Tödliche Schuld (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller. Der neue packende SPIEGEL-Bestseller des englischen Autorenduos

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
432 Seiten
C. Bertelsmann (Verlag)
978-3-641-29585-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tödliche Schuld -  Nicci French
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Wenn ein kleiner Gefallen zur tödlichen Falle wird ...
Liam war Judes erste Liebe, doch nach einem tragischen Unglück vor vielen Jahren verschwand er ohne Erklärung aus ihrem Leben. Nun steht er plötzlich wieder vor ihr - und bittet sie um einen Gefallen. Jude ist inzwischen erfolgreiche Ärztin und glücklich verlobt, doch mit Liam fühlt sie sich noch immer verbunden, und so sagt sie zu. Schließlich handelt es sich nur um eine winzige Kleinigkeit. Doch wenige Tage später steht die Polizei vor ihrer Tür: Liam ist tot, ermordet. Jude ist die letzte Person, die ihn lebend gesehen hat und gilt somit unmittelbar als Hauptverdächtige. Sie weiß, dass nur sie allein herausfinden kann, was wirklich geschah. Doch je tiefer sie in Liams Leben eintaucht, desto unwiederbringlicher verstrickt sie sich in einem tödlichen Netz aus Lügen und Geheimnissen, und bald ist auch ihr eigenes Leben in Gefahr ...

Hinter dem Namen Nicci French verbirgt sich das Ehepaar Nicci Gerrard und Sean French. Seit langem sorgen sie mit ihren höchst erfolgreichen Psychothrillern international für Furore. Sie leben im Süden Englands.

Prolog


Ein Kreischen gellte durch die Nacht. Sie wusste nicht, ob es von ihr selbst kam oder von ihm, während er die Hände vors Gesicht riss, oder vom Wagen, als er mit schlitternden Reifen von der Fahrbahn geriet. Plötzlich war da ein Moment der Stille, der Baum vor der Windschutzscheibe, schwarzes Laub im Scheinwerferlicht. Metall knirschte, dann ging das Licht aus. Sie schlug mit dem Gesicht hart auf, Schmerz explodierte in ihrem Schädel zu grellen Farben. Als sie den Kopf hob und die Augen öffnete, sah sie pulsierende Abstufungen von Blau, Rot und scheußlichem Violett. Ein Gefühl von Entsetzen durchflutete sie, schlimmer als der Schmerz.

»Bitte helft mir«, sagte Jude, an niemanden gerichtet.

Sie waren auf der Heimfahrt von einer Party, mit Liams rostigem altem Fiat, bei dem ein Seitenspiegel nur noch von Klebeband gehalten wurde und jedes Mal ein unheilvolles Rattern einsetzte, sobald es etwas steiler bergauf ging. Vorne saßen Jude und Liam, hinten Yolanda und Benny, wobei Benny völlig weggetreten war, den Kopf an Yolandas Schulter, den Mund weit offen, und Yolanda ebenfalls fest schlief. Jude warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett: Es war zwei Uhr morgens, aber immer noch warm nach einem glühend heißen Tag. Es fühlte sich an, als würde jeden Moment der Himmel aufreißen und sich eine Regenflut in die ausgedörrte, rissige Erde ergießen.

Es war überhaupt ein heißer Sommer gewesen. Jude musste daran denken, wie sie im Mai und Juni ihr Abitur geschrieben hatte, während gleißendes Sonnenlicht durch die großen Fenster fiel: mit schwitzigen Fingern, Schweißperlen auf der Stirn und feuchten Flecken unter den Achseln. Das erschien ihr inzwischen so weit weg, wie eine andere Welt, denn seit Mitte Juni war sie verliebt – trunken vor Liebe wie nie zuvor. Ihr Körper schmerzte regelrecht davon. Sie konnte spüren, wo seine Finger sie berührt hatten. Ihre Lippen waren wund. Auf der Party hatte er sie in den Garten hinausgeführt und geküsst, bis sie sich beinahe vor aller Augen auf den Rasen gelegt hätte, doch er hatte geflüstert: »Später.« Sie spürte noch seinen heißen Atem in ihrem Ohr. Nun war später: Sie würden Yolanda absetzen, Benny aus dem Wagen hieven, bis zu seiner Haustür zerren und dann weiterfahren, in den Wald. Liam hatte im Kofferraum seines Wagens eine Decke liegen. Ihr machte es nichts aus, wenn es regnete. Sie stellte sich vor, wie sich ihre nassen Körper aneinanderpressen würden, und empfand einen Schauder der Vorfreude.

Sie sah zu ihm hinüber. Er spürte ihren Blick und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel, den dünnen Stoff ihres Kleides. Liam Birch: so gar nicht ihr Typ. Liam war neben der Spur – Jude nicht. Sie wusste schon seit der Grundschule, dass sie mal Ärztin werden würde, und arbeitete seitdem ohne Unterbrechung hart darauf hin. Sie hatte bereits einen Studienplatz, und wenn ihre Prüfungsergebnisse es zuließen – woran sie nicht zweifelte –, wäre sie in sechs Wochen auf dem Weg nach Bristol.

Liam wusste noch nicht, wie es bei ihm weitergehen sollte. Er war handwerklich sehr geschickt, konnte fast alles reparieren und mit wenigen Bleistiftstrichen etwas höchst Lebendiges, Verblüffendes schaffen. Jude hatte ihm mehrfach geraten, Kunst zu studieren, doch er zuckte jedes Mal nur mit den Schultern und antwortete, er wolle erst mal sehen, wie sich die Dinge entwickelten, als läge die Entscheidung gar nicht bei ihm – als würde ihn das Leben einfach überrollen und mit sich tragen. Vielleicht würde er auf Reisen gehen, meinte er: weg von dieser mittelgroßen Stadt in Mittelengland, wo er schon sein Leben lang mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder wohnte. Sie blickte auf die Hand hinunter, die warm und schwer auf ihrem Oberschenkel lag. Was würde passieren, wenn sie zur Uni ging? Sie hatten nicht über die Zukunft gesprochen, und auch kaum über die Vergangenheit. Sie wusste nicht viel über Liams Familie, seine Kindheit, seine früheren Beziehungen. Was zählte, war jetzt und hier: das wunderbare Gefühl, dass ihr Körper sich irgendwie aufzulösen schien, sobald er sie berührte oder sie nur daran dachte, wie er sie berührte – die Art, wie er sie ansah und ihren Namen sagte.

Sie waren nicht in dieselbe Schule gegangen. Liam hatte die Oberstufe der großen Schule besucht, die am Rand der Stadt in Shropshire lag, wo sie beide lebten, und Jude die Gesamtschule. Trotzdem hatte sie ihn wahrgenommen, eine hochgewachsene, schlaksige Gestalt mit dunklem Haar, das dringend geschnitten gehörte, und Klamotten, die nie neu aussahen: zerrissene Jeans, T-Shirts mit geheimnisvollen Aufschriften, eine seltsame grüne Jacke, die an jedem anderen schrecklich ausgesehen hätte, er jedoch gut tragen konnte. Sie hatte ihn in den vergangenen zwei Jahren des Öfteren registriert, wie er mit einer Gruppe anderer Teenager die Straße entlangging, rauchte, aus Dosen trank und dabei immer cool und unglaublich erfahren wirkte.

Ein paar Tage nach ihrer letzten Prüfung stellte ein Freund sie ihm auf einer Party vor. Sie wartete darauf, dass er sagen würde: »Hey, Jude«, um anschließend über seinen eigenen Witz zu lachen, doch das tat er nicht. Sie rechnete damit, dass er sich gleich wieder umdrehen und zu seiner eigenen Clique zurückkehren würde, doch auch das tat er nicht. Stattdessen erzählte er ihr von einem Fuchswelpen, den er an dem Tag überfahren hatte, und dass er erst gedacht habe, ein kleines Kind sei vor ihm auf die Straße gelaufen. Der Fuchs habe noch gelebt und erbärmlich geschrien, sodass sich schnell ein paar Schaulustige versammelt hätten. Er habe ihn töten müssen, erklärte er, indem er ihm einen Stein vom Gehsteig gegen den Kopf knallte, und anschließend in den Wald gebracht. Fast eine halbe Stunde habe er den noch warmen, durchdringend riechenden Kadaver auf dem Arm getragen. Er kam ihr leicht zugedröhnt vor. Seine Pupillen wirkten vergrößert, weshalb seine Augen in dem schwachen Licht sehr dunkel, fast schwarz aussahen. Überrascht stellte Jude fest, wie freundlich er wirkte, und wie jung. Beinahe – nun ja, beinahe normal. Einfach ein gut aussehender Junge.

Die ersten paar Wochen war es ein wundervolles Geheimnis, das sie wie einen Schatz hütete. Sie erzählte es nicht einmal ihren Freundinnen, weil sie nicht wollte, dass sie die Augen verdrehten oder es durch irgendeine beiläufige Bemerkung als unwichtig abtaten – oder aber als allzu wichtig oder allzu erstaunlich einstuften. Sie wollte nicht hören, dass eine von ihnen auch schon mit ihm zusammen gewesen war oder von einer wusste, die es war, oder Getratsche über ihn mitbekommen hatte: über seinen Leichtsinn und seine plötzlichen, unerklärlichen Wutausbrüche. Sie wollte nicht, dass jemand sagte: »Bei dem musst du aufpassen.« Selbst jetzt widerstrebte es ihr noch, darüber zu reden. Hin und wieder gingen sie zusammen auf eine Party, so wie an diesem Abend, und erst gestern hatten sie den Tag mit einer Gruppe von Freunden am Fluss verbracht. Sie hatte mit Rosie über ihn gesprochen, während sie am Flussufer nebeneinander im hohen Gras lagen, den Blick auf den blauen Himmel gerichtet. Ihren Eltern aber hatte sie es nicht erzählt. Sie wusste, dass sie beunruhigt wären von Liam, der Gras rauchte, Pillen schluckte, manchmal ein bisschen ungewaschen aussah und nicht zur Uni gehen würde. Vielleicht machte gerade das seine Anziehungskraft aus: dass er einer war, den ihre Eltern nicht gut fänden. Im September würde sie sowieso nach Bristol aufbrechen. Er war ihr Intermezzo, ihr Sommer, ihre Auszeit.

»Mir ist ein bisschen schlecht«, murmelte Yolanda auf dem Rücksitz, noch im Halbschlaf.

»Dreh das Fenster runter«, meinte Liam.

»Ich glaube, ich muss wirklich kotzen

»Nicht in meinem Wagen!«

»Es dauert nicht mehr lang bis zu dir«, erklärte Jude. »Sag uns trotzdem, wenn wir anhalten sollen.«

Doch Yolanda gab keine Antwort, weil sie wieder eingeschlafen war. Aus ihrer Richtung kam ein gurgelndes Schnarchen, dann ein Grunzen.

Jude fühlte sich selbst leicht beschwipst. Liam hatte auch viel getrunken und weiß Gott was eingeworfen. Doch es war nur eine kurze Fahrt. Ein paar große Tropfen landeten auf der Windschutzscheibe. Sie hob eine Hand, um sein Gesicht zu berühren, und spürte, dass er lächelte.

Dann sagte er: »Fuck!«, oder schrie es.

Denn vor ihnen beschrieb die Straße eine scharfe Kurve, doch der Wagen fuhr geradeaus weiter, weg von der Straße, auf die Bäume zu. Das alles passierte schrecklich langsam, wie in Zeitlupe, mit beängstigend klarem Blick auf die Kata-strophe und eine Welt, die nie wieder sein würde, wie sie war.

Ein Kreischen gellte durch die Nacht.

Jude konnte nicht sagen, in welche Richtung sie lag. Ihr Kopf pochte vor Schmerz, erst die eine Kopfhälfte, dann die andere. Hinten schluchzte Yolanda heftig. Von Benny war gar nichts zu hören.

»Seid ihr verletzt?«, meldete sich Liam in der Dunkelheit zu Wort. Sein Ton klang drängend.

»Ich kann nichts sehen.« Jude hob eine Hand und berührte ihr Gesicht, das sich warm und klebrig anfühlte. »Ich blute«, erklärte sie.

»Kannst du aussteigen?«, fragte Liam.

»Ich weiß nicht. Yolanda? Benny? Seid ihr in Ordnung? Was ist passiert? Was machen wir denn jetzt?«

Liam stieg aus, kam auf ihre Seite und half ihr aus dem Wagen. Sie war nicht fähig zu stehen, ihre Beine zitterten zu sehr, deswegen ließ er sie ins Gras sinken. Schemenhaft konnte sie sein bleiches Gesicht erkennen. Er wandte sich wieder dem Wagen zu, um Yolanda zu helfen, die vom Auto weg stolperte und sich...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2022
Übersetzer Birgit Moosmüller
Sprache deutsch
Original-Titel The Favour
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte 2022 • barnaby • Bestseller 2022 • bittere Wahrheit • Blauer Montag • Blutroter Sonntag • Claire Douglas • Der achte Tag • eBooks • Ein dunkler Abgrund • Eisiger Dienstag • Elizabeth George • Frieda Klein • Krimi Neuerscheinungen 2022 • London • Lynley • Michael Robotham • Neuerscheinung • Neuheiten 2022 • spiegel bestseller • Tana French • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2022
ISBN-10 3-641-29585-8 / 3641295858
ISBN-13 978-3-641-29585-1 / 9783641295851
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