Das Haus Zamis 50 (eBook)

Die Vampire des Zaren

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3660-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 50 - Peter Morlar
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Die Nasenflügel der Gestalt blähten sich, als wittere sie das Blut, das aus den klaffenden Wunden sprudelte. Ein animalisches Knurren drang aus ihrer Kehle. Dann drehte sie dem Mann mit einem brutalen Ruck den Kopf zur Seite, dass sich die Haut über seinem Hals spannte. Die wild pulsierende Hauptschlagader trat hervor wie der Strang eines Stahlseils.
Die Gestalt leckte sich genießerisch über die Lippen, bevor sie ihre Zähne tief in den Hals ihres Opfers schlug und schlürfend das ausströmende Blut trank ...

Coco scheint die Flucht aus der Bibliothek gelungen, doch noch immer kennt sie nur einen winzigen Ausschnitt der Dämonenvita ihres Vaters. In St. Petersburg angekommen, machte Michael Zamis sich innerhalb kürzester Zeit einen Namen als Wunderheiler, als im Jahr 1905 plötzlich ein alter Rivale auftaucht - und sich anschickt, Michaels Platz an der Seite des Zaren einzunehmen ...


1. Kapitel


Der Aufprall raubte ihm fast das Bewusstsein. Messerscharfe Krallen zerfetzten ihm das Hemd, zogen Furchen durch sein Gesicht. Das Blut lief ihm in die Augen, nahm ihm für einen Moment die Sicht auf die totenbleiche Fratze, aus der ihm ein weit aufgerissener Schlund entgegengähnte. Nadelspitze Zähne blitzten bedrohlich in der Dunkelheit.

Die Nasenflügel der Gestalt blähten sich, als wittere sie das Blut, das aus den klaffenden Wunden sprudelte. Ein animalisches Knurren drang aus ihrer Kehle. Dann drehte sie dem Mann mit einem brutalen Ruck den Kopf zur Seite, dass sich die Haut über seinem Hals spannte. Die wild pulsierende Hauptschlagader trat hervor wie der Strang eines Stahlseils.

Die Gestalt leckte sich genießerisch über die Lippen, bevor sie ihre Zähne tief in den Hals ihres Opfers schlug und schlürfend das ausströmende Blut trank.

Aus der Dämonenvita des
Michael Zamis,

13. November 1905

Die Luft, die vom Meer her über die Newa weht, klirrt vor Kälte. Unabdingbar kündigt sie den nahenden Winter an, dessen hartem Regiment sich das Land in den nächsten Monaten zu beugen hat. Vorbei ist die Zeit der Sommersonnenwende, in der es sogar nachts niemals richtig dunkel wird, vorbei die Zeit, in der man ohne dicke Fellbekleidung über die mehr als 42 sumpfigen Inseln spazieren kann, auf denen Sankt Petersburg erbaut ist.

Die Stadt duckt sich hinter hohen Wällen aus Granitsandstein, die im Falle einer Sturmflut Mensch und Tier vor den schäumenden Wassermassen schützt, und nicht zuletzt die zahlreichen Prunkbauten wie den Winterpalast, die Eremitage oder das Katharinenkloster mit dem legendären Bernsteinzimmer.

Da die Newa-Mündung auf gleicher Höhe liegt wie der Meeresspiegel, wurden große Teile der Stadt auf Pfählen errichtet, wofür man Anfang des 18. Jahrhunderts über 70.000 Männer zwangsrekrutierte, von denen viele die Strapazen nicht überlebten. Zyniker behaupten, dass es nicht jene Pfähle seien, die Sankt Petersburg stützen, sondern die Skelette der ungezählten Toten.

Heute ist die über 1,4 Millionen Einwohner zählende Metropole ein gigantischer Moloch, der der Fantasie eines Fieberkranken entsprungen sein könnte, ein Schmelztiegel architektonischer Stilrichtungen, reichend von Frühbarock über Jugendstil bis hin zur frühen Moderne.

Kurzum: Es ist meine Stadt, und ich fühle mich pudelwohl hier. Ich habe die Schatten der Vergangenheit endlich hinter mir gelassen und ein völlig neues Leben begonnen. Tag und Nacht habe ich gearbeitet, mir all das angeeignet, was ich schon immer wissen wollte. Inzwischen habe ich promoviert, ein Medizinstudium an der Petersburger Universität abgeschlossen und es sogar geschafft, eine Anstellung am Hofe des regierenden Zaren Nikolai Alexandrowitsch II. zu bekommen.

Mir kann niemand so schnell etwas vormachen. Ich kenne jede sonst wie geartete Krankheit, weiß genau, wie man sie therapieren und ausheilen kann. Jedoch bin ich ebenso in der Lage, kraft meines Willens Krankheiten und Pestilenzen entstehen zu lassen. Neben dem Studium habe ich jede freie Minute mit der Perfektionierung meiner Zauberkünste verbracht, mir ein gigantisches Wissen über Hexenkunst und schwarze Magie erworben. Es gibt in der ganzen Stadt kein einschlägiges Buch mehr, das ich nicht schon verschlungen habe.

Dabei spüre ich stets, dass mich noch etwas anderes zu den dunklen Künsten hinzieht als nur meine Neugier und mein unbändiger Ehrgeiz. Wann immer ich mich mit schwarzer Magie beschäftige, spüre ich diese seltsame Vertrautheit. Ich weiß, dass ich anders bin als die anderen – und dass ich noch meilenweit entfernt bin, das Geheimnis meiner Neigungen wirklich zu lösen.

Außerdem kommt mir zugute, dass es in der feinen Gesellschaft von Sankt Petersburg zurzeit Mode – oder wie sich die Versnobten unter ihnen ausdrücken: »très chic« – ist, sich von der orthodoxen Kirche abzuwenden. Der heidnische Mystizismus feiert Hochkonjunktur, Sekten und selbst ernannte Geistheiler verbreiten sich schneller als die Rattenplage, mit der die Stadt seit Langem zu kämpfen hat.

Im Zuge dieser Entwicklung haben meine Heilkünste die Aufmerksamkeit Johann von Kronstadts erweckt, eines Geistlichen, der zu den engsten Vertrauten des Zaren gehört.

Noch muss ich meine Zeit mit den Wehwehchen des Hofpersonals vergeuden, deren Magenverstimmungen, Hautausschläge und eingewachsene Fußnägel kurieren oder bei Erkältungen und anderen Infekten einen Aderlass durchführen.

Welche Verschwendung meines Könnens angesichts der Tatsache, dass dafür auch das beschränkte Wissen eines jener Quacksalber genügt hätte, die sich in Sankt Petersburg zu Hunderten niedergelassen haben!

Ich will mehr.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, binnen Jahresfrist zum Leibarzt des Zaren aufzusteigen. Der Weg an die Spitze führt mich über Johann von Kronstadt, der von der schwarzen Beulenpest befallen ans Bett gefesselt ist und auf sein klägliches Ende wartet. Zwar hat man in der Schulmedizin die tödlichen Erreger längst bezwungen, doch in meinem Repertoire magisch erzeugter Maladien feiern sie gerade so etwas wie eine Renaissance. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.

Mein hageres Gesicht mit der scharfrückigen Nase und dem schmallippigen Mund spiegelt sich in der Scheibe des Fensters wider, unter dem sich die dunklen Wassermassen der Newa dahinschieben. Mein Blick ist ernst und verschlossen, eine steile Falte über der Nasenwurzel teilt meine Stirn in zwei Hälften, die Augen, zu engen Schlitzen zusammengepresst, verlieren sich unter den tief herabgezogenen Brauen. Ein Anblick, der mir nicht fremd ist: So sehe ich immer aus, wenn ich in Gedanken versunken bin und unter fieberhafter Anspannung stehe.

Beinahe hätte ich den Mann nicht bemerkt, der lautlos an mich herantritt.

»Johann von Kronstadt erwartet Euch.« Der Bedienstete führt mich durch einen weitläufigen, im Glanze barocker Baukunst und verspielter Ornamente erstrahlenden Gang in einen abgedunkelten Raum, in dem einsam die Flamme einer Petroleumlampe flackert. Ihr fahler Schein reicht gerade einmal aus, das breite Bett mit dem ausladenden Baldachin zu erleuchten, aus dem mir ein bleiches, ausgemergeltes Gesicht entgegenstarrt.

»Seid gegrüßt«, sickert es über die spröden Lippen des alten Mannes, dessen Züge gezeichnet sind von den eiternden Wunden der Beulenpest. Sein rasselnder Atem zeugt davon, dass es dem Ende zugeht.

»Womit kann ich Euch zu Diensten sein, ehrenwerter Johann von Kronstadt?«

»Seht mich an. Die Ärzte sind ratlos. Keine der bekannten Heilmethoden schlägt an. Ich glaube, wenn mich die Kurpfuscher noch einmal zur Ader lassen, habe ich keinen Tropfen Blut mehr im Leib.«

»So weit soll es doch sicher nicht kommen.« Ich bemühe mich, nicht belustigt zu klingen.

»Ihr seid meine letzte Hoffnung, Mikhail. Es heißt, Euere Heilkunst sei legendär. Deshalb habe ich nach Euch verlangt.«

»Ich fühle mich geehrt. Nur schade, dass es sich bis zum Zaren noch nicht herumgesprochen hat.« Ich bücke mich nach dem abgewetzten Lederkoffer, den ich mitgebracht habe. »Ihr habt Glück, Johann von Kronstadt. Es besteht noch Hoffnung.«

Ein schwaches Glitzern in den glasigen Augen, die sich an mir festfressen. »Tatsächlich?«

»Ihr zweifelt an meinen Worten?«

»Verzeiht meine Skepsis, aber die letzten Wochen haben mich gelehrt, etwas Zurückhaltung zu üben, was die Versprechen von Medizinern betrifft.«

Ich bediene mich der Glaskaraffe mit Trinkwasser auf der Kommode neben von Kronstadts Bett. Zwei Fingerbreit fülle ich in ein Porzellanschälchen und schütte Kochsalz und grünes Farbpulver hinzu. In von Kronstadts Augen tritt ein Glanz, als halte ich Gold in meinen Händen. Seine schwarz gefärbte Zunge leckt gierig über die aufgesprungenen Lippen.

»Zwei Dinge ...«, ich presse das Schälchen an meine Brust, »zwei Dinge sind von äußerster Wichtigkeit für Euere Genesung. Zum einen: Teilt Euch die Tinktur sorgsam ein. Ein winziger Schluck jetzt, ein winziger Schluck morgen früh, den Rest am Abend. Sonst wirkt sie nicht.«

»Was noch?«

Ich sehe dem Dahinsiechenden beschwörend in die Augen. »Zum anderen vergesst nicht, seiner Kaiserlichen Hoheit Nikolai II. eine ausdrückliche Empfehlung auszusprechen.«

»Das werde ich, Mikhail, das werde ich – wenn Ihr mich nur von dieser schrecklichen Krankheit befreit!«

Ich reiche ihm das Porzellanschälchen mit der giftgrünen Flüssigkeit. Obwohl seine knöchernen Hände wie Espenlaub zittern, hält er sich an meine Anordnung und nippt lediglich daran.

»Jetzt ruht Euch aus, werter von Kronstadt«, sage ich, während ich meinen Koffer wieder zusammenpacke. »Euer Körper wird einen harten Kampf gegen die Krankheit auszufechten haben.«

Als ich das Schlafgemach Johann von Kronstadts verlasse, muss ich stark an mich halten, um meinen Triumph nicht aus voller Kehle hinauszuschreien.

Ich überlasse nichts dem Zufall. Nicht mehr. Obwohl ich keinen Zweifel daran...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2022
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3660-3 / 3751736603
ISBN-13 978-3-7517-3660-2 / 9783751736602
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