Dorian Hunter 99 (eBook)

Der grüne Leichnam

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3214-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 99 - Neal Davenport
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Hekates Züge waren angespannt. Mit beiden Händen umklammerte sie die magische Kugel, die giftgrün leuchtete. Sie war die einzige Lichtquelle in dem düsteren Raum.
»Ich rufe dich, Marcel d'Arcy«, sagte Hekate laut. »Marcel d'Arcy, melde dich!«
Die magische Kugel pulsierte stärker. Das grüne Licht erlosch; die Kugel wurde milchig und dann durchscheinend. Sekunden später war ein Gesicht zu sehen. Es war knochig. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen, der Schädel war völlig glatt rasiert.
»Marcel d'Arcy«, flüsterte Hekate, »wie ist die Entscheidung deiner Sippe?«
D'Arcy öffnete den blutleeren Mund und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Unser Entschluss steht fest, Hekate. Wir brauchen einen starken Fürsten der Finsternis. Deine Tage sind gezählt, Hekate ...«


1. Kapitel


D'Arcy verzog den Mund verächtlich. »Luguri ist ein Führer ganz nach unserem Geschmack. Er wird dem Bösen zum Durchbruch verhelfen. Er hat die Familie aufgerüttelt. Deine Tage sind gezählt, Hekate.«

Hekate nahm die Hände von der Kugel, und Marcel d'Arcys Gesicht löste sich auf.

Wütend sprang Hekate auf. Mit beiden Händen schob sie das lange, flammend rote Haar aus dem Gesicht und warf es über ihre schmalen Schultern. Ihr Gesicht war ein bleiches Oval, in dem die grünen Augen wie strahlende Edelsteine leuchteten. Sie trug ein hautenges, grünes Kleid, das die Sinnlichkeit ihres aufreizenden Körpers unterstrich.

Ihr Versuch, sich einige Verbündete zu sichern, war kläglich gescheitert. Den ganzen Tag über hatte sie sich mit verschiedenen Sippen in Verbindung gesetzt. Sie hatte sich Gewissheit verschaffen wollen, welche Sippen ihr helfen würden. Doch das Ergebnis war erschütternd gewesen. Nicht eine einzige Sippe stand hinter ihr.

Erregt lief sie im Zimmer auf und ab. Dabei ballte sie die Hände zu Fäusten. Offiziell war sie noch immer die Herrin der Schwarzen Familie. Aber wie lange noch?

Ihre Position war nie besonders stark gewesen. Sie hatte nur wenige Freunde und Verbündete gehabt; die meisten Sippen hatten sich neutral verhalten, und es war ihr nicht gelungen, sich beliebter zu machen. Zu viele Niederlagen hatte sie im Kampf gegen Hermes Trismegistos und den Dämonenkiller einstecken müssen. Und der Anfang vom Ende war Luguris Erweckung gewesen. Sie hatte sich dagegengestemmt, doch ihr war keine andere Wahl geblieben; sie hatte dem Drängen der Sippen nachgeben müssen.

Luguri hatte sofort die Initiative ergriffen und einige Beweise seiner Macht geliefert. Nur zu deutlich erinnerte sich Hekate an Luguris Wüten im »Atlantic Palace Hotel« in New York, und von Tag zu Tag hatte Luguri immer mehr von seinen gewaltigen magischen Fähigkeiten zurückerhalten; er, der seit Jahrtausenden in einem Dolmengrab gefangen gewesen war, hatte sich rasch an die neuen Zeiten angepasst.

Ein spöttisches Lachen ließ Hekate herumfahren. Die magische Kugel änderte die Farbe. Sie strahlte nun dunkelrot und schien zu wachsen. Das Lachen wurde lauter. Ein greller Blitz schoss aus der Kugel, raste auf Hekate zu und hüllte sie ein. Unsichtbare Fesseln umschlangen ihren Leib. Hekate versuchte einen Gegenzauber, aber vergeblich. Spinnenfinger mit langen Krallen ragten plötzlich aus der magischen Kugel. Ein dürrer Arm folgte.

»Luguri«, flüsterte Hekate mit versagender Stimme.

Sekunden später stand der Erzdämon vor ihr. Er war groß und knochig. Sein dünner Körper wurde von einem eng anliegenden Mantel verhüllt. Der schmale Schädel war haarlos, die glühenden Froschaugen lagen in tiefen Höhlen; der v-förmige Mund war zu einem teuflischen Grinsen verzogen.

»Ja, ich bin es, Hekate«, sagte Luguri mit Donnerstimme. »Es war für mich äußerst amüsant, mitzuverfolgen, wie du einige Sippen um Hilfe angewinselt hast. Deine Herrschaft war nur von kurzer Dauer.« Er blickte sie gnadenlos an.

Hekate versuchte sich zu bewegen, doch die unsichtbaren Fesseln verhinderten es. »Was hast du vor, Luguri?«, fragte sie.

Der Erzdämon kam näher. »Ich könnte dich sofort töten, Hekate«, sagte er grinsend, »oder dich in einen Freak verwandeln. Aber das will ich nicht. Ich bin bereit, dir eine letzte Chance zu geben, Hekate.«

»Und die ist?«

»Ich habe dich mit einem Zauber belegt, Hekate. Du hast nichts davon gemerkt, was wieder ein Beweis für deine Schwäche ist. Dieser Zauber wird dich vernichten, wenn du nicht deine Chance nützt.«

»Was muss ich tun?«

»Du hast eine Woche Zeit, Hekate. Keinen Tag mehr. Du musst innerhalb dieser Woche Dorian Hunter töten.«

Hekates Lippen bebten.

»Töte Dorian Hunter, Hekate, dann bleibst du am Leben! Du hast eine Woche Zeit.«

Der Erzdämon drehte sich rasch um, ging auf die magische Kugel zu, berührte sie kurz, und sein Körper löste sich auf.

Die unsichtbaren Fesseln fielen von Hekate ab. Mehrere Minuten blieb das Alraunengeschöpf unbeweglich stehen, dann setzte sie sich auf eine Bank, lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Sie wusste, dass Luguris Drohung ernst gemeint war.

»Eine Woche«, flüsterte sie. Innerhalb von sieben Tagen sollte sie etwas schaffen, was ihr in all den Monaten ihrer Regentschaft nicht gelungen war. Und dazu kam noch, dass sie von keiner Seite Unterstützung erhalten würde. Sie war auf sich gestellt.

Ich muss es schaffen, dachte sie und öffnete die Augen. Ihr Blick fiel auf die magische Kugel. Zuerst musste sie einmal Dorian Hunters Aufenthaltsort herausfinden. Das Weitere würde sich dann finden.

Hekate hatte keine Zeit zu verlieren. Rasch stand sie auf und klatschte in die Hände. Die Deckenbeleuchtung flammte auf, und ein Schrank öffnete sich. In wenigen Augenblicken hatte sie die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Aus Wachs formte sie eine Puppe, die sie neben die magische Kugel stellte. Um den Tisch zog sie einen Kreis, in den sie einige magische Zeichen malte. Darunter schrieb sie: »Dorian Hunter«. Sie kniete vor der Kugel nieder, schloss die Augen und konzentrierte sich.

Deutlich sah sie vor ihrem geistigen Auge Dorian Hunter. Sekunden später war sie in Trance gefallen. Ihr Geist schien sich von ihrem Körper zu lösen. Für einen Augenblick verschwamm alles. Dann sah sie ein Taxi. Es fuhr eine schmale Straße entlang. Im Fond des Wagens saß der Dämonenkiller, der plötzlich zusammenzuckte und sich rasch umblickte.

Hekate zog sich augenblicklich zurück. Sie unterbrach die Verbindung und öffnete wieder die Augen.

Dorian Hunter hielt sich in London auf. Besser hätte sie es nicht treffen können.

Lange hatte ich um eine Entscheidung gerungen, jetzt stand mein Entschluss fest: Ich würde alle Brücken hinter mir abbrechen, so schwer es mir auch fallen würde.

Im Castillo Basajaun hatte ich einen durchschlagenden Erfolg erzielt; niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben. Es war mir keine andere Wahl geblieben, denn wenn ich Hermes Trismegistos' Macht erlangen wollte, durfte mich nichts mehr mit meinem jetzigen Leben verbinden.

Auf der Burg im Seitental des Valira del Norte hatte ich den ersten Schritt getan, der für mich nicht einfach gewesen war. Ich hatte mich so penetrant beleidigend benommen, dass ich mich nachträglich genierte. Kein gutes Haar hatte ich an der Magischen Bruderschaft gelassen, ihre Ziele und Methoden verhöhnt. Ich fand das alles tatsächlich recht kindisch, die Zusammenkünfte in den Tempeln, die lächerlich anmutenden Ränge, den tierischen Ernst, mit dem alles betrieben wurde; das war nichts mehr für mich.

Jeff Parkers Begeisterung für die Bruderschaft hatte mich vor einiger Zeit angesteckt, doch von dieser Begeisterung war nichts mehr übrig geblieben; die Bruderschaft war eine nutzlose Gemeinschaft, die mir im Kampf gegen die Dämonen keine Hilfe war. Für mich zählte im Augenblick nur eines: der Kampf gegen den Erzdämon, der die größte Bedrohung darstellte, die es bisher gegeben hatte.

Unga, den ich fast als Freund betrachtete, und Magnus Gunnarsson, der geheimnisvolle isländische Magier, den ich einige Zeit für Hermes Trismegistos gehalten hatte, waren in den vergangenen Tagen meine Begleiter gewesen. Luguri hatte uns einige beängstigende Proben seiner gewaltigen magischen Fähigkeiten gegeben. Ohne den Ys-Spiegel, den ich vor einiger Zeit gefunden hatte, wären wir verloren gewesen.

Alle meine persönlichen Wünsche musste ich zurückstellen. Mir war bewusst, was dies bedeuten würde – doch ich fand keine andere Lösung. Ich durfte Luguri keinen Angriffspunkt bieten, durfte mir keine Schwäche mehr erlauben.

Ich lächelte verkrampft, als ich an die bevorstehende Aufgabe dachte. Aus der Magischen Bruderschaft würde ich austreten, das Haus in der Baring Road und die Mystery Press vergessen. Ja, und da war noch Coco. Das würde hart werden, vielleicht zu hart. Auch sie musste ich aufgeben. Ich musste meinen Weg gehen, musste ganz einfach dieses Opfer bringen, auch wenn ich seelisch daran zerbrechen würde. Allem musste ich entsagen. Es gab keine andere Möglichkeit.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Zehn Minuten später war ich durch die Zollkontrolle und stieg in ein Taxi. Ich wollte direkt zum Tempel der Magischen Bruderschaft in der Harley Street, nahe dem Cavendish Square, fahren.

Es war ein unfreundlicher Dezembertag. Der Himmel war grau, und gelegentlich regnete es leicht. Ein Wetter, das meine trübe Stimmung widerspiegelte.

Immer wieder wanderten meine Gedanken zu Coco. Ich hoffte, dass sie meinen Standpunkt verstehen würde. Noch immer kam es mir unfassbar vor, dass sich unsere Wege trennen sollten.

Gedankenverloren griff ich in meine Manteltasche und zog eine Zigarette heraus. Für einen Augenblick spürte ich einen kalten Hauch im Nacken. Rasch blickte ich mich um, doch nichts Verdächtiges war zu sehen.

Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Ich war sicher, dass ich mich nicht...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2022
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-3214-4 / 3751732144
ISBN-13 978-3-7517-3214-7 / 9783751732147
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