Rapunzel will Rache (eBook)
394 Seiten
beTHRILLED (Verlag)
978-3-7517-3031-0 (ISBN)
Ich hätte niemals überleben dürfen ...
Es ist Heiligabend, und der kleine Ort Tannwald liegt unter einer frischen weißen Schneedecke begraben. Die junge Mira steht auf dem Kirchturm der Abtei. Sie will ihrem Leben ein Ende setzen - zu schwer wiegt die Last auf ihren Schultern. Mira, die wegen ihrer langen, blonden Haare Rapunzel genannt wird, hat jahrelang im Tannwälder Heim für schwer erziehbare Kinder gelebt. Dort wurde sie verraten, verleugnet und man brach ihr das Herz. Damit ist jetzt Schluss. Doch dann passiert etwas, das nie passieren dürfte: Sie überlebt. In der Silvesternacht wacht sie wieder auf - und in ihr reift ein verzweifelter Plan: Rapunzel wird sich rächen. Doch dazu muss sie die düsteren Pfade ihrer Vergangenheit erkunden ...
Ein neuer spannender Thriller von Sebastian Thiel, der dich tief in die Abgründe der menschlichen Seele ziehen wird.
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
<p>Sebastian Thiel ist Schriftsteller mit Leib und Seele. Als Basis seiner Romane dienen historische Ereignisse und Personen, die er zu fantasievollen Geschichten verwebt. Seit mehreren Jahren ist der Niederrheiner freiberuflicher Autor und widmet sich komplett dem Schreiben. Nach mehreren Spitzenplatzierungen ist das seine erste Thriller-Reihe bei beTHRILLED.<br></p>
1 – Ohne Erinnerung
4387 Tage vor dem Ende
Ich warte. Ich warte lange.
Das tue ich heute leider öfter. Immer, wenn ich in großen Häusern sitzen muss und Erwachsene über mich reden. So ist es auch heute.
Die Betreuerin, Frau Mathilda, hat gesagt, dass ich nicht mehr länger im Krankenhaus bleiben soll. Schade eigentlich, hat mir dort gut gefallen. Die Krankenschwestern waren nett. Haben mir immer Kuchen gebracht, wenn sie etwas übrig hatten. Dabei weiß ich gar nicht mehr so genau, warum ich eigentlich im Krankenhaus war. Irgendwie ist alles verschwommen, als würde ich träumen und dann auch wieder nicht.
»Das arme Kind«, haben sie immer gesagt und mir über die langen, blonden Haare gestreichelt. »Das arme, arme Kind.«
Beinahe jeder hat es gesagt. Die Frau vom Jugendamt, die Ärzte in ihren schicken weißen Kitteln, und selbst die Empfangsdame sah mich irgendwie an, als würde sie mich ganz doll drücken wollen.
Eigentlich ein schönes Gefühl, wenn jeder einen umarmen möchte. Ich mag das sehr. In meinem Magen kribbelt es dann so herrlich. Ich kuschle auch gerne mit Stoffel, meinem Hasen, der mir geschenkt wurde. Nur von wem eigentlich?
So genau kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
Langsam reibe ich über Stoffels plüschiges Fell und sehe nach draußen. Manchmal stelle ich mir vor, er wäre lebendig und würde mit mir reden. Zumindest heute wäre es schön. Immerhin ist Heiliger Abend.
Der Geruch von Weihrauch liegt in der Luft und wabert durch die Gänge dieses großen Hauses am Marktplatz einer Stadt, in der ich noch nie war. Draußen haben sie hübsch geschmückt. Die Menschen lachen und trinken Glühwein, und der feine Schein des mit Lichterkerzen geschmückten Weihnachtsbaums spiegelt sich auf dem dunklen Kopfsteinpflaster wider.
Die Sterne stehen an diesem Abend stechend hell am Nachthimmel. Ein Lichtermeer aus tausend kleinen Glühwürmchen. Eigentlich bin ich froh, hier zu sein. Vor allem, weil Frau Mathilda gesagt wird, dass jetzt alles besser wird. Und dann wieder: »Das arme, arme Kind.«
Wieso sagen das nur immer alle?
So schlecht geht es mir doch gar nicht. Gut, mein Rücken tut noch wirklich weh. Besonders wenn ich mich strecke oder zu lange auf ihm liege. Wenn ich nur wüsste, warum das so ist?
Jetzt redet sie schon eine ganze Weile mit dem Mann in seinem Büro. Er muss der Pfarrer oder so sein, weil hier überall Kirchenbilder hängen. Aber Frau Mathilda sagte, dass es nur eine Abtei war, die jetzt etwas anderes ist. Komisch, aber das werde ich wohl noch mal nachfragen müssen.
Bis jetzt höre ich nur seine tiefe, melodische Stimme, während ich im Gang warten muss und die liebe Mutter Gottes mich aus ganz vielen Statuen ansieht. Irgendwie unheimlich, aber auch schön.
Ein komisches Gefühl macht sich in mir breit. Dabei habe ich gar nichts zu befürchten, wie Frau Mathilda nicht müde wurde zu betonen. Tannenwald ist sehr schön, hat sie gesagt. Umgeben von dichtem Baumbestand, führen nur zwei Straßen raus und rein. Hier hat man seine Ruhe, wiederholte sie immer wieder und machte wie zum Beweis das Fenster auf, um ab und zu die frische Luft zu atmen.
Ich tue es ihr nach, rieche allerdings nichts außer dem stickigen Rauch und puste Stoffel gelangweilt ein paar Staubflusen aus dem Gesicht, als endlich die Tür aufschwingt und Frau Mathilda mich mit einem großen Lächeln empfängt.
»Mira«, sagt sie. »Du hast großes Glück, musst du wissen. Eigentlich gibt es eine lange Warteliste, aber der Herr Kaplan de Vries ist bereit, für dich eine absolute Ausnahme zu machen.« Ihre Augen funkeln mit den Sternen draußen um die Wette, und ich merke, dass auch ich lächeln muss. »Sozusagen ein Weihnachtsgeschenk für dich.«
Ich nicke und komme näher, als sie mich mit der Hand anweist, ins Büro zu kommen.
Es riecht nach alten Büchern und Kerzen. Ein Tee dampft auf einem ausladenden Schreibtisch, während ganz alte, gläserne Bilder in die steinernen Wände eingelassen sind. Erst jetzt entdecke ich den älteren Herrn auf einem ledernen Sessel sitzend. Seine Finger sind überkreuzt, und er lächelt so gutmütig wie der Weihnachtsmann. Dabei trägt er keinen Bart, sondern hat sogar eine dunkle Halbglatze, welche dieselbe Farbe hat wie seine Robe. Nur der weiße Kragen oder wie das heißt sticht ein wenig aus dem vom gelben Kerzenschein erhellten Raum heraus.
»Das ist Mira Schwarz, Herr Kaplan.«
Was ist ein Kaplan? Ich nicke ihm zu und sehe ihn mit großen Augen an, während er sich von seinem Sessel erhebt und näher kommt. Langsam schreitet er um den Tisch, lässt mich nicht mehr aus den Augen und kniet sich herab zu mir.
»Hallo, Mira. Es ist schön, dich kennenzulernen.« Er nimmt meine Hand mit seinen warmen Fingern und kommt so nah an mich heran, dass ich den Weihrauch noch stärker rieche. »Und sie hat wirklich keine Angehörigen mehr?«
»Nein, Herr Kaplan de Vries«, antwortet Frau Mathilda und schüttelt bekräftigend den Kopf. »Ihre Eltern ... nun ja, die Akte haben Sie ja gelesen. Es ist ein Wunder, dass die Kleine überlebt hat.«
»Ja, ja, ein Wunder.« Er beginnt meine Hand zu streicheln und tätschelt mir über das Haar. »Und wer ist der junge Freund?«
»Das ist Stoffel«, antworte ich und erhebe den Hasen, damit der Kaplan ihn besser sehen kann. »Er begleitet mich überall mit hin, damit ich nie alleine bin.«
»Das ist gut.« Der Mann erhebt sich und sieht Frau Mathilda an. »Wissen Sie, eigentlich ist unsere Einrichtung bis zum Bersten gefüllt. Jedoch konnte das Ehepaar Metternich einfach nicht wegsehen, nachdem sie die Akte und somit den traurigen Fall der kleinen Mira studierten.«
Frau Mathilda scheint aus allen Wolken gefallen. Ich frage mich warum, der Kaplan hat doch gar nichts Wichtiges gesagt.
»Diana und Tadeus Metternich haben sich persönlich den Fall angesehen?«
Er nickt und sieht auf mich herab. »Ja, sie sind wirklich ein Segen für unsere schöne, alte, ehemalige Abtei. Gerade um die Weihnachtszeit bekommen wir vom Jugendamt viele Ausreißer und arme Seelen überstellt, die noch nicht volljährig sind und deshalb nicht in Wohngruppen oder Obdachlosenunterkünfte übergeben werden können.«
Hastig, als ob sie ihm ganz schnell zustimmen möchte, nickt Frau Mathilda. »Das ist uns allen sehr bewusst, Herr Kaplan, und wir sind Ihnen und der St.-Georgius-Einrichtung für schwer erziehbare Kinder äußerst dankbar, dass sie so kurzfristig noch jemanden aufnehmen können. Speziell im Fall der kleinen Mira. Sie ist ein ganz besonderer Sonnenschein und arbeitet noch mit dem Abwehrmechanismus der Verdrängung.« Sie legt mir eine Hand auf die Schulter, und ihre Augen sind so feucht, dass ich fast das Gefühl habe, sie würde gleich weinen. »Sie braucht besondere Fürsorge.«
»Sicherlich«, sagt der Priester so leise, dass ich Mühe habe, ihn zu verstehen, und reibt sich über das Kinn. »Ein besonderes Kind benötigt besondere Betreuung.«
Die beiden reden noch einige Zeit, während ich mitten im Raum stehe und nicht so recht weiß, was ich machen soll. Zwei Türen gehen von dem Büro ab. Ich wüsste zu gerne, was sich dahinter befindet. Außerdem riecht es hier komisch. Fast so ähnlich, als würde man an einer Kneipe vorbeigehen Nur viel leichter und nicht so brennend in der Nase.
»Und ihre Verbrennungen?«, will der Mann wissen, während er mich weiter beäugt.
Ich höre kaum hin, sehe aber, wie Frau Mathilda ihm eine Salbe in die Hände drückt.
Dabei verziehe ich die Nase. Schon wieder diese stinkende Creme. Ich weiß gar nicht, warum ich die brauche. Aber alle Schwestern und Ärzte meinten, es wäre total wichtig, dass sie meinen Rücken damit einschmieren.
»Siebenmal in der Woche«, antwortet Frau Mathilda. »Und natürlich müssen die Arzttermine wahrgenommen werden. Das Irmgardis-Krankenhaus ist bereits im Bilde.«
»Ausgezeichnet.« Der Mann richtet seine schwarze Kleidung. Sieht komisch aus. Als würde er Katzenhaare von ihr streichen wollen, die gar nicht existieren. »Dann wäre ja alles geklärt.«
Frau Mathilda verabschiedet sich, dabei macht sie fast einen Knicks vor dem Mann und zeichnet mit der Hand ein Kreuz vor ihrer Stirn nach. Es sieht so aus, als wäre sie unendlich dankbar, dass ich an dem Ort unterkommen kann. Komische Sitten haben sie hier.
Ein letztes Mal kniet sich Frau Mathilda zu mir herab, küsst meine Stirn und packt meine Hand so feste, dass ihre beinahe weiß anläuft.
»Versprich mir, dass du artig bist, Mira. Ab jetzt wird alles besser. Du wirst ein braves Mädchen sein, hörst du?«
Ich nicke, dabei weiß ich gar nicht so genau, warum ihre Stimme immer zittert. Eigentlich ist es doch schön hier. Ich habe Stoffel, alle streichen mir über den Kopf, und das Abenteuer, in einem riesigen, alten Haus zu leben, schreit nach Spannung....
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2022 |
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Reihe/Serie | Märchen-Thriller |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Dorf • Fitzek • Gemeinschaft • Gewalt • Märchenbrutal • Opfer • Rache • Rapunzel • spannend • Spannung • Täter • Thriller |
ISBN-10 | 3-7517-3031-1 / 3751730311 |
ISBN-13 | 978-3-7517-3031-0 / 9783751730310 |
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Größe: 1,8 MB
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