Briefwechsel (eBook)

(Autor)

Pino Dietiker, Lukas Gloor (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
372 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-77407-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Briefwechsel - Carl Seelig
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Ein Schatz wird gehoben: Die schönsten, bedeutendsten und überraschendsten Briefwechsel zwischen Carl Seelig und den Größen der deutschsprachigen Literatur sind hier zum ersten Mal versammelt. Sie zeigen Seelig als einsamen Studenten, der sich von Carl Spitteler Trost erhofft. Als begeisterten Leser, der im Ersten Weltkrieg Bücher an Hermann Hesse in die ?Bücherzentrale für deutsche Kriegsgefangene? schickt. Als beherzten Herausgeber, der von Stefan Zweig beraten wird und von Franz Kafka eine Abfuhr erhält. Als engagierten Förderer der Exilierten, der Nelly Sachs einen Verlag sucht, für Alfred Polgar Geld auftreibt und Thomas Mann zu dessen Erstaunen Hilfe anbietet, statt ihn um Hilfe zu bitten.

Carl Seelig war ein außerordentlicher Netzwerker. Als Vermittler zwischen Schreibenden, Verlagen und Zeitungen half er denjenigen weiterzuarbeiten, die der Nationalsozialismus zum Schweigen bringen wollte. In seinen Briefwechseln wird er als Anwalt einer bedrohten Literatur erfahrbar.



Carl Seelig (1894-1962) war ein Zürcher Kulturjournalist, Schriftsteller und unermüdlicher Unterstützer von Autorinnen und Autoren, insbesondere zur Zeit des Exils ab 1933. In seinem Nachlass befinden sich über 9000 Briefe von Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft. Als Freund und Vormund von Robert Walser begleitete er den Schriftsteller nach dessen Internierung in die Psychiatrie auf zahlreichen Spaziergängen (Wanderungen mit Robert Walser) und gab sein Werk neu heraus.

Hermann Hesse


Carl Seelig war ein großer Verehrer von Hermann Hesse. Gelegenheit, mit dem berühmten Schriftsteller in Kontakt zu treten, bietet dem 22-Jährigen ein Zeitungsaufruf zur Einsendung von Büchern für die ›Bücherzentrale für deutsche Kriegsgefangene‹, die Hesse während des Ersten Weltkriegs in Bern betreibt. Hesse, wegen Kurzsichtigkeit vom Kriegsdienst zurückgestellt, engagiert sich mit Büchersendungen und der Herausgabe von Zeitschriften für deutsche Soldaten in Lagerhaft. Ein Jahr später schickt Seelig dem bewunderten Dichter seinen zu dessen vierzigstem Geburtstag publizierten Artikel; Hesse fühlt sich missverstanden, zeigt jedoch Nachsicht mit dem schwärmerischen Seelig. Es entwickelt sich ein intensiver Briefwechsel: Seelig, der die Anerkennung des Idols sucht, liest dessen Bücher im Militärdienst, sammelt Manuskripte und Widmungsexemplare. Hesse ist einer der wenigen Briefpartner, die Seelig auch als Schriftsteller wahrnehmen: In seiner 1919 erschienenen Anthologie Alemannenbuch druckt er vier Gedichte von ihm ab.

Als Hesse im April 1919 seine Familie in Bern verlässt und ins Tessin zieht, unterstützt Seelig den in schwierigen finanziellen Verhältnissen lebenden Hesse, sendet Malutensilien, Nahrungsmittel und, immer wieder, die so notwendigen Brillen für den unter starken Augenschmerzen leidenden Autor. »Und wenn Sie mich wieder brauchen, so rufen Sie!«, schreibt Seelig einmal.1 Hesse seinerseits steht Seelig mit Rat in persönlichen wie professionellen Dingen zur Seite, empfiehlt ihm Autoren, liefert Vorworte zu Buchausgaben und steuert auch ein Werk zur Reihe der Zwölf Bücher bei, die Seelig im E. ‌P. Tal-Verlag herausgibt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzen sich beide für Emigrierte ein, weisen auf besondere Notfälle hin und helfen sich bei ihren Bemühungen um gemeinsame Bekannte gegenseitig. 1946 ist Hesse auch von den außerordentlichen Korrespondenzpflichten, die durch die Verleihung des Nobelpreises noch gesteigert wurden, gänzlich erschöpft und bittet Seelig – »von meinen vielen Freunden der einzige, der etwas davon geahnt hat wie es um mich steht«2 – um Hinweise auf Kurhäuser.

Ihr schriftliches Gespräch führen Seelig und Hesse bis 1962 fort. Aus der ein halbes Jahrhundert währenden Korrespondenz sind rund 290 Briefe von Hesse und knapp siebzig von Seelig überliefert.

1Carl Seelig an Hermann Hesse, 1919 (SLA, Nachlass Hermann Hesse).

2Hermann Hesse an Carl Seelig, Anfang September 1946 (RWA, Nachlass Carl Seelig).

1 Carl Seelig an Hermann Hesse, Zürich, 5. Juli 1916

den 5. Juli 16.

Verehrtester Herr Hesse,

Heute habe ich in einer Zeitung gelesen, dass Sie noch Bücher für Ihre Schützlinge brauchen können. Nun habe ich zwar bereits einen Grossteil meiner Bibliothek an die deutschen, franz. und engl. Kriegsgefangenen geschickt und ich weiss nicht, ob die paar nachfolgenden Werklein genügen – aber man möchte immer noch mehr tun, denn ich habe selbst ein Jahr lang an der Schweizergrenze gestanden und meine Kameraden mit all ihren Absonderlichkeiten, Lastern und Schönheiten lieben gelernt.1

Verehrtester Herr Hesse, Sie wissen nicht, wie sehr Sie mir mit Ihren eigenen Schriften ans Herz gegriffen haben, und wenn ich auch alles herschenkte, so zittern doch heute noch die seltsamen, feinen Gedichte u. Erzählungen (z. ‌B. »in der alten Sonne!«)2 in mir nach.

Ich möchte mal die Kerls sehen, die Sie anzugreifen wagen!3 Was müssen das für Männer sein, die nicht das Gute und Segensreiche Ihrer Liebestätigkeit sehen. Lieb und besser sind Sie uns allen!

Ihr freundschaftl. gesinnter

Carl Seelig, jur.4

Mythenquai 4

Zürich 2.

Brief, handschriftlich. SLA, Nachlass Hermann Hesse.

1Seelig leistete während des Ersten und des Zweiten Weltkriegs militärische Einsätze im Rahmen der schweizerischen Dienstpflicht.

2Die Erzählung erschien zuerst in der Zeitschrift Die neue Rundschau im Dezember 1904, dann 1908 im Buch Nachbarn und 1914 in der gleichnamigen Sammlung, In der alten Sonne, im S. Fischer Verlag in Berlin.

3Am 3. November 1914 veröffentlichte Hesse in der Neuen Zürcher Zeitung den Artikel O Freunde, nicht diese Töne!, in dem er die Kriegseuphorie seiner Schriftstellerkollegen anprangerte; in der Folge meldete er sich immer wieder zu Wort und wurde für seine kritische Haltung stark angefeindet.

4Seelig studierte von 1916 bis 1920 an der Universität Zürich u. ‌a. Jura.

2 Hermann Hesse an Carl Seelig, Bern, 15. Juli 1916

Bern 15. Juli 16

Verehrter Herr Seelig!

Haben Sie schönen Dank für Ihre freundliche Büchersendung!

Wegen jener Feinde u. Angreifer müssen wir uns beruhigen. Es ist ersprießlicher u. edler, zur Minorität der Wohlgesinnten zu gehören als zur Majorität der Schweine.

Mit Grüßen Ihr

   H. Hesse

Brief, handschriftlich. ZB, Nachlass Carl Seelig.

3 Hermann Hesse an Carl Seelig, Bern, 4. Juli 1917

4. Juli 17

Lieber Herr!

Das Bild schicke ich Ihnen gern, und sage Dank für Ihren freundlichen Brief. Verstanden habe ich ihn und den Artikel nicht ganz.1 Alles, wie Sie sich das Verhältnis des Dichters zu dem, was er dichtet, denken, ist so ganz anders als ich es kenne. Und daß Sie einen Dichter lieben können, von dem Sie den Eindruck haben, er zwinge sich Gefühle auf, die er gar nicht hat.2 Ein Dichter, der das tut, ist ein Narr, und wenn man ihn dabei meint ertappt zu haben, ist er erledigt.

Kurz, die Sache sieht für mich anders aus. Ich gebe auch, genau umgekehrt wie Sie, die Romane alle preis und lege weit mehr Wert auf den Lauscher und die Gedichte.3

Sie sehen, wie verschieden man denken kann. Indessen habe ich nie Freude an Diskussionen gehabt und nie das Bedürfnis gefühlt, anderer Leute Meinungen zu korrigieren. Ebenso möglich, daß ich selber Unrecht habe.

Jedenfalls danke ich für Ihre freundliche Teilnahme!

Mit Grüßen Ihr

   H Hesse

Brief, maschinengeschrieben. Briefkopf: »Deutsche / Kriegsgefangenen-Fürsorge / Abt. Bücherzentrale / BERN / Thunstraße 23 // Bern,«. ZB, Nachlass Carl Seelig.

1Seelig publizierte zu Hesses vierzigstem Geburtstag im St. Galler Tagblatt vom 2. Juli 1917 eine Gesamtschau über dessen bisheriges Werk. Dabei machte er eine Entwicklung »von der kränklichen Sentimentalität zur herben, tapferen Männlichkeit« fest. Insgesamt spricht der Artikel bewundernd von Hesse, enthält jedoch auch irritierend abwertende Formulierungen. – Der erwähnte Brief von Seelig an Hesse, mit dem er ihm den Artikel übersandt hatte, ist nicht überliefert.

2Im genannten Artikel schreibt Seelig: »In den folgenden Gedichtbänden ›Unterwegs‹ und ›Musik des Einsamen‹ suchte der Dichter seinen Werken männlicheren Klang und Inhalt zu geben. Freilich habe ich den Eindruck, daß vieles bis jetzt auf Kosten der Poesie geschah, daß, um es offen zu sagen, Hesse sich selbst Gefühle aufzwingt, die er in Tat und Wahrheit gar nicht hat.«

3Zu Hesses Buch Hinterlassene Schriften und Gedichte von Hermann Lauscher (Basel: Reich 1901) meint Seelig im selben...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte aktuelles Buch • Alfred Polgar • Briefe • bücher neuerscheinungen • Carl Spitteler • Emmy Hennings • Exilliteratur • Exilzeit • Franz Kafka • Frieda Mermet • Hermann Hesse • Joseph Roth • Literaturförderung • Ludwig Hohl • Max Brod • Nelly Sachs • Netzwerker • Neuerscheinungen • neues Buch • Paul Nizon • Robert Musil • Robert Walser • Stefan Zweig • Thomas Mann • Ueli Jäggi
ISBN-10 3-518-77407-7 / 3518774077
ISBN-13 978-3-518-77407-6 / 9783518774076
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