seinem Hocker, als dass er saß. Die Ellenbogen hatte er auf dem Tisch abgestützt, mit der rechten Hand umklammerte er seinen Holzbecher, als fürchtete er, jemand könne ihm den Wein entreißen.

Der Blick aus seinen dunklen Augen war trübe, das Gesicht faltig und unrasiert, die breite Nase leicht gerötet. Mit der linken Hand rieb er sich über den kahlen Schädel, wobei er um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte und vom Hocker gefallen wäre.

Petronella kehrte mit dem leeren Tablett hinter den Tresen zurück und fuhr sich mit den Fingern durch ihre schwarzen Locken.

»Die zwei Römer wollen noch einen Krug Wein«, informierte sie ihn.

Mechanisch griff er in das Fach unter dem Tresen und holte einen sauberen Krug hervor. »Caros hat mehr als genug«, sagte er tonlos.

»Da geht es ihm wie mir«, zischte sie.

Bonza verdrehte die Augen, wandte sich aber sicherheitshalber ab, damit sie es nicht sehen konnte. »Was soll denn das schon wieder bedeuten?«, fragte er in einem so gelassenen Tonfall wie möglich.

»Das weißt du sehr genau«, gab sie zurück.

Ihre Stimme hatte diesen gefährlichen, vibrierenden Unterton angenommen, den er nur zu gut kannte. Das bedeutete, dass sie in einer Stimmung war, in der sie dem berüchtigten griechischen Feuer glich. Wenn es einmal loderte, konnte es nicht mehr gelöscht werden. Deshalb war es das Beste, wenn es gar nicht erst entflammte.

»Es ist doch alles in Ordnung«, erwiderte er, ging in die Knie und zapfte aus dem Fass unter dem Tresen den Wein ab.

Leise plätschernd strömte der Rebensaft in den Krug. Die Qualität war mäßig, wie er sehr wohl wusste, aber in dieser Ecke von Sardinien schienen die Menschen sowieso keinen besonderen Wert auf einen guten Tropfen zu legen. Dementsprechend gaben sie auch kein Geld dafür aus, es lohnte sich also nicht, in etwas Besseres zu investieren. Seine römischen Gäste lobten den Wein zudem in höchsten Tönen, vor allem, wenn sie vorher in Germanien stationiert gewesen waren. Daraus schloss er, dass das Zeug, das sie dort ausschenkten, von erlesener Scheußlichkeit sein musste.

Routiniert stellte er den Krug auf das Tablett. Petronella griff danach und kehrte ohne ein weiteres Wort zu dem von den beiden Römern besetzten Tisch zurück. Erleichtert atmete er auf. Obwohl er auch nach zwanzig Jahren Ehe noch immer in sie verliebt war, fand er ihre Streitlust zunehmend bedrückend. Schon in Rom war es manchmal schlimm gewesen, aber seit sie im vergangenen Sommer nach Sardinien gegangen waren, fürchtete er sie regelrecht.

Ihm war bewusst, dass er selbst schuld daran war. Petronella hatte nie hierher gewollt, und all ihre Befürchtungen und Ängste schienen sich erfüllt zu haben.

Die Schenke, die sie in Rom besessen hatten, hatte ordentlich was abgeworfen, doch Bonza war in der riesigen Stadt nie richtig heimisch geworden. Die vielen Menschen, der Gestank und das fortwährende Gedränge in den Straßen und Gassen machten ihn nervös. Es war dort so ganz anders gewesen als in der friedlichen Idylle des Dorfs, in dem er geboren war.

Als er die Nachricht erhalten hatte, dass sein Onkel Molipeter verstorben war und ihm als einzigen lebenden Verwandten seine Taverne vererbt hatte, hatte er die Gelegenheit beim Schopf gepackt, sein eigenes Wirtshaus verkauft und war mit Petronella – ungeachtet ihrer Proteste – zurück in seine Heimat gezogen.

Der glückliche Fisch befand sich an einer Verbindungsstraße zwischen den beiden Dörfern Kalabrus und Fordongianus. Letzteres war im Schatten des gleichnamigen römischen Legionslagers entstanden, und in den Straßen brummte es vor Geschäftigkeit. Wobei das nicht mit den Zuständen in Rom vergleichbar war.

Von Anfang an waren die Geschäfte mehr schlecht als recht gelaufen. Wie sie gleich bei ihrer Ankunft festgestellt hatten, schien sich Molipeter zuletzt nicht mehr besonders um das Haus gekümmert zu haben, die Einrichtung wirkte veraltet und heruntergekommen. Jedoch scheute Bonza die Investition, die nötig gewesen wäre, um den Laden wieder auf Vordermann zu bringen.

Zum anderen hatte er bald herausgefunden, dass es im nahen Fordongianus bereits mehrere Tavernen gab, die natürlich eine starke Konkurrenz darstellten. Die meisten seiner wenigen Gäste waren römische Soldaten, die einen Narren an seinem Wein – oder an dem besonders günstigen Preis – gefressen hatten und deshalb den zwanzigminütigen Fußmarsch zu ihm nicht scheuten.

Doch das waren nur ein paar Handvoll. Einheimische ließen sich noch seltener sehen, und aus dem weiter entfernten Kalabrus kam gar keiner, wenn man von Caros absah. Und der lebte, soweit er da informiert war, nicht im Dorf selbst, sondern in einer Hütte oder Höhle in der Nähe.

Petronella war vom ersten Tag an in ihrem neuen Heim unglücklich gewesen, und mit den Monaten waren die Spannungen zwischen ihnen gewachsen. Sie fühle sich wie eine verdorrende Pflanze, hatte sie ihm ein ums andere Mal vorgeworfen. Sie hasse Sardinien, sie hasse die Menschen hier und ganz besonders hasse sie die Taverne.

Insgeheim hatte Bonza bereits beschlossen, dass sie nach Rom zurückkehren würden, wenn sich an der Situation bis zum Ende des Winters nichts geändert hatte. Auf Dauer konnte er es nicht ertragen, sie leiden zu sehen. Und wenn es sich nicht einmal finanziell lohnte ...

Petronella hatte den Krug bei den Römern abgeliefert und kehrte zum Tresen zurück. Dabei musste sie an Caros' Tisch vorbei. Mit seinem durch unzählige alkoholgeschwängerte Abende erfahrenen Blick sah Bonza das Unheil kommen, doch es ging so schnell, dass er es nicht verhindern konnte. Caros griff nach ihrem Gewand. Seine Finger gruben sich in den groben Stoff und zerrten daran. Ruckartig kam sie zum Stehen. Das leere Tablett entglitt ihrer Hand und landete scheppernd auf dem unebenen Dielenboden. Wütend fuhr sie herum und riss sich dabei los.

»Was fällt dir ein, du widerliche Missgeburt?«, kreischte sie.

»Ich will noch Wein!«, brüllte er. »Du beachtest mich überhaupt nicht.«

Sie bückte sich und hob das Tablett auf. Ihr Gesicht war so rot angelaufen wie die Sonne, wenn sie abends im Meer zu versinken schien. »Du hast genug, du versoffenes Schwein!«, fuhr sie Caros an und holte mit der freien Hand aus.

Er zuckte zurück, aber wenn sie vorgehabt hatte, ihn zu schlagen, hatte sie es sich im letzten Moment anders überlegt. Sie warf ihm einen düsteren Blick zu und verschwand mit schnellen Schritten hinter dem Vorhang neben dem Tresen, der die Treppe zu ihren privaten Räumen vom Schankraum abtrennte.

Bonza seufzte leise. Es würde eine unerfreuliche Nacht werden.

Caros hatte seine Überraschung überwunden. »Ich will Wein!«, heulte er.

»Du hast genug«, donnerte Bonza. »Raus mit dir, und lass dich so bald nicht wieder blicken.«

Er spürte, wie der Zorn in ihm immer stärker zu lodern begann. Nach diesem Vorfall würde es ihn viel Mühe kosten, Petronella zu beruhigen und sie zu überreden, morgen wieder die Arbeit aufzunehmen. In der Ecke neben ihm stand ein Knüppel, für alle Fälle. Wenn der alte Säufer nicht gleich das Weite suchte, würde er ihn zu spüren bekommen.

Caros' Gesicht hatte einen trotzigen Ausdruck angenommen. »Wenn du wüsstest«, rief er mit bebender Stimme. »Ich bin nämlich reich. Reicher als du.«

»Was du nicht sagst.«

»Du glaubst mir nicht, was?«, geiferte er. Speichel sprühte aus seinem Mund, seine Augen rollten wild in ihren Höhlen. »Solltest du aber. Ich hüte einen Schatz. Einen gewaltig großen Schatz. Und wenn du nicht aufpasst, dann kaufe ich mir damit deine verdammte Taverne und jage dich von der Insel.«

Womit du Petronella einen Gefallen tun würdest, dachte Bonza.

»Und ich hüte einen Knüppel«, entgegnete er ungerührt. »Den lasse ich auf deinem...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2022
Reihe/Serie Gespenster-Krimi
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3937-8 / 3751739378
ISBN-13 978-3-7517-3937-5 / 9783751739375
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