Nach den Gezeiten (eBook)

Vier Frauen und ein Jahrhundertbauwerk, das die Welt verändert
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3116-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nach den Gezeiten -  Lena Johannson
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Vier Frauen, die um ihren Platz in der Welt kämpfen, verbunden durch ein einzigartiges Bauwerk.

Während Mimi gebannt den Beginn der Bauarbeiten am Kanal verfolgt und sieht, wie die Pläne ihres Vaters Form annehmen, übernimmt Justine den väterlichen Eisenwarenladen und versucht, ihn als Hauptlieferant für den Kanalbau zu etablieren - allen Widerständen zum Trotz. Nach einer großen Enttäuschung flieht Regina aus ihrem alten Leben und findet in der Versorgung der Kanal-Arbeiter eine neue Aufgabe. Hier, hofft sie, ist sie mit ihrer Tochter sicher. Als es zu Manipulationen am Schleusenbau kommt, droht Sannes Geheimnis aufzufliegen. Und nicht nur das, auch der Mann, in den sie sich verliebt hat, ist in Gefahr. Bei dem verzweifelten Versuch, ihn und auch die Arbeiter vor einer Katastrophe zu bewahren, erfährt sie unerwartete Unterstützung von Regina. Am pompösen Festakt zur Eröffnung des Kanals 1895 durch den Kaiser höchstpersönlich nehmen alle vier Frauen teil, jede auf ihre ganz eigene Weise ...

Bestsellerautorin Lena Johannson verwebt gekonnt weibliche Schicksale mit Weltgeschichte.



Lena Johannson, 1967 in Reinbek bei Hamburg geboren, war Buchhändlerin, bevor sie als Reisejournalistin ihre beiden Leidenschaften Schreiben und Reisen verbinden konnte. Sie lebt als freie Autorin an der Ostsee. Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Bestseller 'Die Villa an der Elbchaussee', 'Jahre an der Elbchaussee', 'Töchter der Elbchaussee', 'Die Frauen vom Jungfernstieg - Gerdas Entscheidung', 'Die Frauen vom Jungfernstieg - Antonias Hoffnung', 'Die Frauen vom Jungfernstieg - Irmas Geheimnis', 'Die Malerin des Nordlichts' und der erste Band der Nord-Ostsee-Saga 'Zwischen den Meeren' lieferbar, ihre Romane 'Dünenmond', 'Rügensommer', 'Himmel über der Hallig', 'Der Sommer auf Usedom', 'Die Inselbahn', 'Liebesquartett auf Usedom', 'Strandzauber', 'Die Bernsteinhexe', 'Sommernächte und Lavendelküsse' sowie die Kriminalromane 'Große Fische' und 'Mord auf dem Dornbusch'. Mehr zur Autorin unter www.lena-johannson.de

Kapitel 1

Susanne


Brunsbüttel, Frühjahr 1889

Sanne war längst wach, als die Sonne sich zaghaft mit ihren ersten Strahlen über das Land tastete. Sie schlich sich aus der Kammer, in der ihre vier jüngeren Geschwister noch schliefen. Nicht zum ersten Mal. Es kam ihr beinahe vor, als würde sie zwei Leben führen. Sie war die Tochter des Zimmermanns Herwart Schmidt und führte mit ihrer Mutter Maria den kleinen Haushalt, putzte, wusch, stopfte, kochte und kümmerte sich um die Lütten. Im Nutzgarten der Familie bauten sie Salat, Gemüse und Kräuter an und sorgten dafür, dass Vorräte für den Herbst und Winter in der Erdmiete lagerten. Gleichzeitig war sie die Konstrukteurin der Schleusenanlage Brunsbüttel! Natürlich nicht offiziell. Doch das machte ihr nichts aus. Die Leute würden schon noch früh genug erfahren, dass sie es war, die die Pläne ihres Urahnen zugrunde gelegt und die Anlage für den Nord-Ostsee-Kanal berechnet hatte. Zusammen mit Rosario.

Rechts und links vom Alten Braakdeich hing Nebel über den Feldern, als hätte sie jemand über Nacht zugedeckt. Sanne setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, im ersten Dämmerlicht des Tages konnte man leicht stolpern. Was hatte sie für ein Glück gehabt! Durch eine Verwechslung war Steinmetz und Sprengmeister Rosario als Schleusenbauer eingestellt worden. Weil er davon nicht genug verstand, war Sanne ihm schnell auf die Schliche gekommen. Und jetzt trugen ein Schwindler und eine Frau die Verantwortung für einen der wichtigsten und zugleich schwierigsten Bauabschnitte des Nord-Ostsee-Kanals. Selbst Sannes Eltern durften natürlich nichts davon wissen. Sie glaubten wahrscheinlich, sie hätte sich ein bisschen in den Italiener verguckt, so oft, wie sie sich mit ihm traf. Vielleicht hofften sie sogar, dass was Festes draus wurde, immerhin wäre er keine üble Partie. Sollte ihr recht sein. Das führte zwar zu diesem anstrengenden Doppelleben, denn Mutter ahnte nichts von der Herausforderung, die Sanne zu bewältigen hatte, und schonte sie folglich auch nicht, doch Sanne kümmerte es nicht. Im Gegenteil, sie hätte sich nichts auf der Welt mehr gewünscht. Ein Studium war ihr als Frau verwehrt, doch ihr Einsatz an der Schleuse war viel besser. Jeden Tag lernte Sanne etwas Neues und schon sehr bald konnte sie direkt am Objekt sehen, ob all ihre Berechnungen und Überlegungen richtig gewesen waren.

Der Wind pustete ihr ordentlich ins Gesicht, als sie in Richtung Josenburg abbog. Nun war es nicht mehr weit bis zu dem Ausläufer der Braake, an dem sie sich mit den Männern treffen und eins der wichtigsten Experimente überhaupt durchführen wollte. Heute würde sich herausstellen, ob ihre Schleusenkonstruktion fehlerfrei funktionierte, eine Frage, die für ihr weiteres Vorgehen natürlich entscheidend war. Allein bei dem Gedanken spürte sie ein Kribbeln im ganzen Körper. Schon als kleines Mädchen hatte sie es geliebt, wenn ihr Großvater ihr Zeichnungen und Pläne seines Großvaters gezeigt und erklärt hatte. Seit einigen Monaten fertigte sie nun endlich selbst welche an und würde irgendwann sogar dabei zusehen können, wie ein echtes Bauwerk daraus entstand. Sie durfte sich mit dem beschäftigen, was ihr die größte Freude bereitete. Mindestens ebenso wichtig: Sie würde allen beweisen, dass Frauen nicht weniger konnten als Männer, nur weil angeblich ihr Gehirn kleiner war, wie ihr Vater behauptete. Heute würde sie einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie es sein würde, wenn das Werk einmal vollendet war. Zusammen mit Rosario und Andreas Kolbe hatte sie in nächtelanger Arbeit ein funktionsfähiges Modell gebaut, eine Schleuse für Zwerge sozusagen. Kolbe, der am Kanal mitbuddeln wollte, nur dummerweise lange bevor die Aushubarbeiten begonnen hatten, nach Brunsbüttel gekommen war, hatte ein Händchen für Miniaturausgaben großer Gebäude. Seinem Bruder hatte er auch einmal ein Haus im Kleinformat gebastelt, ehe es an die große Version ging, in der der Bruder nun wohnte. Während Sanne und Rosario die Anlage auf Papier gebracht hatten, war Kolbe es gewesen, der die Umsetzung geleitet hatte. Nach und nach hatten sie die Schleuse errichtet. Dafür hatten sie sich eine Stelle mit viel Gestrüpp an einem verschlafenen Nebenarm der Braake gesucht. War immer’n büschen ungemütlich, zwischen dem Gesträuch herumzuklettern, dafür war ihre kleine Schleuse aber gut versteckt. Trotzdem hatte Sanne jedes Mal mordsmäßig Angst, jemand könnte sie doch entdeckt und ihre ganze Arbeit zunichtegemacht haben. Als ob sie nicht so schon genug Bammel hatte, dass ihr ganzer schöner Plan auffliegen könnte. Mit Schrecken dachte sie an den unheilvollen Abend zurück, an dem sich Rosario und Kolbe in der Gaststätte von einem Fremden zu Köm hatten einladen lassen und dabei möglicherweise, so genau konnten sich beide nicht mehr erinnern, ausplauderten, dass Rosario nicht der Schleusenbauer war, den alle sehnlich erwartet hatten. Noch Wochen später hatte Sanne allein bei dem Gedanken gezittert, dass der geheimnisvolle Fremde, zu dem die beiden allzu vertrauensselig gewesen waren, wieder in Brunsbüttel auftauchte und ihr Geheimnis verriet.

Am Treffpunkt angekommen, stand sie einen Moment nur da und blickte in Richtung Ostermoor. Die Sonne hatte den Nebel aufgelöst, so dass sie eine herrlich freie Sicht hatte. Von Rosario und Kolbe noch keine Spur. Sanne sah sich um. Ein paar Männer waren an der neuen Straße zugange. Das musste man sich mal vorstellen, eine Zufahrt, die nur für die Baufahrzeuge, die Material oder Arbeiter heranschafften, entstand, und die wieder verschwinden würde, wenn der Kanal fertig war. Sie hörte Metall auf Stein hämmern und stellte zufrieden fest, dass niemand Notiz von ihr nahm. Also konnte sie es wagen, unter den langen gebogenen Ästen einer Trauerweide hindurchzuschlüpfen. Wie immer blieb sie kurz stehen und lauschte. Nichts. Nur das Klopfen der flink geführten Werkzeuge, das Pfeifen eines Mannes und das Zwitschern und Rascheln der Vögel, die in den Bäumen den Frühling begrüßten. Sie atmete auf. Die Erleichterung war umso größer, als sie einen Blick auf die unter Zweigen verborgene Schleuse warf. Gottlob hatte offensichtlich niemand die Finger dran gehabt. Sie spitzte noch einmal die Ohren, doch Rosario und Kolbe waren noch nicht in der Nähe. Wären sie es, könnte Sanne sie hören. Die beiden hatten immer etwas zu reden und zu lachen. Wahrscheinlich waren sie deshalb auch nie pünktlich. Sie trat wieder aus dem Versteck, sah sich noch einmal vorsichtig um und machte sich auf den Weg in Richtung Ostermoor. Wie sehr sich hier in den letzten Monaten alles verändert hatte! Bis vor bummelig einem Jahr hatte es nichts gegeben als Wiesen, soweit man gucken konnte. Und die alte Mühle natürlich, deren Dachstuhl Vater in Ordnung gebracht hatte. Aber jetzt? Sanne konnte schon den Bahnhof sehen, den ein Unternehmer aus Berlin hatte anlegen lassen, mit allem Drum und Dran. In einer Schmiede und einer Schlosserei loderten täglich die Feuer, und das emsige Schlagen von Metall auf Metall war weit zu hören. Ein Trockenbagger stand auch schon bereit. Sanne konnte es kaum erwarten, bis der zum Einsatz kam. Er würde sich eigenständig auf Schienen bewegen können. Den langen Arm mit dem Paternosterwerk und den Eimern daran konnte er heben oder auf die gewünschte Tiefe senken, hatte sie gehört. War ja auch logisch, je mehr Erde mit ihm abgetragen wurde, desto weiter in der Tiefe musste der Aushub erfolgen und abtransportiert werden. Sie stellte es sich faszinierend vor, wie viel die Maschine in kurzer Zeit würde leisten können, und das mit nur wenigen Männern, die sie bedienten.

Je näher sie dem einstmals verschlafenen Dorf Ostermoor kam, desto deutlicher konnte sie verschiedene Loks erkennen, die auf den Gleisen warteten, bis sie endlich die vielen Kippwagen würden ziehen dürfen, die alle bis zum Rand mit Erde gefüllt sein würden. Es kam ihr beinahe vor, als wären die Schienenfahrzeuge nicht weniger ungeduldig als sie selbst. Ehe nur an den eigentlichen Schleusenbau zu denken war, mussten Mengen von Bodenaushub bewegt werden. Von hier bis rüber nach Kiel an der Ostsee war das so. Wie lange das wohl dauern würde? Das noble Kontorhaus kam in ihr Sichtfeld, das neben dem Bahnhof ebenfalls neu entstanden war. Sanne beneidete diesen Berliner Unternehmer und seine Mitarbeiter, die dort täglich sitzen durften und beim Blick aus dem Fenster bestimmt immer wieder neue aufregende Dinge zu sehen bekamen. Sie hatten den Fortschritt direkt vor der Nase! Neben das...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2023
Reihe/Serie Nord-Ostsee-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Architektur • Die Frauen vom Jungfernstieg • Die Villa an der Elbchaussee • Familiensaga • Familien-Saga • Frauenschicksal • Hafenstadt • Kanal • Kiel • Lena Johannson • Meer • nordostseekanal • Nordsee • Ostsee • Romanbiographie • Saga • Schifffahrt • Schleswig-Holstein • Sehnsuchtsort • Starke Frauen • Ulrike Renk
ISBN-10 3-8412-3116-0 / 3841231160
ISBN-13 978-3-8412-3116-1 / 9783841231161
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