Dorian Hunter 108 (eBook)

Der Leichenfledderer

(Autor)

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2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3971-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 108 - Derek Chess
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Sie hatten Deadwood hinter sich gelassen. Captain Benson war betrunken. Er hing vornüber im Sattel und lallte unverständliches Zeug. Seine blaue Uniform war zerschlissen. Die Rangabzeichen hatten sie ihm mit Gewalt entfernt. Er war kurz nach der Schlacht gegen die Mohaves degradiert worden.
»Ho - langsam, Brauner!«, knurrte Jim Bickford und musterte aufmerksam die Gegend. Sein strohiges Blondhaar hing ihm in die Stirn. Quer über seine Wange zog sich eine Messernarbe. Er hob die flache Rechte über die Augen. Die Sonne blendete ihn. »So 'n Wahnsinn! Bei dieser Gluthitze loszureiten! Wir schwitzen Blut und Wasser, bevor wir im Blue Creek Canyon ankommen.«
»Whisky«, lallte der Captain und stierte in die flimmernde Ferne.
Als er den Tonkrug aus der Satteltasche zerrte und ihn mit den Zähnen entkorkte, stieß ihm Bickford den Kolben seiner Winchester in die Seite. Benson schnappte nach Luft und ließ den Krug fallen. Scherben flogen den Abhang hinunter, und die honiggelbe Flüssigkeit versickerte zwischen den heißen Steinen.

1. Kapitel


»Das – wirst du büßen.« Der Captain fingerte nach seinem Colt, bekam die kleine Lederschlaufe jedoch nicht los. Dabei fluchte er wie ein Tobsüchtiger.

»Gib endlich Ruhe«, murmelte Bickford und gab seinem Hengst Schenkeldruck. »Drüben im Canyon haben sie den verrückten Schamanen gesehen. Ich brauche einen Mann, der einen klaren Kopf hat – und keine Schnapsnase.«

»Ich zieh dir aus zwanzig Schritt Entfernung mit 'nem Stück Blei den Scheitel gerade.«

Benson saß kerzengerade im Sattel. Seine Augen waren blutunterlaufen. In diesem Zustand war er unberechenbar. Der zerfranste Armeehut hing ihm in die Stirn.

»Das hab ich gesehen«, bemerkte Bickford spöttisch. »Beinahe hättest du dir in den eigenen Fuß geschossen. Setz dich in Bewegung, sonst kommen wir nie im Canyon an!«

Schwerfällig riss der Captain seine Stute herum. Das Tier schnaubte nervös. Ihm machte die Gluthitze genauso zu schaffen. Der stahlblaue Himmel lastete wie ein Albtraum über dem kahlen Land. Über der Poststraße flimmerte die Luft und erzeugte teuflische Trugbilder.

Bickford wischte sich über die Augen. Die Erlebnisse der letzten Tage zogen an ihm vorüber. Sie hatten die letzten Dollars beim Pokern verloren. Vor sechs Tagen waren sie nach Deadwood gekommen. Sie hatten die fünf Skalps beim Sheriff abgeliefert und zehn Dollar für jeden kassiert. Das war nichts Ungewöhnliches. Seit dem Massaker von 1859 waren die Mohaves vogelfrei. Viele gab es nicht mehr von ihnen. Die meisten waren zusammen mit ihren Häuptlingen in Fort Mohave am Colorado River draufgegangen. Lily Masters hatte ihm in Deadwood die Nächte versüßt; jedenfalls solange er noch ein paar Dollars in den Taschen hatte. Sie war keine Schönheit. Die letzte Quecksilberkur sah man ihr noch deutlich an. Jeder wusste, dass sie eine Perücke trug. Aber ein Mann, der monatelang durch die menschenleere Mojavewüste geritten war, sah darüber hinweg. Für ihn war Lily Masters ein Engel.

Jetzt waren sie wieder auf Skalpjagd.

»Hör mal, Captain«, wandte sich Bickford erneut an seinen Begleiter. »Wenn wir diesmal zehn Rotnasen erwischen, kaufen wir uns vom Erlös der Skalps 'ne Diggerausrüstung. Wir stecken uns drüben im Canyon einen Claim ab und graben nach Gold. Wir sind die Ersten im Canyon. Außer Kojoten und Rothäuten ist noch keiner da. Wir finden Gold. Das weiß ich ganz genau.«

»Woher denn, Bruder?«

Bickford musterte den Captain irritiert. Eben hatte der Blaurock noch geschwankt, jetzt schien er wieder völlig nüchtern zu sein. Das war bei Benson nicht ungewöhnlich. Er besaß die Gabe, jederzeit umschalten zu können, selbst wenn er ein paar Flaschen Whisky intus hatte.

»Woher soll ich was wissen?« Benson rülpste ungeniert und kratzte sich die Bartstoppeln. »Ich halte die Jagd auf Skalps für einträglicher.«

Auf einer Anhöhe hielten sie an. Vor ihnen erstreckte sich die endlose Mojavewüste. Weiter im Norden lag das Tal des Todes.

Bickford wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er fühlte sich nicht besonders gut, ahnte, dass die Mohaves diesmal besser auf ihr Kommen vorbereitet waren als beim letzten Mal.

»Die Rothaut, die wir zuletzt erwischten«, begann er nachdenklich, »faselte etwas vom Gold des Schamanen. Angeblich besitzt der Alte Nuggets so groß wie Taubeneier.«

Der Captain trieb sein Pferd den Abhang hinunter. Hinter ihm verwehte eine Staubwolke. Sein Gelächter klang gedämpft durch den Staub. »So ein Quatsch, Bickford! Das ist alles Gewäsch der Rothäute. Im Canyon gibt es kein Gold.«

Schweigend folgte der Blonde dem Captain. Seine Gedanken schweiften ab.

Er stellte sich vor, wie er im Canyon Gold fand, redete sich ein, dass er stinkreich werden würde.

Er sah sich als wohlhabenden Mann, dem halb Deadwood gehörte. Dann würde er sich ein besseres Girl als diese Lily Masters halten. Überhaupt würde dann alles besser werden. Dann brauchte er nicht mehr nach Skalps zu jagen.

Ein erstaunter Ausruf ließ ihn aufblicken. Der Captain stand vor einem seltsamen Gebilde. Jemand hatte aus Tierknochen eine Pyramide aufgeschichtet, auf der ein Menschenschädel lag. Auf einem Knochen erkannte man magische Zeichen. Sie stellten stilisierte Waffen und Tiere dar.

»Die Rothäute, Bickford!«

»Das sehe ich auch. Aber was soll das bedeuten?«

Der Captain stieß mit dem Fuß gegen die Knochenpyramide. Es entstand ein dumpfer Ton, als sie in sich zusammenfiel. Im gleichen Augenblick hörten sie das entnervende Rasseln einer Klapperschlange.

»Verdammt! Wo steckt das Biest?«

Die Pferde wieherten, und die beiden Männer hatten Mühe, dass sie ihnen nicht davonliefen.

Benson hielt den 44er in der Hand. Nervös blickte er sich um. Das höllische Rasseln des Reptils brach plötzlich ab. Man konnte das Pfeifen des heißen Windes hören.

»Ob der Schamane wirklich Meister über die Tiere ist?«, fragte Bickford aufgeregt.

»Mach dir nicht ins Hemd!«, erwiderte der Captain und ließ den Hahn seines Colts einrasten. Er hob den Lauf der Waffe. »Eine lausige Klapperschlange ist noch lange kein Grund, um durchzudrehen.«

»Aber diese Knochen!«, sagte Bickford und deutete mit dem Lauf seiner Winchester auf den Schädel. »Sie stammen eindeutig von den Mohaves. Sie haben irgendetwas zu bedeuten. Und ganz bestimmt nichts Gutes.«

»Was kommt denn von den Rothäuten schon Gutes?«

Bickford hatte gerade den linken Fuß in den Steigbügel gesetzt, als der Gesang des Schamanen über die Felsen schallte. Bickford nahm den Fuß wieder zurück und hob das Gewehr. Doch er konnte niemanden zwischen den mannshohen Felsen entdecken. Der Gesang des Schamanen war eintönig. Er klang fast wie das Bellen eines Kojoten. Die Töne folgten rhythmisch aufeinander. Dazwischen ertönte hektischer Trommelschlag.

»Hörst du das auch, Benson?«

»Bin doch nicht taub.« Der Captain schob sich einen Streifen Kautabak zwischen die Zähne. Nervös kaute er darauf herum, bis ihm der braune Saft übers Kinn lief.

Plötzlich erschien genau vor ihnen die hagere Gestalt des Alten. Er stand in der Sonne, sodass sie ihn nicht richtig erkennen konnten.

So viel sahen sie jedoch: Er trug eine Federhaube und hatte große Fetische in den Händen. Ein Ding schien zu leben. Es bewegte sich wie eine Klapperschlange. Jetzt war auch wieder das Rasseln des Reptils zu hören.

»Die Klapperschlange!«, zischte Benson und spie einen braunen Strahl Tabaksaft aus. »Ich erledige das Biest.«

Er jagte mehrere Schüsse zur Anhöhe hinüber. Die Sonne stach ihm in die Augen, und das Bellen der Schüsse dröhnte in seinen Ohren. Der Schamane war verschwunden.

»Ich habe ihn erwischt, Junge. Los, komm schon! Wir holen uns seinen Skalp! Für den kriegen wir mindestens doppelt so viel. Das ist was ganz Besonderes.«

Bickford schlang die Zügel um den schlanken Felsen, dann folgte er dem Captain. Als sie an der Stelle angelangt waren, an der soeben noch die geheimnisvolle Gestalt gestanden hatte, fanden sie nur einen Menschenschädel. Dem Schädel fehlte der Unterkiefer. Wütend versetzte Benson dem traurigen Überbleibsel einen Fußtritt. Noch bevor er weiter drüben auf dem Boden landete, war das Rasseln der Klapperschlange wieder zu hören. Es klang hektisch und triumphierend.

Bickford spürte, wie ihm der kalte Schweiß den Rücken herunterlief. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu, Captain.«

»Quatsch keinen Blödsinn!«, knurrte der Blaurock und spannte den Hahn seines Colts. Sein Ehrgeiz war geweckt worden. Er würde nicht eher ruhen, bis er den Schamanen geschnappt hatte.

Als sie die nächste Felsengruppe erreicht hatten, sahen sie die Klapperschlangen. Es waren fünf. Genauso viele Skalps hatten sie beim letzten Mal erbeutet. Die gelben, starren Augen funkelten tückisch. Die aufgerichteten Schwanzquasten bewegten sich und rieben aneinander. So entstand das entnervende Rasseln.

»Schieß doch, Bickford!«, keuchte der Captain.

Die Winchester dröhnte. Die Kugel riss einen Felsbrocken los und schrammte als Querschläger durch die Luft. Bickford repetierte und schoss erneut. Pulverqualm stach ihm in die Nase. Dicht vor der ersten Schlange wirbelte eine Sandfontäne hoch. Dann schnellte das Biest vor. Nur durch eine rasche Körperdrehung entging er den Giftzähnen. Er sah den geschuppten Leib, schoss und rannte panikerfüllt weiter.

Hinter ihm bellte der Colt des Captains. Die Pferde wieherten schrill und trommelten mit den Hufen gegen die Felsen.

»Verdammte Biester!«, keuchte Bickford und repetierte.

Doch er kam nicht mehr zum Schuss. Die Schlange erwischte ihn am rechten Handgelenk. Er ließ schreiend das Gewehr fallen und wollte das Reptil abschütteln. Die nadelspitzen Zähne bohrten sich tief in seinen Handrücken. Der Schlangenleib peitschte um seine Hüften. Schreiend warf er sich gegen einen Felsen. Die Schlange wirbelte an seinem Gesicht vorbei. Er...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2022
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3971-8 / 3751739718
ISBN-13 978-3-7517-3971-9 / 9783751739719
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