Das Licht der Hexen -  Uwe Gerwien

Das Licht der Hexen (eBook)

Dreißigjähriger Krieg und Hexenverfolgung an der Werra

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
812 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-6579-6 (ISBN)
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Eine junge Kräuterfrau und Heilerin aus dem Werratal in Südthüringen wird während des Dreißigjährigen Krieges der Hexerei bezichtigt. Es gelingt ihr, dem Scheiterhaufen zu entkommen. Die Flucht der als Hexe verurteilten Elfrun Blau mit dem Müller Franz Grätsch führt die beiden in den äußersten Nordosten des Kurfürstentums Brandenburg - nach Ostpreußen. Dort verändert sich durch den Einfluss anderer Menschen ihr Leben grundlegend. Sie werden ihre alte Heimat noch einmal besuchen und es kommt zu einem dramatischen Treffen ... Die Besonderheit dieses historischen Romanes besteht darin, dass sowohl reale Fakten als auch Bilder in die Handlung eingebettet wurden, die die Protagonisten authentisch erscheinen lassen.

Bereits als Schulkind fabulierte der 1948 geborene Uwe Gerwien Gruselgeschichten, die er seinen Mitschülern in den Abendstunden bei Klassenfahrten erzählte. Später, als Musikpädagoge, nahm er diese Storys wieder auf, um sie seinen Schülern vorzutragen, die ihn baten, sie einmal als Buch zu veröffentlichen. So erschienen 2004 seine Erzählungen "Die Geisterhand". Eine dieser Geschichten wurde als Hörspiel verarbeitet und errang bei einem Wettbewerb - gefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen - einen 2.Platz. Mit dem historischen Roman das "Licht der Hexen" wendet er sich einem Zeitabschnitt zu, der durch den 30-jährigen Krieg und die Hexenverfolgungen zu den dramatischsten Jahrzehnten deutscher Geschichte gehört.

Der Krieger (1618)


Josip Petkovic war 12 Jahre alt, als sein Vater vor seinen Augen von den osmanischen Reitern niedergemetzelt wurde, weil er sich vor seine Mutter und seine drei Jahre ältere Schwester gestellt hatte, um sie zu beschützen. Sie wurden an den Haaren in das Haus gezerrt. Er hörte ihre Schreie und wollte zur Hilfe eilen, aber ein anderer Krieger stieß ihn um und fesselte ihn an einen Pfahl, an den sonst die Pferde gebunden wurden. Als die Reiter aus dem Haus kamen, waren die Schreie seiner Mutter und der Schwester verstummt. Mit einer brennenden Fackel wurde das Strohdach des Holzhauses angezündet. Vor seinen Augen brannte sein Elternhaus, seine Kindheit, sein ganzes bisheriges Leben einfach ab. Er war zum Vollwaisen geworden – ohne sich dessen bewusst zu sein, was es bedeutete: elternlos, heimatlos, ohne Obhut, ohne Regeln, ohne Bindungen zu irgendetwas zu sein. Die kleine kroatische Ortschaft, die aus einem Dutzend Häusern bestand, existierte nicht mehr. Sie war innerhalb von nicht mal einer Stunde dem Erdboden gleich gemacht worden. Rings um ihn qualmten nur noch Reste von Balken der ehemaligen Häuser, deren Zentrum – die steinernen Schlote – wie verkohlte Grabstelen mahnend emporragten. Für ihn war das Leben beendet. So empfand er es, als er – immer noch an den Pfahl gefesselt – nach unten sackte und in einen ohnmachtähnlichen Schlaf fiel.

Als er frierend und völlig entkräftet bei Tagesanbruch Stimmen hörte, glaubte er, dass die türkischen Reiterhorden zurückgekommen wären und auch ihn, wie schon den Rest der Dorfbevölkerung, umbringen würden. Er hatte keine Angst davor, im Gegenteil, nun könnte er vielleicht auch dorthin, wo Mama und Papa und seine Schwester schon sein mussten – in den Himmel.

Die Stimmen, die er jetzt hörte, unterschieden sich von denen, die er bei diesem Überfall gehört hatte. In einer ganz anderen Sprache fragte man ihn: »Na mein Junge, haben diese räudigen Hunde dich vergessen umzubringen?« Obwohl er nichts verstand, nickte er. »Was machen wir nun mit dir? Hier kannst du nicht bleiben. Die kommen sicher bald wieder. Am besten wir nehmen dich mit. Wir brauchen einen Pferdejungen! Kannst du reiten?« Da der Fragesteller dabei auf sein Pferd geblickt hatte, nickte Josip erneut und seine Zustimmung war, ohne die Frage vom Wortlaut verstanden zu haben, richtig, denn das Reiten gehörte in seiner Heimat zu den wichtigsten Selbstverständlichkeiten für einen Mann – von Kindheit an. Das Pferd des Vaters war durch die osmanischen Reiter mitgenommen worden. Aber auch die Landsknechte der habsburgischen Söldnerarmee, denen er jetzt gegenüber stand, hatten genügend Beutepferde, um die er sich kümmern konnte. So kam er unfreiwillig in die Dienste einer militärischen Einheit der Habsburger Monarchie unter dem damaligen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation König Ferdinand II. Die Habsburger und die verbündeten Kroaten führten seit vielen Jahren einen erbitterten Krieg gegen die Türken. Die Fronten wechselten ständig. Doch jetzt kam eine neue Gefahr auf das Kaiserreich zu. Die Habsburger, oder Österreicher, wie man sie auch bezeichnete, brauchten neue Söldner für einen Krieg gegen abtrünnige Fürsten, die nach der Reformation nicht mehr dem Diktat der römisch-katholischen Kirche folgen wollten.

Der Zweite Prager Fenstersturz. Alle Personen überlebten den Sturz. Dieses Ereignis war einer der Auslöser für den 30-jährigen Krieg. (Foto: aus dem Buch: Theatrum Europaeum – Frankfurt 1663; Matthäus Merian, gemeinfrei.quadratlueneburg.ev.)

(Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 war zwar ein machtpolitisches Gleichgewicht zwischen den Anhängern Luthers mit seiner Reformation und den römisch-katholisch geführten Fürstenhäusern entstanden, doch Ferdinand – seit 1590 Erzherzog von Innerösterreich – (1618 König von Böhmen, später Kaiser Ferdinand II.) wollte seine Vormachtstellung in Böhmen durchsetzen und erließ einige Gesetze, die quasi eine Gegenreformation bewirkten. Dies forderte die protestantischen Böhmen heraus und es kam zum berühmten »Prager Fenstersturz«, bei dem zwei Beamte des römisch-katholischen Kaisers von aufgebrachten Bürgern aus einem Fenster der Prager Burg (dem Hradschin) gestoßen wurden. Kaiser Ferdinand II. nahm dieses Geschehen wiederum zum Anlass, gegen Böhmen einen Krieg anzuzetteln. Das war im Jahre 1618. Und damit begann der 30-jährige Krieg.)

Das alles wusste Josip Petkovic zwar nicht, aber dennoch wurde dadurch sein weiteres Leben bestimmt. Nur hin und wieder hörte er die Landsknechte etwas vom Kaiser und seinem Feldherrn Tilly sagen, doch für ihn ging es nur um das nackte Überleben. Er hatte seinen Platz gefunden und der hieß: Trossbube eines Regimentes des Söldnerheeres unter Tilly zu sein. Der Tross war eine nachgeordnete Einrichtung des Heeres. Es waren überwiegend Leute, die eine Art von Dienstleistungen erbrachten. Die etwa 5.000 Landsknechte brauchten Verpflegung, Reinigung der Kleidung, Schmiede für Waffen und Pferdbehufung, Haarschneider und medizinisches Personal. Josip wurde für die Fütterung der Pferde und deren Pflege und die Verpflegung der Landsknechte eingesetzt. Neben der eigenen Verpflegung und der Unterbringung in einem Mannschaftszelt, vor allem im Winter oder wenn es regnete, bekam er 2 Gulden im Monat als Sold.

Mit einigen, zum Teil auch schon älteren Jungen, die ein ähnliches Schicksal wie er erlitten hatten oder von zu Hause ausgerissen waren, weil sie den ständigen Prügelattacken ihrer Väter entfliehen wollten, entstand so etwas wie Kameradschaft. Freundschaft konnte man dies nicht bezeichnen, denn es gab strenge Hierarchien. Und Gewalt, auch untereinander, war an der Tagesordnung. Doch bei gefährlichen Einsätzen und Gefechten mussten sie sich auf den Anderen verlassen können, um nicht zum Spielball der kriegerischen Auseinandersetzungen zu werden. Oft kamen sie bei der Belieferung der Soldaten mit Verpflegung oder Munition an der Front in lebensbedrohliche Situationen und es passierte häufig genug, dass einer der Jungen schwerste Verletzungen erlitt und zu Tode kam.

Josip hatte mittlerweile die Sprache der österreichischen Söldner perfekt gelernt. Seine kroatische Herkunft war kaum noch zu erkennen. Als Name auf den Listen der Schreiber stand mittlerweile Josef Petkow. Sein erster Einsatz als Trossjunge war 1619 im böhmischen Sablat. Das gegnerische Heer unterlag. Von den etwa 3.000 feindlichen Kämpfern gab es nur zirka 150 Überlebende. Josef musste den Toten der Gegner, aber auch des eigenen Heeres die Stiefel und alle noch verwendungsfähigen Sachen ausziehen und einsammeln. Anfangs bewegte ihn der Anblick der Wunden und der Verwesungsgeruch noch, doch durch die Hinrichtung seiner Familie hatte er sich einen Schutzwall um seine Seele gebaut. Fremdes Leid ließ keine Empathie mehr in ihm aufkommen. Wenn dann doch noch Leben in einem der schwerverletzten Soldaten war, nahm er dessen Säbel und versuchte ihm den Kopf abzuschlagen. Wenn es ihm mit seinen mittlerweile 14 Jahren noch nicht gelang, stach er seinem Opfer mitten ins Herz hinein. Dabei kam er oftmals in einen Rausch. Der verzweifelte Blick der verwundeten Soldaten bewirkte in Josef so etwas wie Macht. Und dieses Machtgefühl, über Leben und Tod eines anderen Menschen entscheiden zu können, wurde bei ihm sehr früh schon zu einer Manie.

Seine Gnadenlosigkeit wurde von seinen Vorgesetzten bald erkannt. Er bekam immer gefährlichere Einsätze und erfüllte diese im Sinne der eigenen Kriegspartei mit Bravour. Mit 15 Jahren wurde ihm das Kommando über die anderen Trossbuben übertragen. Er war unerbittlich und Zuwiderhandlungen gegen seine mitunter fragwürdigen Anordnungen bestrafte er mit Schlägen. Einmal hatten sich drei der Jungen gegen ihn aufgelehnt und sich gleichzeitig auf ihn gestürzt, um sich für seine Grausamkeiten ihnen gegenüber zu rächen. In diesem Kampf, der zu einer Auseinandersetzung auf Leben und Tod entartete, kam etwas Bestialisches in ihm auf. Wie rasend schlug er auf seine Gegner ein und die bereits Geschlagenen traktierte er mit Fußtritten so stark, dass zwei von ihnen starben und der dritte schwerverletzt seinen Dienst in der Truppe aufgeben musste. Josips Vorgesetzten ging diese Aktion zu weit, auch wenn er kriegsrechtlich gesehen Ungehorsam bestrafen musste. Schließlich hatte er erkannt, dass bei Vergehen der Söldner im Heer nicht zimperlich mit den Straftätern umgegangen wurde. Der sogenannte »Spießrutenlauf«, bei dem die Delinquenten durch ein Spalier der mit Hellebarden und Lanzen ausgerüsteten eigenen Einheit laufen mussten, endete auch meist tödlich. Der »Rumormeister«, der im regimentsbegleitenden Tross für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich war, wollte den unruhestiftenden Josef los sein. Er besann sich darauf, dass Josef doch eigentlich Kroate sei.

Es war das Jahr 1622. In diesem Jahr hatte der kroatische Landtag Sabor die kroatische Bevölkerung, die römisch-katholischen Glaubens und mit den Habsburgern verbündet war, aufgerufen, den Kaiser in seinem Kampf gegen die...

Erscheint lt. Verlag 19.9.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7568-6579-7 / 3756865797
ISBN-13 978-3-7568-6579-6 / 9783756865796
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