Nach Ihnen, Herr Oberinspektor! (eBook)
139 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-3192-8 (ISBN)
Maureen O'Kelly (bürgerlicher Name: Brigitte Welcker) Autorin, Schauspielerin, Sängerin, Werkübersetzerin, u.v.m. Aber auch Leiterin und Mitarbeiterin im künstlerischen Betriebsbüro von Theatern in mehreren Ländern. Vielsprachig: DE, HU, FR, GB Gründerin und Obfrau des gemeinnützigen Vereins KUNST-OHNE-BARRIEREN ZVR: 824472000. Seit 2010 wegen eines Rückenmarkinfarktes querschnittgelähmt.
Erinnerungen an alte Zeiten
Beide verfielen für einige Augenblicke in tiefe Gedanken, die sie zurückbrachten zu einer Epoche, in welcher Lady Jane noch nicht im Rollstuhl saß.
Der Colonel – obwohl auch jetzt noch ein hochgewachsener, gutaussehender und sportlicher Mann im besten Alter, seine – für einen Militär – eigentlich etwas zu lang getragenen, leicht gewellten Haare noch ohne den leisesten Schimmer von Grau, sein glattrasiertes, faltenloses, längliches Gesicht geprägt von großen, dunklen Augen unter fast schwarzen, dichten Brauen, mit einer römischen Nase, kleinen Ohren und einem sensiblen Mund – war damals ein schneidiger Dragoner Captain, der auf seinen Urlauben gerne die Gesellschaft der jungen, attraktiven, gebildeten und vor allem unkonventionelle Lady Jane suchte und sie auf ihren Reisen quer durch Großbritannien, Europa und Nordafrika begleitete.
Es war eine rauschende Ballnacht, so prunkvoll, wie man es seit langem von den Morristons gewohnt war - und es von ihnen auch erwartete.
Einmal nur – zu Beginn jeder Jagdsaison – fand dieses Ereignis, von dem man weit und breit sprach, und nur derjenige in der Gesellschaft ‚dazugehörte‘, der eine Einladung erhielt, auf ihrem prunkvollen Landsitz in der Nähe von Doddlington statt.
Nicht, dass die Morrsitons zum alten Adel gezählt hätten und dieser Landsitz seit Generationen in der Hand der Familie gewesen wäre – oh nein! Lionel Morriston, der Gastgeber, hatte das riesige, mehrere hundert Jahre alte Anwesen von dem verarmten 12. Marquess of Wilmington mittels seiner auf welchem Weg auch immer erworbenen Millionen, erst vor ein paar Jahren gekauft – bar – versteht sich!
Zum diesem bestimmten Jägerball waren die Gäste teilweise traditionell in von prachtvollen Pferden gezogenen Kutschen, oder aber den neuesten, auffälligsten und teuersten Autos gekommen – stilgerecht mit Kutscher oder Chauffeur, selbstverständlich.
Schon am gewaltigen, schmiedeeisernen Tor mit vergoldeten Ornamenten in der hohen Parkmauer, welche das über fünfhundert Hektar große Areal umrahmte, wurden die Gäste von einem in traditioneller Uniform gekleideten, stattlichen Individuum – dem Torwächter – begrüßt.
Dieser Mann mit der Figur und dem Gesicht eines Schwergewicht-Boxers kontrollierte auch die Einladungen entsprechend einer langen Liste, die er minutiös konsultierte. Erst, wenn er alles in Ordnung fand, durfte die Kutsche oder das Auto den Weg zwischen den beiden Cottages, welche als Wohnung der zwei Torwächter dienten, fortsetzen.
Die lange Zufahrt zu dem schlossähnlichen Gebäude führte in Windungen auf einem mit kleinem Kies bestreuten Weg zuerst durch dichten Wald, danach zwischen Wiesen und Weiden zu einem zweiten, etwas weniger prunkvollen Tor in einer niedrigen Mauer, welche den eigentlichen Park umspannte. Dieses Tor stand weit offen. Von jetzt an fuhren Kutschen und Autos auf einem mit Bruchsteinplatten gepflasterten Weg, welcher sich durch kunstvoll angelegte Rasenflächen mit Baumgruppen, Blumenbeeten und um einem großen, künstlich angelegten See, welcher von einem kleinen Bach, der durch das Anwesen floss, gespeist wurde, wandte. Noch eine letzte Biegung – und das von seinem jetzigen Besitzer ‚The Honor‘ genannte Anwesen lag vor den Augen des Betrachters.
In der Umgebung wurde das Haus jedoch hinter vorgehaltener Hand nur ‚The Horror‘ genannt. Denn die wildesten Gerüchte rankten sich um die Person des aktuellen Besitzers. Er solle sein Geld mit Drogen gemacht haben – so die einen. Andere wollten wissen, dass er auch jetzt noch der Boss eines Mädchenhändler-Ringes sei und mit der Maffia in Verbindung stehe. Jemand, der versicherte, mit Personen aus dem Geheimdienst-Milieu bekannt zu sein, behauptete sogar, der Besitzer von ‚The Honor‘ sei ein Spion, der militärische und wirtschaftliche Geheimnisse an den Meistbietenden verkaufen würde. Tatsache war, dass niemand wusste, woher die vielen Millionen Pfund Sterling stammten, die Lionel Morriston zu besitzen schien. Und auch über die Herkunft seiner Frau gab es nur die wildesten Spekulationen.
Außerdem hatte der neue Eigentümer einige Veränderungen und Modernisierungen an dem ehrwürdigen Gebäude vornehmen lassen, welche nicht zur Verbesserung des Gesamteindruckes beitrugen. Am auffallendsten und verunstaltendsten war der Anbau eines modernen ‚Dienstboten-Traktes‘ an das Hauptgebäude, so dass aus der originalen ‚U-Form‘ plötzlich ein ‚E‘ wurde – und der schöne, große Innenhof mit seinen Blumenbeeten und Springbrunnen für immer verloren war.
Lady Jane Selpram gehörte zu den ungefähr dreihundert ‚Auserwählten‘, welche an diesem Abend eingeladen waren. Zwar zählte sie nicht zu den Jägerinnen im herkömmlichen Sinn des Wortes, doch auch sie übte eine Form der Jagd aus – sie jagte Verbrecher.
Schon als ganz junge Frau fand man sie überall in Europa, immer dort, wo verwegene Missetaten die jeweilige Polizei vollkommen überforderten. Dann rief man sie zur Unterstützung herbei. Und siehe da – jeder einzelne Fall wurde dank ihrer großartigen Kombinationsgabe und ihres weitreichenden psychologischen Wissens, sowie ihrer Fähigkeit, sich in die Person des Täters zu versetzen, gelöst!
Noch warteten die Gäste, in kleinen Grüppchen oder Paaren in der Eingangshalle und einem kleineren Vorsaal stehend und lebhafte Unterhaltungen führend darauf, dass die Festlichkeiten beginnen mögen. Im Ballsaal stimmten ein Kammerorchester und eine Jazzband, welche abwechselnd spielen sollten, ihre Instrumente. Livrierte Kellner trugen silberne Tabletts mit verschiedenen Aperitifs herum und an einer Seite des Vorsaals standen lange, mit makellosen, weißen Leinendecken versehene Tische mit zahlreichen Silberplatten auf denen einladende und schmackhafte Hors-d’œuvres für alle Anwesenden bereitstanden.
Lady Jane saß etwas gedankenverloren – so schien es jedenfalls - in einer etwas weniger belebten Ecke neben einem kleinen Beistelltisch, auf welchem sich ein halbvolles Glas Martini und auf einem goldumrandeten Teller aus Meißner Porzellan ein paar Hors-d’œuvres befanden. Sie trug ein hochgeschlossenes, grünseidenes Abendkleid mit langen, weiten Ärmeln aus Spitze und schwarze Pumps. Ihre tizianroten, gewellten Haare waren modisch kurz geschnitten. Ihr Gesicht war international bekannt: leicht oval, etwas gebräunt vom häufigen Aufenthalt an der frischen Luft, eine hohe Stirn, dichte, braune, schön geschwungene Brauen unter welchen große, grüne Augen mit fast schwarzen, langen Wimpern von hoher Intelligenz und Beobachtungsgabe zeugten. Eine vielleicht etwas zu schmale Nase, kleine, unter der Frisur verborgene Ohren, ein breiter Mund mit sensuellen Lippen, ein energisches Kinn und ein langer Hals waren die weiteren Merkmale dieses interessanten Gesichts. Als einzigen Schmuck trug sie kleine, tropfenförmige Ohrringe aus Gold mit je einer ausgezeichneten schwarzen Perle in der Mitte.
Plötzlich tauchte ihre Gastgeberin, Lilian Morriston, neben ihr auf. Sie war schlank, mittelgroß, etwas über dreißig Jahre alt, obwohl sie mit viel Geschick und Schminke jünger aussah. Ein gewagt geschnittenes Abendkleid aus einem silberdurchwirkten Stoff mit Pailletten – die Kreation eines weltbekannten Pariser Modezars - umhüllte ihre Figur, als sie mit anmutigen Schritten auf Lady Jane zuging und sich auf den bequemen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches niederließ.
„Meine liebe Lady Jane“ rief sie überschwänglich aus, ein – wie es Lady Jane schien – etwas gekünsteltes Lächeln auf den dunkelroten Lippen ihres breiten Mundes. „Ich freue mich schrecklich, dass Sie heute kein noch so aufregender Kriminalfall davon abgehalten hat, unsere Einladung anzunehmen.“ Dabei ruhten ihre großen, dunklen Augen wie fragend auf Lady Jane.
Lady Jane hielt diesem Blick stand - es war ihre Gastgeberin, welche die Augen schließlich senkte. „Auch ich freue mich über die Gelegenheit, ‚The Honor‘ einmal von innen kennenlernen zu dürfen, Mrs. Morriston“ meinte sie, bewusst nur das Haus und nicht ihre Gastgeber nennend. „Mein lieber Freund, Colonel McRae, war jedoch schon einmal bei Ihnen, soviel ich weiß“ setzte sie noch wie beiläufig hinzu.
Ihre Gastgeberin nickte. „Vor ein paar Monaten. Sehen Sie, Lady Jane, Lionel – mein Mann – redet nicht mit mir über seine geschäftlichen Angelegenheiten, alle Besprechungen und Treffen finden in seinem Büro in der Stadt statt. Deshalb war ich sehr überrascht, dass er Colonel McRae hierher eingeladen hatte.“
„Ist der Colonel denn ein Geschäftspartner Ihres Gatten?“ fragte Lady Jane überrascht.
„Ich weiß es nicht“ seufzte Lilian Morriston. „Auf jeden Fall war es ungewöhnlich, denn der Colonel ist – war - keine Bekanntschaft von uns.“
Lady Jane überlegte rasch, was diese Information bedeuten könne. Der Colonel und sie hatten keine Geheimnisse voreinander – bis jetzt. Ging ihr alter Freund und Vertrauter nun etwa eigene Wege?
„Sie sagten, weder Ihr Gatte noch Sie kannten den Colonel. Wie konnte Ihr Gatte ihn dann aber einladen?“
„Vielleicht haben Freunde oder Bekannte meines Gatten den Kontakt vermittelt“ meinte Lilian Morriston nachdenklich, woraufhin Lady Jane einwarf „Oder Freunde oder Bekannte von Ihnen…“
„Meine Freunde und Bekannten stammen aus den erstklassigsten Familien des Landes – ich kann mir nicht vorstellen, dass der Colonel mit diesen verkehrt“ erwiderte Lilian Morriston pikiert.
Lady Jane...
Erscheint lt. Verlag | 9.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7562-3192-5 / 3756231925 |
ISBN-13 | 978-3-7562-3192-8 / 9783756231928 |
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