9 spannende Urlaubskrimis Juli 2022 (eBook)
1200 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-6313-7 (ISBN)
Am nächsten Tag fuhren wir zu Fati's Café in Altona. Als wir eintrafen, war Tarik Yagmur schon dort. Er kaute auf einem Donut herum und las in einer Zeitung.
»Ich schlage vor, Sie überlassen mir das Reden«, sagte er. »Dann sparen wir viel Zeit. Schließlich kenne ich Mahmut.«
»So?«
»Ich war dabei, als die Übereinkunft mit dem Staatsanwalt getroffen wurde. Er weiß, dass ich ein ehemaliger Al-Kubba bin, der ausgestiegen ist, auch wenn ihm natürlich nicht auf die Nase gebunden wurde, dass ich danach noch als verdeckter Ermittler gearbeitet habe. Aber die Tatsache, dass ich noch lebe und den Sprung auf die andere Seite geschafft habe, dürfte ihn dazu ermutigt haben, es auch zu versuchen.«
»Aber vergessen Sie nicht, dass die ganze Sache eine Operation der Kriminalpolizei ist«, gab ich zu bedenken.
Er hob die Augenbrauen.
»Wollen Sie mir jetzt mit irgendwelchen kleinkarierten Kompetenzgrenzen kommen?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Kein Gedanke. Ich überlasse Ihnen gerne den Vortritt, aber es darf keine Alleingänge geben.«
»Das vergesse ich tatsächlich manchmal«, gab er zu. »Allerdings ist das auch kein Wunder. In der Zeit, in der ich verdeckt ermittelt habe, war ich sehr stark auf mich allein gestellt.«
»Wie lange dauerte dieser Einsatz genau?«, fragte ich.
Sein Lächeln wurde wieder breit.
»Es tut mir leid, aber sämtliche Angaben dazu unterliegen der absoluten Geheimhaltung. Also haben Sie Verständnis dafür, dass ich dazu nichts sage, bevor mir nicht jemand von oben grünes Licht gibt.«
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Roy und sah, dass ihn dieselbe Frage beschäftigte wie mich: War Tarik Yagmur nur geschickt meiner Frage ausgewichen oder waren die Geheimhaltungsvorschriften bei der Drogenfahndung tatsächlich so viel strenger als bei uns. Letzteres konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen.
Wenig später traf Mahmut Museweni ein. Es handelte sich tatsächlich um jenen »Mahmut«, dem ich gegenüber von Rahim Anas Menem' Tattoo-Studio begegnet war. Allerdings hatte er sich etwas verändert und ich hätte ihn auf den ersten Blick nicht erkannt. Er trug eine Strickmütze, so dass man den kahlen Schädel mit dem eintätowierten arabischen Schriftzug 'Geboren als Al-Kubba’' nicht sehen konnte. Selbst die Tattoo-Tränen in seinem Gesicht waren kosmetisch so verändert, dass man sie im ersten Moment für Muttermale halten konnte.
Er stutzte, als er mich sah. Dann näherte er sich und setzte sich zu uns. Er wandte sich an Tarik Yagmur, den er offenbar kannte.
»Sie haben nicht gesagt, dass noch jemand dabei ist«, beklagte er sich.
»Tut mir leid, Mahmut, aber so läuft das nun einmal. Ferhat Emran ist ein Fall für die Kriminalpolizei, und ich helfe den Kollegen eigentlich nur etwas aus.«
»Sie können uns vertrauen, Herr Museweni«, sagte ich. »Wenn Sie ehrlich spielen, tun wir es auch.«
Mahmut Museweni atmete tief durch.
»Also gut. Sie wollen Ferhat Emran – und ich will ein anderes Leben und die Genugtuung, dass Emran am Ende doch noch bezahlen muss.«
»Was hat er Ihnen angetan, dass Sie ihn so hassen?«, fragte ich.
Er sah mich an.
»Meine Schwester hat sich mit jemandem getroffen, dessen Bruder bei der Gang war – man hat sie dann irgendwann auf einer Müllhalde in einem Plastiksack gefunden. Und jetzt ist plötzlich mein Onkel verschwunden, weil er sich angeblich mit den falschen Leuten getroffen hat und außerdem seinen Friseursalon nicht mehr als Crackhaus zur Verfügung stellen wollte.«
»Ein verschwundener Friseur«, fragte ich. »Sprechen Sie zufällig von einem gewissen Nureddin Ghasil?«
Mahmut Museweni runzelte die Stirn.
»Sie sind ja besser informiert, als ich dachte«, stellte er fest.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, was mit Herr Ghasil geschehen sein könnte?«
Museweni zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht wurde dunkelrot. Er schien noch zu überlegen, ob er wirklich darüber sprechen sollte.
»Machen Sie reinen Tisch, packen Sie aus!«, mischte sich Roy ein. »Dies ist ein informelles Treffen. Und außerdem hat der Staatsanwalt Ihnen für bestimmte Delikte eine Immunität zugesagt, also können Sie frei reden.«
Museweni verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Was würden Sie dann unternehmen? Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder ist er geflohen und untergetaucht, oder man findet ihn irgendwann in nächster Zeit im Elbe – von den Fischen so zernagt, das man ihn vermutlich nicht mehr identifizieren kann. Irgendein ein junger Idiot hat sich damit eine Träne verdient und der Gang auf Lebenszeit verpflichtet.«
»So wie Sie«, stellte ich fest.
Er zögerte und nickte dann kurz.
»Ja«, murmelte er langsam. »So wie ich. Haben Sie ein Problem damit?«
»Nein«, sagte ich. »So ist nun mal unser Rechtssystem. Und ich weiß, dass Sie einen hohen Preis dafür zahlen werden, dass Sie die Seiten wechseln.«
Das Zeugenschutzprogramm war für diejenigen, die es in Anspruch nahmen, keineswegs ein einfacher Weg. Es hieß, dass man alle früheren Bindungen hinter sich ließ. Und ein einziger falscher Anruf, eine Unachtsamkeit, eine Kontaktaufnahme mit jemandem aus dem früheren Leben konnte den Tod bedeuten. Die Gang jedenfalls verfolgte die wenigen Abtrünnigen, die es gab, mit einer selbst für die Verhältnisse des organisierten Verbrechens beispiellosen Unerbittlichkeit.
Museweni beugte sich vor.
»Es gibt in Jenfeld das Gelände einer ehemaligen Spedition. Dornbach & Partner ist der Name. Die Adresse werden Sie wohl ohne meine Hilfe herauskriegen. Die Firma hat vor einiger Zeit Pleite gemacht. Jetzt stehen da noch ein paar ausgeschlachtete Trucks, die niemand haben will. Das Gelände eignet sich hervorragend, um einen großen Deal über die Bühne zu bringen – vor allen Dingen deshalb, weil es von mehreren Seiten angefahren und verlassen werden kann.«
»Ich kenne das Gelände«, erklärte Tarik Yagmur. »Wann genau findet die Sache statt?«
»Morgen Nacht, irgendwann nach Mitternacht. Genauer kann ich es nicht sagen. Ferhat Emran bekommt einen Anruf auf einem Prepaid-Handy, und dann geht es los. Diesmal wird eine ganze Lastwagenladung Drogen den Besitzer wechseln.«
»Wenn wir Emran auf frischer Tat erwischen, ist er für viele Jahre weg vom Fenster«, meinte Yagmur.
»Ich will hoffen, dass ihr es nicht vermasselt«, zischte Mahmut Museweni zwischen den Zähnen hindurch. »Ich werde übrigens auch dabei sein. Es wäre also sehr nett, wenn Ihre Scharfschützen nur dann von der Waffe Gebrauch machen, wenn ich nicht im Schussfeld bin.«
»Keine Sorge«, erwiderte Yagmur. »Beim Kriminalkommissariat tun ausschließlich die Besten ihren Dienst – habe ich nicht recht!«
»Wallah, dein Gerede kannst du dir sparen!«, knurrte Museweni ihn an. »Ich will einfach nur, dass das alles reibungslos über die Bühne geht!« Er sah auf die Uhr. »Ich war schon lange genug hier ...« Er erhob sich, grüßte knapp und ging, nachdem er sich mehrmals umgedreht hatte.
»Ferhat Emran mit einer Ladung Kokain und einem Koffer voller Geld in flagranti bei einem Deal erwischt – das ist es doch, wovon wir alle träumen«, meinte Tarik Yagmur. »Und die Staatsanwaltschaft erst recht!«
»Was halten Sie von Museweni? Kann man sich auf ihn verlassen?«, fragte ich.
Yagmur zuckte mit den Schultern.
»Das weiß man immer erst hinterher, wenn alles glatt über die Bühne gegangen ist. Aber Tatsache ist, dass er sein Leben riskiert. Ich habe ihm eine Wohnung organisiert, in der er nach dem Deal erst mal abtauchen kann.«
»Normalerweise übernehmen wir so etwas.«
»Ja, das wollte Museweni nicht. Er vertraut mir vielleicht zu zehn Prozent – Ihnen gar nicht. Und ich verstehe ihn.«
»Wieso?«
Tarik Yagmur beugte sich etwas vor und sprach in gedämpftem Tonfall.
»Sie ahnen nicht, wie weit der Arm dieser Leute reicht. Die erfahren Dinge, wo Sie sich fragen, wie das überhaupt möglich ist.«
Wir verließen Fati's Café. Draußen hatte unangenehmer Nieselregen eingesetzt. Ein grauer, trüber Tag, dem man ansah, dass er nichts Gutes mehr bringen konnte.
»Was haben Sie heute noch vor?«, fragte Yagmur. »Ich meine – ermittlungstechnisch.«
Ich sah ihn an.
»Wir müssen noch zu Dr. Heinz. Und dann muss der Einsatz in Jenfeld vorbereitet werden. Ich nehme an, dass Herr Bock die Unterstützung der Polizei von dort anfordern wird, um das Gelände weiträumig abzusperren.«
»Zu Dr. Heinz würde ich Sie gerne begleiten. Gibt es schon einen ballistischen Bericht?«
»Kommt heute Nachmittag. Was glauben Sie, warum der Kerl im Tattoo-Studio sterben musste?«
»Ich nehme an, dass die...
Erscheint lt. Verlag | 27.1.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-6313-8 / 3738963138 |
ISBN-13 | 978-3-7389-6313-7 / 9783738963137 |
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